Suche löschen...
Allgemeiner Anzeiger : 06.07.1912
- Erscheinungsdatum
- 1912-07-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191207066
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19120706
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19120706
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-07
- Tag 1912-07-06
-
Monat
1912-07
-
Jahr
1912
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 06.07.1912
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
frankreicks SchutLkerrschaft über Marokko. TNach langen Debatten hat die franzö sische Kammer den Vertrag betr. die Schutz- herrschait Frankreichs über Marokko mit großer Mehrheit angenommen. Von den Einzelheiten der Debatte sind folgende besonders bemerkens wert. Ministerpräsident Poincarö hielt vor der entscheidenden Abstimmung eine längere Rede, in der er zunächst ausführte, daß eine der wichtigsten Fragen die der Schutzbefohlenen sei. Schützlinge, die man mit Waffen in der Hand anträfe, würden sich nicht auf den Schutz be rufen können, und der Führer der aufständischen Eingeborenen des Susgebiets, der unter deutschem Schutz stände, könne sich auf diesen Schutz nicht be- ruten. Die Lage der Schutzbefohlenen müsse deshalb binnen mrzester Frist geregelt werden, denn iie gäbe Anlaß zu Zwischenfällen und Mißbräuchen. Der Ministerpräsident rühmte sodann die Tätigkeit des Oberbefehlshabers Lyauteys (dessen strenge Maßnahmen gegen die Eingeborenen, deren Saaten er verbrennen läßt, m ganz Europa Entrüstung hervorgeruien haben) und kritisierte die Haltung Muley Hafids, dessen nächste militärische und zivile Umgebung er für die Meuterei der Truppen in Fez verantwortlich machte. Man dürfe nicht erwarten, daß in Marokko wie mit einem Zauberschlage all gemeiner Frieden herrschen werde. Marokko sei ein unruhiges und wildes Land, die Er richtung der Schutzherrschaft werde d»e unver meidlichen Schwierigkeiten de eittgen, das unter nommene Werk sei ein langwieriges, Über stürzung wäre schädlich. Poincars fügte hinzu: »Der Vertrag ist auch möglichst schmiegsam ge halten.* Das Abkomme« mit Deutschland, durch das ein Teil von Französisch-Kongo ab getreten wurde, nannte Poincars einen „schmerz lichen Vertrag*. über das Postwesen in Marokko führte der Ministerpräsident folgendes aus: „Es gibt jetzt für Post und Telegraphie vier Verwaltungen in Marokko. Frankreich, Eng land, Deutschland und Spanien haben dort ihre eigenen Dienste; die scheriniche Regierung hat außerdem einen Postdienst eingerichtet, der jetzt gut arbeitet. Zwischen Fez und mehreren Städten an der Küste gibt es sechs Stationen für draht lose Telegraphie, die wertvolle Einrichtungen darstellen für die Handelsverbindungen und für die Sicherheit der militärischen Maßnahmen. Das Protektorat wird die Frage eines Post- und Telegraphiemonopols in der scherifischen Zone studieren lassen müssen, wo es ausgeübt werden soll. Der Vertrag vom 4. November 1911 (mit Deutschland) faßt die Post nicht ausdrücklich ins Auge; aber nach einer Reihe von Auszählungen wird dort ein „MW.* hinzugesetzt, und das beweist, daß diese Aufzählung nicht erschöpfend sein soll. Wenn der Staat die Ausbeutung der öffentlichen Dienste in Marokko in Anspruch nehmen will, so wird er bei den Arbeiten und Lieferungen oft gestört werden durch die Vorschrift der Aus- 'chreibung, die io streng in der Akte von Algeciras vorgeschrieben war und in dem Ab kommen vom 4. November wieder vorgeschrieben ! worden ist. Diese Vorschrift ist aber eine der schwersten Hypotheken, die auf unsrer Schutzherrschaft lasten, und hat schon dringende Arbeiten verbinden. Sie wird nicht angewandt werden können auf strategische Arbeiten und Werte der militärischen Verteidi gung und Sicherheit, aber soweit sie zur An wendung gelangt, ist sie kür unsre Freiheit hinderlich.* In der fortgesetzten Debatte wurde der Ministerpräsident befragt, warum das schon seit mehreren Monaten versprochene Gelbbuch über oie dem deutsch - französischen Abkommen vorhergegangenenVerhandlungennoch immernichl veröffentlich worden >ei. Ler Ministerpräsident antwortete darauf: „Das Gelbbuch, das LOO Seiten umfaßt, bedurfte langer Vorarbeiten; denn es war nötig, sich vorher mir der eng- lifchen, der deutschen und der »panischen Diplo matie ins Einvernehmen zu setzen.* Zum s Schlug gab der Minister der Hoffnung Aus druck, daß nun alle Schwierigkeiten wegen Marokkos mit „fremden Mächten* behoben seien, denn nun sei Frankreich Herr in Marokko. Auch in Deutschland wünscht man von ganzem Herzen, daß endlich alle Schwierigkeiten behoben sein möchten, nur will das Mißtrauen nicht schwinden, daß Frankreich (wie in letzter Zeit manche Vorgänge gezeigt haben) immer wieder den Versuch machen wird, die Deutschland vor behaltenen wirtschaftlichen Rechte einzuschränken. Sollten diese Versuche fortgesetzt, und sollte be sonders nicht für die Sicherheit der Deutschen in Marokko genügend Sorge getragen werden, so würde ein Ende der Schwierigkeiten nicht abzusehen sein. Frankreich hat es also in der Hand, durch eine loyale Auslegung des Marokko- Abkommens alle Weiterungen zu vermeiden. Politische KuncUckau. De«1schla«d. *Das von einigen ausländischen Blättem verbreitere Gerücht, daß das Befinden der Kaiserin zu ernsten Besorgnissen Anlaß gebe, ist, wie halbamtlich gemeldet wird, vollständig unbegründet. Die Kaiserin ist lediglich von der Nauheimer Kur etwas angegriffen und muß sich daher noch einige Schonung auferlcgen. * Der ständige Ausschuß des Deutschen Landwirtschaftsrates beschäftigte sich auf seiner Tagung in Baden-Baden u. a. auch mit der Frage der Besitz st euer und der Deckungssteuer, die Ler Reichstag beschlossen hat. Ter ständige Ausschuß gab hierzu folgende Er klärung ab: 1) Nachdem die notwendige Deckung der Wehivorlage ausschließlich durch eine neue starke Belastung des landwirtschaftlichen Brennerei- gewerbes erwlgt ist, erscheint es doppelt un billig, tre gesetzlich für den 1. April 1914 beschlossene Herabsetzung der Zuckersteuer von dem vorherigen Inkrafttreten einer neuen, all gemeinen Besitzstener abhängig zu machen. Da der Zuckerverbrauch durch die Höhe der Zucker steuer eine sehr bedeutende Einschränkung erfährt, wird eine Herabsetzung der Zuckersteuer von 14 auf 10 Mark pro Doppelzentner auf die Dauer überhaupt keine Minderung, sondern eher eine Steigerung der Reichseinnahmen bringen. Ein weiterer Aufschub der jetzt zwanzig Jahre vom Reichstag geforderten und wiederholt ge setzlich beschlossenen Herabsetzung der Zuckersteuer erscheint daher nicht nur unwirtschaftlich, sondern zugleich auch finanzpolitisch verfehlt. 2) Sollten die Ergebnisse des laufenden Etatsjahres auch im kommenden Winter nach dem Zusammentritt des Reichstages überhaupt noch eine Besitzsteuer erfordern, so würde eine mäßige und voraus sichtlich bald wieder entbehrliche Erhöhung der Matrikularbeiträge (Beiträge der Bundesstaaten), so bedauerlich diese auch an sich sein würde, doch jeder neuen Besitzsteuer vor zuziehen sein. * Der Reichstagsabgeordnete Bachmeier (Pfarrkirchen), bayrischer Bauernbündler, ist, 60 Jahre alt, gestorben. * Der öffentliche Betrieb auf der deutsch- o st afrikanischen Mittellandbahn ist jetzt bis Tavora, das ist eine Sirecke von 848 Kilomeiern ab Daressalam, von der ost afrikanischen Eisenbahn-Gesellschaft übernommen worden. Frankreich. *Nach langen heiligen Debatten, in deren Verlauf das Kabinett verschiedentlich bedroht schien, hat die Deputiertenkammer den Vertrag betr. die Schutzherrschaft über Marokko mit 460 gegen 79 Stimmen angenommen. England. *Der Fimmzminister Lloyd George sprach vor einer Versammlung von 5000 Per sonen in Wodford über das Krankenverstche- rungsgelep und gegen den Widerstand, der gegen Lessen Inkrafttreten von den Regierungs gegnern organisiert werden soll. Der Minister erklärte, gerade die gegenwärtige Zeit sei ein! gefährlicher Zeitpunkt, sich gegen soziale Fort schritte zu sträuben. Lloyd George kündigte eme neue liberale Landpolirik an und sagte: „DaS ist die schönste Aufgabe, die die Demokratie bisher in England übernommen hat. Mr müssen das befreien, das Land, das bis zur Stunde M den Ketten des Großgrund besitzes gefesselt ist. Das jetzt vorliegende Ver sicherungsgesetz ist nur ein Anfang. Gebe Gott, daß es nur ein Anfang ist.* Baltanstaaten. * Der serbische Ministerpräsident Milowa- no witsch ist im Alter von 53 Jahren nach kurzer Krankheit gestorben. Er war einer der bedeutendsten Staatsmänner seines Heimats landes und hat besonders während der bos nischen Krise (aus Anlaß der Angliederung Bosniens und der Herzegowina an Österreich) sein Können bewiesen. Als er sah, daß Serbien in seinem Widerstand gegen Österreich bei keiner Großmacht ernsthafte Unterstützung fand, gab er den Kampf auf und hat es verstanden, zwischen Serbien und Österreich-Ungarn wieder korrekte Beziehungen herzustellen. Amerika. O Nach 46 vergeblichen Wahlgängen ist auf dem demokratischen Kongreß in Baltimore end lich der fortschrittliche Nrw Aorler Gouverneur Dr. Wilson zum Präsrdentschafts- kandidaten ernannt worden. Bemerkens wert ist, daß der langjährige Kandidat Bryan ausgeschaltet wurde. Das läßt darauf schließen, daß man Wilson als Vermittler zwischen den beiden Flügeln der Demokraten betrachtet, wie er denn auch nach tagelangem Ringen alle Stimmen (mit Ausnahme der New Aorker Vertreter der Hochfinanz) für sich erhielt. So werden sich denn bei der Präsidentenwahl im November der jetzige Präsident Taft als Kandidat der Republikaner, Wilson als der der Demokraten und endlich der ehemalige Präsident Roosevelt als Kandidat der neugegründeten Fortschrittlichen Partei gegenüber- stehen. Sicher sind Roosevelts Aussichten durch den Entschluß der Demokraten, mit Aufstellung eines fortschrittlichen Kandidaten eine Spaltung der Partei zu vermeiden, nicht gestiegen. Immerhin ist der Ausgang des Kampfes un berechenbar. Vas Gzeanluftschiff „Mron" vernichtet. G Die Hoffnung amerikanischer Forscher und Sponsleute, daß es noch im Laufe dieses Jahres gelingen werde, von Nordamerika aus mit dem Luftballon den Ozean zu Überqueren und so Europa zu erreichen, ist jäh vernichtet worden. Das für diese Zwecke mit einem Kostenaufwand von 2 Millionen Mark gebaute Luftschiff „Akron* ist bei einer Ozean-Prodesahrt durch eine Gas explosion völlig zerstört worden und der Leiter des Unternehmens sowie sein Begleiter fanden den Tod i« den Flute« des Meeres. Schon vor Jahren hatte der Amerikaner Wellmann (allerdings nach un zureichender Vorbereitung und mit unzulänglichen Mitteln) denselben Versuch unternommen. Aber auch er scheiterte kurz nach der Abfahrt und wurde noch glücklicherweise von einem Dampfer ausgenommen. Wellmann gab nun den Ge danken eines Fluges über den Ozean vorläufig auf. Nicht so sein erster Ingenieur Vaniman. Er begann mit Hilfe einiger Geldleute selbst zu bauen, um auf eigene Faust die Ozeanüber- querung durchzuführen. Das Luftschiff „Akron", wesentlich größer wie die damals gescheiterte „Amerika* Wellmanns, sollte dazu dienen. Die ersten Versuche verliefen nicht vielversprechend. Vor etwa 6 Wochen jedoch konnte Vaniman bereits eine längere Probefahrt machen, die gut gelang. Bei einem kürzlichen Versuch erlitt das Lustschiff einen leichten Unfall, der bald behoben war. Die Fahrt über den Ozean sollte schon in den nächsten Tagen ange treten werben. Nun hat bei der entscheidenden Probefahrt den Ballon, an den sich so viele stolze Hoffnungen tnüpsten, das unerbittliche ^chick ai ereilt. Uber die Einzelheiten des Un falls, dem Vaniman mit vier Begleitern zum Opfer fiel, wird folgendes berichtet: Als In genieur Vaniman am Meeresufer des amerika nischen Badeortes Atlantic City in New Jersey in Gegenwart von etwa 5000 Personen einen Probeaufstieg machte, barst plötzlich in großer Höhe der Ballonkörper. Man nimmt an, daß die Hülle des Ballons, der sich in etwa 800 Meter Höhe befand, infolge der Ausdehnung durch die Sonnenstrahlen platzte. Das ent weichende Gas entzündete sich und es erfolgte eine furchtbare Explosion. Das Entsetzliche spielte sich in wenigen Sekunden ab. Die Explosion war von solcher Gewalt, daß der Gasballon in Atome zerrissen wurde. Eine ungeheure Flammenmasse umgab die Stelle, wo er sich befunden hatte, ungefähr zehn Sekunden lang, dann erloschen die Flammen, und man konnte gegen den Morgenhimmel deutlich die herabstürzenden Trümmer sehen, mit denen zugleich die fünf Menschen zu einem Knäuel geballt, in das Wasser sanken. Kurz vor seinem Aufstieg hat sich Paniman noch zu einem Zeitungsberichterstatter über seinen Plan der Ozeauübersiiegung wie folgt geäußert: Schon lange war der Anfang Juli für den Abflug festgesetzt. — Der Luftschtffer stand bereits in ständiger funken telegraphischer Verbindung mit dem weit ins Meer ragenden Kap Race, von wo er täglich drahtlose Depeschen über die Luftströmungen über dem Ozean erhielt. Er wartete nur ein starkes Gewitter mit einem ostwärts gehenden Sturm ab. In dem nach dem Orkan ent standenen windleeren Raume wollte er europa- wärts fliegen, vom Sturm gezogen, von den Mowren vorwärts getrieben. Vaniman glaubte, daß er bei günstigem Wetter in 100 Stunden in Europa sein könne, er versicherte aber, daß er sich acht bis zehn Tage in der Luft halten könne. Diesen Plänen hat nun die Explosion des Luftschiffes ein Ende gemacht. Tragisches Ende eines Breslauer vereinsausfluges. Bei der Vergnügungsfahrt eines Breslauer Skatklubs wurde in der Nähe von Schmiede feld ein dicht besetzter Kremser von einem Personenzuge erfaßt. Fünf Personen wurden auf der Stelle getötet, fünf weitere Verunglückte sind an den erhaltenen Verletzungen gestorben. Fünfzehn Teilnehmer wurden zum Teil schwer verletzt. Über die Einzelheiten deS Unglücks wird berichtet: Ein Skatklub hatte mit drei Kremsern eine Kremserpartie gemacht, die über Deutsch-Lissa hinaus führte. Gegen Mitternacht wurde die Rückfahrt angetreten. Die Wagen wollten die Gleise der Strecke Glogau — Breslau bei Schmiedefeld passieren. Es gelang dem ersten und zweiten Kremser, glücklich über daS Gleis hinwegzukommen, das hier die Chaussee Bres lau—Deutsch-Lissa kreuzt. Am Eisenbahnüber gang war die Schranke nicht geschlossen worden. Der Eisenbahnzug erfaßte den dritten Wagen, der mit mehr als 20 jungen Männern, Frauen und Kindern dicht besetzt war und zer trümmerte den Hinteren Teil des Wagens voll ständig. In dem Eisenbahnzug machte sich bei der Katastrophe ein sehr starker Ruck bemerk bar, so daß man den Zug auf wenige Meter hinter der Unglücksstelle zum Stehen brachte. Da kein Licht vorhanden war, war auf der dunklen Chaussee wenig von dem Unfall zu bemerken. Erst als man mit Rotfeuer für Be leuchtung sorgte, gelang es, die Sachlage zu überschauen. Eine Person war von den Rädern der Lokomotive mitgeschleift und von dem Zuge beiseite geschleudert worden. Die Leiche wurde neben dem Gleis aufgefunden. Die übrigen Toten wurden auf den Tender des Schnell zuges Glogau—Breslau geschleudert. Der Schrankenwärter, dem man die Schuld an dem Unfall beimißt, ist ein Hilfsbeamter der Eisenbahn und seit 12 Jahren im Dienst. Er machte unmittelbar nach der grauenvollen Kata strophe einen Selbstmordversuch und wurde daher m Schutzhaft genommen. A Siegenäe I^iebe. SS) Roman von Paul Blitz. Aber Elsbeth raffte sich zusammen. Sie war ja nicht daheim. Es kamen Menschen. Sie durfte ihren Kummer nicht zur Schau tragen. Stark sein! Stärker sein als das Leben! Rutig stand sie auf und ging weiter. Noch immer schien die Sonne, noch immer fangen und jubelten die Vögelchen, noch immer duftete und grünte alles um sie her — alles war noch genau io wie ehedem — nur sie war anders, sie sah das nicht mehr, denn jetzt lag die Zukunft grau und sonnenlos vor ihr. Langsam und sinnend ging sie dahin — Lus! alles, alles war nun aus! Als sie wieder durch das Brandenburger Tor ging, um nun noch die Ruhmeshalle zu besichtigen, kam drüben, von der Königgrätzer Ciraße her, ein Paar an, das, an der Wache vorbei, langsam über den Pariser Platz spazierte. Sie gkmbte erstarren zu sollen — denn er, « war es, Fritz Fröhlich l Sie blieb im Schatten des Torbogens, um wcht gesehen zu werden; aber sie selbst konnte ihn ganz deutlich sehen. — Fast unverändert sah er aus, genau wie vor einem Jahre — elegant, lustig und glücklich, sind das also war nun die Zukünftige! — O, sehen lassen konnte mau sich shon mit ihr! — Sehr fesch und vornehm war sie, und schön war ne auch — aber käst, stolz und herrsch- sichtig sah sie aus. Ganz von weitem folgte Elsbeth dem Paare. Aber west kam sie nicht, denn die beiden gingen zu Schulte hinein. Bebend stand Elsbeth und sah ihnen nach. Noch einmal kam all der Kummer, all das Weh in ihr hoch. — War es denn nur mög lich, daß er sie so ganz und gar vergessen konnte? Er brauchte doch nur vor das Bild hinzutreten, um sich ihrer sofort zu erinnern! — Aber er hatte sie sicher nie, nie geliebt! Betrübt ging sie Wester. * * * Fritz Fröhlich war, obschon er noch so lebensfroh und lustig aussah wie ehedem, dennoch ein andrer geworden. Er sah das Leben nun mit ernsten Augen an. Das Er lebnis mit der „Plättgräfin* hatte mehr und nachhaltiger auf ihn gewirkt, als er es sich ein- gestehen wollte. Er war reifer geworden, sitt lich gefesteter — er dachte nach über den Lebens inhalt und über das Lebensziel — er änderte sein leichtes, flottes Künstlerleben und widmete sich von nun gn ausschließlich seinen Arbeiten, seiner Kunst. Lange noch hatte er das schöne Mädchen im Gedächtnis behalten. Ost sogar war er nahe daran gewesen, zu ihr zurückzufahren und alles wieder gutzumachen — schließlich aber siegte doch Verstand und Überlegung, denn er sagte sich: Wohin soll es führen? Ich habe nichts, und sie hat auch nichts, da wäre es doch ein Frevel, zu heiraten. Also unterblieb es. Dann begann die Saison. Seine Bilder wurden bekannt, erst im engeren Kreis, dann aber auch beim Publikum. Schließlich sprach halb Berlin davon. Er kam m Mode. Sein Name war gemacht. Und da dachte er nicht mehr an das kleine Mädchen, das da draußen in der Provinz einsam und vergessen lebte. Er war der Held des Tages. Er wurde überschüttet mü Einladungen. Sein Frack und die Lackitiefel blieben kaum einen Tag unbe rührt. Er wurde als neue „Größe* von jedem Gastgeber seinen Gästen vorgefühtt. Auf einer solchen Festlichkeit hatte er die schöne, junge Witwe Hellwig kennen gelemt. Gleich beim ersten Sehen hatte die schöne Frau sich außerordentlich für den jungen Maler interessiert, was sie ihm deutlich genug zu ver stehen gegeben hatte. Er fühlte sich dadurch recht geschmeichelt, denn es war fast stadtbekannt, daß die schöne Witwe seit dem Tode ihres Mannes, mit dem sie sehr unglücklich gelebt halte, säst gar nicht ausging, gar kein Haus machte und in stiller Zurückgezogenheit lebte — und ihn, den sie erst kennen gelernt, bevorzugte sie nun so auf fällig, daß es allgemein auifiel. Gleich am nächsten Tage hatte er dann seinen Besuch bei ihr gemacht, war außerordent lich liebenswürdig und gastlich ausgenommen und hatte sich auch gleich sehr heimisch und wohl gefühlt. Und fest dem Tage dann ward er fester und regelmäßiger Gast bei der schönen Frau. Oft war er zum Diner, dann zum Souper, fast täglich aber war er zum Fünfuhr-Tee bei ihr. Natürlich wurde alles das bald bekannt in der Gesellschaft, und ebenso natürlich zog man die uaheliesruden Konsequenzen daraus. Auch Kitz Fröhlich sah, wohin das führe» mußte. Und er begann ernsthaft darüber nachzu- denken und alles, für und wider, in genaue Er- t Wägung zu ziehen. Daß er sich wohl fühlte bei der schönen Frau, darüber war er sich klar — ob er sie liebte, das wußte er nicht — schließlich aber war es doch erste Bedingung, daß mau sich zu einander hingezogen fühlte, daß man wußte, was man voneinander zu halten hatte — und auf dieser Grundlage konnte man ja immerhin schon eine Ehe ausbauen — noch dazu, wo sie pekuniär so gut fundiert war wie hier; wenn man sich dann über die- Liebe auch nicht so ganz klar war, die würde sich dann wohl nach und nach von selbst eiw- finden. Zu diesem Resultat war er gekommen, und nun wartete er nm auf den geeigneten Moment, f der eine Aussprache herbei führte. So kam er, wie gewöhnlich, eines Abends zum Tee. Er hatte einen großen Strauß duftender Veilchen mitgebracht, die der schönen Frau viel» Freuds bereiteten. „Ja, das ist der Frühling, der holdlächelnde, Knabe," sagte sie, sinnend auf die kleinen Blumen schauend, „da wird alles wieder jungt in uns, lebendig und lebensfroh!* Dankbar! reichte sie chm die Hand, die er innig küßte. „Ach, wissen Sie, lieber Freund,* sprach fk. lebhaft wester, „wenn der Frühling kommt,, danir zieht es wich immer hinaus in die Fernes dann möchte ich wandern, vom Morgen
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)