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Allgemeiner Anzeiger : 24.08.1912
- Erscheinungsdatum
- 1912-08-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
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- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191208241
- PURL
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19120824
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- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1912
-
Monat
1912-08
- Tag 1912-08-24
-
Monat
1912-08
-
Jahr
1912
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 24.08.1912
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Xrankenkaffen unä ^rLte. Auf dem 19. Deutschen Ortskrankenkassentag, der in Köln seine Versammlung abhixlt, stand als wichtigster Punkt ein Referat über das Ver hältnis zwischen Krankenkassen und Ärzte auf der Tagesordnung. Geschäftsführer Brachel- Köln führte dazu aus, daß die Arztfrage durch die neueren Beschlüsse der Arzte - Organisation eine bedeutende Verschärfung erfahren habe. Von den einzelnen Ärzten sei zunächst eine Erklärung eingefordert worden, wonach diese die Mitwirkung versagen, wenn die Reichsver sicherungsordnung den Wünschen des Leipziger Ärzteverbandes nicht entspricht. Der Stuttgarter Ärztetag habe durch seine Beschlüsse das weitere Vorgehen der Ärzteorganisation bestimmt. Kein Arzt dürfe mehr Verträge mit Krankenkassen usw. abschließen; die Vertragsabschlüsse behalte sich die Arzteorganisation vor. Auf Verlangen der Organi sation müssen die Arzte ihre Verträge kündigen. Alle Verträge unterlägen der Genehmigung durch eine Zentralstelle des Leipziger Verbandes. Dadurch gerate der einzelne Arzt in eine ganz unwürdige Abhängigkeit von der Organisation; das Selbstbestimmungsrecht der einzelnen Arzte sei ausgeschaltet. Das sächsische Ministerium habe sich schon mit einem Erlaß hiergegen ge wendet. Der neuerliche Beschluß des Leipziger Verbandes, wonach die Arzteorganisation zur erfolgreichen Durchiührung ihrer Forderungen „gleichzeitig,, geschlossen, gleichmäßig und einheit lich" vorgehen solle, könne nur als die Androhung des Generalstreiks , gedeutet werden. Zu dem allgemeinen Kampf habe sich der Leipziger Verband noch weiter gerüstet, indem er die einzelnen Arzte durch Verpflichtungsscheine auf Ehrenwort zur Ge folgschaft verpflichtet hat. Durch maßvolle Grundsätze und vornehme Kampfesweise hätte der Leipziger Verband sowohl bei den Organen der Krankenversicherung als auch bei den gesetz gebenden Körperschaften für die deutsche Ärzte schaft weit mehr erreicht, als durch seine rück sichtslos sich über alles hinwegsetzende Kampfes weise. Die Macht der Arzteorganisationen be ruhe in der Verquickung von wirtschaftlicher Arzte-Organisalion und gesetzlicher Standes- vertretung und in dem ungleichen Rechts verhältnis, wonach die Kassen auf die Ärzte, diese aber nicht auf die Kassen angewiesen sind. Bei den Kassen herrsche unerschütterliche Über einstimmung dahin, daß die Entscheidung über die Frage des Arztsystems allein den Kassen zusteht. Alle Kranlenkassenverbände, Arbeiter, Angestellte und Versicherte aller Parteien seien darin einig, daß sie die ihnen anverlrauten wichtigen öffentlichen Interessen auch gegenüber dem Ärzteverband wahren und den ihnen auf gedrungenen Kampf annehmen müssen, der mit Hilfe der Ermächtigung der Kassen zur Gewäh rung einer Geldleistung an Stelle der ärztlichen Behandlung für die Kassen siegreich enden müsse. Einzig nnd allein das Bestreben, die deutsche Krankenversicherung ihrem eigentlichen Zweck zu erhalten, zwinge die Kaffen zur Gegenwehr. — Danach nahm das Wort Oberregierungsrat Dr. Marenhold vom Oberversicherungsamt der Rhein Provinz. Er wünscht, daß das gegenseitige Verstehen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern Wachsen und die Verhandlungen dazu beitragen mögen, den sozialen Gedanken, der in der Reichsgesetzgebung für die Krankenversicherung niedergelegt ist, auszuüben und zu vertiefen im Interesse der deutschen Arbeiterschaft und des Reiches selbst. — Regierungsrat Dr. Happe betonte, daß das Reichsversicherungsaml bei all. seinen Entscheidungen und Maßnahmen nrcht vom grünen Tisch aus regiere, sondern, wie bisher, so auch in Zukunft mit den Ver tretern der Ortskrankenkassen zusammenarbeiten werde. — Bürgermeister Dr. Fuchs-Köln: Heute stehen die Krankenkassen an einem Wendepunkt und vor schweren Aufgaben. Leider ist gerade Köln der Tummelplatz lebhafter Meinungsver schiedenheit auf dem Gebiet der Krankenkassen gewesen«, und hier wurde mit einer Leiden- i schaftlichkeit gekämpft, wie nirgends anders. Mögen die Kaffen nie vergessen, daß sie nicht Selbstzweck, sondern der Versicherten wegen da sind. — In der weiteren lebhaften Debatte nahm unter andern auch der Vorsitzende Landtagsabgeordneter Fräßdorf das Wort und führte aus: Die Erfahrung der letzten Zeit habe den Kassan gezeigt, daß es unbedingt er forderlich sei, den Bestrebungen des Leipziger Arzteverbandes entgegenzutreten. Unter keinen Umständen dürfe die freie Arztwahl allgemein werden, da es von ihr kein Zurück mehr gebe. Die jetzigen Rechte der Kaffen dürfen nicht preisgegeben werden. Es sei aus geschlossen, daß die Ärzteschaft den Kassen die Friedensbedingungen diktiere. — Gräf-Frank- furt a. M. meint, in dem Kampfe seien die Waffen ungleich verteilt, da die Regierung der Ärzteschaft viel Entgegenkommen zeigt. Ein Tarifvertrag, wie er von der Regierung ge wünscht werde, sei noch in weiter Ferne, aber eine Aussprache zwischen den beiden Parteien sei wohl möglich, um die Tonart im Kampfe zu mildern. Trotzdem sich beide Parteien jetzt gerüstet gegenüberstehen, sei ein Frieden anzu streben. Im Notfälle, wenn die Kassen keine Zugeständnisse erhielten, sei aber der Kampf aufzunehmen. — So hat also auch diese neuer liche Aussprache über das Verhältnis zwischen Krankenkassen und Ärzten, das sich in den letzten Jahren immer unerfreulicher gestaltet hat, keine Klärung gebracht, und es ist sehr zu be fürchten, daß der Kampfzustand mit der Zeit zu unerträglichen Verhältnissen führt. Politische Kuncllckau. Deutschland. *Kaiser Wilhelm hat in Frank- furt a. M. einen Besuch abgestattet, um die neuen Hafenanlagen zu besichtigen. * Prinz Heinrich von Preußen hat von Kiel aus die Reise nach Japan zur Bei setzung des verstorbenen Kaisers angetreten. Der Prinz reist bekanntlich über Sibirien. O Zum Fall Kostewitsch wird noch berichtet, daß der russische, unter dem Verdacht der Spionage stehende Hauptmann zwar nicht „auf Ehrenwort" entlassen worden sei, wohl aber sich „verpflichtet" habe, zur Verhandlung zu erscheinen. Nun aber ist Kostewitsch sofort nach seinem Eintreffen in Petersburg eröffnet worden, daß man beschlossen habe, ihn auf seinem Posten zu belassen. Außerdem bekommt er Urlaub, um auf Kosten der Krone zwei Monate in Kaukasus oder Krim seine im deutschen Gefängnis erschütterte Gesundheit aus- zubessern. Hauptmann Kostewitsch ist also in aller Form „entwischt". * Wie mitgeteilt wird, sind die Verhand lungen zwischen dem Großherzogtum Baden und der Schweiz über die Kanalisie rung des Oberrheins zwischen Basel und Konstanz, die sich sehr lange hingezogen haben, nunmehr bis zu einem gewissen Abschluß gediehen. Die Regierungen beider Staaten haben sich dahin geeinigt, zur Gewinnung von Entwürfen für den bedeutsamen Plan einen internationalen Wettbewerb auszuschreiben. Zur Durchführung desselben soll die Summe von 108 000 Mk. aufgewendet werden, dsi von Baden und der Schweiz je zur Hälfte getragen wird. Der erste Preis soll 40 000, der zweite 28 000 und der dritte 20 000 Mk. betragen. Frankreich. *Die französische Presse verzeichnet mit Genugtuung, daß der aus Rußland heim kehrende Ministerpräsident Poincarö auch auf der Rückreise von einem deutschen Kriegsschiff mit 19 Schuß salutiert worden ist. Bei der Heimfahrt in dem Großen Belt, bei der Insel Langeland, begegnete der „Condö" in einer Entfernung von zwei Meilen einem deutschen Kriegsschiff vom Typ der „Braunschweig". Das deutsche Schiff hißte die französische Flagge und begrüßte den franzö sischen Ministerpräsidenten mit einem Salut von 19 Schuß. Der „Condä" seinerseits hißte die! deutsche Flagge und erwiderte den Salut. Der ,Figaro' bemerkt zu dieser Begegnung: „Man muß.sich beglückwünschen, daß ein reiner Zufall zweimal auf hoher See die deutsche und französische Flagge vereinte und den Marinen der beiden großen benachbarten Länder ge stattete, sich diesen gegenseitigen Beweis er gebener Höflichkeit zu geben." England. *Der Staatssekretär des Äußeren, Grey, hat auf die Einladung Osterreich-Ungarns mit der Mitteilung geantwortet, er werde glücklich sein, in einen Meinungsaustausch über die Lage der Balkanprovinzen des türkischen Reiches einzutreten. Da somit alle Mächte einer Besprechung der Balkanfrage zu- gestimmt haben, darf man hoffen, daß die Ver handlungen bald beginnen und daß sie ein be friedigendes Ergebnis haben. Balkanstaate«. Montenegro will sich nicht beruhigen. Man hält dort die Zeit für gekommen, um endlich die Grenzstreitigkeit en mit der Türkei endgültig zu regeln. Deshalb rüstet man ganz offen zum Kriege. Natürlich trifft die Türkei Gegenmaßregeln, so daß es nicht ausgeschlossen erscheint, daß man an der türkisch- montenegrinischen Grenze die Feindseligkeiten jetzt in dem Augenblick eröffnet, wo die europäischen Mächte ihre Besprechungen über die Beilegung der Balkanwirren beginnen. Afrika. *Die letzten Nachrichten aus Marokko lauten sehr ernst. Alle Stämme des Innern, auch in der Nähe de» Hauptstadt Fez, befinden sich im Aufruhr. Der Gegensultan El Hiba gewinnt immer größeren Anhang- und beabsichtigt auf Fez zu ziehen. Aber auch im nordwestlichen Küstengebiet (der Einflußsphäre Spaniens) stehen die Dinge sehr schlimm, denn Madrider Blätter melden, daß spanische Truppen Argila besetzt hätten. Aste«. "Wenn nicht alles täuscht, wird der Präsi dent Iuanschikai dem allgemeinen Wirr warr in China zum Opfer fallen. Die Stimmung des Volkes ist gegen ihn, weil er mehrere Offiziere, die im Verdachte standen, eine Gegenrevolution ins Werk setzen zu wollen, hinrichten ließ. Man nennt bereits als Juan schikais Nachfolger Dr. Sunjatsen, den Organisator der Revolution. ver Zernflug Paris—Berlin. Der französische Flieger Audemars ist am Sonntag früh in Jssy bei Paris zum Fluge Paris—Berlin um den 100 OVO-Frank-Prels aufgestiegen, den einige Sportsleute für den Flieger gestiftet, der in zwölf Stunden die Strecke Paris—Berlin zurücklegt. Wie seinem Vorgänger Brindjonc, der den Versuch kürzlich machte, ist es auch Audemars nicht gelungen, das Ziel noch an demselben Tage zu erreichen. Er ist abends bei Bochum gelandet. Am Montag früh 5 Uhr stieg der Flieger trotz ungünstigen Wetters zur Weiterfahrt mit dem Flieger Lübbe, der ihn bis Dortmund be gleitete, zum Fluge nach Berlin auf. Wegen des herrschenden starken Nebels, der die ganze Gegend einhüllte und die Orientierung auf die Dauer unmöglich machte, sahen sich die beiden Flieger genötigi, sofort wieder niederzugehen. Uur 7 Uhr 37 Minuten stieg Audemars, obwohl auch jetzt noch der Nebel sehr stark war, aber mals auf. Kurz «ach neun Uhr muffte er in der Nähe von Hannover wegen Benzinmangels abermals landen. Nachdem durch die Polizei seine Personalien festgestellt waren, flog er 'abermals auf und landete abends gegen 6 Uhr glatt auf dem Flugplatz Johannisthal-Adlershof bei Berlin. - Wie der Flieger erzählte, war die Fahrt von Paris nach Bochum sehr stürmisch und fast auf dem ganzen Wege gefahrdrohend. Bei dem Aufstieg war das Wetter sehr neblig, so daß die Orientierung erschwert war. Nach etwa einer Viertelstunde verschwand der Nebel. Dafür fetzte aber ein furchtbarer Wind ein, der den Apparat hin und herwars. Bis Reims brauchte der Flieger rund 75 Minuten. In Marcour in Belgien mußte Audemars nieder gehen, um Benzin einzunehmen. Er hatte dort einen unerwünschten Aufenthalt von zwei Stunden, weil der unentbehrliche Brenn stoff erst aus einem Nachbardorse beschafft wer den mußte. Sehr schwierig gestaltete sich namentlich der Flug über die Ardennen und weiter bis nach Bonn. Der Apparat wurde von Seiten- und Rückenböen gefaßt und ost mehr als hundert Meter niedergedrückt. Trotz dieses abscheulichen Wetters war es dem Flieger ein leichtes, sich an der Hand der mitgenommenen Karte zu rechtzufinden. Schwierig wurde die Sache erst im rheinisch-westfälischen Jndustriebezirk. Aude mars verstigte über zwei Karten, von denen eine die Route Essen—Berlin aufweist. Die Ab sicht des Fliegers war, auf dem Flugplatz Gelsenkirchen—Rotthausen oder Wanne zu landen. Nach Ablaufen der Essener Karte verließ er sich auf gutes Fliegerglück, sah sich dann aber, als er merkte, daß er die beiden Flugplätze bereits überflogen hatte, genötigt, niederzugehen, um seine zweite Karte aufzurollen. Von Hannover aus ging die Fahrt ziemlich glatt vonstatten. Edmond Audemars ist am 3. Dezember 1882 in Genf geboren, steht also im 30. Lebens jahre. Seine ersten Sport-Erfolge erzielte er zuerst im Radrennen und später auf Motor- Radrennen. Auch in Deutschland errang » verschiedene Siege, so u. a. in dem Rennen im Forstenrieder Park bei München. Seit dem Jahre 1909 widmete er sich mit großem Erfolge der Flugtechnik; als Chef-Flugzeugführer der Bleriot-Werke nahm er an zahlreichen Flügen teil. Von deutschen Fliegern steht ihm in bezug auf Leistungen Hirth am nächsten. Beide sind von Beruf Techniker und erzielen nicht zuletzt aus diesem Grunde ihre großen Erfolg» auf dem Gebiete des Flugsports. Neer unct floNe. — Gegenwärtig werden bei der Marine Versuche mit einer für Kriegsschiffe bedeusamen Erfindung, einer neuen Feuerlöscheinrichtung, gemacht. Es handelt sich um eine schaumartige Flüssigkeit, die jede Art von Brand in wenigen Sekunden löscht. Der besondere Vorzug dieser Flüssigkeit gegenüber andern schon in Gebrauch befindlichen besteht darin, daß sie auch die in hohem.Grade feuergefährlichen und explosiven Stoffe, falls sie in Brand geraten find, in aller kürzester Zeit löscht. Mit Rücksicht auf diese Eigenschaft sind auch Versuche auf einem Unter seeboot gemacht, um sestzustellen, ob etwa die Entwicklung der Bestandteile dieser Flüssigkeit in geschlossenen Räumen die Menschen, die sich darin zum Zweck des Löschens aufhalten und nachher darin verbleiben müssen, gefährdet. Der Versuch wurde von der Torpedo-Inspektion in einem beschränkten abgeschlossenen Raum ge macht und es blieben zwei Personen, die die Löschung vorgenommen hatten, 15 Minuten in dem dicht abgeschlossenen Raume, ohne daß sie die geringste Schädigung an ihrer Gesundheit genommen hätten. Die Erfindung gestattet auch eine Anbringung an festen Anlagen. Bei den Versuchen wurde in einem großen Raume, der mit einer Menge feuergefährlicher Flüssig keiten und mit Gegenständen, die damit getränkt waren, angefüllt war, die ganze Anlage in Brand gesetzt. Die Löschung gelang vollständig in 2V- Minuten, wodurch der Beweis erbracht ist, daß auch große Lagerräume mit feuergefähr lichen Flüssigkeiten vollkommen geschützt werden können. — In diesem Jahre wird vom preußischen Generalstabe ein Werk über die Reorganisation der preußischen Armee von 1808 bis 1813 er scheinen. Vieles, was unsre Geschichtsbücher über diese Zeit berichten, entspricht nicht immer der Wirklichkeit, ja selbst manchem namhaften Geschichtsschreiber sind Irrtümer unterlaufen. Der preußische Generalstab hat daher über jene Zett, die so denkwürdig und bedeutungsvoll für uns ist, eingehende Studien angestellt und wird manches auf Grund geschichtlicher Quellen richtig stellen. K Vurck eigene ArLft. 8j Novelle von HanSLingg. gottlelMiz.i „Sie habenMarianne gesehen?" rief Wildseck. „Wie geht es ihr? Ich habe seit dem An- stmge dieses unsekgen Krieges keine Nachricht von meinen Verwandten erhalten." „O, sie war recht munter. Das einzige, was sie bekümmerte, war Ihr Schicksal, Herr von Wildseck. Ich habe ihr versprechen müssen, «ich Ihrer anzunehmen, wenn der Zufall des Krieges mich in Ihre Nähe führen sollte. Nun, ich schätze mich glücklich, daß. ich das Ver sprechen auf diese Weise habe erfüllen können." Herr von Wildseck schloß Karl in großer Bewegung in seine Anne. „Ich danke Ihnen," rief er; „ich danke Ihnen für die Rettung und für die Nachricht!" Und nun ging es zurück zum Regiments.' Leutnant Walden erstattete seinen Bericht und lieferte den gefangenen Franktireur und Kurt von Wildseck dem Oberkommando aus. Kurl erzählte über seine Schicksale in Frank reich noch folgendes: Die Nachricht von der Kriegserklärung traf ihn in Orleans. Er hatte dort Nachforschungen nach feinen Familienangehörigen gehalten und erfahren, daß allerdin^ der Name von Wildscck, aber schon vor Jahrzehnten, unter dem Adel der Umgegend vorgekommen sei. Der Sohn des Großonkels, Cölestin von Wildseck, scheine aber nicht gut gewirtschaftet zu haben, denn unter seiner Herrschaft sei das Gut in fremde Hände übergegangen. Er selbst hätte eine Farm über nommen und sich in der Folge zu den besitzenden Bauern gehalten. Seit jener Zeit sei der Name von Wildsecks verschollen Kurt hatte aber dessenungeachtet die Hoffnung nicht aufgegeben, eine Spur zu finden, weshalb er weiter in das Land hineingegangen war, um seine Nach forschungen fortzusetzen. Vor dem Kriege war ihm anfänglich gar nicht bange, weil er, wie so viele andere nicht glaubte, daß die Deutschen bis tief in das Innere Frankreichs eindringen würden, vielmehr sich sagte, daß sich schon an der Grenze die Entscheidung vollziehen werde. Und als er endlich die Gefahr erkannte, war es zu spät zur Flucht, denn das Land war mit Truppen überfüllt und die Bevölkerung gegen alles, was deutsch war, auf das äußerste gereizt. Er blieb also in Orleans, wo er sich noch am meisten geschützt wähnte, und da er ein gutes Französisch sprach, gemeinhin für einen Fran zosen gatt. Als nun Orleans in die Hände der Deutschen fiel, schloß er sich diesen an und blieb lange unter ihrem Schutz. Aber ein Streich jugendlichen Übermuts sollte ihm ver hängnisvoll werden. Im Hauptquartier befand sich der Bericht erstatter einer großen Zeitung, der ihn über redete, mit ihm in der Kleidung eines französischen Bauern einen Ausflug ins Land zu unternehmen. Sie glaubten, durch ihre Fertigkeit in der Sprache des Landes die Französin täuschen zu können und empfanden die damit verknüpfte Gefahr als einen mächtigen Reiz Toch sie hatten sich verrechnet. Sie fielen den umherziehenden Franktireurs in die Hände und wurden von diesen als vornehme Beute und an der Aussprache als Deutsche erkannt und wie Spione behandelt. Der Journalist wurde, da er zu entfliehen suchte, sofort er schossen. Kurt selbst entging dem Tode nur durch die rechtzeitige Dazwischenkunft der Manen. Kaum hatte Walden seinen Bericht über die Rekognoszierung erstattet, als ein Rittmeister zu ihm heranjagte. „Leutnant Walden," rief er, „ich bringe Ihnen de« Befehl, noch einmal vorzugehen. Sie sollen sich von der Mannschaft nehmen, so viel sie wollen, zur Stadt reiten und sehen, wie stark ungefähr die feindliche Macht ist und welchen Truppengattungen sie angehört." Leise setzte der Rittmeister noch hinzu: „Nehmen Sie nicht zu viel mit. Es hat keinen Zweck." Wall>en verstand, was das sagen wollte. Das hieß nichts andres, als in den offenen Todesrachen Hineinreiten. Der von Glatteis bedeckte Boden, der die Tritte der Pferde un sicher «achte, die Übermacht der Feinde, ihre guten, weit und sicher treffenden Gewehre, das alles waren Gründe genug für den unglücklichen Ausgang dieses Unternehmens. Walden mußte sich auf daS Schlimmste gefaßt machen. Er wählte sich zwölf Mann seiner Schwadron aus, die er als zuverlässige Leute kennen gelernt hatte, teilte ihnen seinen Auftrag mit Md setzte hinzu: „Wenn wir bei diesem Unternehmen noch auf glückliche Wiederkehr hoffen dürfen, so ist diese nur durch todesmutige Festigkeit und Treue, vor allen Dingen durch schnelle Befolgung meiner Kommandos möglich. Ihr wißt, daß ich das Recht habe, jeden, dä seine Pflicht - - - M nicht tut, niederzuschieben. Ich weiß, daß ich so braven Soldaten gegenüber, als die ich euch kennen'gelernt habe, von diesem Recht keinen Gebrauch werde machen müssen." Die kleine Schar teilte sich in zwei Glieder. Der Leutnant ritt voran, in der ersten Reihe Karl. Die vordere Reihe legte die Lanzen ein, die Hintere mußte sie hochhalten, damit, wie das öfter geschah, die Feinde durch die flatternde« Fähnchen über die Anzahl der Reiter getäuscht würden. Still ritten sie bis zu dem Knie der Straße. Hier hielten sie einen Augenblick. Der Leutnant musterte noch einmal seine Leute; er durfte zu frieden sein. Sie haben die Rechnung mit de« Leben abgeschlossen; aber sie fürchteten den Tod nicht. Das war auf den ernsten, wetter gebräunten Gesichtem zu lesen. Und nun — „Zur Attacke! Lanzen fällt! Marsch! Marsch!" Wie der Sturmwind jagte die Schar da hin, die Straße hinauf, der Stadt zu. In den feindlichen Truppen vor der Stadt kam plötzlich Bewegung. Einige Schüsse fielen, die über die Reiter hinweg und rechts und links vorbeisausten. Immer rasender wurde die Attacke, denn nur dadurch war die Wirkung deS feindlichen Feuers zu schwächen. Auch ritten sie weit auseinander. Wieder gab es Feuer, schärfer und schneller. Rechts und links stürzte ein Pferd. Ein Ula« sank getroffen zu Boden. Vorwärts, vorwärt» in rasender Schnelle. Die Hufe der Pferd« schienen kaum den Bpden zu berühren. Die Oberkörper über den Hals der Pferde gebeugt, flogen die Ulanen in rasender Karriere Ke
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