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Allgemeiner Anzeiger : 10.11.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-11-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190611104
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19061110
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19061110
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1906
-
Monat
1906-11
- Tag 1906-11-10
-
Monat
1906-11
-
Jahr
1906
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 10.11.1906
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poUMcke ^unäsckau. Deutschland. * Der Kaiser wird sich im Anschluß an seinen Aufenthalt in München am 14. d. nach Donaueschingen begeben, um dort auf Einladung des Fürsten Egon zu Fürstenberg mehrere Tage zu jagen. *Wie verlauft, ist in dem Befinden des Preuß. Landwirtschaftsministers v. Podbielski eine solche Verschlimmerung eingetreten, daß es fraglich erscheint, ob er noch einmal seine Amtsgeschäfte wird übernehmen können. Jedenfalls wird in Regierungskreisen bereits die Frage der Nachfolge erwogen. * Zwischen Deutschland und Serbien ist es zu einem Streit gekommen, der leicht da zu Wren kann, daß Deutschland seinen Ge sandten aus Belgrad zurückruft. Ein Mitglied der serbischen Geschützkommission hat, als diese in Essen weilte, Nachbildungen von dem Verschluß der Apparate der Kruppschen Modelle verfertigt und sie der Schneiderschen Fabrik in Creuzot (Frankreich) gesandt. Die serbische Regierung verlangte nun, daß diese Verschlußapparate, die patentiertes Eigentum der Kruppschen Fabrik sind, an den Schneider schen Geschützen angebracht und durch diese so verbessert würden. Die Kruppsche Fabrik wandte sich als Geschädigte an die deutsche Regierung, die jetzt strenge Maßregeln zu ergreifen gedenkt. *Der Vorstand des in Berlin tagenden deutschen Städtetages beschloß, Eingaben an die Reichsbehörden zu richten, in denen die Offnung der Grenzen und vorübergehende Aufhebung der Fleischzölle verlangt wird. * Die Neuwahlen zum württem - bergischen Landtage sind auf den 5. Dezember anberaumt worden. Frankreich. * Das neue Ministerium hat sich den Kammern mit der Darlegung seines Pro gramms vorgestellt. Der für das Ausland wichtigste Teil der Ausführungen ist der aus wärtigen Politik und in unmittelbarem Zu- . sammenhange damit den Fragen der Weh r- kraft gewidmet. Er gipfelt in dem Gedanken, das von Frankreich erstrebteZiel sei der allgemeine, dauernde Friede; bis aber die Welt zu diesem Zustande gelange, müsse die Politik der Bünd nisse mit einzelnen Mächten fortgesetzt und vor allem die militärische Leistungsfähigkeit der Nation erhalten und noch gesteigert werden. Hierbei wird ein Gesetzentwurf angekündigt, der auf Erhöhung der Friedensstärke der Armee abzielt. England. * Im Unterhause erklärte in Beant wortung einer Anfrage Generalpostmeister Bux ton, es werde dem Hause Gelegenheit zur Er örterung der internationalen Übereinkunft über die Funkentelegraphie vor der Rati fizierung derselben gegeben werden. Die englischen Delegierten seien übrigens angewiesen Worden, dem Grundsätze der Vermittelungspflicht für Funkentelegramme verschiedener Systeme nur dann zuzustimmen und das Abkommen nur in dem Falle zu unterzeichnen, wenn ent sprechende Sicherheiten für die Marine-Interessen und die Handelsinteressen Englands erlangt würden. Italien. * Die Regierung wird im Parlament durch einen Kommissar den abessinischen Ver trag und im Anschluß daran durch den Minister des Äußern ihre Stellung zu England und Frankreich erörtern lassen. Norwegen. *Dem Storthing ging ein von vielen Abgeordneten der Linken unterzeichneter Gesetz entwurf zu, der für die zum Militärdienst ein gezogenen jungen Leute eine Entschädigung für den Fall fordert, daß sie bei ihrer Entlassung keine Arbeit finden. Ruhland. * Der österreichisch - ungarische Mini st er des Äußern Frhr. v. Ähren- thal ist in Petersburg eingetroffen. Wie es heißt, wird der Minister vom Zarert empfangen werden. * Der Rektor der Petersburger Uni versität ist dahin verständigt worden, daß die Hochschule unverzüglich geschlossen werden würde, wenn noch fernerhin Fei Studenten versammlungen Nichtstudenten anwesend sein würden und geheime Beratungen einer poli tischen Fraktion von Studentenvereinigungen über die Organisation bewaffneter Überfälle 'ab gehalten werden würden. Balkanstaaten. * Der türkischeMini st errat hielt eine außerordentliche Sitzung in der Angelegenheit der Zollerhöhung ab. Die Entscheidung des Sultans auf die letzte Gesamtnote der Mächte soll in den nächsten Tagen erfolgen. Afrika. * Die allgemeine Unsicherheit in Marokko nimmt mit jedem Tage zu. Während bisher der frühere Räuberhauptmann Raisuli Herr der Lage war, hat sich nun auch Bu Hamara, der schon seit Jahren dem Sultan seinen Thron streitig macht, der anarchistischen Bewegung im Lande angeschlossen. Er hat, wie aus Melilla gemeldet wird, die Kabylenstämme angegriffen und sich von ihnen Tribut zahlen lassen. Auch gegen die Benisidels unternahm er einen Raubzug. Augenblicklich lagert er landeinwärts bei Seluan. Die Ein geborenen von dort flüchten größtenteils nach Melilla. Angesichts dieser Zustände fand im französischen Kolonialamt eine lange Beratung statt; über ihr Ergebnis verlautet jedoch nichts. ^atrolenmeutereien in Portsmoutb. Am Sonntag kam es in dem englischen Hafen Portsmouth auS geringfügigem Anlaß zu Meutereien in den Strandkasernen. Einige der Rädelsführer wurden verhaftet, aber von dem Hafenkommandanten wieder freigelassen, als in den Kasernen die Ruhe wiederhergestellt war. Die Milde, mit der der Kommandeur der Portsmouther Flottenkaserne die widerspenstigen Matrosen nach dem Tumult behandelte, hat aber die aufgeregten Gemüter nur vorübergehend zu beschwichtigen vermocht. Die Vorgänge vom Sonntag haben sich in noch viel ärgerer Weise wiederholt, so daß die Admiralität nun wohl andre Saiten wird aufziehen müssen. Die Meuterei ist zu einer schweren gefähr lichen Revolte nach dem Muster der Kronstadter und Sebastopoler Emeuten geworden. Kämpfe fanden statt, und Hunderte von Meuterern sind unter Arrest. Die Behörden hatten versucht, jeden Verkehr der außerhalb der Flotten kaserne befindlichen Heizer mit den darin be findlichen zu verhindern. Die Leute, welche nicht in die Kaserne gelassen wurden, verab redeten jedoch mit den darin befindlichen durch das Gitter eine gemeinschaftliche Erhebung. Gegen Mitternacht erstürmten die Leute 'draußen die Offiziers-Wohnungen, die der Kaserne gegen über liegen. Fenster und Türen wurden unter wildem Tumult zerstört, die Wachen und die Polizei waren machtlos. Die Meuterer waren lange Zeit Herren der Lage und benahmen sich wie Wahnsinnige, brüllten, fluchten auf die Offiziere und bewarfen ihre Fenster mit einem Steinhagel. Die Garnison wurde alarmiert, und bewaffnete Abteilungen von den Marine-Kasernen und den Kriegsschiffen eilten jerbei. Glücklicherweise hatten die Meuterer eine Waffen, nur in einigen Fällen hatten ie den Wachen Bajonette entrissen. Endlich nach längerem Kampfe gelang es der be waffneten Macht, die Aufständischen zurück- und in die Kaserne zu treiben, die darauf mit einem Truppenkordon umgeben wurde. Sämtliche Heizer auf den im Hafen liegenden Kriegs chiffen nahmen für die Aufständischen Partei und brachten ihnen offene Kundgebungen ihrer Sympathie dar. Die Flottenkaserne ist arg zertrümmert. Nach den letzten Nachrichten zogen die Meuterer in der Kaserne umher und zerstörten sie. Einige von den Meuterern ange griffene O fiziere wurden schwer verletzt. Die Meuterei soll entstanden sein, well ein Offizier i die Leute niederkuien ließ, während er ihnen eine Ansprache hielt. Die Mannschaften der Schiffe befanden sich die ganze Nacht über unter Waffen. Bei den schweren Kämpfen wurden mehrere Leute ernstlich verletzt. Während des Tumultes versuchten die Heizer aus der Kaserne zu brechen und die Wachen zu überwältigen. Die Heizer auf den Kriegsschiffen traten lärmend auf die Seite ihrer ausständigen Kameraden. Jetzt soll alles ruhig sein. Die Blätter sprechen ihre Bestürzung über die unglaublich klingende, für die Disziplin der englischen Flotte höchst be denkliche Angelegenheit aus und verlangen eine energische Untersuchung. Käuberifcker Überfall auf einen Geläbriekträger. Ein schweres Verbrechen ist Dienstag morgen in der Pfuelstraße am Schlesischen Tor zu Berlin verübt worden. Der Geldbriefträger Hammer vom Briefpostamt 33 wurde von dem 24 jährigen, stellungslosen Tischler Max Gärtner aus Neustadt in Sachsen auf dem Neubau Pfuelstraße Nr. 9 gelockt und dort aus dem Hinterhalt niedergeschlagen. Der Täter, der die Geldkasse des Beamten mit 1600 Mk. geraubt hatte, wurde verfolgt und in der nahen Bevern straße verhaftet. Das Geld wurde ihm abge nommen. Der Täter stand bereits um 8 V2 Uhr früh in der Pfuelstraße an der Ecke der Köpenicker Straße und wartete auf den Geldbriefträger. Viele Personen sahen den gutgekleideten Menschen dort stehen, ohne sich weiter um ihn zu kümmern. Als ihm die Zeit zu lang wurde, ging er in eine benachbarte Schankwirtschaft in der Köpe nicker Straße und frühstückte. Dann hielt er sich wieder auf der Straße auf, bis der Geld briefträger Hammer, ein älterer Mann, der schon lange auf dem Amt 33 dient, endlich kam. Gärtner sah ihn in die Schankwirtschast, in der die Bauarbeiter zu verkehren pflegen, hineingehen, wartete, bis er nach erfolg loser Erkundigung wieder herauskam, und folgte ihm dann nach dem Neubau unter dem Vorwande, daß er ihm den Adressaten zeigen wolle. Im zweiten Stockwerk des fünf Stock hohen Baues angelangt, schlug er den vor ihm gehenden Geldbriefträger durch einen Hieb mit einer neuen eisernen Brechstange nieder und entriß ihm die Geldtasche, die 1600 Mk., dar unter 12 Einhundertmarkscheine, enthielt. Wäh rend der durch den Schlag über den Kopf schwer verletzte Beamte um Hilfe rief, ergriff der Räuber mit der Beute die Flucht. Zunächst wollte er sich vorübergehend im Kellerschacht verstecken. Als er jedoch zwei Arbeiter dort beschäftigt sah, lief er die Pfuelstraße entlang und bog auf das Gröbenufer ein. Acht Bauarbeiter und ein Schutzmann verfolgten ihn, holten ihn an der Dampferbrücke der Stern-Gesellschaft ein und nahmen ihn fest. Man nahm dem Er griffenen sofort das Geld wieder ab, fesselte ihn und brachte ihn nach der Wache des 43. Reviers in der Oppelner Straße. Eine große Menschen menge folgte dorthin. Nm 12 Uhr wurde der Verbrecher, wieder gefesselt, mit einer Droschke nach dem Polizeipräsidium gebracht.. — Die Vernehmung hat bisher wenig Neues zur Sache ergeben. Die Tat selbst hat der Ver brecher zugestanden. Sonst war über seine Person nicht viel aus ihm herauszuholen. Er ist am 23. April 1882 zu Neustadt im König reich Sachsen geboren und schon längere Zeit arbeits- und wohnungslos. Das Befinden des Verwundeten ist besorgnis erregend. Nach dem Ergebnis der ärztlichen Untersuchung hat er Verletzungen der Weichteile, des Schädels und der Schädeldecke und einen Bruch des Nasenbeins erlitten. 2^ur ^oräpolforlcbrmg. Wenige Gebiete der Erde sind heutzutage noch unerforscht. Auch der Nordpol ist schon seit langer Zeit das heißersehnte Ziel der Gelehrtenwelt. Die Entdeckungen im Polar gebiet reichen bis 86t zurück. Allerdings von wenig Nutzen für die Wissenschaft und Handel waren diese Zufallsentdeckungen begleitet. Seit 1868 kann man erst von Nordpolexpedittonm sprechen, die fast nur rein wissenschaftlichen Zwecken dienen. 1868 fuhr der Deutsche Koldewey auf der Segeljacht „Grönland" nach Spitzbergen. 1869 fuhr ebenfalls eine Expedition unter Koldewey auf den Schiffen „Hansa" und „Germania" gegen Norden, um das Gebiet zwischen Grönland und Spitzbergen zu er forschen. 1872 entdeckte der berühmte öster reichische Polarforscher Payer nach gelungener Rekognoszierungsfahrt in das Nowaia-Semlja- Meer Franz-Joseph-Land. 1878-1879 erfolgte die allgemein bekannte Fahrt der „Bega. Nordenskjöld löste damals das Problem der nordöstlichen Durchfahrt. Als die „Vega" übermäßig lange ausblieb, sandten der russische Handelsherr Sibiriakow einen Dampfer und Gordon Bennett den Dampfer „Jeannette aus. Die „Jeannette" sank 1881. Nur ein Teil der Besatzung kehrte nach unzähligen Strapazen zurück. Die „Jeannette" ist ver mutlich am nächsten am Nordpol vorbeigegangen, natürlich ohne großen Nutzen, da das SN in Trümmer ging. Nansens Expedition 1893 bedeutete dagegen einen vollen Erfolg. N demselben Jahre versuchte auch der amerikanW Ingenieur Peary gegen den Nordpol vor- zudringen. 1894 fuhr der Amerikaner Wellman nach Spitzbergen. Es ist derselbe, der jetzt mittels des Luftballons den Nordpol erreichen will. Die Expedition Cagnis mit der „Stella Polare" war auch erfolgreich. Dann lei noch des unglücklichen Andree gedacht, dessen Versuch, mit dem Luftballon die Eisregiou zu durch queren, gescheitert ist. Jetzt kommt die Kunde, daß Peary 87 Grad 6 Min. nördlicher Brei« erreichte, also den nördlichsten Punkt, zu welche« bis jetzt Nordpolforscher gelangt sind. Außerdem hat Peary neues Land entdeckt, und zwar bei« 100. Meridian. Der Dampfer der Expedition, „Roosevelt", überwinterte an der Nordküste von Grant-Land. Trotz ungünstiger Witterung legte Peary den übrigen Weg per Schlittest zurück. Von UNÄ fern. Von Löwen und Tigern angefallen. Der Tierbändiger Willi Peters, der im Zirkus Busch zu Berlin am Sonntag nachmittag während der Vorstellung von seinen Bestien an gefallen und entsetzlich verwundet wurde, be findet sich sehr schlecht. Sein größter Löwe hat ihm einen Schlag ins Gesicht versetzt, der die linke Wange völlig vom Knochen löste. Wie durch ein Wunder ist das Auge gerettet. Knochen brüche sowie innere Verletzungen liegen nicht vor, dafür allerdings eine Anzahl tiefer Kratz- und Bißwunden, von denen einige bis auf den Knochen gehen. „Hauptmann" Borgt in Untersuchungs haft. Die Untersuchung gegen den „Haupt mann von Köpenick", Wilhelm Voigt, führt der Untersuchungsrichter Dr. Nothardt vom Land gericht 11. In dessen Gegenwart hielten die Rechtsanwälte Dr. Schwindt und Bahn im Sprechzimmer des Untersuchungsgefängnisses mit dem Angeklagten die erste einstündige Kon ferenz ab, nachdem die Direktton des Unter suchungsgefängnisses erklärt hatte, daß der gegenwärtige Gesundheitszustand des Voigt dies zulasse. Voigt ist, wie verlautet, geistig recht rege und drückt sich in einer so gewandten Weise aus, wie man sie bei seiner zumeist in Strafanstalten verbrachten Vergangenheit kaum für möglich halten sollte. Körperlich macht er den Eindruck eines stark mitgenommenen Mannes, dessen eingefallene Wangen und gelbliche Gesichts farbe auf einen leidenden Zustand schließen lassen. Als Kuriosum und zum Beweise, welches Interesse alle Schichten der Bevölkemng dem „Hauptmann" entgegenbringen, sei registriert, daß den Verteidigern von verschiedenen Stellen kleine Geldbeträge, von mehreren Damen bei einer im Admiralsgartenbade veranstalteten Sammlung aber sogar 47 Mark zur besseren Verpflegung zugewendet worden sind. Bei der Voruntersuchung wird es sich vor allem um die Prüfung der Frage handeln, ob Voigts Aburteilung vor der Strafkammer oder vor dem im Dezember zusammentretenden Schwurgericht stattfinden soll. Oi Paul unä Paula. 11j Novelle von Helene Stökl. «Fortsetzung.) „Ich habe dich erschreckt, vergib mir; aber die Freude überkam mich zu mächtig, als ich dich hier sah. Laß mein Ungestüm, bitte, den Augenblick unsres Wiedersehens nicht stören." „Nehmen Sie nicht zuversichtlich an, daß dies Wiedersehen mir erwünscht sei. Ich bitte Sie, mich vorbei zu lassen, mein Herr." Paula wollte an Konstantin vorbei, aber er vertrat ihr den Weg. „Nicht so, Sie werden nicht von mir wollen, Paula, oder Fräulein, wenn Ihnen das lieber ist. Erst hören Sie an, was ich Ihnen zu sagen habe. Wissen Sie denn, wie ich Sie gesucht habe, wie mir das Herz brannte, Sie zu finden, Sie, die ich erst kannte, nachdem ich Sie verloren hatte? Sie wissen es nicht, sonst stünden Sie mir jetzt nicht so gegenüber. Paula" — seine Stimme bebte in unterdrückter Leidenschaft — „keine Stunde ist vergangen, seit du von mir gingst, daß ich deiner nicht in heißer Sehnsucht gedachte. Bei Tage fülltest du meine Gedanken, und des Nachts meine Träume, nein, mehr, die Erinnerung an dich verzehrte Zeit und Stunde; denn bei Tage träumte und bei Nacht wachte ich. Weißt du, was es heißt, wenn man Wochen- und monate lang nur von einem Gedanken lebt und nur ein Fühlen und Wünschen kennt, wenn jeder Nero vor Sehnsucht zuckt und die Ermattung unsre Herzen zusammenkrampft?" „Lassen Sie mich vorbei I" flüsterte Paula. „Nein, sage ich, nicht eher, als bis du mich ganz angehört hast. In der Stunde, in der du in Venedig von mir gingst, fiel die Binde von meinen Augen. Kaum auf dem Dampf schiffe angelangt, wußte ich, wie nahe mir mein Glück gewesen war, zugleich aber auch fühlte ich, daß ich diWstieben würde, bis in alle Ewigkeit. Und als ich, von glühender Ungeduld getrieben, noch am selben Tage kam, Leben oder Tod von deinen Lippen zu empfangen, da fand ich dich nicht mehr." „Ich danke Gott, daß ich zur rechten Stunde ging," sagte sie dumpf. „Du hättest es nimmer tun sollen; denn du erwidertest meine Liebe." Er richtete seinen Blick fest auf sie. „Wie können Sie das wissen?" stammelte Paula. „Ich weiß es. Oder hast du den Mut, es zu leugnen? Sieh, wir sind hier ganz allein miteinander unter Gottes weitem Himmel; ver suche und sage, daß du mich nicht liebtest!" Sie wollte reden, aber ihre Stimme versagte. „Weißt du auch," fuhr Konstantin sich zu ihr neigend fort, „wer mir dein so sorgsam bewahrtes Geheimnis verriet?" Paula hob ihre Augen in unwillkürlicher Frage zu ihm auf. „Du selbst, Paula, du selbst! Der Kuß, den du auf meine Hand drücktest, verriet mir, daß du ein Weib seiest, er sagte mir auch, daß du mich liebtest!" „Sie sind ungroßmütig!" Sie preßte wie in plötzlichem Schmerze die Hand auf das Herz. „Du zwingst mich dazu, Paula! Sei du großmütig," fuhr er flehend fort. „Stehe,,nicht so da! Was soll ich tun, um deine Verzeihung zu erlangen? Um der Tage willen, die wir zusammen verlebten, vergiß, wenn ich dich er zürnte. Verleugne nicht länger dein eignes Ich. Zu deinen Füßen will ich dich bitten, vergib mir, Paula, und sei mein!" Er wollte vor ihr niederknien, aber sie hielt ihn heftig zurück. „Wohlan denn, Sie zwingen mich zu dem Geständnis, das ich nie abzulegen gedachte. So hören Sie denn, was Sie zu hören wünschen. Ja, ich liebte Sie, ich war wirklich töricht genug, mein Herz nicht besser zu bewahren." „Paula!" wollte Konstantin aufjubeln, aber sie fuhr hastig fort: „Als ich aber mir klar dar über geworden war, floh ich, um Sie nie wiederzusehen; denn unsre Wege können nie zu sammengehen." „Weshalb nicht?" fragte er erbleichend und einen Schritt zurücktretend. „Muß ich es sein, die Ihnen das sagt? Haben Sie vielleicht die Worte vergessen, die Sie auf dem Markusplatz sprachen?" „Ich habe sie vergessen. Schon am nächsten Morgen wußte ich sie nicht mehr." „Aber mein Gedächtnis ist treuer als das Ihrige. Jene Stunde brannte mir Ihre Worte mit Feuer in die Seele. Sie sagten: „Ein Mädchen, das, um seinen Neigungen ungestörter leben zu können, aus der Bahn tritt, welche ihm vorgezeichnet ist, kann für mich nur ein Gegen stand der Verachtung sein." Nun denn, ich ver ließ die Bahn, um meinen Neigungen zu leben. Ich hatte keine Entschuldigung, mich zwana keine Not. Ich muß Ihre Verachtung tragen aber ich brauche es nicht zu dulden, daß Sie von Liebe zu mir sprechen. Hören Sie? Ich dulde es nicht!" „Die Worte waren ohne Sinn und Über legung gesprochen." „Sie waren es nicht. Mit kalter Ruhe sprachen Sie aus, was Sie dachten und was Sie denken werden." „Ich sagte, was ich nie gedacht habe und nie denken werde, wenigstens in bezug auf dich. Hättest du dich damals mir anvertraut, so hätte ich dir beweisen können, wie ich dich ehrte. Paula, du wirst mich doch nicht so schwer strafen wollen! Sollte ein ganzes Leben der treuesten Hingebung nicht genügen, um ein flüchtiges Wort zurückzurufen, das ich sprach, ehe ich dich kannte? Willige ein, meine Gattin zu werden, ich will dich wie eine Heilige verehren und den Saum deines- Gewairdes küssen." Er ließ sich, bevor sie es wehren konnte, auf ein Knie vor ihr nieder. Sie zitterte so heftig, daß sie umzusinken drohte. „Was sagten Sie doch damals?" Paulas Stimme klang heiser und unartikuliert: „Lieber wollte ich eine Bettlerin von der Straße zu meiner Gattin machen, als ein Mädchen, welches wissentlich die Gesetze ihres Geschlechts ver letzt hat." Ec sprang auf. „Ich wage es, und wenn ich tausendmal m gesprochen hätte. Du gehörst mir, Paula, >ch lasse dich nicht. Glaubst du, du könntest dem Herz von dem meinen reißen, nachdem du e-
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