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Allgemeiner Anzeiger : 01.09.1909
- Erscheinungsdatum
- 1909-09-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190909012
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19090901
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- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1909
-
Monat
1909-09
- Tag 1909-09-01
-
Monat
1909-09
-
Jahr
1909
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 01.09.1909
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Teppelm. G Nach unendlichen Mühen hat der greise Graf Zeppelin die Hoffnung seines Lebens erfüllt ge sehen. Es gab eine Zeit (vor etwa einem Jahrzehnt), da lachte man über den Grafen, der einsam seinen Versuchen lebte, und der sein Ver mögen und sein Leben immer wieder aufs Spiel setzte, um seinem Luftschiffe die Lenkbarkeit zu geben. Und „wer sich der Einsamkeit ergibt, ach, der ist bald allein, ein jeder lebt, ein jeder liebt und überläßt ihn seiner Pein." Dies Dichterwort traf auf den einsamen Grübler in Friedrichshafen zu. Er war bald allein. Die raschlebige Welt hatte ihn nach den ersten mißglückten Versuchen vergessen. Wir Menschen sind nun einmal Erfolganbeter. Da drang am Julianfang des Jahres 1908 die Kunde in die Welt, daß dem „Zeppelin" von Friedrichshafen aus die Fahrt in die Schweiz bis nach Zürich und wieder zurück ge lungen war. Wohl hatten damals der Groß- Ballon und das Parseval-Luftschiff (beide lenkbar) schon einige hübsche Erfolge erzielt, aber Zeppelins Schweizerfahrt schlug den Rekord. Mit einem Male war der Name des Grafen wieder in aller Munde, das Inland und das Ausland sprachen von ihm. Der ersten großen Fernfahrt folgte bald eine zweite. Am 4. August machte der Graf im „Zeppelin II" seine Reise nach Mainz, die nach einer gelungenen Zwischenlandung in Echterdingen mit der Vernichtung des Luft kreuzers am 5. August ihr Ende fand. Diesmal aber glaubte Deutschland an das Können des Unermüdlichen. Kein Lachen mehr scholl durch das Land über den „phantasiebegabten Schwärmer". Durch alle deutschen Gaue ging ein weher Aufschrei, als das stolze Gebilde einer fleißigen und glücklichen Menschenhand der Wut der Elemente zum Opfer fiel. Und eine Begeisterung durchbrauste Deutschland, wie sie nur ganz große Ereignisse von nationaler Be deutung auszulösen vermögen. In unglaublich kurzer Zeit waren über 5V- Millionen Mark gesammelt, und der Graf konnte unabhängig von Sorgen um die Be schaffung der Betriebsmittel an die Arbeit gehen und einen neuen Sieg gegen die Elemente, die sich nicht beugen, vorbereiten. Und er hat ihn errungen. Am i. April gings in fünfstündiger Fahrt nach München und am folgenden Tage obne jeden Zwischenfall zurück. Neben dem Groß-Ballon und dem Parseval-Luftschiff ward nun vom Reich der „Zeppelin II" erworben. Nachdem das Luftschiff am 31. Mai seine große Pfingstfahrt gemacht hatte, die sich bis nach Bitterfeld erstreckte, ward am 31. Juli die große Fahrt zur Überführung des Reichsluftkreuzers nach Köln a. Rh. angetreten. Ohne Schaden brachte der Graf das Luftschiff an seinen Be stimmungsort, ebenso wie Ersatz „Z. I" glücklich in Metz untergebracht wurde. Schon bei seinem Fluge nach Bitterfeld hatte man das Luftschiff auch in Berlin zu sehen gehofft. Die Reichshauptstadt aber wird den „Zeppelin III" sehen, der unter Leitung des Grafen hergestellt worden ist. Das Luft schiff wird äußerlich nichts Neues bieten. Es gleicht seinen Schwesterschiffen, dem bei Echter dingen zugrunde gegangenen „Z. I" und dem nach Köln geführten „Z. II": 136 Meter Länge bei 13 Metern Durchmesser des zylindri schen Körpers mit einem Gasgehalt von 15 300 Raummetern. Darunter mit wenigen Metern Abstand die beiden Gondeln mit je einem Motor, und über ihnen, rechts und links hoch oben am schlanken Körper, je ein Schraubenpaar. Am Hinterende die Flächen zur Gleichgewichtserhaltung und zwischen ihnen, weit nach außen gerückt, je ein Seitensteuer zur Unterstützung des mächtigen Hintersteuers. Dennoch ist der „Z. III" ein andrer. In ihm schlummert eine größere Bewegungskraft, als in seinen Vorgängern. Und wenn auch nicht daran gedacht werden kann, daß die Behauptung mancher Blätter, das Luftschiff werde eine Schnelligkeit von 18 Metern in der Sekunde erreichen, sich erfüllt, so bewegt sich bei einer Stundengeschwindigkeit von 54 Kilometern der Koloß immerhin noch 15 Meter in der Sekunde fort. Der Graf hat einen neuen Triumph mit dem Bau dieses größten Luftschiffes der Welt gefeiert. Gewiß werden auch diesem Luftkreuzer Widerwärtigkeiten nicht erspart bleiben, aber in der Geschichte der Luftschiffahrt wird er ein neuer Markstein, ein gewaltiger Schritt auf dem Wege zur Eroberung der Luft sein. Man braucht heute nicht darum zu streiten, ob Zeppelin-Luft schiffe und Lenkballons überhaupt ein Beförde rungsmittel der Zukunft sind, eines bleibt be stehen: In dem Jahrhundert der Technik bleibt Zeppelins Name von dem Ruhm umstrahlt, auf dem Wege zum Ziel ein unermüdlicher Pfad finder gewesen zu sein. Politische Kunäscbau. Deutschland. * Der Kaiser trifft zur Kaiferparade am 11. September vormittags auf dem Forchheimer Exerzierplatz ein. Eine Verleihung von Fahnen an badische Regimenter auf Lem Paradefeld findet nicht statt. Der Kaiser und der Groß herzog von Baden halten sodann an der Spitze der Fahnenkompanie und der Standarten- Eskadron ihren Einzug in Karlsruhe. * Die großen Übungen der Flotte werden in diesem Jahre im westlichen Teile der Ostsee abgehalten werden. Die Geschwader treffen am 11. September vor Apenrade ein, wo umfangreiche Landungsmanöver stattfinden sollen. * Der Erlös aus Beitragsmarken für die Invalidenversicherung hat im Juli d. bei den Versicherungsanstalten 15,2 Mill. Mk. gegen 14,7 Mill. Mk. im gleichen Zeitraum des Vorjahres betragen. *Wie verlautet, soll Adolf Lüderitz demnächst auf südwest afrikanischem Boden, den er für Deutschland erwarb, ein Denkmal erhalten. In Lüderitzbucht hat sich ein Ausschuß gebildet, der mit einem Aufruf zur Errichtung eines Felsblockes mit dem Bilde Lüderitz' an die Öffentlichkeit getreten ist. Osterreich-Ungarn. * Anläßlich seiner Reise nach Bregenz wird Kaiser Franz Joseph die Vertreter der schweizerischenRegierung empfangen. Die Zusammenkunft wird in Rorschach auf dem Schiff, das den Kaiser nach Bregenz zurücksührt, stattfinden. Der Bundesrat wird durch den Vizepräsidenten sowie durch zwei Bundesräte vertreten sein. Frankreich. In Abgeordneten-Kreisen ist man der Überzeugung, daß der frühere Ministerpräsident Clemenceau durchaus noch nicht der Politik ernstlich müde ist. Man will 'sogar vielfach Zeichen dafür haben, daß er in der Stille in hohem Maße an der Auslandspolitik Frankreichs mitarbeitet, über die Marien bader Unterredung des ehemaligen Minister präsidenten mit König Eduard hat der französische Politiker einen ausführlichen schrift lichen Bericht an den Präsidenten Falliöres ab gegeben, worauf bei ihm eine längere Rück äußerung des Präsidenten eingelaufen ist. Man ist demzufolge der Ansicht, daß die Tage Clemenceaus noch nicht vorüber sind, und daß er schon in Kürze wieder tätig in der Politik und zwar zunächst in der Presse hervortreten wird. Holland. * Das Schiedsgericht zur Entscheidung der schwedisch-norwegischen Meer grenzfrage ist jetzt im Haag zusammen getreten. Spanien. * Noch immer setzen die Kriegsgerichte in Katalonien ihre Arbeit fort. Es werden jetzt die letzten Verurteilungen ausgesprochen. Einige zwanzig Verurteilungen zu lebensläng licher Zwangsarbeit find bereits erfolgt, darunter auch gegen einen Artillerie-Unteroffizier, der zu den Revolutionären übergegangen war. Endlich wurden zahlreiche Urteile verhängt, die Ver bannung nach -den spanischen Besitzungen in Nordafrika aussprechen. Trotz der Drohungen der Revolutionäre, die mit Dynamit- Attentaten drohten, wenn die Urteile vollstreckt werden, ist die Ruhe nirgends gestört worden, denn die Behörden haben die weitgehendsten Sicherheitsmaßregeln ergriffen. Balkanstaaten. *Jn dem Kretastreit, der für die Türkei immer noch nicht erledigt ist, will sie jetzt auch die Briefmarkenfrage mit Ge walt lösen. Der Minister des Innern hat die türkischen Postanstalten beauftragt, alle von Kreta anlangenden Postsendungen, die mit kretischen Postwertzeichen, dem Aufdruck „Hellas" (Griechenland) oder griechischen Abzeichen ver sehen sind, mit Beschlag zu belegen. *Die türkische Regierung wird als Antwort auf die letzte gemeinsame Note der Schutzmächte über die Kretafrage allen Großmächten eine Note überreichen lassen, die sich auch ein gehend mit der mazedonischen Frage befaßt und erklärt, daß diese Frage von der Türkei ohne Verhandlung mit den Mächten gelöst werden würde. — Aber wann und wie? Bisher ist in Mazedonien jede kleinste Ver besserung nur unter dem Druck der Großmächte durchgeführt worden. * In Konstantinopel ist das Gerücht ver breitet, daß die in der arabischen Provinz Jemen gegen die Türkei wühlenden Agenten englischer Nationalität den Sprengstoff geliefert hätten, durch den die jüngste folgenschwere Explosion in einem türkischen Munitionsdepot herbeigeführt wurde. Die englische Regierung steht diesem Anschläge fern, aber jene Agenten, unter denen sich ehemalige englische Offiziere befinden, machen unverhohlen gemeinsame Sache mit den arabischen Revolutionären, die zum Lohn für die gegenwärtige Unterstützung durch die englischen Parteigänger die Abtretung eines für England wichtigen Küstenstriches versprochen haben,' falls es gelänge, Jemen selbständig zu Machen. Die türkische Regierung will infolge dessen alles daran setzen, den Aufstand schleunigst niederzuschlagen. Afrika. *Das Schicksal des marokkanischen Thron bewerbers Bu Hamara, der von allen Gegnern dem Sultan Muley Hafid am' längsten Widerstand geleistet hat, ist nun end gültig entschieden. Aus dem Schutze der Moscheen haben ihn die Feinde vertrieben, in dem sie Feuer an das Heiligtum legten. Nach heftigem Kampfe hat sich der Flüchtling den siegreichen Scherifentruppen ergeben müssen, die ihn sofort unter großer militärischer Bedeckung nach Fez gesandt haben. Bei dieser Gelegen heit tischen uns französische Zeitungen wieder einmal das Märchen von Muley Hafids Grausamkeit auf. Sie wollen damit offenbar ihre Regierung veranlassen, im Namen der Zivilisation in die marokkanischen Ereignisse aufs neue mit bewaffneter Hand einzugreifen. In Wahrheit aber darf Muley Hafid, will er seinen Thron behalten, sich keine Grausamkeit, auch nicht gegen überwundene Feinde, zuschulden kommen lassen; denn noch immer ist die Zahl seiner Widersacher sehr groß und sie könnte dadurch leicht vergrößert werden. Asien. * Die Einführung einer Verfassung in China ist jetzt beschlossene Sache. Diese Tat sache beschäftigt auch die fremden Staaten, be sonders die Japaner. So hielt Fürst Ito, der frühere Generalgouverneur von Korea, eine Rede, in der er seinen Zweifeln Ausdruck gab, ob China mit Erfolg eine Verfassung einführen könnte, während anderseits ein Mißerfolg den Frieden im fernen Osten gefährden würde. Als Gründe für seine Zweifel nannte er den unge heuren Flächenraum des Reiches und die man gelnden Verkehrsmöglichkeiten, die für ein Zu sammentreten des Parlaments sehr hinderlich sein würden. Auch verbiete die chinesische Staats auffassung einen Wechsel des chinesischen Steuer systems und der schwerfälligen lokalen Verwal- j lung, was wohl die Vorbedingung einer National- I Versammlung fein müßte. * Die Zustände unter der neuen Regie rung in Persien werden immer unhalt barer. Mehrere Mitglieder der neuen Heeres verwaltung haben abgedankt, weil die erhofften Gelder ausgeblieben sind und die Unzufrieden heit im Offizierkorps wegen der Nichtzahlung der seit mehreren Jahren rückständigen Gehälter zunimmt. Sollte die Regierung nicht baldigst mehrere Millionen in Form einer Anleihe von außerhalb erhalten, so dürften die Unruhen einen größeren Umfang als bisher annehmen. Die allgemeine Lage hat sich daher in den letzten Tagen wieder hoffnungsloser gestaltet. Vie englische Reichsverteidigung. Nach langem geheimnisvolle« Schweigen hat der englische Premierminister im Unterhause über den Verlauf und das Ergebnis der Reichs verteidigungskonferenz, die länger als eine Woche in London getagt hat, Aufschlüsse gegeben. Die Ausführungen des Ministers begannen mit einem Hinweis auf die allgemeine Weltlage, die er zwar durchaus friedlich nannte, deren Schwierigkeit im Hinblick auf das Erwachen der mohammedanischen Völker und auf den Wettkampf um den Borrang im fernen Ostafie» er aber auch nicht verheimlichte. In seinen Darlegungen über die Konferenz nannte er als das Ergebnis der Beratungen den Plan, die Kräfte der Krone so zu organi sieren, daß sie schnellstens in eine einzige nach gleichen Grundsätzen ausgebildete Reichsarmee zusammengezogen werden könnten, wenn sie den Wunsch hätten, zu der Verteidigung des Reiches in einer wirklichen Notlage beizutragen. Hin sichtlich der Verteidigung zur See bekannte sich Neuseeland zu der gegenwärtigen Politik der Beitragsleistung zu den Kosten der gemeinschaftlichen Seemacht, während Kanada und Australien eigene Flotten zu begründen wünschten. Eine Umwandlung der Geschwader in den Gewässern des sernen Ostens wurde in Er wägung gezogen auf der Grundlage der Er richtung einer Flotte für den Stillen Ozean, bestehend aus drei Einheiten für die ostindischen, australischen und chinesischen Gewässer. Jede von diesen Einheiten soll bestehen aus einem Panzerkreuzer neuester Bauart, Torpedoboot zerstörern und sechs Unterseebooten. Das Angebot von Neuseeland und Australien, Schlachtschiffe zu stellen, wurde angenommen mit der Änderung, daß statt der Schlachtschiffe neue Kreuzer gestellt werden sollen. Einer von diesen Kreuzern würde der chinesischen, ein andrer der australischen Station zugeteilt werden. Asquith teilte zum Schluß einen von Australien gemachten Vorschlag mit, wonach die austra lische Regierung mit zeitweiliger Beihilfe von Freunden des Reichsgedankens eine australische Einheit der Stillen Ozean-Flotte schaffen wolle, während die Beisteuer Neuseelands zum Unter halt der chinesischen Einheit verwendet werden solle. Ferner sei vorgeschlagen worden, daß Kanada einen Anfang machen solle mit Kreuzern zweiter Klasse und Torpedobootszerstörern, die zum Teil im Atlantischen, zum Teil im Stillen Ozean stationiert werden würden. In der Übersicht, die der Premierminister gab, sind die Ansichten des jüngst vereinigten Südafrika nicht enthalten. Indessen ist seit langem be kannt, daß auf Vorschlag der Kapkolonie die südafrikanischen Kolonien die Begründung einer eigenen Flotte anstreben, die der Marine des Mutterlandes eingegliedert werden solle. Es wird also nicht mehr lange dauern, so verfügt England über soviel Schiffe, als seine stärksten Flottensreunde sich niemals träumen ließen. Es kann nun einen Teil seiner Rüstungen dem Auslande gegenüber als Rüstungen seiner Kolonien bezeichnen, die, von dem Rechte der Selbstverwaltung Gebrauch machend, sich eine eigene Flotte schaffen. Hoffentlich wird nun in England die Besorgnis schwinden, Laß eine andre Macht ihm im Flottenbau überlegen werden könne. K Der Oberhof. 17) Roman von C. Wild. (Fortsetzung.) Mina hatte wahrhaftig keine Ursache, eifer süchtig zu sein — es tat Eva leid um sie, sie hätte ihr die Liebe des Gatten von ganzen Herzen gegönnt. Ein heftiger Donnerschlag schreckte Eva aus ihren Träumen empor. Das Unwetter war mit vollster Macht los gebrochen. Ein leises Angstgefühl beschlich die Einsame. Es drängte sie, unter Menschen zu gehen, sie wollte Johanna oder Susy aufsuchen. Als sie den Korridor betrat, kam ihr Johanna schreckensbleich entgegA. „Es hat bei uns eingeschlagen," rief sie, „in dem Nebengebäude — es brennt lichterloh, sch muß zu den Leuten — willst du mein Kind unter deine Obhut nehmen?" „Gewiß," versicherte Eva bereitwillig; „ist denn Gefahr für das Wohnhaus vorhanden?" „Ich glaube nicht, ich weiß nicht," stammelte die bestürzte Frau, „nur mein Kind, gib auf mein Kind acht — ich komme sofort wieder." Sie eilte davon, Eva lief nach dem Kinder zimmer. Drunten im Hofe schrien und lärmten Vie Dienstleute; es fehlte die rechte Ober aufsicht und ein tatkräftiges Einschreiten, um das Weitergreifen des Brandes zu verhindern. Johanna war in den Hof gestürzt, kam aber bald Wied«, um nach ihrem Kinde zu sehen. „Ich kann drunten nichts helfen," klagte sie, „und dann die Sorge um mein Kind! „sie riß ' das kleine Mädchen an sich und bedeckte dessen Gesicht mit heißen Küssen. „Wir dürfen aber nicht so untätig bleiben," rief Eva, „packe dein Wertsachen — wenn auch das Wohngebäude von Flammen ergriffen wird, so ist alles verloren." „Du hast recht," stammelte Johanna, „aber ich bin zu gar nichts fähig, „ich kann nur an mein Kind, mein süßes, kleines Mädchen denken. Dem soll nichts geschehen, das schütze ich." Und sie beugte sich über die zitternde Kleine, um das Kind fest an ihr Herz zu drücken. Eva rang die Hände — dieser Mutlosigkeit gegenüber verlor auch sie jede Tatkraft. Sie trat ans Fenster und blickte in den Hof hinab — das Feuer wütete noch immer, aber für das Wohnhaus bestand die Gefahr Wohl nur gering, denn der Wind trieb die Funken in eine entgegengesetzte Richtung. Die Dienstleute taten ihr möglichstes, um den Brand zu löschen, und Eva schien es, als herrsche jetzt mehr Ruhe und Ordnung unter ihnen. Eine feste, sichere Kommandostimme, die durch den Hof schallte, ließ sie erbeben und einen Schrei ausstoßen. Standen die Toten wieder auf, oder war es bloß ein Trugbild ihrer er regten Sinne? Drunten stand, gebräunt und kräftig, ein Bild des Lebens und der Gesund heit, Otto, Susys Gatte! Eva preßte ihr Gesicht fest gegen die Scheiben — alle Vorsicht vergessend, wollte sie das Fenster öffnen, als Johanna zu ihr trat. Ein Mick nach unten, sie taumelte mit einem Schrei zurück. „Otto, Otto, es ist nicht möglich!" rief sie. „Ec ist es doch," murmelte Eva, „und ich — ich habe an seiner Leiche gestanden, und Susy hat ihn ebenfalls als tot beweint." Die beiden Frauen blickten sich einander entsetzt an. Kann man denn aus dem Reiche der Toten wiederkehren? Waren sie beide das Spielzeug einer Sinnestäuschung? Die Tür hinter ihnen wurde leise geöffnet und Susy erschien auf der Schwelle. Sie war die ganze Zeit auf ihrem Zimmer gewesen und hatte sich eingeschlossen, denn sie befand sich wieder in einer jener wunderlichen Stimmungen, die so häufig über sie kamen — dann wollte sie keinen Menschen sehen, mit niemand sprechen, einsam bleiben, und nur immer an das eine denken, das die Qual ihres Lebens war, und das sie als Geheimnis still bei sich verborgen trug. Sie hatte geweint, und erschöpft von der Hitze und ihren Tränen, war sie in einen dumpfen Schlaf versunken, aus dem sie erst vor wenigen Minuten erwacht war. Von dem Feuerlärm hatte sie nichts vernommen, denn ihr Zimmer lag auf der entgegengesetzten Seite — aber mit einemmal war es ihr allein so un heimlich zumute geworden, ein Gefühl des Bangens brachte sie dazu, ihr Zimmer zu ver lassen, um Eva aufzusuchen. Da sie Eva nicht fand, ging sie zu Johanna. Ein Blick in die beiden bleichen Frauengesichter ließ sie Schlimmes ahnen. „Was geht hier vor ?" fragte sie, hastig näher kommend. „Es brennt," antwortete Eva, „doch hoffent lich sind wir hier sicher.' Susy stürzte ans Fenster — in der nächsten Sekunde taumelte sie zurück — ein heiserer Laut kam von ihren Lippen, dann sank sie bewußtlos nieder. „Auch sie hat ihn erkannt," sagte Johanna. Eva nicke stumm. Ein Verdacht, dem sie nicht Worte leihen mochte, stieg in ihrer Seele auf. Die beiden Frauen beschäftigten sich nun mit der Ohnmächtigen, die bleich und regungs los dalag. Susy wurde zu Bett gebracht, ab« eS dauerte ziemlich lange, ehe sie wieder zum Be wußtsein zurückkehrte. Sie sah Eva starr an, dann brach sie in einen Tränenstrom aus und barg ihr Gesicht in die Kissen. Eva ließ sie ausweinen, — als Susy ruhiger ward, fragte sie erst: „Fühlst du dich besser?" „Nein, nein, ich will niemand sehen, bleib' du bei mir, laß niemand herein," versetzte Susy heftig ; „ist Johanna da?" „Sie ging vorhin hinaus," erwiderte Eva, „das Feuer ist im Erlöschen, Tremmingen ist von Hochberg mit seinen Leuten gekommen." „Und sonst, war niemand da?" drängte Susy, dann schrie sie jäh auf: „Gib keine Antwort, ich will nichts hören, nichts, nichts!" Eva nahm sie sanft bei der Hand. „Beherrsche dich ein wenig," bat sie, -ich werde niemand hereinlassen, wenn es dich aufregt." „Auch Johanna nicht?" „Auch Johanna nicht." Diese Versicherung schien Susy zu beruhige«. Sie blieb eine Weile still, dann sagte sie:
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