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Allgemeiner Anzeiger : 18.09.1912
- Erscheinungsdatum
- 1912-09-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
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- SLUB Dresden
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- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1912
-
Monat
1912-09
- Tag 1912-09-18
-
Monat
1912-09
-
Jahr
1912
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 18.09.1912
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Gegen äie Neuerung. Nach längeren Verhandlungen ist nunmehr die Versorgung Berlins (und damit auch eines großen Teiles des Reiches) mit ausländischem Gefrierfleisch in die Wege geleitet worden. Am 6. November wird in Adelaide das erste mit geschlachteten Hammeln gefüllte Kühlschiff die australischen Gewässer verlassen und etwa 100000 Stück geschlachtetes Vieh nach Hamburg bringen. Sechs Wochen später wird man in der Reichs« Hauptstadt das Fleisch zum Verkauf stellen. Den Forderungen des 8 12 wird in vollem Umfange Rechnung getragen sein. Alle inneren Organe sind im Körper des Tieres geblieben, und die Untersuchung wird über de« Gefnndheits- zustand der in Australien geschlachteten Stücke ebenso genaue Auskunft geben, als wären sie auf dem Berliner Viehhof geschlachtet und untersucht worden. Es ist somit jede Bürgschaft gegeben, daß daS aus so weiter Ferne herbeigeholte Nahrungsmittel den vom Gesetz verlangten hygienischen Ansprüchen genügt. Ein Vertreter der australischen Regieruung, Mr. Mac Cann, war in Deutschland, um unsre gesetzlichen Be stimmungen für die Fleischversorgung und die technischen Einrichtungen unsrer Schlachthöfe kennen zu lernen. Auf Grund seiner hier er langten Kenntnisse wird man drüben Bestim mungen erlassen und Einrichtungen treffen, damit bereits bei der Verladung möglichst jede Vorsorge für das Gelingen des Transportes getroffen wird. Hamburg sowohl wie Berlin und auch andre deutsche Großstädte besitzen Kühlanlagen, die umfangreich genug sind, um das in gefrorenem Zustand eingetroffene Fleisch die wenigen Tage genußfähig aufzubewahren, die bis zu seinem Verkauf verstreichen werden. Nach dem ersten Transport werden in regel mäßigen Zwischenräumen von 14 Tagen weitere Ladungen eintreffen. Wenn man bisher die Einfuhr dieses Gefrierfleisches verzögerte, so lag dies an der Schwierigkeit, geeignete Transportdampfer und für den Landverkehr paffende Eisenbahn waggons zu finden. Beide Schwierigkeiten sind jetzt behoben. Für den Eisenbahntransport ist ein Vertrag mit-einer französischen Gesell schaft abgeschlossen, während australische Unter nehmer mehrere Kühlschiffe eingerichtet haben. Wenn nun aber diese neue Quelle zur Er nährung des deutschen Volkes der Fleischnot wirklich wirksam steuern soll, so wird vor allem noch eines notwendig sein: die Herabsetzung des Zolles! Er beträgt zurzeit zwanzig Pfennig pro Pfund. Trotzdem war es bei dem Verkauf des Gefrier fleisches, der vor einem Jahre probeweise in Chemnitz stattfand, möglich, die eingeführte Ware um zehn Pfennig billiger als einheimisches Fleisch abzugeben. Begnügte sich also das Reich mit einer Steuer von fünf Pfennig, so würde trotz dem der Staat einen Vorteil durch die gewaltige Menge des dann eingeführten und zu ver steuernden Fleisches haben. Hat doch England im letzten Jahre fast für eine Milliarde Mark australisches Fleisch verbraucht. Man sollte also weniger eine Änderung des Fleischbeschaugesetzes, als eine Herabsetzung des Zolles zu erreichen suchen. Lian muß nun abwarten, ob dieser Ausweg eine wirkliche Abhilfe ist. Inzwischen sind die Gemeinden des Reiches allenthalben bemüht, auf dem Wege der Selbsthilfe der größten Not zu steuern. So hat die Ge meinde Köln a. Rh. in Dänemark größere Mengen frisches Rindfleisch angekauft, wozu die Stadt verordneten 50 000 Mt. bewilligt haben. Die Fleischerinnung hat sich bereit erklärt, das Fleisch mit einem Aufschlag von 6 Pf. pro Pfund gesonderi zu verkaufen. Infolge der starken Nachfrage nach Fleisch sind in Däne mark die Preise um achi Pfennig pro Pfund gestiegen. Die Stadt Köln ist insofern ge sichert, als sie für 14 Tage einen Preis von 70 Pfennig pro Pfund und von da 73 Pfennig pro Pfund vereinbart hat. Ein eigenartiger Vorschlag wird von der Stadt Schöneberg erwogen. Dort trägt man sich mit dem Gedanken der Gründung einer Gesellschaft zur Einrichtung von Kaninchen-Farmen. Was aber auch geschehen mag, es bleibt doch zweifel haft, ob alle diese Mittel dem nicht zu leugnen den Notstand ein Ende machen. Eine durch greifende Abhilfe und damit eine Verbesserung der Lebenshaltung unsres Volkes kann doch nur durch geeignete Maßnahmen des Reiches erreicht werden, und es ist deshalb zu hoffen, daß die im Reichsamt des Innern stattfindenden Be ratungen zu einem Ergebnis kommen, daS der Notwendigkeit dieser Maßnahmen Rechnung trügt. — Bemerkenswert ist eine Maßregel der badischen Regierung. Sie hat zur Linderung der Fleischnot das Verbot der Einfuhr und Durchfuhr von Rindvieh und Ziegen aus der Schweiz mit sofortiger Wirkung außer Kraft gesetzt. Die Einfuhr und Durchfuhr muß nach den seuchenpolizeilichen Vorschriften erfolgen. Politische AuncUckau. Deutschland. * Prinz-Regent Luitpold von Bayern ist von Hohenschwangau nach Berchtesgaden übergesiedelt. Entgegen der in letzter Zeit ver breiteten Gerüchte von einem zunehmenden Kräfteverfall des greisen Regenten scheint er sich also vollkommen gesund zu fühlen. * Jm Befinden des seit längerer Zeit er krankten Grobherzogs von Baden ist eine Besserung eingetreien, doch bedarf der Patient vorläufig noch der Schonung. * Verschiedene Blätter berichteten in den letzten Tagen, derWiederzusamme ntritt des Reichstages solle vertagt worden sein, weil die Vorlagen bis zu dem bisher vor gesehenen Termin, Ende November, nicht fertig- gestellt sein würden; er werde deshalb erst auf den 2. Dezember einberufen werden. Das ist, wie an zuständiger Stelle erklärt wird, durch aus unzutreffend. In den Arbeitsplänen des Reichstags ist keine Änderung vorgenommen worden. * Im deutschen Schutzgebiet Neuguinea sind im Bezirksamt Friedrich-Mlhelms-Hafen Unruhen ausgebrochen. Es gelang der Polizei truppe, die Rädelsführer gefangen zu nehmen und die Ruhe ohne Blutvergießen herzustellen. Offenbar handelt es sich wieder einmal um Überfälle aufrührerischer Bergstämme auf die Küsten bewohner Neuguineas, wie sie in den letztenJahren mehrfach stattfanden. JmMärzd. I. war ein Dorf überfallen und mehrere Emwohner waren erschlagen worden. Zur Strafe wurde das Dorf der Meuterer in Asche gelegt, und bei den Gefechten wurden die Haupträdelsführer erschossen. Im November v. Js. mußte gegen aufrührerische Bergstämme am Finistöregebirge, die im Oktober 1910 einer kleinen, nur vierzehn Mann starken Abteilung des Bezirksamtmanns Berghausen in Friedrich-Wilhelms-Hafen eine Schlappe beigebracht hatten, eine größere Ex pedition entsandt werden. Außer den Polizei- soldaten nahmen auch Mannschaften des Ver messungsschiffs der Kriegsmarine „Planet" mit zwei Maschinengewehren teil. Schweiz. * Die Vorbesprechungen über einen Frie densschluß zwischen Italien und der Türkei sind nach Schweizer Blättern jetzt so weit gefördert, daß die Ernennung amtlicher Vertreter Leider Länder nahe bevorsteht. Die Bedingungen des Friedensschlusses werden nach wie vor geheim gehalten, doch heißt es, daß sie Italiens Ansprüche befriedigen, ohne die nationale Ehre der Türkei zu verletzen. Wie das zustande gekommen ist, erscheint allerdings sonderbar. Rußland. *Die Reichs duma, die dritte seit Ein führung der Verfassung und die erste, die nicht vorzeitig gesprengt wurde, ist durch kaiserlichen Erlaß aufgelöst worden. Die Eröffnung der neuen Duma, für die die Neuwahlen am 23. September beginnen, findet am 28. Novem ber statt. Men. * General Nogi, der Eroberer Port Arthurs, hat am Tage der Beisetzung des Kaisers Mutsuhito von Japan gemein sam mit seiner Gattin Selbstmord verübt. Ein seltenes Beispiel heldenhafter Vasallentreue bis in den Tod. *Wie die Mandschu-Dynastie, so wütet auch die chinesische Republik mit Grau samkeit gegen ihre Widersacher. In der Nord-Mongolei haben chinesische Truppen ein schreckliches Gemetzel angerichtet. Sie haben ganze Dörfer verbrannt und Frauen und Kinder grausam niedergmetzeelt. Strafgesetzbuch unä StcafproreKoränung. Die Kommission zur Vorbereitung eines neuen Strafgesetzbuches, die seit dem 1. April 1911 tagt, wird nach längerer Pause in den nächsten Tagen wieder zusammentreten und ihre Arbeiten fortsetzen. Ende vorigen Jahres war der allgemeine Teil des neuen Strafgesetzbuches fertiggestellt. Seitdem ist die Kommission in die Beratung des besonderen Teils eingetreien. Nach dem bisherigen Stand ihrer Arbeiten ist anzu nehmen, daß die erste Lesung noch vor Enoe dieses Jahres beendet sein wird. Wie lange die Vie Schlackt Hei O schätz im kaissrmanöver. O Am Donnerstag hat daS Kaisermanöver mit einem heftigen Zusammenstoß zwischen den blauen und roten Truppen seinen Höhepunkt erreicht. Die ersten drei Manövertage hatte Blau gebraucht, um seine ziemlich abseits vom Manövergelände im Westen befindlichen Streit kräfte an den Feind heranzubringen, und so ist es nicht zu verwundern, daß Rot, nur durch geringe blaue, bald überwältigte Reserven auf gehalten, einen glänzenden Übergang über die Elbe bewerkstelligen konnte. Am Donnerstag morgen waren sowohl der Führer der Blauen, sächsischer Kriegsminister v. Hausen, wie der Führer der Roten, General der Infanterie v. Bülow, der vor seiner Be förderung zum Generalinspekteur der brüten Armeftnspektion steht, zum Angriff entschlossen. Blau hatte nach ungeheuren Märschen seine Truppen an den Feind gebracht, und es schien, daß ihm die Umsassung von Nordwesten und Norden her geglückt ist. Nördlich von Oschatz eiuwickelte sich schon zeitig ein Gefecht aller Waffengattungen. Hier waren der Kaiser und der König von Sachsen längere Zeit anwesend. Bis gegen Mittag schwankte die Schlacht. Auf beiden Seiten zeigte sich die zähe An griffslust im besten Licht. Jedermann handelte fast selbständig, und doch war besonders bei Rot der ganze Angriff wie aus einem Guß. Die Schiedsrichter hatten ost Mühe, das Hand gemenge zu entwirren. Schließlich gelang es der 6. roten Division, die Umflügelung der 7. Division zu umfassen und sie zum Rückzug zu zwingen. Mehrere Geschütze von Blau wurden genommen, mehrere Schützenlinien überritten und außer Gefecht gesetzt. Die 5. rote Division bei Oschatz, die gegen die 8. und 24. blaue Division kämpfte, mußte anfangs zurückweichen, doch kam ihr Rückzug zum Stehen, als ihr General v. Bülow die 23. sächsische Division des 12. Korps zu Hilfe schickte. Nach hartnäckigem Widerstand wichen die Leiden blauen Divisionen. Der Schlacht tag endete, wenn auch nicht mit einem voll kommenen Sieg von Rot, so doch mit einer Zurückdrängung des Gegners auf den meisten Punkten. Noch ehe der Morgen graute, wurde der Kampf wieder ausgenommen. Nach und nach gewann Rot, das sich im Schutze dichten Nebels entwickelte, immer mehr Terrain und drängte die blauen Abteilungen immer weiter zurück. Rot war auf der ganzen Linie siegreich vor gedrungen, als um 10 Uhr der Kugelballon ausstieg und so den Schluß des interessanten Manövers verkündete. Kaiser Wilhelm sprach sich in der anschließenden Kritik sehr anerkennend über die Ergebnisse der großen Übung aus. Beratungen des Strafgesetzbuches im ganzen noch dauern werden, läßt sich jedoch mit Be-' stimmtheit noch nicht Voraussagen. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird der Ent wurf des neuen Strafgesetzbuches den jetzigen Reichstag nicht mehr beschäftigen, sondern erst seinem Nachfolger, dem voraussichtlich 1917 zu wählenden Reichstag vorgelegt werden können. Inzwischen ist der Entwurf einer neuen Straf prozeßordnung im vorigen Reichstag wegen der gedrängten Geschäftslage am Ende der Tagung gescheitert. Er wird vorläufig nichi wieder vor gelegt werden, vielmehr wird die Forderung er füllt werden, die von vielen Vertretern der Rechtswissenschaft und auch von zahlreichen prak tischen Juristen von Anfang an aufgestellt worden war, nämlich zuerst das neue Strafgesetzbuch und dann erst die neue Strafprozeßordnung fertigzustellen. Diese Maßnahme erscheint insofern zweck mäßig, als die Strafprozeßordnung, falls sie vor dem neuen Strafgesetz zustande gekommen wäre, doch mancherlei Abänderungen hätte er fahren müssen, um sie mit dem neuen Recht völlig in Einklang zu bringen. Infolge dieser Verschiebung ist man an maßgebender Stelle dem Gedanken ernstlich näher getreten, die Ab schnitte der gescheiterten Strafprozeßreform, die sich auf die Jugcndgerichtsgesetzgebung bezogen, herauszunehmen und etwa in Form einer Er gänzung zur bestehenden Strafprozeßordnung dem jetzigen Reichstag zur Beschlußfassung zu gehen zu lassen. Gerade über diesen Teil des Entwurfs herrschte fast völlige Übereinstimmung zwischen den Parteien und den verbündeten Regierungen, und es ist daher vorauszusehen, daß dieser Entwurf ohne besondere Schwierig keit verabschiedet werden wird. Diese Maßnahme würde mit Rücksicht auf Jugendschutz und Jugend fürsorge überall sympathische Aufnahme finden. f)eer unci floNe. — Die Neuregelung des HeeresergänzungS- geschäfts soll bereits im Frühjahr 1913 erfolgen, nachdem der Reichstag die notwendigen Maß nahmen gebilligt haben wird. Durch die Neu regelung wird neben der Entlastung der Militär behörde eine wesentliche Erleichterung für oie Wehrpflichtigen geschaffen. Sie werden nur noch einmal vorgestellt und die Entscheidung über die Diensttauglichkeit soll bei dieser Vor stellung erfolgen, wobei die bürgerlichen Ver hältnisse tunlichst zu berücksichtigen sind. Die Ungewißheit über das militärische Schicksal des Wehrpflichtigen, die oft für das Fortkommen hinderlich ist, wird dadurch endgültig beseitigt. — Das neue Linienschiff „Kaiser", das zurzeit seine Probefahrten erledigt, hat Lei der fort gesetzten Meilenfahrt an der gemessenen Meile bet Neukrug eine mittlere Höchstgeschwindigkeit von 23,6 Seemeilen in der Stunde erreicht. Las Schiff ist am 22. März 1911 als erster Vertreter der neuen Kaiserklasse auf der Kaiser lichen Werft Kiel vom Stapel gelaufen und mit Turbinen ausgerüstet. Von unct fern. Das Grubenunglück im Rheinland. Die schlimmen Befürchtungen, die man anfäng lich wegen der infolge einer Explosion in dem Schacht Westende eingefahrenen Bergleute gehegt hatte, haben sich erfreulicherweise nicht bestätigt. Die Zahl der Opfer beträgt insgesamt sechs Personen. Das Unglück ereignete sich kurz vor der Beendigung der Schicht vor einer Arbeits stelle, an der die von der Explosion betroffenen sechs Bergleute tätig waren. Wahrscheinlich beim Abtun eines Sprengschusses haben sich Schlagwetter entzündet. Die Explosion war außerordentlich heftig. Einem Schießmeister, der sich etwa ein halbes Kilometer weit vom Herde aufhielt, wurde durch den Luftdruck die Mütze vom Kopf gerissen. Sechzig Bergleute waren zuerst, da der Zugang verschüttet wurde, von der Außenwelt abgeschnitten. Den Rettungs-- kolonnen gelang es aber, die Strecke alsbald wieder sreizubekommen, so daß die Einge schlossenen nach einigen Stunden ungefährdet den I Ausgang gewinnen konnten. A Ans gebracht. 2) Roman von H. Köhler. (F-rtsctzmig.) Der andre der beiden Fremden war ein Handwerksbursche. Des Justizrats eigenes Dienst mädchen hatte ihn an der Tür der alten Dame klingeln sehen, während ein andrer, mit einem Ranzen auf dem Rücken, wahrscheinlich sein Kamerad, auf der Straße vor dem Hause wartend auf und ab ging. Der Schreinergeselle wurde augenblicklich herbeigeholt, mußte aber auch ebenso rasch wieder emlassen werden; da nicht der Schatten eines Verdachts auf ihn fallen konnte. Er hatte nur den Tisch abgeliefert und selber in das Zimmer getragen und war dann ungesäumt zu seiner Arbeit zurückgekehrt. Das Dienstmädchen des Justizrats sollte nun eine genauere Beschreibung der beiden Handwerksburschen geben, was sie aber nicht vermochte, da sie nicht weiter auf dieselben ge achtet hatte, als sie das Haus zwecks einer Besorgung verlies. Nur das wußte sie anzu geben, daß sie etwas abgerissen und ver wildert ausgesehen hätten, und daß der eine geschielt habe. Das war wenigstens ein Anhalt, und die ganze Polizei wurde jetzt in Bewegung gesetzt, um auf einen schielenden Handwerksburschen zu fahnden. Der Justizrat hatte indessen versucht, von dem kleinen Mädchen etwas zu erfahren, das jedenfalls Zeuge der ganzen furchtbaren Szene gewesen war; aber das Kind war so ein geschüchtert und in solcher Angst, daß es fort während schrie und weinte und sich an seiner Mutter anklammerte. Die einzigen Worte, die man aus ihm herausbrachte, waren: „Böse Mann Jeannette totschlagen.' Die Kleine fürchtete sich dabei vor allen Menschen, die ihr nahe kamen, und es blieb nichts andres übrig, als sie vorderhand ganz in Ruhe zu lassen. Mit der Zeit brachte dann vielleicht die Mutter Näheres aus ihr hemus, was möglicherweise einen Anhaltspunkt geben konnte. Im Hause des Justizrats war es indessen recht unheimlich geworden, denn der Mord, da er des Justizrats ganze Tätigkeit in Anspruch nahm, bildete fast das Hauptgespräch eines wie aller Tage, und die Mädchen fürchteten sich schon, wenn sie nach Dunkelwerden den Haus flur passieren mußten. Die Töchter drängten auch den Vater, er möge mit ihnen, da der Sommer außerdem mit Macht hereinbrach, einen lang be- und versprochenen Plan aus führen, und auf einen oder zwei Monate an den Rhein gehen, aber er konnte jetzt nicht fort, denn immer verwickelter gestaltete sich die Untersuchung, die aber trotzdem nichts Be stimmtes ergab, so viel Verdachtsgründe auch nach der und jener Sette auftauchen mochten. Aus dem Kinde war nichts herauszubringsn gewesen, die Mutter hatte es selber über nommen, es allmählich zu befragen. So rasch sich die Kleine aber in der freundlichen Um gebung der eigenen Wohnung beruhigte, so fing sie doch den Augenblick wieder an zu weinen und klammerte sich an die Mutter fest, sobald diese jener Szene auch nur Erwähnung tat. Es war ein „Böser Mann" gewesen, weiter wußte sie nichts. Allerdings waren nicht weniger als acht Handwerksburschen aufgespürt und eingeliefert worden, und einer von diesen, der wirklich schielte, gestand, daß er an jenem Tage — in Be gleitung eines andern, den er aber nicht weiter kannte, und der auch nicht aufgetrieben werden konnte — in der Stadt fechten gegangen sei. In welchen Häusern er aber gewesen, konnte er nicht mehr angeben, und da man auch nicht das geringste Verdächtige, sondern nur ein paar Groschen Kupfergeld und zerrissene Wäsche und Stiefeln bei ihm fand, ließ sich ebenfalls kein Beweis darauf stützen. Man hielt ihn allerdings noch einige Tage in Hast, mußte ihn aber zuletzt wieder frei lassen. Indessen war der Nachlaß der alten Dame untersucht worden, und man hatte bei ihr wohl ziemlich viel schweres Silberzeug, aber sehr wenig bares Geld und gar keine Wertpapiere gefunden, während doch konstatiert wurde, daß sie zahlreiche Koupons allmonatlich bei einem bestimmten Bankier eingelöst. Auch viele Juwelen sollte sie gehabt haben, wie einer der Juweliere in der Stadt beim Kriminalamt an meldete und dabei erklärte, daß er selber ver schiedene Male zu der alten Dame gerufen sei, um dieselben abzuschätzen. Spuren hatten der oder die Verbrecher, wie schon erwähnt, gar keine zurückgelaffen, im Ofen fand man aber eine Menge verbrannter Papier asche, wo es freilich zweifelhaft blieb, ob die alte Dame nicht selber vielleicht kurz vorher Briefe verbrannt habe, denn welches Interesse konnten die Diebe daran nehmen. Nur wenige Briefe lagen in einem kleinen oberen Fach, und bei diesen auch ein, freilich von keinem Notar unterzeichneter „letzter Wille", der ihr Vermögen an barem Geld und Wertpapieren auf sechzigtausend Taler angab, und dasselbe der Stadt zur Gründung eines Waisenhauses vermachte. Man ließ allerdings noch einen Kunst tischler die verschiedenen Möbel genau unter suchen, um vielleicht ein verborgenes Fach zu entdecken, aber umsonst; der Mörder schien alles — bis auf wenige hundert Taler, die in einem Kommodenfach lagen, gefunden und mit geführt zu haben, und der Verdacht lag nahe, daß jemand die Tat verübt haben müsse, der gewußt habe, wo er das Geld zu suchen hatte, da er nur so kurze Zeit zu dem Überfall ge braucht. Man überwachte deshalb die Be wohner des Hauses selber auf das Sorg fältigste, doch auch hier ohne den geringsten Erfolg, und die Akten mußten endlich, da sich nicht einmal eine Liste der vermuteten Wert papiere fand, nach denen man vielleicht den Nummem hätte nachforschen können, geschlossen werden. Ein Schleier lag auf der dunklen Tat, und der Verbrecher hatte sich dem strafenden Arm der Gerechtigkeit entzogen. In den Zeitungen waren indessen die Erben der Ermordeten aufgefordert worden, ihre An sprüche zu erheben, aber es meldete sich nie mand, der solche auch hätte begründen können. Die Hinterlassenschaft der Ermordeten wurde deshalb in öffentlicher Auktion versteigert und der Ertrag dem Fiskus überwiesen, um mit der
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