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Allgemeiner Anzeiger : 21.12.1912
- Erscheinungsdatum
- 1912-12-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
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- SLUB Dresden
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- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1912
-
Monat
1912-12
- Tag 1912-12-21
-
Monat
1912-12
-
Jahr
1912
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 21.12.1912
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Der Beginn -erzrie-enrkonferenz. GreyS Begrüßungsrede. — Trübe Aussichten. Am 16. d. Mts. hat in London die Friedens konferenz zwischen den Abgeordneten der Balkanstaaten und denen der Türkei begonnen. Dabei hielt der englische Staatssekretär des Äußeren eine bemerkenswerte Ansprache, in der er nach den einleitenden Begrüßungsworten ausführte: „Sie werden hier in England eine ruhige, unparteiische und Ihrer Aufgabe günstige Atmosphäre finden, und Sie werden in diesen Sälen sozusagen auf wirklich neutralem Boden weilen, wo es nur Ihre Politik geben wird. Jede Friedensverhandlung nach einem Kriege trägt Schwierigkeiten in sich. Es ist nicht meine Sache, über die Natur dieser Schwierigkeiten im gegenwärtigen Falle zu sprechen, und ich glaube, daß diese Schwierigkeiten sicherlich Gegenstand genauer Anweisungen von Men Ihrer Regie rungen gewesen find. Keine Aufgabe ist edler als die, die Ihnen übertragen worden ist, diese Hindernisse zu über winden und Ihre Bemühungen und Anstrengun gen mit einem Werke des Friedens und der Versöhnung glücklich zu beenden. Auf diese Weise werden Sie dazu gelangen, den Grund zu legen, auf dem es einer weisen und voraus- schauenden Politik gelingen wird, das wirt schaftliche und moralische Wohlergehen für Ihre Länder zu sichern. Läßt es eine Politik an Weisheit und Mäßigung fehlen, so haben die kriegerischen Gewinne keinen Wert für die künf tigen Generationen, andernfalls aber können die Schäden, die der Krieg verursacht hat, wieder gut gemacht werden, und die Bitterkeit macht den Wohltaten des Friedens Platz. Der Friede, der sich aus Ihren Beratungen ergeben wird, muß Ihnen die Achtung ganz Europas ge winnen." Der bulgarische Delegierte Danew dankte für diese Worte und versicherte, der leitende Gedanke der bulgarischen Unterhändler sei die Schaffung eines Friedensvertrages, der der Balkanhalbinsel einen dauernden Frieden sichert, um dem Fortschritt freie Bahn zu machen. In ähnlichem Sinne äußerte sich der Grieche Veni zelos. Auch die Führer der Serben, Monte negriner und Türken dankten kurz. Dann wurde die erste Sitzung beendet, und alle Delegierten nahmen an einem Frühstück teil, das ihnen Staatssekretär Grey gab. Die Rede Greys muß den Eindruck er wecken, daß man in England ganz bestimmt mit dem Zustandekommen des Friedens rechnet. Das ist aber nicht in allen diplomatischen Kreisen der Fall. Zwar hüllen sich die Türken völlig in Schweigen, aber es ist doch bekannt geworden, daß der Sultan ihnen beim Abschied gesagt hat: „Sie können in jeder Weise Ent gegenkommen zeigen, nur Adrianopel, wo die Gebeine meiner Vorfahren ruhen, muß türkischer Besitz bleiben." Da nun der bulgarische Führer Danew erklärt hat, die Abtretung Adrianopels sei eine unerläßliche Vorbedingung für den Friedensschluß, so dürfte schon dieser Punkt zu lebhaften Erörterungen führen. Ähnlich verhält es sich mit Janina, das die Griechen, und mit Skutari, das die Montenegriner beanspruchen. Es kann unter solchen Umständen nicht wundernehmen, wenn in manchen diplomatischen Kreisen die englische Friedenszuversicht nicht geteilt wird. In Frankreich z. B. ist man der Ansicht, daß in der Frage der Gebietsabtretung keine Einigung erzielt werden kann, und daß entweder eine europäische Konferenz den Frieden erzwingen oder der Krieg fortgesetzt werden muß. — Noch weniger Hoffnung hat man neuerdings auf eine friedliche Beilegung des serbisch-österreichischen Konflikts. In der Tat lassen die Maßnahmen der österreichischen Regierung nur den Schluß zu, daß man bestimmt mit einem Waffengang rechnet. Erhalten doch die Frauen der in Deutschland lebenden, jetzt zur Mobilisation ein gezogenen Österreicher von den Konsulaten Kriegsunterstützung I Bosnien und die Herze gowina stecken voller Militär und auf Wiener Bahnhöfen ruht teilweise der Güterverkehr. Es ui laum anzunehmen, daß Österreich die unge ¬ heuren Kosten einer so umfangreichen Mobili sation zum Zwecke einer bloßen Kundgebung auf sich nehmen sollte. Viel glaubhafter er scheint, daß der Beginn der Londoner Friedens konferenz im Zeichen kriegerischer Akkorde steht. Vnebkor. Politische kunälckau. Deutschland. * Zu den Mitteilungen über einen mili tärischen Nachtragsetat wird halb amtlich erklärt, daß es sich dabei nur um Forde rungen für Luftschiffe und Flugzeuge handeln wird. Andre Forderungen, die erwähnt wurden, wie für Kavalleriedivisionen, Haubitz-Regimenter, Erhöhung der Bespannung der Feldbatterien usw. werden in demselben nicht enthalten sein. Was übrigens die Erhöhung der Bespannung der Batterien angeht, so ist das jetzt Anzu fordernde bereits in dem veröffentlichten Heeres etat enthalten. *Die Kommission zur Beratung des Vor entwurfs zum neuen deutschen Straf gesetzbuch wird zu Anfang des Jahres 1913 mit der zweiten Lesung des Entwurfs beginnen. Diese zweite Lesung wird voraus- sicytlich ein halbes Jahr dauern, so daß der fertige Entwurf zu dem neuen Gesetz zur Zeit der Gerichtsferien des Jahres 1913 vorliegen wird. Auf die Fertigstellung dieses Entwurfes wird dann die Beratung für das Einführungs gesetz beginnen, die gleichfalls einen längeren Zeitraum beanspruchen wird. Der vollständige Entwurf dürfte nicht vor Anfang des Jahres 1914 zur Vorlage an die Bundesregierungen gelangen. Nach der Begutachtung durch die Regierungen erfolgt dann die Vorlage an den Bundesrat und die Durchberatung. An früheren ähnlichen Vorlagen gemessen, kann damit ge rechnet werden, daß das neue Gesetz nebst Ein führungsgesetz im Jahre 1917 dem dann neu gewählten Reichstag vorliegen wird. *Nach einer Mitteilung des christlichen Ge werkvereins haben unmittelbar nach der Be kanntgabe des Streikbeschlusses der Revier konferenz 30006 von 50000 Bergarbeitern des Saarreviers sich durch Unterschrift verpflichtet, die Arbeit am 2. Januar niederzulegen. Italien. * Der Kriegs Minister hat auf Vor schlag der Kommission, die mit der Prüfung aller in das Gebiet des militärischen Flugwesens einschlägigen Fragen betraut ist, einen Wettbewerb für die Lieferung von 28 Flugmaschinen eröffnet. Zum Wettbewerb ist nur die italienische Industrie zugelassen und alle Apparate müssen ausschließlich in Italien hergestellt sein. Nur die Motoren dürfen vom Auslande durch italienische Firmen oder Kon strukteure bezogen werden. Belgien. * Zwischen Belgiern und Portugiesen sind an der Grenze des portugiesischen und belgischen Kongogebietes ernste Zwistig keiten ausgebrochen. Es heißt, daß im um strittenen Bezirk Lunde, den die Belgier zeit weilig gewaltsam besetzt hatten, die Portugiesen dank erhaltener militärischer Verstärkungen gegen wärtig wieder die Herren sind, daß sich aber die Belgier ebenfalls verstärken wollen, um das Gebiet wieder einzunehmen. — Man irrt also, wenn man meint, daß solche Zwistigkeiten neuerdings vor dem Haager Schiedsgericht ge schlichtet werden. Vatkanstaaten. *Nach türkischen Meldungen haben an der Dardanelleneinfahrt zweiGefechte zwischen der griechischen und dec türkischen Flotte stattgefunden. Dabei soll ein grie chischer Torpedobootzerstörer zum Sinken ge bracht und das griechische Schlachtschiff „Aweroff" schwer beschädigt worden sein. Amerika. *Die Bevölkerung von Putumayo in der südamerikanischen Republik Lima versuchte die beiden von der Regierung von Peru zur Unter suchung der Greueltaten in den Gummiwäideru entsandten Kommissare zu lynchen. Die Be völkerung im Bezirk der Gummiwälder begann auf AnstiftungMinflußreicher Interessenten einen Aufruhr. Diw Kommissare wurden ernstlich verletzt, und zwar in Gegenwart eines peruani schen Beamten, ohne daß dieser Schritte zur Unterdrückung des Aufruhrs unternahm. Es scheint so, als ob die Untaten der Gummi pflanzer, denen in den letzten Jahren Tausende von Indianern zum Opfer gefallen sind, keine Sühne finden werden. Lisenbahnkataftrophe in Sizilien. 25 T o t e - 105 V e r l e tz t e. Auf der Eisenbahnstrecke Catania—Messina, bei der Station Mangano, stieß am 15. d. Mts. infolge falscher Weichenstellung der Schnellzug Rom -Syrakus mit einem rangierenden Güterzug in voller Fahrt zusammen. Dabei wurden fünf undzwanzig Personen getötet, fünfzehn schwer verletzt und neunzig trugen leichtere Verletzungen davon. Der Zusammenstoß war so heftig, daß zehn Wagen des Schnellzuges einschließlich des Speisewagens aus den Gleisen geworfen und zertrümmert wurden. Glücklicherweise war Hilfe schnell zür Stelle; doch spielten sich bei dem Rettungswerk gräßliche Szenen ab. Die verunglückten Passagiere, von denen sich viele zur Zeit des Zusammenstoßes im Speisewagen aufgehalten hatten, waren zwischen den Trümmern eingeklemmt und erfüllten die Luft mit ihrem Stöhnen und ihren Schmerzensschreien. Die Wagen mußten aus einandergeschlagen werden, um die einge schlossenen, teilweise gräßlich verstümmelten Menschen aus ihrer schrecklichen Lage befreien zu können. über das schwere Unglück werden folgende Einzelheiten berichtet: Der Eilzug, der nach mittags 5 Uhr 15 Min. Catania mit zwei Vor spannmaschinen und einem Restaurationswagen verließ und mit Sonntagspublikum voll besetzt war, passierte die Station Mangano mit der Schnelligkeit von fünfzig Kilometern anstatt auf freiem Gleise infolge falscher Weichenstellung auf dem dritten Gleise, wo ein Güterzug von drei zehn Wagen rangierte. Der Zusammenstoß er folgte mit furchtbarer Wucht. Das Unglück nahm solche Ausdehnung an, weil der an den schweren Restaurationswagen angekoppelte Waggon, der mit Passagieren erster und zweiter Klasse vollgepfropft war, an dem widerstandsfähigeren Restaurationswagen völlig zerschellte. Die zwei Schnellzugsmaschinen zertrümmerten die Güterzuglokomotive, so daß beide Züge buchstäblich übereinander standen. Aus der Voruntersuchung geht hervor, daß für das Unglück allein der Weichen st eller von Mangano verantwortlich ist, der aus Unachtsamkeit den Schnellzug auf das falsche Gleis leitete. Als er den Irrtum bemerkte, war das Unglück nicht mehr zu verhindern. Der unaufmerksame Beamte rannte, als er den Zusammenstoß kommen sah, wie von Furien gejagt, über das Feld; auch der diensthabende Stationschef floh im Bewußtsein der auf ihm lastenden Verantwortung. Beide wurden von Karabinieris verfolgt. Trotz fieberhafter Rettungsarbeiten war es erst nach stundenlanger Arbeit möglich, alle Verwundeten und Toten zu bergen. Auf der Verlustliste befinden sich keine deutschen, da gegen viele süditalienische Namen. Viele der Leichen waren so verstümmelt, daß sie völlig unkenntlich waren. Mie äer Älatfenstillstanä unterLeicbnet wuräe. Ein interessantes Stimmungsbild von dem denkwürdigen Augenblick, da in Baschesköi der Waffenstillstand endlich unterzeichnet wurde, ent wirft der Kriegskorrespondent der Stampa, der unmittelbar vorher von Nazim-Pascha in Hademköi im Salonwagen empfangen wurde und die Fahrt zur Unterzeichnung mitmachen durfte. „Ich traf den Generalissimus der ottomanischen Armee unmittelbar vor seiner Ab reise zur Ratifizierung des Vertrages über die Waffenruhe. Nazim-Pascha hatte in der Nähe seines Hauptquartiers, für dessen Standort er bekanntlich seinen Eisenbahnwagen gewählt hat, eine große Anzahl von Soldaten besichtigt, die als genesen aus dem Lazarett entlassen wurden und jetzt wieder zu den Waffen zurückgekehrt sind. Die Soldaten brachten ihrem Führer be geisterte Kundgebungen. Er empfing mich äußerst liebenswürdig. Der Zug, der nur aus zwei Wagen bestand, fuhr um V-5 Uhr von Hademköi ab. Die Fahrt bis Baschesköi währte nur eine Viertelstunde, und sofort nach der An kunft bestiegen die bulgarischen Delegierten und die Bevollmächtigten der andern Balkanstaaten den Wagen Nazim-Paschas." Später erfuhr der Italiener von einem hohen türkischen Stabsoffizier, der bei der Unterzeichnung zu gegen war, einige Einzelheiten der Szene. Die verbissene Haltung der Griechen war die Ursache, daß die Diskussion noch einmal anfing und über drei Stunden währte. Erst um acht Uhr setzten die türkischen, bulgarischen und montenegrinischen Delegierten ihre Unterschrift unter das Aktenstück, fast unmittelbar darauf verabschiedeten sich die^ Unterhändler und kehrten in ihre Ouartiere zurück. „Das wichtigste Charakteristikum der Gespräche," so erzählte der Stabsoffizier, „war die außerordentliche Herzlichkeit zwischen den türkischen und bulgarischen Bevollmächtigten. General Sawow beglückwünschte Nazim-Pascha für den Heldenmut, den der türkische Soldat, besonders in den letzten Tagen, gezeigt habe. Und Nazim-Pascha erwiderte, seine Leute hätten sich mit den ritterlichsten Feinden geschlagen, es gäbe keine Klage gegen das Verhalten der Bulgaren, deren Heldenmut er, Nazim-Pascha, wie die ganze Welt bewundere." Diese gegen seitige Achtung und dieses völlige Fehlen jedes Haffes zwischen Türken und Bulgaren spiegelt sich auch deutlich in dem Verhalten des Publi kums und in der öffentlichen Meinung, ja sogar in den amtlichen Kreisen Konstantinopels wider, wo eine herzkche Verständigug mit den Bulgaren an der Tagesordnung zu stehen scheint. Von uncl fern. Eine gefährliche Zelluloidexplofio» er eignete sich in Wald bei Solingen. In der dortigen Fabrik der Firma Achmittert explo dierten aus unbekannter Ursache sünf Sack Zelluloidabfälle, die im Keller lagerten. Das Kellergswöloe stürzte zusammen, einige Wände wurden umgeworsen, die Decke und 60 Fenster scheiben wurden zertrümmert. Vier Personen, die sich in einem Raume über dem Explosions herd befanden, erlitten erhebliche Verletzungen. Mißglückte Verhaftung zweier Kirchen räuber. Auf dem Bahnhofe in Fulda sollten zwei in einem Eisenbahnzuge aus der Röhn ankommende Männer verhaftet werden, die dringend verdächtig sind, einen Kirchenraub in Ober-Bimbach ausgeführt zu haben. Einer der Verdächtigen sprang kurz vor der Station aus dem fahrenden Zuge. Als der andre fest genommen werden sollte, entspann sich ein Kampf. Der Verbrecher schoß aus einem Revolver auf den Schutzmann, der zwar nur leicht getroffen wurde, aber ohnmächtig zu- sammeubrach. Als mehrere Eisenbahnbeamte hinzueilten, feuerte der Verbrecher auch auf diese, ohne glücklicherweise jemand zu treffen. Die Verfolgung wurde fortgesetzt, doch gelang, es dem Angreifer, zu entkommen. Das leidige Spiel mit der Schuß waffe. Ein Geselle eines in Köln wohnenden Bäckermeisters hantierte mit einem Revolver, wobei sich die Waffe entlud und eine Kugel dem Bäckermeister in den Kopf drang. Als der Geselle sah, was er angerichtet hatte, rich tete er die Waffe gegen sich und brachte sich eine gesährliche Schußwunde bei. Beide Per sonen wurden ins Krankenhaus geschafft. Unfall im Stuttgarter Hoftheater. In der Vorstellung von Schillers „Räubern* fiel im Stuttgarter Hostheater im Bühnenraum dem Schauspieler Trost eine Birne der großen elektrischen Hängelampen auf den Kopf und zersplitterte vollständig. Der Kopf des Schau spielers war mit Glassplittern förmlich geipickt. Nach Anlegung eines Notverdaudes wurde der Verunglückte zu einem Arzt gebracht. K Der Sturm bricbt los. Historische Novelle von A. Lindner. Kortsetzmig.f „Das tät' ich!" rief York, Plötzlich auf- Dringend. „Beim lebendigen Gotti" „Und hätten Sie," fuhr Elise mutig fort, Renen Vertrag schließen können, wenn Gräff Sie nicht durch seinen Fehler von Macdonald abgeschnitten hätte? Sie selbst haften nicht den Mut, die Schiffe hinter sich abzubrennen, aber den Mut haben Sie, Ihre Verzweiflung zu einem Heldenentschlusse zu stempeln? O, so wahr Gott lebt, ich setze mein Leben daran, bis das unschuldige Opfer mißverstandener Militärehre so frei umhergeht, wie der Mann, der 15 000 Preußen das erste Beispiel des ^nstruftionsbruchss gegeben hat!" Der General faßte den Kopf des schbven, erglühenden Mädchen zwischen seine Hände und küßte sie zum zweite« Male auf die Stirn. „Elise!" sagte er, sie mit einem Strome väterlichen Wohlwollens aus dem Auge über schüttend. »Das war eine derbe Lektion, nur schade, daß sie zu spät kam." „Was soll das heißen, General?" „Seit dem Weihnachtsabend von Tauroggen hab' ich in der Tat das Recht nicht mehr, über Gräffs Fehler zu richten. Er ist nach Berlin «gangen, um sich dort seinen Spruch zu holen." Und also nicht in Hast? O, mein Gott!" Mse legte die Hand an die Stim. Sie fühlte, Hatz sie ihr Mädchenherz hatte zu weil gehen lassen, und wehe, wenn der General es fühlte und benutzte. Und er benutzte es. „Und nicht wahr," fragte er neckend, „diese Lektion galt doch nur der gerechten Sache und der leidenden Unschuld? Dasselbe hättest du dem General gesagt, wenn der Sünder einer meiner letzten Troßbuben wäre?" Elise legte auch die andre Hand an das brennende Gesicht. Von ihrem Heroismus keine Spur mehr; denn das Weib trat in seine voll ständigen Rechte. Zwar machte sie mit den Worten: „Warum nicht, Pate General?" einen schwachen Versuch, die vorige Position wieder zu gewinnen, aber York war vollständig Meister der Lage geworden, und fuhr scherzend fort: „Natürlich, mein Kind, nur muß ich bitten, nicht mit solchen Wangen meinen Pulvermaga zinen zu nahe zu kommen. Ich weiß nun schon, was ich wissen wollte." „Und was wissen Exzellenz?" „Daß ich sorgen muß, meine Uniform auf putzen zu lassen, weil sie mir in Rußland zu schwarz geworden." „O, sie taugt noch immer für das Schlacht feld." - „O ja, aber nicht für einen Brautführer!" Gut, daß Elise dieser jüngsten Verlegenheit durch hastige Tritte überhoben wurde, die sich dem Zimmer näherten. Mit verstörten Menen trat der Professor Delbrück ein, eine Zeitungsnummer in der Hand tragend. „Da, Generali" rief er. „Soeben kommt diese Nummer nach Königsberg!" „Hat der König den Krieg erklärt?" sragte Elise erreg: auf ihn zueilend. Der Vater umfaßte sie, aber es sah eher aus, als wenn er selbst der Tochter als Stütze bedürfe. „Ja, mein Kind," sagte er schmerzlich. „Er hat ihn erklärt der Gnade, der Gerechtigkeit und der Liebe seines Volkes. O Gott im Himmel, so ist es nun doch gekommen!" York hafte gelesen und stand mit keuchender Brust da, während das in die Ferne gekehrte Auge mehr und mehr von seltsamem Feuer sich belebte. „Ich bin abgesetzt!" „Abgesetzt!" schrie Mise auf. „Seine Majestät entbinden mich meiner Kriegspflicht und verlangen die Auslieferung meines Korps. — So frei hat meine Lunge noch nie preußische Luft geschlürft, als da der König gesprochen hat I" Elise trat hastig auf ihn zu. „Und Sie werden diesem Befehle doch nicht gehorchen? Der Befehl ist durch den Franzosen Augerau abgedrungen —" Find bleibt meines Königs Befehl," fiel York energisch ein. „Die Zucht der preußischen Armee, durch die sie siegen muß, ist gerettet, was kümmert mich noch der Kopf, den die Schultern Yorks tragen!" Er warf die Zeitung auf den Tisch und ver ließ das Zimmer. Die Zurückbleibenden hatten eine Minute lang vor Bestürzung kein Wort. „Wenn Gott kein Wunder ausbietet —" stammelte endlich Elise mit ihren Tränen ringend. „Wir haben den Stein ja noch," antwortete der Vater. „Was am Felsen des Charakters stockt, daZ muß die Adlerschwinge des Genies weiter tragen." 22. Auf dem Marktplatz von Königsberg herrschte ein reges Leben. Vor dem ehrwürdigen Bau des Rathauses, zu dessen Inneren Stufen durch steinerne Bogen führten, trieb sich sine Merne von allerlei Leuten umher, und zwar derart, daß Jünglinge und Männer mehr aui den Stufen verkehrten und dort aus- und eingingen, während das weibliche Geschlecht durch nichts als die Neugierde hcrbeigelockt, dem Rathause ferner stand und gruppenweise oder paarweise, eifrig schwatzte. Es war in der Mittagsstunde des folgen den Tages. Die Winter-Sonnenwende war vorüber; denn die Strahlen Balders hatte« bereits Kraft genug, auf dem Markte manch« Stelle geschmolzenen Schnees zu verursachen, oder auf der Sonnenseite der Stadt Tropfe« auf Tropfen Wassers von den beschneite» Dächern zu senden. Übersah man die Gesichter der Menge, so lag es auch auf ihnen bereits wie warmer Frühling. Hölder war ja in Ruß land niedergerungen worden, obgleich er, wie man hörte, sich in Frankreich zu neuem, ge waltigen Widerstande rüstete und die letzte Kraft seines Landes aufbot, um seine Erden- Herrschaft zu behaupten. Es half ihm nichts; denn von Tag zu Tag wuchsen dem lichte« Degen Balder die Nerven; nur war das nicht der General York allein, wie der Fähnrich vo« Zettlitz die Sache ausgeiegt hatte, sondern der Gott Balder war die Nationalseele des auf springenden Deutschlands, war ganz derselbe
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