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Allgemeiner Anzeiger : 01.12.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-12-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190612015
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- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19061201
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19061201
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1906
-
Monat
1906-12
- Tag 1906-12-01
-
Monat
1906-12
-
Jahr
1906
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 01.12.1906
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poknfcbe K.unclsckau. Deutschland. * Der Kaiser ist zum Jagdaufenthalt beim Herzog von Ratibor auf Schloß Raudten (in Schlesien) eingetroffen. *JnBraunschweigsRegierungs- kreisen ist man der Ansicht, daß der Termin der Beantwortung des Landiagsbeschlufses für den Herzog von Cumberland am 23. Januar 1907 abläuft. Sollte innerhalb dieser Frist der Herzog keine Stellung zum Beschlusse des Landtages genommen haben, wird der Reaentschaftsrat weitere Schritte zur Lösung der Regentschaftsfrage unter nehmen. Bisher ist von Gmunden im herzog lichen Ministerium keinerlei Rückäußerung des Herzogs von Cumberland eingegangen. *Wer der Nachfolger des am Sonntag plötzlich einem Herzschlage erlegenen Erz bischofs Dr. v. Stablewski in Posen wird, ist schwer vorauszusagen, um so mehr, als die preuß. Regierung im Hinblick auf den Schulstreik wegen des Religionsunter richts von ihrem Einspruchsrecht ausgiebigen Gebrauch machen wird. * In der Kolonialverwaltung finden Beratungen über eine Abänderung des Be ll m t e n g e s e tz e s für die Kolonien statt. * Wie verlautet, wird sich der Reichstag noch vor den Weihnachtsferien mit der Regie rungsvorlage betr. die Konferenz von Alge ciras zu befassen haben. * Für den sozialdemokratischen Reichs tagsabgeordneten Dreesbach, der infolge eines Herzschlages plötzlich gestorben ist, soll die Ersatzwahl im Wahlkreise Mannheim, den der Verstorbene seit 1898 vertrat, baldmöglichst stattfinden. *Der Dampfer „Professor Wo ermann" ist mu 10 Offizieren und 430 Unteroffizieren und Mannschaften aus Südwestafrika in Kux- Haven eingetroffen. * Nachdem der Rest von 60 Hottentotten, die noch immer die Karasberge in Südwest - atrika unsicher gemacht hatten, sich ergeben hat, und der lange verfolgte Anführer Fiel ding auf englisches Gebiet übergetreten ist, haben die Truppenführer die feste Zuversicht, daß der Feind in dieses Gebiet nicht mehr zurück- kebren werde. Österreich-Ungarn. *Wie aus Wien berichtet wird, hat der Besuch des KönigsGeorg von Griechen land beim Kaiser Franz Joseph den rumänisch-griechischen Konflikt der Lömng nicht näher gebracht. Die rumänische Regierung verlangt in ihrer letzten Erklärung, Griechenland möge sich verpflichten, auf eigenem Boden keine Bandenbildung zu dulden. König Georg scheint aber diese Verpflichtung abgelehnt zu haben. * Der neue Minister des Äußern, Freiherr v. Nhrenthal, unterbreitete den Delegationen ein umfangreiches Rotbuch über die Konfe renz in Algeciras. Ein zweites den Delegationen zugegangenes Rotbuch enthält diplomatische Aktenstücke über die Reformaktion in Mazedonien. Außerdem wurde den Delegationen ein Braunbuch vorgelegt, das Noten und andre Aktenstücke über die Handels vertragsverhandlungen Osterreich- Ungarns mit Serbien enthält. *Die Beziehungen zwischen Österreich- Ungarn und Bulgarien haben sich in jüngster Zeit sehr freundschaftlich gestaltet. Es verlautet, Österreich-Ungarn habe seine Bereit schaft erklärt, auf sein Kapitulationsrecht (das Recht der Gerichtsbarkeit über die eignen Unter tanen) in Bulgarien zu verzichten. Die Mehr zahl der Großmächte tat dies bereits anläßlich der kürzlich abgeschlossenen Handelsverträge; doch war die Zustimmung Österreich - Ungarns unerläßliche Bedingung. Nunmehr soll diese ursprünglich verweigerte Zustimmung gegeben werden. England. * Die in n e rp o liti s ch e L a g e ist, wie sich aus den Vorgängen der letzten Wochen wiederholt ergeben hat, trotz der großen Mehr ¬ heit, die der Regierung im Unterhause zur Ver fügung steht, keineswegs geklärt. Besonders die entschiedene Opposition des Oberhauses bei der Schulvorlage bietet ein starkes Hindemis für die Fortführung der liberalen Politik. Trotzdem glaubt man in unterrichteten Kreisen nicht mehr an das Bevorstehen einer wirklichen Regie rungskrisis, seitdem Campbell Ban- nerman erklärt hat, in keinem Falle die Regierung vor dem nächsten Frühjahr aus der Hand zu geben. * Der Rädelsführer bei derMeute- rei in der Portsmouther Marine kaserne, der Heizer Moody, wurde vom Marinekriegsgericht zu fünf Jahr Zuchthaus vemrteilt. Erzbischof Dr. v. Stablewski Erzbischof v. Stablewski ist in Posen an einem Herzschlag gestorben. Er war am 16. Oktober 1841 geboren und absolvierte seine theologischen Studien zunächst am bischöflichen Seminar in Posen, dann an der Universität München. Er nahm eine Stellung als Religionslchrer am Gymnasium in Schlimm an, welches Amt er bis 1873 bekleidete. Als Propst in Wreschen wurde er 1876 in das Abgeordnetenhaus ge wählt, wo er sich der polnischen Fraktion anschloß. Im Jahre 1891 wurde er zum Erzbischof von Posen- Gnesen ernannt. Pole von Geburt und Erziehung, hatte Stablewski als preußischer Bischof manchen Konflikt durchzukämpfen. Eben jetzt war er in den Wirren des polnischen Schulstrciks wieder in den Vordergrund des Interesses getreten, als ein Herz schlag seinem Leben ein jäheS Ziel setzte. Italien. * DerPapst wird den gegenwärtig in Nom weilenden König von Griechenland empfangen. Schweden. * Dem Ministerrat ist ein Gesetz vor gelegt worden, wodurch das erst im Januar 1901 angenommene Rekrutengesetz schon jetzt einer Änderung unterzogen, und für die Zeit von 1908 bis 1913 eine Vermehrung der Land- und Seestreitkräfte durchgeführt werden soll. Ruhland. * Wegen Teilnahme an der Militär revolte in Sebastopol wurden drei Personen zum Tode verurteilt. Von 270 An geklagten wurden 38 freigesprochen, Balkanstaaten. * Aus Konstantinopel wird ein fran zösisch-türkischer Zwischenfall ge meldet: Der französische Konsul in Mosul, Degrand, ist am 20. d. auf einer Boots reise von Diarbekr nach Mosul von Hamidjes (kurdische Kavalleriesoldaten), die mehr Räuber als Soldaten sind, angegriffen worden. Es wurden ungefähr hundert Schüsse gewechselt, ohne daß die Begleitmannschaft des Konsuls Verluste gehabt hätte. Amerika. * Die Negierung der Ver. Staaten sandte der japanischen Regierung be treffs der schwebenden Streitfragen über die Fischereigerechtsame und die Schul ausweisungen in San Francisco eine Note, durch die sich Japan befriedigt erklärte. (Damit ist hoffentlich auch dieser Krieg auf dem Papier beendet.) Asten. * Die südmandschurische Eisen bahn ist dem internationalen Verkehr über geben worden. Bei dieser Gelegenheit richtete diejapanischeRegierung an die Mächte eine Note, in der sie von diesem Beweis ihrer Friedenspolitik amtlich Mitteilung macht. Aus clem Aeickstage. Der Reichstag setzte am Montag die Beratung des Gesetzentwurfs über die Rechtsfähigkeit der Berufsvereine fort. Abg. Pachnicke (srs. Vgg.) übte in gleicher Weise wie die bisherigen Redner der Linken, eingehende Kritik an den Bestimmungen des Entwurfs und kam zu dem Schluß, daß auch er keiner Gewerkschaft empfehlen könne, sich unter dieses Gesetz zu stellen. Abg. Giesberts (Ztr.), der wesentlich schärfere Töne anschlug als sein Fraktionsfreund Trimborn, bemängelte namentlich, daß den Landarbeitern das Koalitionsrecht vorenthalten bleiben soll, und setzte auseinander, warum er die Beseitigung dieses Aus nahmezustandes für geboten und ersprießlich hält. Als er bei dieser Gelegenheit den preußischen Staat den „reaktionärsten Staat der Welt" nannte und sogar erklärte, man müsse sich draußen in der Welt schämen, ein Preuße zu sein, sand er scharfen Wider spruch auf der Rechten und auch bei einem Teil seiner engeren politischen Freunde. Abg. Heine (soz.) wandte sich sehr scharf gegen die Ausführun gen des Staatssekretärs Grafen Posadowsky am 24. d. und erklärte unter eingehender Kritik die Hauptbestimmungen der Vorlage als für seine Parteifreunde unannehmbar. Am 27. d. steht zunächst auf der Tagesordnung die Denkschrift über die Ausführung der seit dem Jahre 1878 erlassenen Anleihegesetze. Abg. Fritzen (Zentr.) begleitet die Denkschrift mit einigen Bemerkungen. Sie gibt ein trübes Bild unsrer Finanzlage. Am 1. Oktober 1906 batten wir annähernd 4 Milliarden Mark Reichs schulden und davon nur 421 Millionen an wirklichen produktiven Ausgaben für Eisenbahnen, Nordostsee kanal und Post- und Telegraphenverwaltung. Redner nimmt den Wendepunkt in unsrer Finanzwirtschaft, der durch die Steuervorlage gegeben ist, zum Anlaß zu betonen, daß von nun an Anleihen nur für wirklich einmalige und außerordentliche Ausgaben ausgenommen werden und mit der Zuschußwirtschaft ein für allemal aufgeräumt wird. Nur so wird die Schuldentilgung keine papierene bleiben. Die Denkschrift wird durch Kenntnisnahme für erledigt erklärt. Bei der ersten Beratung der Rechnungs- Übersichten für Kiautschou spricht Abg. Kopsch (frs. Vp.) sich für ein Aufrücken der Beamten in den Kolonien aus dem unteren in den subalternen und aus diesem in den höheren Dienstaus, desgleichen für die Unteroffiziere. Weiter rügt er die großen Etatsüberschreitungen. Staatssekretär Frhr. v. Stengel sagt für die zweite Lesung ein Eingehen aus diese Aus führungen durch die heute nicht vertretene Marine verwaltung zu. Abg. Erzberger (Zentr.) nimmt die Etats überschreitungen zum Anlaß, um die alte Forderung zu erheben, daß die kolonialen Rechnungssachen nicht wie bisher von der Rechnungskommission, sondern von der Budgetkommission bearbeitet werden. Abg. Frhr. v. Richthofen (kons.) hat für dieses Jahr Bedenken gegen den Vorschlag, weil die Budgetkommission mit dem verspäteten Etat genug zu tun haben werde. Schatzsekretär Frhr. b. Stengel macht davon Mitteilung, daß es zu seinem Bedauern nicht möglich sein werde, den Etat vor dem 10. bis 12. Dezember d. einzubringen und zwar sei daran der Umstand schuld, daß es sehr schwierig sei, die Einnahmen aus dem neuen Zolltarif einigermaßen zuverlässig zu schätzen. Hoffentlich gelingt es aber trotzdem, den Etat rechtzeitig fertigzustellen. Abg. Bassermann (nat.-lib.) hält die Über weisung der Übersicht an die Budgetkommission, die sich nur mit dem Etat zu beschäftigen habe, für bedenklich, er beantragt Absetzung dieses Punktes von der heutigen Tagesordnung. Die Abgg. Kopsch (frs. Vp.), Singer (soz.) und Erzberger schließen sich diesem Anträge an. Die Übersicht wird daraus von der Tages ordnung abgesetzt. Es folgt die Fortsetzung der ersten Lesung des Gesetzentwurfs betr. diegewerblichenBerufs- Vereine. Abg. Träger (srs. Vp.): Wenn dieses Gesetz der erste Stein zur Vereinsgesetzgebung sein soll, so muß ich sagen, daß mit dieser Grundsteinlegung die Negierung die Meisterprüfung im Gesetzcsbauhand- wcrk nicht besteht. Wir haben als Prüfungs kommission die verbündeten Regierungen schon mit Pauken und Trompeten burchfallen lassen. Wir müssen in der Kommission die Möglichkeit haben, der Öffentlichkeit gegenüber zu beweisen, was wir wollen und wie wir uns die Gestaltung dieser Materie denken. Der Graf Posadowsky macht den Eindruck eines gefesselten Prometheus, den die Adler und Geier umfliegen und auf ihn einhacken. Den Verwaltungsbeamten und der Polizei würde eS nicht schwer fallen, alle möglichen Schwierigkeiten aus dem Gesetz herauszufinden, um den Vereinen daS Leben schwer zu machen. Dagegen sind die Wünsche der Gewerkschaften gar nicht berücksichtigt, und das Gesetz überhaupt völlig ungenügend. Staatssekretär Graf v. Posadowsky: Leber die Einzelheiten der Vorlage werden wir uns in der Kommission zu unterhalten HÄen. Von einem Übermaß kleinlicher polizeilicher Kontrolle ist keine Rede. Der Entwurf verlangt Schutz für die Minderheit und die Ermöglichung einer Kontrolle. Die Mitglieder sollen auch vor der Willkür des Vereinsvorstandes geschützt werden. Freiheit dem Verein, Freiheit aber auch den Mitgliedern im Verein! Die Einreichung resp. die Einsichtnahme der Mitgliederlisten ist notwendig, denn sonst er halten die Vereine den Charakter von Gehcimbünden. Die Einsichtnahme in die Vereinsbücher und Proto kolle ist aus dem so oft als liberal gepriesenen englischen Trade Union-Gesetz entnommen. Ich habe es schon oft erlebt, daß Gesetzentwürfe bei ihrer Einbringung schwer getadelt wurden, daß aber in ernster, gemeinschaftlicher Arbeit zwischen Regierung und Kommission der Hauptzweck der Vorlage doch erreicht wurde. Abg. Potthoff (frs. Vgg.): Die Vorlage ist geeignet, die Berufsvereine in Abhängigkeit jedem einzelnen ihrer Mitglieder gegenüber zu bringen, anderseits können Vereine, die nicht reine Spezial vereine sind, z. B. Techniker-Vereine, der Deutsche Bankbeamten-Verein usw., auf Grund dieses Gesetzes nicht die Rechtsfähigkeit erlangen. Ein Gesetz wie dieses sollte nicht nur auf die Handarbeiter, sondern auch auf alle geistigen Arbeiter ausgedehnt werden. Diese Vorlage ist viel weniger ein Mittel zur Sicherung der Berufsvereine als eine Falle, in der sie ihre Bewegungsfreiheit und Selbständigkeit am- geben sollen. Wir hoffen, daß aus der Kommission etwas Brauchbares herauskommcn wird. Abg. Korfanty (Pole): Die Vorlage atmet den bekannten preußischen Geist. Die Kommission muß den Entwurf von Grund aus ändern, wenn etwas Brauchbares daraus werden soll. Meine Fraktion steht auf dem Standpunkt, daß auch den Landarbeitern das Koalitionsrecht zuteil werde; was dem einen recht ist, ist dem andern billig. Abg. Beumer (nat.-lib.): Auch ich bin ein Gegner der Vorlage, deren Bestimmungen aus dem Bureaukratismus geboren sind. Ein solches Gesev hat noch kein einziger Unternehmerverein gewünscht. Der Umschwung des englischen Unterhauses in der Haltung zur Haftung der Trades Unions, die jetzt anders gestellt werden sollen in ihrer Haftpflicht als jeder andre in England, ist darauf zürückzusührcn, daß England einen Minister hat. der im kontinen talen Sinne durch und durch Sozialdemokrat in, nämlich John Burns. Einen sozialdemokratischen Minister haben wir in Deutschland noch nicht. Gott sei Dank I In den vier Tagen der Debatte sind immer nur die Lichtseiten und nicht auch die Schattenseiten der Gewerkschaften hervorgchobeu worden. Da erinnere ich daran, daß z. U. auf „Note Erde" der Streik durch gefälschte Lohnlisten hervorgerufen worden ist. Die Führer der Bewegung haben sich in einer Weise über ihre eigene Tätigkeit ausgesprochen^ die an Frivolität nichts zu wünschen übrig läßr. So erklärte ein Führer, der Streik sei schon ver loren gewesen, ehe er begonnen habe, die Arbeiter müßten aber der Organisation zugeführt werden, auch wenn durch den Streik Nachteile für die Arbeiter entstünden. (Abg. Legien (soz.): Was ist denn dabei ?) Das ist wenig human von Ihnen, wenn die Sie meinen, es sei nichts dabei, wenn die Familien der Arbeiter der Not und dem Elend preisgegeben werden. Die Arbeitgeber haben das größte Interesse daran, gesunde und zufriedene Arbeiter zu haben und nicht — um in sozial demokratischer Sprache zu sprechen — ausgemergelte Lohnsklaven. Der wirtschaftlich Schwache ist heute vielfach nicht der Arbeiter, sondern der kleine Arbeit geber. Würden wir ein Gesetz nach dem Geschmack der Sozialdemokratie schaffen, so würde das die staatliche Anerkennung der sozialdemokratischen Ideen bedeuten. Hierauf wird ein Schlußantrag angenommen Die Vorlage geht an eine Kommission von 28 Mit gliedern. Von uncl fern. Die Verhandlung gegen den falschen Hauptmann von Köpenick Voigt ist auf den 1. Dezember angesetzt. Or Oer Meg sum Kerzen. 4j Novelle von F. Stöckert. Fortsetzung.: Hier auf diesem lauschigen Plätzchen, wo Me litta so oft mit Dr. Bergen zusammen gesessen, hier wird er es jetzt sprechen, das erlösende Wort. Die Qualen der Eifersucht, sie trieben ihn dazu, s, und sie will ihn reichlich belohnen für diese bangen Augenblicke, mit dem ganzen Reichtum ihrer Liebe. Wie ihr Herz klopft, wie sie in süßer Verwirrung die Augen niederschlägt. „Hören Sie auf die Stimme eines Freundes/ fährt Bergen fort, „dem Ihr Wohl am Herzen liegt, nehmen Sie nicht an der Vorstellung teil, ich bitte Sie dämm." Seine Stimme hat vor innerer Erregung einen eigenen, tonlosen Klang, heiße Angst leuchtet aus seinen Augen, die so flehend auf das junge Mädchen gerichtet sind. Doch an Melitta prallt alles wirkungslos ab, sie har ganz andre Worte erwartet. Warum sagt er nicht: ich liebe dich unsäglich, ich will dich zu meinem Weibe machen, dämm kann ich es nicht dulden, daß du mit einem andern dich an einer Schaustellung beteiligst. — Was sollen diese lang weiligen Worte von der Stimme eines Freundes, dem ihr Wohl am Herzen liegt, sie klangen kalt und nüchtern gegen den Sturm von Gefühlen, der in ihreni Herzen wogte. — Ach, sie ahnte nicht, daß die Brust des Mannes neben ihr noch viel leidenschaftlicher bewegt war als die ihre. Er wußte kaum, was er gesprochen, Worte vermochten es nicht auszudrücken, was er in diesem Moment empfand, aber seine ganze Seele lag in seinen Augen. Das junge Mädchen jedoch hatte sich schmollend von ihm gewandt, sie schämte sich ihres törichten Hoffens. Zum Glück nahte jetzt mit langen Schritten Herr von Strahl. „Der Herr Papa hat nichts dagegen," sagte er triumphierend. Melitta warf einen scheuen Seitenblick auf das finstere Antlitz ihres Nachbars; der ge kränkte Mädchenstolz, er mußte gerächt werden, kein Tropfen sollte ihm nun erspart werden von dem Leidenskelch, welchen er zur Strafe für sein langes Zögern leeren sollte bis auf die Neige. „Das ist ja herrlich von meinem liebens würdigen Papa," rie sie jetzt mit jubelnder Stimme, „ich wäre trostlos gewesen, wenn er es verboten hätte, aber er gehört glücklicher weise nicht zu den Haustyrannen. Bitte, ge leiten Sie mich zu der Damengruppe dort hin über, ich glaube, sie beraten schon die Kostüme, da dürfen wir nicht fehlen." „Sie machen mich zum Glücklichsten der Sterblichen," flüsterte Strahl, indem er ihr galant den Arm bot und sie durch den Saal führte. Wie in wüstem Traum befangen, schaute Bergen ihnen nach. Hätte Melitta nur ein einziges Mal den Blick gewandt und in das bleiche, vom herben Schmerz entstellte Antlitz geschaut, sie hätte nimmer den Mut gehabt, ihr loses Spiel weiter zu treiben. Es lag etwas Verzweifeltes in seinem Blick, welcher der zier lichen kleinen Gestalt folgte. „Nun ist wohl alles vorüber," murmelte er. „Der Traum ist aus. Und ich dachte daran, sie zu meinem Weibe zu machen; in diesen Tagen wollte ich meiner Mutter alles sagen und dann das geliebte Mädchen in ihre Arme führen. Ach, ich meinte, das Herz des Mädchens zu kennen und mußte mich so täuschen." Er hatte den Kopf dicht hinter den Topf gewächsen, die in dieser Ecke gruppiert waren, verborgen. Durch das grüne Blättergewirr sah er die Gestalten der Anwesenden sich hin und her bewegen; ihm war es, als zöge ein buntes Puppenspiel an seinen Augen vorüber. Dumpf, unverständlich drang das Stimmgewirr an seine Ohren. Seine Rolle war zu Ende hier, er mochte gehen, niemand würde ihn vermissen. Noch einmal ruhte sein Blick auf Melittas zier licher Gestalt im mattblauen Seidenkleide und dem Schmuck von Korallen, der so gut zu dem schwarzen Haar stand, dann zog er sich un bemerkt in eins der leeren Nebenzimmer zurück und von dort stahl er sich hinaus ohne Ab schied, hinaus in die stille, feuchtwarme Früh lingsnacht. Kein Stern leuchtete an dem wolkenverhangenen Himmel, alles dunkel, farblos. So farblos, so von dunklen Wolken verhangen, lag das Leben vor ihm, durch das sich wie ein Heller, lichter Streifen unvergeßlich schöne Tage gewoben. Denn vergessen, das fühlte er, würde er nie jene Stunden, die er in Melittas holder Nähe verlebt. Oft noch wird ihr liebliches Bild ihn umschweben, er wird ihre süße Stimme hören, ihr Helles Lachen, aber er wird nie zu ihr zurückkehren, nie sich wieder von all dem holden Zauber, der über ihre Erscheinung ausgegossen, betören lassen, denn er hat den Glauben an sie und ihre Liebe verloren. Melitta war doch etwas betroffen über das plötzliche Verschwinden des Doktor Bergen. Ihr Auge flog unruhig durch den Salon, sie durch schritt die Nebenzimmer, aber nirgends war der Entflohene zu entdecken. „Er wird wiederkommen," tröstete sie sich, „es ist ja eigentlich gar kein Grund vorhanden, mir zu zürnen." Aber er kam nicht wieder, er schien für Melitta unsichtbar geworden zu sein. Das Scharlachfieber grassiere unter den Kindern, hatte er, sich entschuldigend, zu dem Kommerzienrat gesagt; seine Zeit wäre gänzlich von seinen Pattenten in Anspruch ge nommen. Melitta schüttelte ungläubig das Köpfchen bei diesem Bericht ihres Papas. Sie glaubte nicht an diesen plötzlichen Ausbruch der Epi-, demie. Ihr Herz begann sehr unruhig zu wer den. Sollte er wirklich so tief gekränkt sein und nie wieder zu ihr zurückkehren? Was sollte sie denn nun beginnen, wie ihn nun wieder ver söhnen? Unmutig schaute sie hinaus in den Hellen, sonnigen Frühlingstag. Wenn er nw ein einziges Mal vorüberginge und nur gatt- verstohlen zu ihrem Fenster hinaufblickte, wo die duftigen Frühlingsblumen in reichster Fülle standen, eine Welt hätte sie hingegeben für einen Gruß, einen Blick von ihm. ., Er schien jedoch die Straße, die er sonn täglich passierte, ängstlich zu vermeiden, scharlacy kranke Kinder mußten in dieser Gegend nicht ß» finden sein. Draußen vor der Stadt, auf * einsamsten Pfaden, da finden wir den Mg Doktor wieder. Und der Helle Sonnenschein u das Blühen und Werden in der .Nattw, deucht ihm ein höhnender Kontrast mit dem ü
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