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Allgemeiner Anzeiger : 24.07.1912
- Erscheinungsdatum
- 1912-07-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
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- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
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- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1912
-
Monat
1912-07
- Tag 1912-07-24
-
Monat
1912-07
-
Jahr
1912
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 24.07.1912
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„s^itschewo". Als vor einigen Tagen in der europäischen Presse im Hinblick aus die Europareise des japanischen Ministers Katsura der Gedanke laut wurde, es handle sich um wichtige Entscheidungen in Ostasien, bei denen auch Ruhland eine be deutende Rolle spielen werde, ließ die Peters burger (amtliche) Telegraphenagentur an alle größeren Zeitungen des Zarenreiches ein Tele gramm ergehen, das nur das Wort „Nitschewo" (es ist nichts) enthielt. Man kennt in Europa nachgerade dieses Wort. Es klang durch die russische Presse, als die Japaner die erste Schlacht gewonnen hatten, es ertönte auch an senem Sonntag, da in Petersburg 2000 Menschen aus der Straße erschossen wurden, nachdem man ihnen gesagt hatte, der Zar wolle seine getreuen Untertanen sehen, und es ward auch gesagt und geschrieben, als Rußlands Macht bei M.ikden und in der Seeschlacht von T'chuschima endgültig zusammengebrochen war. Darum hat auch setzt niemand dieser amt lichen Ableugnung geglaubt. Und die Zweifler hatten Recht. Zwar wird im französischen Ministerium des Äußeren erklärt, es sei undenk bar, daß Rußland mit Japan ein Abkommen über Ostasien treffen könne, ohne seinen Bündnisbruder an der Seine zu verständigen, aber die Macht der Tatsachen wird auch schließlich die Franzosen überzeugen, wenn es ihnen auch noch so schmerzlich sein mag, daß sich die russische Re gierung so unmittelbar nach der „Extratour" mit Deutschland nun auch in Unterhandlungen mit Japan einläßt, gleichviel ob diese nun zu einem Bündnis oder zu einem Abkommen sichren. Die japanischen Blätter sind sehr vor sichtig, wenn sie aber berichten, es seien Ver handlungen van weittragender Bedeutung an- geknüpft, so darf man diese Meldung ruhig als Tatsache hinnehmen. Und auch das russische „Nitschewo" kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß nunmehr langwierige Verhandlungen zu einem befriedigenden Abschluß gelangt sind. Amerikanische Blätter berichten denn auch, daß der oberste Geheime Rat in Tokio ein neues russisch-japanisches Übereinkommen über die Mandschurei und die Mongolei unterzeichnen werde, das demnächst zugleich in Tokio und Petersburg veröffentlicht werden soll. In diesem neuen Abkommen wird Japan die Vorherrschaft in der südlichen Mandschurei in demselben Umfange wie einst in Korea zu gesichert, während Rußland vollständig freie Hand in der Mongolei erhält. England hat zu diesem Abkommen bereits im November vorigen Jahres seine Zustimmung gegeben, natürlich gegen die Zusicherung einer entsprechenden Ent schädigung. Diese kann selbstverständlich nur in Tibet gesunden werden. Man begreift nun plötzlich Englands lebhaftes Interesse an der Heimkehr des Dalai Lama, der sich seit drei Jahren unter englischem Schutz in Indien auf- gehalten hat. — Das japanische Regierungsblatt spricht zwar nicht von einem regelrechten Ver trage oder Abkommen, erklärt aber, daß durch erneute Verhandlungen die Rechte Japans in der Mandschurei gewährleistet sowie seine Stellung als führende Macht in Asien ein- für allemal anerkannt worden seien. „Sobald der Dalai Lama von Tibet," so schließt das Blatt, „wieder mit Hilfe Englands in seiner Hauptstadt Lhassa angekommen sein wird, werden die Völker Asiens erfahren, welchen Schritt der Mikado in Übereinstimmung mit seinen Bundesgenossen unternommen hat." Mit seinen Bundesgenossen! Da bisher nur Eng land der Bundesgenosse Japans war, bleibt angesichts dieser japanischen Erklärung nur die Annahme übrig, daß auch Rußland einen Ver- trag mit dem Gegner von den mandschurischen Schlachtfeldern geschlossen hat oder schließen wird. Man beginnt also in aller Form mit der Aufteilung Chinas und diesmal ist sogar merkwürdigerweise nicht einmal Frankreich zur freundlichen Teilnahme eingeladen. Für Deutschland ergibt sich aus >en letzten Tagen hatte die italienische Feindseligkeiten Ägäischen i m um in den zum Teil noch Erschlossenen Ländern, deren Aufnahmefähigkeit eine unbs Fuß zu fassen. Wir wollen bei der Teilung Torpedoboot „6 M" vom Linienschiff „Hessen" gerammt nicht dabei sein, wollen aber erst recht nicht, daß man uns die so viel gerühmte „offene Tür" in den Gebieten, mit denen wir kaum erst den Handelsverkehr begonnen haben, vor der Nase zuwirft. ri. v. Politische Auncllcbau. Deutschland. * Kaiser Wilhelm hat der verwitweten Großherzogin Augusta Karoline von Mecklenburg-Strelitz, Prinzessin von Großbritannien und Irland, die am 19. d. Mts. das 90. Lebensjahr vollendete, ein herzliches Glückwunsch-Telegramm gesandt. Auch von vielen andern Fürstlichkeiten erhielt die greise Fürstin Glückwunschschreiben. *KaiserWilhelm wird am 19. August in Frankfurt a. M. eintreffen, um dort die neuen Osthafenanlagen zu besichtigen. — Der Monarch hatte seinerzeit bereits die Teilnahme an den Einweihungsfeierlichkeiten in Frankfurt zugesagt, mußte aber infolge des plötzlichen Todes des Königs von Dänemark seine Zusage zurückziehen. — Der Kaiser reist nach der Be sichtigung zum Besuch seiner Schwester, der Prinzessin Friedrich Karl von Hessen, nach Kronberg. G Nachdem die bayrische Abgeord- netenkammer den Lotterievertrag mit Preußen endgültig abgelehnt hat, soll noch in diesem Tagungsabschnitt dem Landtage ein Gesetzentwurf für eine eigene bayrische Landeslotterie vorgelegt werden. Frankreich. *Zu denAusweisungenDeutscher aus Marokko ist von der französischen Re gierung dem deutschen Botschafter die Erklärung abgegeben, daß Frankreich Ausweisungen Deut scher durch marokkanische Behörden in keinem Fall billigt und Maßnahmen ergriffen hat zur Wiederherstellung früherer Zustände bezüglich der Deutschen in Marokko. England. * DerErgänznngsetat für die eng lische Flotte ist nunmehr veröffentlicht worden. Es werden für dieses Jahr noch 18 Millionen für Schiffsneubauten, Anschaffung von Luftschiffen, Erhöhung von Mannschafts- löhnung und für Geschütze gefordert. Die Ver öffentlichung enthält keinerlei nähere Angaben. Portugal. sind ausgehoben worden. — Man scheint also die Ausbreitung des monarchistischen Auf standes mehr zu fürchten, als man öffentlich zu geben will. Balkanstaaten. G Der türkische Großwesir Said-Pascha hat zwar dem Sultan in seiner Mitteilung vom Rücktritt des Kabinetts angegeben, der Grund der Abdankung seien unüberbrückbare Meinungsverschiedenheiten innerhalb des Mi nisteriums wegen der gegen die Albanier zu ergreifenden Maßnahmen. Das aber war offen sichtlich nur ein Scheingrund. In Konstantinopel werden jetzt über den Rücktritt zwei Gerüchte laut, die entschieden glaubhaftere Gründe an führen. Danach habe das Kabinett unter dem Drucke der albanesischen Forderungen abgedankt, zugleich aber das Feld geräumt, „weil einige Mächte binnck kurzem einen solchen Druck auf die Türkei ausüben würden, daß sie mit Italien einen Frieden schließen müsse, den Said nicht unterschreiben wolle". — Wie verlautet, hat der bisherige türkische Botschafter in London, T e w fi k - P a s ch a, sich bereit er klärt, ein neues Ministerium zu bilden. Zu dem schweren Unfall, der sich bei den Flottenübungen in der Nähe der Insel Rügen in der Nacht vom 18. zum 19. d. Mts. ereignet hat, wird folgende halbamtliche Darstellung ver öffentlicht : „Bei Manöver» mit abgeblendeten Lichtern geriet das Torpedoboot „6t 110" vor den Bug des Linienschiffes „Hessen". Das Linienschiff rammte das Torpedoboot in der nellen, sondern um einen Äufstand der tür kischen Flotte im Marmara-Meere. Amerika. *Jm Repräsentantenhause der Ver. Staaten wurde ein Gesetzentwurf ein gebracht, durch den der Staatssekretär des Äuße ren ermächtigt wird, mit England und den andern Mächten Verhandlungen einzuleiten über die Neutralisierung des Panama kanals und die Teilung der Bau- und Er haltungskosten des Kanals zwischen den Mächten. Der Gesetzentwurf, der offenbar auf Englands Einspruch gegen die Absicht der Ver. Staaten, amerikanischen Schiffen auf dem Kanal Vorzugs tarife zu gewähren, zurückzuführen ist, erklärt, die Neutralisierung würde die Erhaltungskosten des Kanals bedeutend vermindern und dem Handel wie dem Weltfrieden zugute kommen. Es bleibt freilich zweifelhaft, ob die parlamentarischen Körperschaften dem sehr ver nünftigen Gesetzentwurf zustimmen werden. Afrika. G Aus verschiedenen Gebieten Marokkos kommen schlimme Nachrichten. Der Thron bewerber Heiba gewinnt täglich größeren Anhang. Die Folge davon ist eine Ausbreitung des Aufstandes. Da man in Paris immer noch nicht einsehen will, daß die Marokkaner mit der französischen Schutzherrschaft unzufrieden sind, verbreitet der,Temps' die Mär, daß die Be - strebungen der Deutschen, insbesondere der Gebrüder Mannesmann, die angeblich Landerwerb beabsichtigen, die Schuld an den neuerlichen Unruhen tragen. — Das Lied ist zu alt, als daß es in Deutschland noch irgend welches Interesse erregen könnte. * Der Kampf zwischen der Republik und den Monarchisten dauer« noch immer an. In Braga (Nordportugai) sind mehrere Per- sollen verhaftet worden, darunter drei Offiziere und mehrere Unteroffiziere der Garnison. Die verfassungsmäßigen Garantien Nähe des Hinteren Turmes und schnitt das Hinterteil fast ab. Der Vordersteven des Linienschiffes drang in die Deckoffiziersmesse und tötete drei Mann: einen Maschinisten, einen Matrosen und einen Heizer. Von den zwölf Abteilungen des gerammten Torpedobootes liefen drei voll Wasser. Der Maschinist und einer von den beiden andern Getöteten hatten sich zur Ruhe begeben und schliefen, als das Unglück sie traf. Das Torpedoboot begann sofort zu sinken Da man annehmen mußte, daß das Sinken sehr schnell vor sich gehen würde, sprang der größte Teil der Besatzung über Bord, es wurden je doch alle gerettet. Die Offiziere des Schiffes konnten von ihren eigenen Sachen, die im Hinterschiff in ihren Kabinen lagen, nichts retten. Die Torpedoboote „6 108", „6 109" und „6 194" nahmen das beschädigte Boot, dessen Hinterteil bis zum Hinteren Kommandoturm unter Wasser lag, ins Schlepptau und brachten ! es nach Kiel. Das Linienschiff „Hessen" wurde dieser Entwicklung der Dinge die ernste Fmge, T JMdc ' » st - " " ' st' ob seinem Handel unter den neuen Verhältnissen Kriegsleitung wiederholt "erklärt, sie werde dis jene Rechte gewahrt bleiben, deren er bedarf, Feindseligkeiten im Ä- Meer wieder aufnehmen, ohne indessen nähere «unoern, verea nuiaaymesllyigcrn euie unve-^> Angaben über ihre Absichten zu machen. Nach grenzte ist, mit den Eroberern zugleich festen richten aus Konstantinopel zufolge hat Italien jetzt seine Ankündigung tatsächlich ausgeführt und in der Nacht vom 18. zum 19. d. Mts. versucht, den Eingang in die Meer enge der Dardanellen zu erzwingen. Wenn man den türkischen Quellen Glauben schenken darf, waren an dem Angriff acht Torpedoboote beteiligt, von denen durch die türkischen Festungen am Eingang in die Meerenge zwei zum Sinken gebracht und drei — nach andern Meldungen fünf — schwer beschädigt wurden. Nach italienischen Mel dungen handelte es sich bei der Kanonade nicht um einen italienischen Angriff auf die Darda- dei dem Zusammenstoß nicht beschädigt. — Das Torpedoboot „6- 110" gehört zu den älteren Torpedofahrzeugen seiner Art. Es ist 1901 auf der Germaniawerst von Stapel gelaufen, besitzt eine Wasserverdrängung von 400 Tonnen und eine Geschwindigkeit von 27 Knoten. Seins Armierung besteht aus drei 5-Zentimeter-Schnell- feuer-Geschützen, zwei Maschinengewehren und drei Torpedo-Lancisrrohren. Der flieger unter KpwnLgevercjackt. Der russische Flieger Abramowitsch, der von Johannisthal - Adlershof bei Berlin einen Flug nach Petersburg unternommen hat, hatte vor seiner Abfahrt von Königsberg ein Abemeuer mit der Polizei. Er wurde kurz vor seiner auf drei Uhr nachts festgesetzten Abfahrt von der Polizei aus dem Bette geholt, um sich zu legitimieren. Über die Einzelheiten des Vorfalls wird der ,Voss. Ztgst berichtet: „Abramowitsch, der mit dem deutschen Regierungsbaumeister Hackstedter am 13. d. Mts. von Johannisthal-Adlershof nach Petersburg abgeflogen ist, wollte ursprüng lich als Passagier einen seiner Schüler, einen zur Turnanstalt abkommandierten Offizier mit nehmen. Das preußische Kriegsministerium er teilte dem Offizier die Erlaubnis hierzu, stellte jedoch Abramowitsch die Bedingung, daß er etwaige auf seinem Fluge liegende Festungs werke in weitem Bogen zu umfliegen habe, keineswegs aber die Festungsanlagen passieren dürfe. Abramowitsch erklärte sich damit einver standen. Im letzten Augenblick wurde dem Offizier jedoch die Teilnahme an dem Fluge versagt, da die russische Regierung sich geweigert hatte, für den Offizier einen Paß auszustellen. Infolgedessen flog Abramowitsch mit dem Re gierungsbaumeister Hackstedter ab. Als er nun nach Königsberg kam, begab er sich auf das dortige Polizeipräsidium, um seine dort lagernden Waffen und eigenen Pässe abzuholen. In Königsberg wußte man offenbar nichts von der Erlaubnis des Kriegsministerjums und so schöpfte man Verdacht, als der Flieger erklärte, am nächsten Morgen die Grenze überfliegen zu wollen. In der Nacht gegen 1 Uhr, als sich Abramowitsch zur Ruhe gelegt hatte, erschienen zwei Kriminalbeamte in seinem Hotel und nahmen eine Durchsuchung seiner Reisesachen vor. Bei dem Flieger selbst fand man außer einigen genauen Karten und einer General stabskarte nichts, dagegen entdeckten die Be amten in einem Kasten, der in die Wright- Maschine eingebaut ist, zwei Browningpistolen, ein zusammenlegbares Gewehr, 300 Patronen und mehrere Raketen. Sie beschlagnahmten die Waffen und brachten sie nach dem Polizei präsidium. Regierungsbaumeister Hackstedter, der von der Haussuchung verschont geblieben war, begab sich sofort zu dem Königsberger Polizei präsidenten und teilte ihm den Sachverhalt mit. Bevor Abramowitsch aus Berlin abgeslogen war, hatte er sich an das russische Konsulat um Ausstellung eines Passes gewendet und dabei die Absicht ausgesprochen, nach Petersburg zu fliegen. Darauf wurde ihm von dem Konsulat witgeteilt, daß man es für ratsam halte, wenn der Flieger sich reichlich mit Waffen versehe, da er auf seinem Fluge von Riga nach Skow über ausgedehnte Steppen und Sümpfe kommen werde, in denen räuberisches Gesindel Hause und daß er bei einer etwaigen Notlandung leicht überfallen werden könnte. Daraufhin hat sich der Flieger mit den sonst gänzlich über flüssigen Waffen versehen. Durch Vermittlung des Regierungsbaumeisters Hackstedter und auf telegraphische Anfrage in Berlin wurden dem Flieger noch in derselben Nacht die beschlagnahmten Waffen zurückgestellt und ihm die Erlaubnis zum Weiterflug gegeben." — Die Polizei ist bei der ganzen Angelegenheit durchaus korrekt zu Werke gegangen. Wem diese Vorsicht unangebracht oder gar schikanös erscheint, der erinnere sich an die Ungelegenheiten, denen deutsche Luftschiffer, auch wenn sie nicht in die Nähe russischer Festungen kommen, regel mäßig ausgesetzt sind. O Siegenäe L-iebe. 88! Roman von Paul Bliß. Natürlich war es der Mutter auch reckt, dennoch aber konnte sie nicht unterlassen, leise zu stöhnen: „Was werden nur die Leute dazu sagen, wenn wir jetzt als Sommerfrischler kommen." „Laß sie sagen, was sie wollen, Muttchen! Wir nehmen unS ein Zimmer oben in der Lindenwirtschast — da hören und sehen wir nichts von dem, was unten in der Stadt ver geht. — Ick habe übrigens auch einen bestimm ten Grund für diese Wahl: Dort bin ich mit den örtlichen Verhältnissen genau bekannt und vertrant — wenn ich dort ankomme, weiß ich genau, was ich finde, und weiß, daß ich mich dort erholen werde; von einem mir fremden Ort j weiß ich das aber nicht. — Na, habe ich nicht s reckt, Muttchen?" Die alte Frau nickte nur; wieder mußte sie ihrer klugen Tochter, die sie i« still«, bewunderte, vollauf recht geben. Alio dabei blieb es nun. Sofort wurde bei dem alten Lindenwirt ein Zimmer bestellt. Und dann ging man an die Vorbereitungen. Am übernächste« Tage schloß «an die Woh- nnng ab und fuhr davon — sehr zum Arger der' Frau Müllhuber, die den beiden mit heimlichem Neide nachsah. — Heimwärts! Heimwärts! Alles jubelte in Elsbeth, als sie so durch den Hellen Sommertag dahinfuhr. „Ist es nicht etwas Sonderbares?" fragte sie, still sinnend. „Noch kein Jahr ist es her, da fteute ich mich, daß ich aus diesem Nest herauskam, da ging ich mit klopfendem Herze« dem Neuen entgegen, und nun wir wieder zurückfahren, nun ist es mir, als kehrte ich heimwärts, nach dahin, wo ich das Glück ge funden, — nun ist es mir, als erwarteten mich tausend neue Keuden da. Und ich weiß doch so genau, was ich da finden weä»e. Ist es nicht wirklich sonderbar?" Mütterchen nickte. Auch sie sann. Dann sagte sie leise: „Wer kann ein Menschenherz je ergründen?" Sausend und schnaubend raste der Zug dahin. Und die ganz« West stand in Blüten — überall leuchtende, jauchende, üppig schwere Farben, die prangenden Farben der hohen Sommerszeit. Plötzlich begann Mütterchen mit leiser, tastender Frage: „Was wohl der Herr Förster Gestner sage« wird st Erschrocken fuhr Elsbeth aus ihrem Sinnen auf — ja, der Försters — «» M hatte ße so lange nicht gedacht 1 — Seit Monate« nicht «in einziges Mal «ehrt — Ja, waS er wohl sagen würde! „Doch sonderbar, daß er uns nicht ein einziges Mal geschrieben hat, nicht wahr?" fragt« sie. Die alte Fra« zmke mit den Schultern. — „Was sollte er «ns schreiben? Du hast ihm doch einen sehr deutlichen Korb gegeben." „Aber deshalb sind wir doch als Freunde voneinander gegangen." „Wer weiß, vielleicht will er vernarbte Wunden nicht wieder aufreißen." Da schwieg Elsbeth beklommen — wahr hafte Angst bekam si« — daß sie auch an den Förster mit keinem Gedanken gedacht hatte — vielleicht hätte sie dann doch erneu and«« Ort gewählt — jetzt war es zu spät, jetzt mußte ertragen werde«, was da komme« mockte. — Aber der Tag war viel zu, ,schön, «nd die Sonne schien viel zu h«ll, als daß ei« junges Menschenherz dabei lange Trübsal blase« komite. Kurz entschlossen schob sie denn auch alle trüben Gedanken und Vorahnungen beiseite und genoß, was der licht« Augenblick ihr darbot. U« zehn Uhr kamen sie an. Der erste, der sie begrüßte, war der junge Förster Gestner. Tr hatte die Neuigkeit vom Kndenwirt erfahre« und war nun «it zwei kleinen Blumensträußen erschiene«. Ein bißchen verlegen bot er den Damen sei» herzliches Willkommen. Die alte Frau dankte aut ehrlich« Herz lichkeit. Elsbeth ab« begrüßte ihn «it lustig fröh lichem FreundschaftSton. Sv kam man über die erste Beklemmung hinweg und schritt gemeinsam den Weg nach de« Hügel hmanf. Mit heimlicher Sorge sah « Elsbeth an — ihr Aussehen erschreckte ihn. Das bemerkte die Kleine, und heiter rief sie: „Haben Sie keine Angst, Herr Förster, dir Schwindsucht hab' ich nicht, u«d Todeskandidatin bin ich auch noch nicht." „Nur überarbeitet ist fie," bestätigt« Mütterchen. Er nickte besorgt. „Das hab« ich Ihn«« ja vorher gesagt." Elsbeth aber lachte. .Macht nichts! Junge» Blut kuriert so etwa? bald wieder aus! Sa, und nun reden wir von was ander«." Und so mußte denn der Förster berichten, was es Neues gäbe und war sich im Städtchen ereignet habe. Und sonderbarerweise fand Els beth a« jedem einzelne« ein rege» Interesse. Inzwischen war «an ob«« angekomme«. Der alte, dicke Wirt strahlte wahrhaft. — „Das war ab« »al eine gute Idee!" rief er, «ild begrüßte seine Gäste herzlichst. Mütterchen lächelte nur stiltbegiückt. Elsbeth aber scherzte: „Wir wollen bei Ihnen Landluft kneipen!" Dan« besah man da» Zimm«, und Elsbeth — als Reffemarschall — erledigte sofort di« Preisstage. Während die alte Frau dann anspackte und sich einrichtete, lief Elsbeth »it dem Först« a« der andern Seite des Hügels wieder hinunter. Papis Grab! — Das sollte den ersten Besuch bekommen. Und der zweite galt der kleinen, alle« Hütte, in der sie so viel gelitten und doch auch sich so ost von Herzen gefreut hatte. Wie fie nun so durch das leuchtende, pran gende Grün dahiuschritt, wurde es ihr ordentlich leicht ums Herz — alles um sie herum sang und jubilierte, und alles in ihr sang und jubi-
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