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Allgemeiner Anzeiger : 20.10.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-10-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190610205
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19061020
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- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1906
-
Monat
1906-10
- Tag 1906-10-20
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Monat
1906-10
-
Jahr
1906
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 20.10.1906
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Politische Armälckau. Deutschland. * Der Kaiser brachte bei der Hochzeits feier im Hause Krupp einen Trinkspruch auf das Brautpaar aus. Nach dem Mahl reiste der Monarch nach Bonn, um der Einweihung des Denkmals für Kaiser Wilhelm I. und der Immatrikulation (Aufnahme in die Universität) seines vierten Sohnes Prinzen August Wilhelm beizuwohnen. *Prinz Alexander zu Hohenlohe, der Bezirkspräsident in Kolmar ist, hat dem kaiserlichen Statthalter sein Entlassungs gesuch eingereicht, dessen Genehmigung außer Frage steht. Sein Rücktritt ist durch das kaiserliche Telegramm an den Chef des Hauses Hohenlohe veranlaßt, worin die Veröffentlichung der Memoiren des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe wegen der darin enthaltenen Jndis- kretionen scharf getadelt wurde. Diese Rüge traf den Prinzen Alexander, aus dessen Ver anlassung die Herausgabe der Denkwürdigkeiten seines Vaters erfolgte, der also dafür der Öffentlichkeit gegenüber die Verantwortlichkeit zu übernehmen hatte. Der Einreichung des Entlassungsgesuches ging eine Unterredung des Prinzen mit dem Reichskanzler Fürsten von Bülow voraus, den er zu diesem Zweck in Homburg aufsuchte. Der Prinz erklärte, daß er nach der Erledigung seines Abschiedsgesuches sich gegen alle Angreifer öffentlich verteidigen werde. * Wie verlautet, hat der R ei ch s kan zl er die umgehende Einreichung der Akten zum Fall Fischer vom Gerichtsherrn der Garde-Kavallerie- Division erbeten. Der Ehrenrat der Stabs offiziere des Gardekorps wurde mit dem ehren gerichtlichen Verfahren gegen den Major Fischer betraut. Das Strafver fahren gegen den Major Fischer ist aufgehoben und der Angeschuldigte aus der Untersuchungs haft entlassen worden. *Bei den neuen Militärforde rungen handelt es sich u. a. auch um eine Vermehrung der Maschinengewehre und um die allgemeine Einführung der Rohrrücklaufgeschütze bezw. um die Umarbeitung des vorhandenen Geschützmaterials zu Rohrrücklaufgeschützen mit Schutzschilden. Für den Reichstag enthalten diese Forderungen nichts Neues, da sie in der Budgetkommission wiederholt erörtert worden sind. Mt Rücksicht auf die verfügbaren Mittel sollen die Kosten auf mehrere Jahre verteilt werden. Osterreich-Ungarn. * Uber die La g e des Grafen Golu- chowski schreibt die ,Neue freie Presst: Der Graf besitze nach wie vor das vollste Vertrauen desKaisers, der sich nur ungern von einem so langjährigen Ratgeber trennen würde. Hier von hat die ungarische Regierung Kenntnis, und es ist abzuwarten, ob Wekerle auf die Wahl der ungarischen Delegation solchen Einfluß ausüben könne, daß ein offener Skandal vermieden werde. Frankreich. * Der dritte internationale Kongreß zur Unterdrückung des Mädchenhandels wird vom 22. bis 25. Oktober in Paris unter dem Vorsitz des Ministers Bourgeois tagen. England. * Die Admiralität beabsichtigt, aus Ersparnisrücksichten die Zahl der in dauernder Bereitschaft liegenden Schiffe der europäischen Geschwader wesentlich h erab zus etz en. Die ausscheidenden Fahrzeuge sollen zur Flotten reserve übergeführt und die steiwerdenden Mann schaften zur Vermehrung der Mannschaftsstämme sür Torpedobootsflottillen verwendet werden. Demnach würde die gesamte sofort verwendbare Flotte etwa um ein Viertel verringert. * Die englisch-französische Freund- schaft ist abermals vor der Welt bekräftigt worden. Der Lord-Mayor (Oberbürger meister) von London ist mit 70 Mitgliedern des Gemeinderats von London in Paris einge troffen und vom Präsidenten des Gemeinderats und zahlreichen städtischen Beamten am Bahn hof enrpfangen worden, wo sich auch eine zahl reiche Menschenmenge eingefunden hatte, die die englischen Gäste lebhaft begrüßte. Schweiz. * Die Regierung macht bekannt, daß Wegendes schweizerisch -fr anzösis chen Handelsvertrages eine vollkommene Verständigung erzielt worden ist. Die Ver handlungen mit Spanien schweben noch. Svanicn. * Das Kriegsbudget weist im laufenden Jahre eine Erhöhung von etwa 10 Mill. Mk. aus. Bei der überaus traurigen Finanzlage des Landes wird es dem Finanzminister schwer werden, diese Forderung vor den Cortes zu ver treten. Rustland. * Der Premierminister Stolypin hat aus Anlaß der Veröffentlichung des Programms der Partei vom 30. Oktober folgende Kundgebung erlassen: „Alle Freunde einer friedlichen Ent- Prinz Alexander zuHohenlohc-SchillingSfürst tritt von seinem Amte als Bezirkspräsident von Kolmar zurück. Wickelung Rußlands, die die Nevoluüon als Feind der wahren Freiheit und fruchtbarer Arbeit betrachten, werden aus dem Programm der Oktobristen die Gewißheit schöpfen, daß ihre Überzeugungen richtig und lebensfähig sind. Die russische Regierung ist nicht die Regierung irgend einer Partei, sondern verwirklicht die ihr vom Monarchen bezeichneten Probleme. Die Regierung trennt sich nicht von der Gesellschaft, sie entsagt aber auch nicht ihrer entscheidenden Rolle und sie verlangt von den politischen Parteien nicht, daß diese auf ihre Unabhängig keit, die dem Erfolg der gemeinsamen Bestre bungen nur günstig sein kann, verzichten." Es ist nur schade, daß sich mit diesen schönen Worten nichts anfangen läßt, wenn ihnen nicht endlich einmal eine Tat folgt. * Aus Simferopol, der Hauptstadt des Gouvernements Tauri en, wird gemeldet: Wegen verschiedener Attentate gegen Offiziere drohen diese, sämtliche Kadetten führer auszurotten. Dagegen erklärten die Matrosen, sie würden diese Führer schützen. In der Stadt werden Massenverhaftungen vor genommen. Waffen und Bomben wurden ge funden. Wegen der herrschenden Gärung wurden die Militärprozesse aufgeschoben. Balkanstaatcn. * Der türkische Mi nist errat empfahl durch einen Beschluß dem Sultan, den Be dingungen der letzten Note der Botschafter über die dreiprozentige Zollerhöhung zuzu stimmen. Amerika. * Wie aus Havanna gemeldet wird, ist Charles Mag von als vorläufiger Gou verneur Kubas an Stelle von Taft ein gesetzt worden, der nach Amerika zurückreiste. Taft erklärte, wann die Neuwahlen stattfinden würden, hänge von den Kubanern selbst ab. Amerika wolle Kuba so schnell wieder verlaffen, wie die Kubaner es wünschen. In Washington verlautet, der Kongreß werde sich im Dezember mit der kubanischen Frage beschäftigen. Ver schiedene Mitglieder des Kongresses sollen da hin wirken, daß die Ver. Staaten in Zukunft eine größere Aufsicht über Kuba ausüben. Der vorläufige neue Gouverneur von Kuba, Magoon, hat einen Aufruf an die Bevölkemng erlassen, in dem er erklärt, er werde Tafts Zusicherungen erfüllen und seine Vollmachten im Sinne der Erhaltung der kubanischen Unab hängigkeit ausüben. Japan. *Die japanische Regierung be schäftigt sich mit der Prüfung von Voranschlägen für neue Linienschiffe. Von gutunter richteter Seite wird erklärt, daß die Aufnahme einer neuen Anleihe sicher ist. Beraubung der Köpenicker Ztadtkafse. Ein Vorfall, wie er in der deutschen Ver brechergeschichte seinesgleichen sucht, und der hin sichtlich der Frechheit und Kühnheit seiner Aus führung an die berüchtigtsten russischen Überfälle der letzten Zeit erinnert, hat sich in Köpenick bei Berlin zugetragen. Dort hat ein Gauner in der Maske eines Garde-Offiziers mit Hilfe einer Abteilung Soldaten, die er durch eine gefälschte Kabinettsorder täuschte, den Bürgermeister Dr. Langerhans und den Stadt- Rendanten v. Wiltberg im Rathaus verhaftet, beide unter militärischer Bewachung nach Berlin transportieren lassen und dann die Stadtkasse, in der sich etwas über 4000 Mark in bar be fanden, ausgeraubt. Polizei und Gendarmerie sind in fieberhafter Tätigkeit, des Gauners, der mit seinem Raube unangefochten entkam, habhaft zu werden. Über den Vorfall wird folgendes bekannt: Ein etwa 50 Jahre alter Mann in Offiziers uniform hatte sich seit dem frühen Morgen am Rathause zu schaffen gemacht und war dann plötzlich verschwunden. Zwischen V-5 und 5 Uhr drang ein Mensch, auf den die Personalbeschreibung paßt, in der Uniform eines Hauptmanns des ersten Garderegiments bei dem Bürgermeister ein mit den Worten: „Sind Sie der Bürgermeister von Köpenick? Als der Bürgermeister bejahte, sagte der an gebliche Hauptmann: „Sie sind auf allerhöchsten Befehl mein Arrestant, und werden sofort nach Berlin abgeführt." Jetzt erst bemerkte der Bürgermeister Langerhans, daß mit dem „Herrn Hauptmann" zwei Grenadiere in feld marschmäßiger Ausrüstung in die Stube ge kommen waren, die auf einen Wink des Hauptmanns sich dem überraschten Bürger meister näherten. Der „Hauptmann" nahm Herrn Langerhans, der Reserveoffizier ist, das Ehrenwort ab, daß er keinen Fluchtversuch machen werde und gestattete, daß die Bürger meisterin ihren Mann nach Berlin geleite. Inzwischen hatte der „Hauptmann" das ganze Rathaus mit Militär besetzen lassen und die Kasse beschlagnahmt, wobei ihm 4002 Mk. in die Hände sielen. Erst als die Verhafteten (der Bürgermeister, seine Frau und der Rendant) auf der Neuen Wache in Berlin ankamen, er fuhren sie, daß sie einem Verbrecher zum Opfer gefallen waren. X7on !^ak unä fern. Schenkungen aus Anlast der Hochzeit im Hause Krupp. Frau Krupp stiftete aus Anlaß ver Vermählung ihrer Tochter Berta der Stadt Essen für wohltätige Zwecke 1 Million Mark. Das neuvermählte Paar überwies dem Kruppschen Arbeiter-Jnvalidenfonds gleich falls 1 Million. Von der grosten Ballonwettfahrt wird noch folgendes berichtet: Die 17 Ballons stiegen am Sonntag nachmittag bei der Gas anstalt Tegel bei Berlin innerhalb einer Smnde ohne Zwischenfall auf. Alle Luftschiffe nahmen anfänglich die Richtung nach Südosten, später wandten sie sich nach Süden. Nur der Ballon „Ernst" (Führer Dr. Bröckelmann) hat genau die ursprüngliche süoöstliche Richtung beiü eh alten und ist in der Nähe von Beleg glücklich ge landet. während von andern Ballons Meldungen aus oem westlichen Teil von Schlesien, aus Böhmen und Sachsen vorliegen. Die bisher ge landeten Luftschiffe gehören, wie der Ballon „Ernst", teilweise zu den kleinen Ballons, wäh rend anderseits auch die beiden größeren an der Fahrt teilnehmenden Luftschiffe „Düsseldorf" (Führer Leutnant Benecke) und „Pommern" (Führer Frhr. v. Hewald) zur Erde nieder- gestiegen sind. Der Ballon „Pommern" war bereits bis Budweis in Böhmen ge langt, wurde dann aber durch ungünstigen Wind nach Nordwesten näher an Berlin herangetrieben, so daß er landen mußte. Aus ähnlichem Grunde mußte auch der Ballon „Bezold" die Landung vornehmen. Es wird späterhin, wenn die Ballons sämtlich gelandet sind, Sache der sportlichen Leitung sein, die Leistungen der einzelnen Luftschiffe aus- zurechnen und danach die Preise zu verteilen. — Es läßt sich schon jetzt mit ziem licher Bestimmtheit Voraussagen, daß der kleinste aller aufgestiegenen Ballons, der nur 680 Kubikmeter fassende, von Dr. Bröckelmann geführte Ballon „Emst", der bei Brieg ge landet ist und mithin etwa 340 Kilometer zurück- gelegt hat, den Sieg davontragen wird. Denn nach den Wettfahrtbestimmnngen müßten die drei Ballons, deren Meldung von der Landung noch aussteht, etwa die doppelte Strecke wie der Ballon „Ernst" zurücklegen, wenn sie ihm den Sieg entreißen wollen. Von den drei bisher noch nicht als gelandet gemeldeten Teilnehmern an der Ballonwettfahrt ist der Ballon „Sohnke" im Gouvernement Warschau gelandet. Neue dänische Freimarken, zu denen die Klischees von der Reichsdruckerei in Berlin an gefertigt worden sind, werden binnen kurzem zur Ausgabe gelangen. Die neuen Postwen zeichen führen das Bildnis König Friedrichs Vlll. Die zunächst in Frankreich hergestellten Druck platten sollen ungenügend ausgefallen sein und nicht den Beifall der dänischen Regiemng ge funden haben. Ein grostes Haberfeldtreiben, wie sie in Bayern allmählich zu den Seltenheiten ge hören infolge der strengen Strafen, die darauf ruhen, ist in Neukirchen bei Miesbach in Ober bayern gegen den Gemeindediener abgehoben worden. 25 vermummte Individuen hatten sich zusammengerottet und vollführten den üblichen Höllenlärm, wobei scharf geschossen wurde. Der Angegriffene aber wußte sich zu helfen. Er ließ Sturm läuten und alarmierte so die umliegenden Dörfer mit der Gendarmerie. Die Haberer ver zogen sich darauf. Zwei von ihnen sind bereits festgenommen worden. Schweres Eisenbahnunglück in Frank reich. Ein Eisenbahn-Zusammenstoß, der schwere und verhängnisvolle Folgen hatte, ereignere sich auf dem Bahnhofe in Epernon (Frankreichs Der Personenzug Nr. 510 sollte im Bahnhof Epernon auf ein Nebengleis gebracht werden, um den Eilzug durchzulassen. Da wurde der Personenzug von einer Rangiermaschine ange- sahren. Der Zusammenstoß war von furcht barer Heftigkeit. Eine Anzahl Personen wurde sofort getötet und sehr viele wurden schwer ver letzt. Es verlautet, daß 11 Personen getötet und 35 verwundet wurden. Unter den Opfern der Bahnkatastrophe befinden sich so hervor ragende Persönlichkeiten, daß diesmal die Unter suchung über die tieferen Ursachen besseren Erfolg verspricht als die bisherigen Untersuchungen. Die wesentliche Veranlassung aller ernsten Unfälle ist, daß die Einstellung von Hilfskräften dritter Ordnung für den Sonntagsdienst fort besteht, trotz aller traurigen Erfahrungen, die man mit diesen schlecht ausgebildeten Kräften gemacht hat. Diesmal aber müssen sich An gehörige gut bekannter Familien im Necker- und im Kinderspital schweren Operationen unter ziehen. Die zehn Notizblätter, die der Arbeits minister Barthou in der Nacht nach dem Unglück auf dem Pariser Montparuasse-Bahuhof, um geben von wehklagenden und zornerfüllten An gehörigen der Toten und Verwundeten, später auf der Station Epernon mit Bemerkung?? und Daten füllte, werden hoffentlich nicht d^ Schicksal des berühmten „schätzbaren Material sür künftige Reformvorschläge haben. K Paul unä Paula. 5) Novelle von Helene Stökl. (Fortsetzung.) „Ob im Sonnenschein oder im Regen," pro- tesüeüe Paul, „Venedig muß immer schön bleiben." „Ich hoffe, du wirst dich während unsrer Anwesenheit hier nicht vom Gegenteil über zeugen müssen. Ich werde den Eindruck nie vergessen, den Venedig auf mich machte, als ich es zum erstenmal sah. Ich kam von der Landseite, von Mestre her, und süeg bei strömendem Regen hier aus. Der düstere Bahnhof, die schmutzigen, schlüpfrigen Stufen zum Wasser hinab, die geschlossenen Gondeln, welche schwarzen Särgen täuschend ähnlich sehen und in denen man zusammengekauert sitzen muß, das trübe Wasser der Kanäle, die unheimliche Leblosigkeit und Sülle der Stadt, die ge schwärzten Häuser mit den ausgebrochenen Fensterkreuzen, den verrosteten eisernen Toren und den schlammüberzogenen Türschwellen, das alles war nicht geeignet, mir eine günstige Meinung von der Stadt Venedig beizubringen. Venedig ist eben eine Schönheit, die man nicht im Negligö aufsuchen darf." „Für mich ist und bleibt sie die Königin im Purpurmantel und Diadem." „Die aber beides bei schlechtem Wetter ablegt." „Ich möchte Venedig im Regen sehen, nur um dich widerlegen zu können." „Du weißt nicht, was du dir wünschest! Wasser von oben und Wasser von unten, das ist zu viel, übrigens haben wir vorläufig keinen Regen zu befürchten. So lange die Fortuna dort oben —" er wies aus eine Marmorgeftalt, die, mit einem Fuß auf einer Kugel stehend und in ihren Armen ein auf gespanntes Segel haltend, die Spitze einer schlanken Säule schmückt, — „das Gesicht der Stadt zuwendet, kann man mit Gewißheit auf schönes Wetter rechnen; sobald sie sich aber abwendet, kommt Regen oder Wind. Ich hoffe, sie wird uns gnädig zugewandt bleiben." Und sie blieb ihnen zugewandt. Ein reinerer Himmel und eine mildere Luft umgaben Venedig vielleicht nie, als in den Tagen, in denen Kon stantin und Paul hier wellten; diese erkannten dankbar Fortunas Gunst und brachten Venedigs Schönheiten ein offenes und zur Bewunderung geneigtes Herz entgegen. Mt ehrfurchtsvollen Schütten durchwandelten sie die Hallen der Kirchen, in denen alle Marmorpracht und aller Bilderreichtum der Welt vereint zu sein scheint; sie wellten stunden lang in dem Dogenpalaste und suchten sich in die Zeiten zurückzuversetzen, da die lange Reihe der Dogenbilder an den Wänden noch nicht ge schlossen war und die hochgehenden Wogen republikanischer Herrlichkeit diese mächtigen Säle, diese geschmückten Treppen und Hallen durch fluteten. Sie besuchten Paläste, die von außen unheimlich und vernachlässigt aussahen, deren Inneres aber mit blendender Pracht ausgestattet ist von Venetianischen Familien, deren Reichtum den Fall Venedigs überdauerte. 'Sie ließen sich in die Glas- und Mosaikfabriken führen, und sahen mit neugierigem Interesse, wie haarfeine, farbige Glasstäbchen, eines an das andre ge reiht und in die Lavamasse gesteckt, die wunder vollen Mosaikarbeiten bilden, auf die Venedig stolz ist; sie sahen Blumen und Moose, die zu duften und zu leben schienen, vor ihren Augen aus Glas entstehen, und wie die großen Muscheln des zarten Rosa, das ihr Inneres umkleidet, beraubt werden, damit es geschnitten und geschliffen sich in zarte Schmucksachen ver wandle. Sie promenierten aus dem Markusplatze und fteuten sich der Scharen schwarzer Tauben, die so zahm sind, daß sie jeden:, der sie füttert, auf Schultern und Arme fliegen und die Körner furchtlos von seiner Hand picken. Sie fuhren stundenlang auf den Lagunen umher und weit hinaus in das Meer, dem sanft über das Wasser ziehenden harmonischen Gesänge der Gondeliere lauschend. So sehr aber Paul danach verlangt hätte, in Venedig zu verweilen, und so tief der Ein druck war, den die fremdartige Schönheit des selben auf ihn machte, so schien er sich doch nicht ganz glücklich fühlen. Seine Sümmung war ungleich und wechselnd. Die schnellen Übergänge von freudigem Ent zücken zu tiefer Niedergeschlagenheit und der jähe Farbenwechsel seines Antlitzes flößten Konstantin ernstliche Besorgnis um seine Ge sundheit ein, die Paul jedoch stets lächelnd zu zerstreuen wußte. Bald vertrauensvoll seine Gedanken vor Konstantin erschließend, bald scheuer als je sich in sich selbst zurückziehend, hatte er bis jetzt die Beantwortung der Frage, die Konstantin auf dem Dampfer an ihn gestellt hatte, noch imS^ hinauszuschieben gewußt. Es war an einem heiteren Vormittag sie auf den Markusturm süegen, oder viels^ gingen, denn die steilen Wege im Innern Turmes ziehen sich stufenweis bis zur Sp>^ hinauf. Ohne einer Gesellschaft junger länder, die sich oben befanden, Aufmerksam!^ zu schenken, gaben sie sich dem Anblick des ft" stolzer Ruhe zu ihren Füßen lagernden Venedig? hin. Dicht neben ihnen erhoben sich zu fa» gleicher Höhe mit dem Turme die fünf ge waltigen Kuppeln der Markuskirche, gerade unser ihnen breitete sich der Markusplatz und diePia- zetta mit ihrem Menschengewühls aus. „Wenn man hier hinunterstürzte!" sag" Paul, einen schaudernden Blick über die Brüstung werfend, „der bloße Gedanke darv§ ruft Schwindel hervor." „Nicht bei jedem," bemerkte der Türmcv der, diese Worte hörend, näher trat; „seh?" Sie diese Kante?" Er wies auf einen kau'" fußbreiten Vorsprung, der sich unter der klein?" Plattform, auf der sie standen, rings um Turm zog. „ES gibt Engländer, welche ?s lieben, darauf einen Spaziergang um den Tun' zu machen." . „Es ist nicht möglich!" wollte Paul rufen, aber schon stand einer der Engläne neben ihnen. „An dieser Stelle?" fragte er, hmE sehend. „Ich werde es auch versuchen, l schon stand er auf der Brüstung. . . „Es ist verboten, mein Herr," nes ! Türmer.
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