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Allgemeiner Anzeiger : 20.11.1909
- Erscheinungsdatum
- 1909-11-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190911202
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19091120
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19091120
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1909
-
Monat
1909-11
- Tag 1909-11-20
-
Monat
1909-11
-
Jahr
1909
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 20.11.1909
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KuManä unä Okma. G Aus dem fernen Asien kommt eine auf sehenerregende Nachricht: das Verhältnis zwischen China und Rußland hat sich so ungünstig ge staltet, daß die beiderseitige Diplomatie sich ernst haft mit der Frage: Krieg oder Frieden beschäftigt. Die Mär klingt um so seltsamer, als gerade in diesen Tagen bekannt geworden ist, daß das Zarenreich, um kriegerische Ver wickelungen zu vermeiden, sich in letzter Zeit bemüht hat, mit Japan ein Übereinkommen zu treffen, das alle schwebenden Streitfragen über das Mächteverhältnis beider Staaten in der Mandschurei regelt. Nun hat sich aber einer der beiden Vertragschließenden auch China gegenüber gebunden, denn Japan hat schon im August d. mit China ein Abkommen getroffen, wonach „das Reich der Mitte" in seiner Ver waltung der Mandschurei nicht weiter beschränkt werden soll, als die Erfüllung der Verträge von Schimonoseki (der den chinesisch-japanischen Kriegs und von Portsmouth (der den japanisch- russischen Krieg beendete) erfordert. Anläßlich der Ermordung des japanischen Staatmannes Fürsten Ito hat sich aber gezeigt, daß sowohl Rußland wie Japan ihre Bertragsbefugnisse überschritten haben: denn die chinesische Presse, wie auch die chinesische Diplomatie lehnten jede Verant wortung für diesen Mord ab, da „China lang sam aus der Verwaltung der Mandschurei ver- drägt worden sei." Offenbar will nun China seinen verlorenen Einfluß in dem strittigen Ge biet wiedergewinnen, denn nachdem man sich in Peking mit dem Gedanken vertraut gemacht hat, daß man dem wirtschaftlichen und politischen Ansturm Europas auf die Dauer nicht stand halten könne, will man begreiflicherweise dem eigenen Lande einen möglichst großen Anteil cm dem durch Rußland, Amerika und Japan in der Mandschurei betriebenen schwunghaften Handel sichern. Aus politischen Gründen er greift die Regierung in diesem Bestreben Ruß land gegenüber andre Maßnahmen als gegen Japan und die Ber. Staaten. Die Frage der Rassengemeinschast mit Japan spielt im Reiche der Mitte bei weitem nicht eine so untergeordnete Rolle, als man in Europa gewöhnlich vermutet, und wenn auch zugegeben werden muß, daß die Unterjochung Koreas durch Japan in China viel böses Blut gemacht hat, so verkennt die chinesische Regie rung doch keineswegs, daß ein Zusammengehen mit Japan durchaus vorteilhaft sein muß. Kein Geringerer als der verstorbene Li-Hung-Tschang, Chinas Bismarck, hat ja unmittelbar nach dem unglücklichen Kriege gegen Japan (1895) erklärt, daß es für China nur eine Rettung gäbe, nämlich nach Österreichs Beispiel mit dem Über winder einen Vertrag zu schließen, der geeignet ist, die Herrschaft beider auf dem Erdteile zu sichern." Und in Japan war es der jüngst ermordete Ito, der unermüdlich für ein Bündnis mit China wirkte, indem er ganz nach Bismarcks Muster darauf verwies, daß der besiegte Gegner am besten seine Niederlage verschmerzen lerne, wenn man ihn als Bundesgenossen gewinne. Staats männische Klugheit also gebot China, mit Japan ein Übereinkommen auch dann zu schließen, wenn sich die Wage zum Vorteile Japans neigte. Auch mit den Ver. Staaten einigte man sich aus Gründen weitschauender Staatsklugheit. Als vor zwei Jahren in Kalifornien die scharfen Ein wanderungsgesetze erlassen wurden, die sich namentlich gegen China und Japan richteten, gelang es zunächst der japanischen Diplomatie, auf Seitenpfaden wieder eine Möglichkeit zur Einwanderung der Gelben in Kalifornien und den Ver. Staaten überhaupt zu schaffen. Später befaßte sich China mit der Frage und erreichte mildere EinwanderungSbesttmmunge« und eine bessere Behandlung seiner Landeskinder in den Ver. Staaten, indem es dem Lande Roosevelts Handelsvorteile in der Mandschurei zusagte. Nur mit dem Zarenreich, das im Kriege gegen Japan seine Ohnmacht gezeigt hatte, vermochte sich die chinesische Regierung nicht zu einem Ab kommen zu entschließen. Immer wieder waren es russische Unterhändler, die Verhandlungen aufnahmen, ohne den höflichen Widerstand der Chinesen überwinden zu können. Es war vorauszusehen, daß Rußland nach dem Zarenbesuch in Italien, der die Stellung des Zarenreiches auf dem Balkan ohne Zweifel befestigt hat, wieder mit Energie seine ostasiatische Politik aufnehmen würde. Und wenn jetzt der in der Mandschurei weilende russische Finanzminister Kokowzew er klärt, daß er kaum an eine friedliche Lösung der Streiffragen mit China zu glauben wage, so zeigt das am besten den neuen Kurs im Zaren reich, das trotz seiner bösen Erfahrungen wieder auf das Meer einer uferlosen Politik im fernen Osten hinaussteuert. Ist das Zarenreich aber in Asten beschäftigt, vermag es in Europa keine Unruhe zu stiften. A. v. Politische Kunälchau. Deutschland. *Kaiser Wilhelm ist in Donau eschingen zur Jagd eingetroffen. Von hier aus begibt sich der Monarch nach Sigmaringen, Neudeck, Pleß und Breslau. * Der ehemalige Reichskanzler Fürst von Bülow, der gegenwärtig in Rom weilt, wo er den Winter zubringen wird, hat einem italienischen Diplomaten gegenüber erklärt, er werde weder „Denkwürdigkeiten" veröffentlichen, noch solche hinterlassen. * Wie jetzt feststeht, wird der Reichstag beim Etat u. a. auch über 500 Millionen Mk. neuer Anleihen zu beraten haben, die durch die Beamtenbesoldungsgesetze und durch ungedeckte Beiträge der Einzelstaaten notwendig geworden find. *Bei der Ersatzwahl zum Preuß. Landtag für den Wahlkreis Fraustadt- Lissa-Rawitsch-Gostyn ist an Stelle des verstorbenen Rittergutsbesitzers Schwartze- Reichenau der Lcmdrat v. Kardorff (Lissa), ein Sohn des bekannten verstorbenen Parla mentariers, gewählt worden. *Nach einem neuen Beschluß werden sich die thüringischen Staaten im Bundes rate gegen die von Preußen beantragte Ein führung von Schiffahrts-Abgaben wenden. * In der sächsischenZweiten Kammer beabsichtigen die Sozialdemokraten einen Antrag einzubringen, der die Einführung des Reichs- tagswahl rechts in Verbindung mit einem Verhältniswahlsystem für die sächsischen Land tagswahlen fordert. Osterreich-Ungar«. *Jn Prag ist es wieder einmal zu deutschfeindlichen Kundgebungen und in deren Verlauf zu blutigen Zusammen stößen zwischen Tschechen und deutschen Studenten gekommen. Der Polizei gelang es zwar, die Ordnung wieder herzustellen, indessen wurden mehrere Personen schwer verwundet. Frankreich. *Das deutsche Komitee zur Vorbereitung des im September 1910 in Paris stattfindenden internationalen Kongresses zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit hat sich nunmehr gebildet. Die Vorarbeiten für den Kongreß, die der frühere Ministerpräsident Bourgeois leitet, sollen schon in den nächsten Tagen be gonnen werden. England. * Wie verlautet, ist König Eduard plötz lich erkrankt. Sein Arzt, der ihn in Marienbad alljährlich behandelt, ist nach London berufen worden. Schwede«. *Der auf Veranlassung der Stockholmer Regierung unternommene Vermittelungsversuch in den noch bestehenden schwedischen Arbeit 8 streitigkeitenist wegen mannig facher Meinungsverschiedenheiten gescheitert; dennoch hat der schwedische Arbeitgeberverein beschlossen, die Aussperrung bei den Eisenwerken ? sofort aufzuheben. ! Balkanstaaten. * Sultan Mohammed V. hat die zweite Tagung des Parlaments mit einer Thronrede eröffnet, die eine Zollerhöhung, weitere Monopole und Ausbeutung der Naturschätze des Landes ankündigt. Über die auswärtigen Tagesfragen wird in der Thronrede nichts erwähnt. Der Kammerpräsident Achmed Riza wurde wieder gewählt. *Alle Schutzmächte Kretas haben sich nunmehr zu der türkischen Note, die für die Insel die Selbstverwaltung fordert, ab lehnend erklärt. Die Mächte haben dabei als Begründung auf die innere Lage in Griechenland verwiesen. Die Kretafrage also bleibt vorläufig noch in der Schwebe. * Daß die Lage in Griechenland noch immer ziemlich verworren ist, zeigt eine Mel dung, wonach einige junge Mitglieder des Offizierverbandes, darunter zwei Kreter und ein Albanese, andre jüngere Offiziere zu einer neuen Revolte aufzureizen versuchten, un bekannt, ob gegen die Regierung oder die Dynastie, daß die Bewegung aber rechtzeitig unterdrückt und die Anstifter verhaftet worden seien. Die gemäßigtere Partei des Offizier- Verbandes sei aufs äußerste bemüht, die Ge lüste der Radikalen niederzuhalten und die Ord nung zu sichern. * Ein eigenartiges Mittel wendet die ser - bische Regierung an, um das Volk über die von Österreich-Ungarn drohende Gefahr aufzuklären. Natürlich bezweckt man mit dieser Hetzarbeit nur, die Menge für die Ausgestaltung der Armee zu gewinnen und so die neue Steuergesetzgebung, die zum Teil dreifache Beträge fordert, in weiten Kreisen beliebt zu machen. Daß unter diesen Umständen sich die Beziehungen der Donau-Monarchie zu Serbien nicht bessern können, ist wohl selbst verständlich. Amerika. * Bei der Eröffnung des kanadischen Bundesparlaments erklärte der Präsi dent, die dem Parlament vorliegende wichtigste Frage sei die Beschlußfassung über den Aus bau der Flotte (der bekanntlich auf der Londoner Reichskonferenz angeregt worden ist). Der Präsident warnte in einer längeren Rede, die Flottensorgen Englands auf Kanada zu übemehmen. * In Argentinien, wo die Regierung vor einiger Zeit mit großer Mühe erst die Ruhe wieder hergestellt hat, ist ein Attentat auf den Polizeipräfekten der Hauptstadt Buenos Aires, Falcon, verübt worden. Dabei wur den der Polizeipräfekt und sein Begleiter so schwer verletzt, daß sie bald darauf starben. Der argentinische Ministerrat beschloß, als er hörte, daß es sich um die Tat eines An archisten handele, die sofortige Verhän gung des Belagerungszustandes über die Hauptstadt. Der Täter hat sich durch einen Schuß in den Kopf schwer verletzt. Afrika. * Schon vor einigen Tagen sollten in Melilla die Friedensverhandlungen im Rifgebiet endlich beginnen. Alle Vor bereitungen waren zum feierlichen Empfang der marokkanischen Unterhändler getroffen, die von der Generalität begrüßt und von einer Kavallerie- Eskorte begleitet werden sollten. Nach stunden langem Warten fanden sich aber nur dreißig Kabylen letzter Kategorie in schmutzigen Kleidern ein, was nicht geringe Enttäuschung hervorrief. General Marina weigerte sich, mit ihnen zu verhandeln, und verlangte das Erscheinen der Führer, denen er volle Sicherheit für ihre Per sonen zusichern ließ. Man hofft, daß sich diese nun in den nächsten Tagen einfinden werden, damit endlich irgendetwas Bestimmtes vereinbart werden könne. Aste«. * Die Gärung unter den Ginge- borenen Indiens, die sich schon wieder holt durch verbrecherische Anschläge auf hohe englische Beamte, zuletzt durch die Ermordung des Obersten Curzon Wyllie in London Luft machte, wird durch das Attentat auf den Vize könig Earl Minto wieder kraß beleuchtet. N bin lZUck in äie Tnkunft. 3) Novelle von C. Schirmer. UZorti-dung.) „Ja, was soll denn da werden?" fragte Frau Gebert und setzte sich auf einen ihrer Koffer. „Ich habe mir erlaubt, vorzuschlagen," sagte Doftor Hubert, „bis nach dem nächsten Dorfe zu fahren. Der eine Kutscher sagt, dort sei ein erträgliches Gasthaus, und ich hoffe, daß Sie dort Nachtquartier finden. Morgen früh können Sie ja dann Wetter nach Jeschnitz fahren." „Ja, so wollen wir es machen, Papa," rief Rota, „doch wo bleiben Sie?" setzte sie etwas unüberlegthinzu,und errötete, als sie ihre fragenden Blicke auf Doktor Hubert richtete. Dieser lächelte und erwiderte: „Ich hoffe noch irgendwo ein Plätzchen für mein müdes Haupt zu finden, vielleicht begrüße ich Sie in einigen Tagen in Jeschnitz, denn meine Ab sicht ist, die Insel nach allen Richtungen hin zu durchstreifen." Er verbeugte sich gegen die Damen, der Kanzleirat schüttelte ihm die Hand und dankte ihm für seinen freundlichen Rat und dann war er bald ihren Blicken ent schwunden. Es war Rosa plötzlich, als ob ein bisher unbekanntes Gefühl der Verlassenheit über sie käme, sie stand und schaute sinnend in die Ferne, und erst der Ruf ihres Vaters versetzte sie wieder in die Wirklichkeit und erinnerte sie an die Pflichten gegen ihre Eltern. Jetzt half sie aber treulich bei der Unterbringung der Sachen und gewann bald wieder ihre alte Freudigkeit. Bald setzten sich die Wagen in Bewegung, doch es war schon dunkel, als sie das nächste Dorf erreichten und endlich vor dem Gasthaus hielten. Die Wirtsleute schienen nicht an die Einkehr später Gälte gewöhnt zu sein, denn erst auf wiederholtes Klopfen und Rufen öffnete sich die Tür des unscheinbaren Hauses und eine ältliche Frau steckte den Kopf heraus. „Können wir hier Nachtquartier bekommen, gute Frau?" fragte der Kanzleirat. „Das wird schwer halten," erwiderte fie, „das heißt für so feine Gäste," fügte fie freund licher hinzu, indem sie des Licht höher hielt und in Rosas Gesicht leuchtete. „Ach was," sagte diese, „hier handelt es sich nicht um die feinen Gäste, sondern um Abendessen und die Betten, das werden wir doch erlangen können, wenn dies ein Gast haus ist." „Ja, herzensgern, Fräulein, wenn Sie nur vorlieb nehmen wollen mit dem, was unser Haus bietet." ' Die alte Frau trippelte voran und leuchtete in eine niedrige, verräucherte Gaststube, in der sich einige lange, rot angeftrichene Tische befanden und ebensolche Bänke an den Wänden entlang standen. Sie bat die Herrschaften, hier einstweilen Platz zu nehmen, während sie nach der Küche gehen und etwas Essen bereiten wolle. Doch Rosa lief ihr nach, da ihr die Person nicht Bürge genug für ein sauberes Mahl war und mit ihrer Hilfe war dann auch bald ein länd- liches Abendessen, aus Eiern, Schinken, Brot und Butter bestehend, aufgetischt. Frau Gebert war sehr angegriffen und klagte über Kopfweh, der Kanzleirat sah etwas ver stimmt aus, und aß nur auf Rosas dringendes Zureden einige Bissen. Es fehlte ihm bereits sehr die häusliche Behaglichkeit, und er ver wünschte innerlich die ganze Reise. Wer weiß, was der morgende Tag wieder brachte — es war heut schon vollständig genug, um sich wieder nach Hause zu sehnen. Rosa zeigte sich so recht als der helfende, gute Engel. Sie heiterte die Eltern auf, lachte und scherzte und eilte, sobald sie sich etwas ge stärkt hatte, zu der Wirtin, um mit ihr das Nachtquartier herzurichten. Das sah denn nun allerdings nicht sehr einladend aus, und Rosa war nur floh, daß sie für den Vater ein Sofa in der guten Stube des Hauses entdeckte. Sie legte gleich Beschlag darauf. „Wir Frauen richten uns leichter wo anders ein," sagte sie und hatte bald das alte Leder sofa mit einigen Betten, die die Wirtin brachte, belegt, holte des Vaters Sachen, stopfte ihm sogar eine Pfeife, und dann sah sie sich zu frieden in dem Zimmerchen um, das einer ge wissen Behaglichkeit nicht entbehrte. Auf einer Kommode standen bunt bemalte Tassen mit Inschriften, und die Wände waren mit Bildern behängt, auf denen die ganze Lebensgeschichte Genooeias zu sehen und zu lesen war. über dem Sofa hingen Porträts des Kaisers und des Kronprinzen, die man als solche mit einiger Mühe erkannte, auch war es der Vorsicht halber darunter gedruckt worden. Zwar versucht man in London die Douköen- explosion, der der hohe Würdenträger beinahe bei seiner Fahrt durch Ahmadabad zum Opfer gefallen wäre, als einen Zufall hinzustellen, indessen beweisen die Massenverhaftungen, die die englischen Behörden vornehmen ließen, das Gegenteil. Außerdem aber läßt der Fortgang der Ereignisse deutlich erkennen, daß es sich keineswegs um die Tat eines einzelnen, sondern um eine wohlvorbereitete Verschwörung handelt; denn als die Attentäter sahen, daß die Bombe ihre Wirkung nicht gehabt hatte, warfen zwei Männer aus der Volksmenge ihre Wurf speere nach dem Wagen des Vize königs, der auch diesmal unverletzt blieb. Die englische Regierung, die jetzt so warmherzig für durchgreifende Reformen im Kongostaat eintritt, sollte über dieser Fürsorge nicht das Land vergessen, das seiner Oberhoheit unterstellt und daher berechtigt ist, Schutz gegen Unterdrückung jedweder Art zu verlangen. Tur ungarischen I^rile. G Zehn Jahre lang haben zwischen Öster reich und Ungarn Verhandlungen geschwebt, zehn Jahre lang hat man um jedes kleine Zu geständnis gefeilscht, wie man's sonst nur auf dem Wochenmarkte hört — und das Ergebnis war, daß man nach zehn Jahren zu keinem Einvernehmen gelangt war. Besonders die ungarische Regierung steht zu sehr im Banne der in Ungarn herrschenden österreichfeindlichen Stimmung, als daß sie sich auf irgend ein Abkommen ein lassen könnte, das ein Nachgeben erforderlich macht. Schreibt doch diesbezüglich ein den un garischen Regierungskreisen nahestehendes Blatt: „Wir bleiben auf der Grundlage des selbst ständigen Zollgebietes. Ungarn kennt keinen andern Zolltarif, als den ungarischen. Ungarn erkennt den Inhalt des Szell-Körberschen Aus gleiches (und den von 1867) an, duldet aber keine wie immer geartete Verschlechterung. Ungam ist bereit, den Ausgleich in Form eines Vertrages mit Österreich festzulegen, wenn auch die Frage der Kommandosprache geregelt wird." Also weil man sich in Budapest in gewissen Kreisen mit dem Gedanken vertraut gemacht hat, daß Ungarns Söhne in der Armee nur in den heimatlichen Lauten kommandiert werden dürfen, weil man eine von Österreich getrennte Finanz- und Zollwirtschast wünscht, treibt man die Dinge auf die Spitze und läßt Staatsnotwendigkeiten ohne Berücksichtigung. In Ungarn glaubt man offenbar, durch Festhalten an dem eigensinnig aufgestellten Pro gramm die österreichische Regierung in eine Zwangslage versetzt zu haben. Es ist noch in aller Gedächtnis, daß im Vorjahre, als die Lage unbedingt weniger kritisch war, Kaiser Franz Joseph die Absicht äußerte, die Krone Ungarns niederzulegen. Damit glaubte man in Ungarn, die Zügel in Händen zu haben. Denn nach Meinung der ungarischen Hitzköpfe, denen Eigensinn und übertriebenes National gefühl den Blick für politische Möglichkeiten und staatliche Entwickelung getrübt hat, ist nunmehr Ungarns Krone ein Gnadengeschenk für den alten Kaiser, das seine Regierung täg lich durch Liebenswürdigkeiten gegen Ungarn neu verdienen muß. Die Schuld an dieser Uberhebung der Pußtasöhne trägt nur die Regierung in Wien, die im Vorjahre, als die politischen Kämpfe den Höhepunkt erreicht hatten, durch allerlei Zugeständnisse den Rechtsstand punkt völlig verwischte. Es wird ihr jetzt schwer werden, den Weg zu finden, der zum Ausgleich mit Ungarn führt und zugleich der habsburgischen Monarchie ihr Ansehen und ihre Rechte wahrt. Nach allem aber, was mm von solchen Ver handlungen in Osterreich-Ungarn weiß, kann man von diesem neuen Versuch eines Aus gleichs, dessen Ziel der endliche und endgültige Frieden zwischen beiden Reichshälften wäre, sich nicht allzuviel versprechen. Der Wille ist gut — aber die Tat allein vermag den drohenden Konflikt zu lösen. ^äobter. Da öffnete der Kanzleirat die Tür. „Ich suchte dich, mein Kind, die Mutter ist sehr müde," sagte er matt. „Ich komme schon, Papa, sieh, dein Zimmer findet aewitz deinen Beifall, ich habe mein möglichstes getan, um etwas Komfort zu schaffen, und für deinen Patriotismus ist auch gesorgt." Sie lachte wieder laut, als sie ihren Papa zu den Bildern führte und das Licht emporhob. Auch der Konzleirat lächelte, machte es sich jedoch bequem und überließ es den Damen, wie fie für diese Nacht untergebracht würden. Dieser Punkt hatte größere Schwierigkette«, und wenn Rosas unverwüstlicher Humor nicht gewesen wäre, hätte Frau Gebert vor lauter Mutlosigkeit ihren Tränen freien Lauf gelassen. Es war aber auch ein wahres Kunststück, auf der schmalen Leiter nach dem Bode^ emporzuklimmen, und dort angelmgt, öffnete die Wirtin einen Bretterverschlag, den sie als Logierzimmer für die beiden Damen bezeichnet*. Frau Gebert schlug die Hände über den Kop, zusammen, doch Rosa öffnete sofort *Xls kleine Nachtfensterchen, um die frisch« ^.«chtlust <a- zulassen, und wußte ihre Mutter bald so zu beruhigen, daß diese sich sogar mit dem hoch aufgetürmten, blau überzogenen Bette aus- söhnte und beide in einem süßen Schlummer bald alle Unbequemlichkeiten de? Reise vergaßen. Kaum sandte die Sonne ihre ersten Strahlen durch das kleine Fensterchen, da erwachte Rosa, und sich schnell ankleidend, schlüpfte sie leise, ohne die Mutter zu wecken, hinunter,
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