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Allgemeiner Anzeiger : 08.09.1909
- Erscheinungsdatum
- 1909-09-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
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- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190909081
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- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1909
-
Monat
1909-09
- Tag 1909-09-08
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Monat
1909-09
-
Jahr
1909
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 08.09.1909
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Zbäankung äes Königs von 6rieckenlanä? Es hat tatsächlich den Anschein, als ob die kretische Frage von unheilvollem Ein fluß für die Dynastie werden sollte, denn schon seit einiger Zeit wird in eirmeweihten Kreisen mit immer größer werdender Bestimmtheit von einer Regierungsmüdigkeit König Georgs ge sprochen. Ob es wirtlich dazu kommen wird bedarf noch der Frage, aber tatsächlich schein die Stimmung in Griechenland diesmal nich auf Seite der Dynastie zu sein. Hauptsächlich sind es die Offizierslreise, die über das nachgiebige Verhalten des Königs verstimmt sind. Es scheint in diesen Kreisen eine große Kriegsstimmung zu herrschen, die auch im Volke genährt zu werden scheint, weil man ziemlich offen darauf hinweist, daß ein Krieg zwischen Griechenland und der Türkei eigentlich auf dem Wasser entschieden werden wurde, und daß hierbei die Überlegenheit der türkischen Flotte keinesfalls eine zu große sei. Die geringe Mehrzahl der Schlachtschiffe werde, so wird in Kreisen türkischer Offiziere behauptet, durch die bessere Schulung und die größere Aufopferungswilligkeit der griechischen Marine völlig aufgehoben. In von Offizieren unter richteten Blättern wird dafür Stimmung gemacht, daß Griechenland der Türkei unter keinen Um ständen Sicherheiten hinsichtlich Kretas geben dürfe, weil die kretische Frage sich immer mehr zu einer Nationalfrage auswachse. Daß die Stimmung im Heere, aber auch in einigen Teilen des Landes, nicht sür den Kronprinzen ist, ist heute kein Geheimnis mehr. Aus diesem Grunde erscheint es auch sür sehr leicht möglich, daß der Kronprinz auf Wunsch seines Vaters auf die Thronfolge ver zichten wird. Ob der König mit seiner Familie ins Ausland reisen wird, ist noch sehr fraglich. Einstweilen sind jedoch Anhänger des Königs, der ob der Situation im Londe sehr betrübt ist, an der Arbeit, um den König umzustimmeu. Man erzählt sich in Adjutantenlreisen, daß sich der König um Rat an den Kaiser Wilhelm gewandt habe, daß von dieser Stelle jedoch bisher noch keine Antwort eingelaufen ist. Der König ist durchweg versöhnlich gegen die Türkei gestimmt, weil er einsieht, daß dies im Augen blick für Griechenland das beste ist. Er hat auch Vertrauen auf die Schutzmächte und sieht darauf, daß im Volke die Meinung verbreitet werde, daß das Eingreifen der Schutzmächte für Griechenland immer noch heilsamer ist, als rin etwa wegen Kreta ausbrechender Krieg, der auf jeden Fall sür Griechenland nachteilige Folgen haben müsse. Es wäre, so heißt es in Athener diplomatischen Kreisen, für Griechen land augenblicklich ein schlimmes Ding, wenn der König wirklich abdanken sollte, denn es gibt gerade jetzt Strömungen im Lande, die sich gegenseitig in einer Weise befehden, die ver hängnisvoll werden könnte, wenn man die Meinungen anläßlich eines Thronwechsels noch mehr auseinander platzen ließe. Politische Kunälcbau. Deutschland. * Ka i s er W i l h elm hat den Kommandeur der Schutztruppe für Kamerun, Major Puder, sowie Hauptmann Franke, den Helden von Deuisch-Südwestafrika, in Audienz empfangen. * Der Gouverneur von Kamerun, D r. Seitz, kehrt nach beendetem Heimaturlaub mit seiner Gemahlin auf der am 10. September Von Hamburg abgehenden „Eleonore Woer- mann" auf seinen Posten zurück. Von dort traf auf Heimaturlaub der in den letzten Jahren oft genannte Hauptmann Dominik in Deutsch land ein. * Sicherem Vernehmen nach machen die Vor verhandlungen zum Abschluß eines neuen deutsch-amerikanischen Handels- Vertrages ausgezeichnete Fortschritte. * In den letzten Tagen haben die Ver ¬ einigten Ausschüsse des Bundesrats für Zoll- und Steuerwesen. für Handel und Verkehr und für Rechnungswesen die Ausführungsbestimmun gen sür die am 1. Oktober in Kraft tretenden Steuergesetze, nämlich die Steuer auf Be leuchtungsmittel mit Nachsteuer, die Zündwarensteuer mit Nachsteuer, den Scheck stempel und die Branntwein besteuerung, beschlossen. Nachdem bereits am 24. Juli und den folgenden beiden Tagen die Ausführungsbestimm ungen für die Brau steuer, Schaumweinsteuer, Tabaksteuer und die Erhöhung der Kaffee- und Teezölle festgesetzt worden, sind nunm-hr zu sämtlichen Finanz gesetzen der Reichsfinanzreform die Ausführungs- bestimmungen erledigt. Man kann damit rechnen, daß bereits in einigen Tagen die Ausführungs- bestimmunaen der zuletzt beratenen Steuergesetze veröffentlicht werden. "Der ,Reichsanz.' veröffentlicht jetzt die Ergebnisse des Reichshaushalts für das Rechnungsjahr 1908. Danach find im ganzen an ordentlichen Einnahmen, soweit sie dem Reiche verbleiben, 185115 000 Mk. weniger aufgekommen. Der Ausgabebedarf ist um 63119 000 Mk. hinter dem Anschläge zurückgeblieben. Es ergibt sich daher für das Rechnungsjahr 1908 ein Fehlbetrag von 121 996 000 Mk. * Wie nunmehr feststeht, wird der Reich s« tag Mitte November einbernfen werden. Vor allem wird ihn in der kommenden Tagung die Justizreform beschäftigen. * Die Erträge der Erbschafts st euer haben im Reiche bisher den Etatsansötzen nicht entsprochen. Etwas günstiger scheinen sich die Verhältnisse für das laufende Finanzjahr zu gestalten. Im ersten Drittel 1909 sind 11,8 Mill. Mk. aus der Erbschaftssteuer ver einnahmt. Das sind 4,5 Mill. Mk. mehr gegen den gleichen Zeitraum 1908. Während den einzelnen Bundesstaaten bis zum Ablauf des Rechnungsjahres 1910 mindestens der Betrag ihrer Durchschnittseinnahwe an Erbschaftssteuer in den Rechnungsjahren 1901 bis 1905 ver bleiben sollte, ist im neuesten Finanzgesetz be stimmt, daß vom 1. April 1909 ab von dem Roherträge, der aus der Besteuerung der Erb schaften auskommt, das Reich drei Viertel erhält und den einzelnen Bundesstaaten ein Viertel ihrer Roheinnahmen verbleibt. Auf das laufende Jabr wird demnach schon der neue Verteilungs maßstab angewendet werden müssen. England. *Jm Einvernehmen und auf Anregung der Admiralität hat die Londoner Polizeidirektion drei Geheimpolizisten für die Schiffs werften der Regierung eingesetzt, deren Auf gabe es sein wird, geheime Dokumente der Admiralität vor Entwendung zu schützen und auch Diebstählen von Admiralitätseigentum vor zubeugen. Den Anlaß zu dieser Maßregel boten die jüngst erfolgten Diebstähle in den Wersten in Sheerneß und Chatham sowie auch auf verschiedenen Kriegsschiffen. Portugal. * Den Cortes wird von der Negierung dem nächst ein Gesetzentwurf über die Rekrutierung für das Heer vorgelegt werden, durch den die allgemeine Dienstpflicht eingeführt Werden und der Loskauf vom Militärdienst ab geschafft werden soll. Rustland. * Die Behörden haben die Gesellschaft zur Unterstützung armer Schüleran den polnischen Privatschulen, die 184 Filialen in Russisch-Polen zählt, für immer geschlossen. Balkanstaaten. *König Georg von Griechenland ist über das Vorgehen seiner Offiziere, die meuternd ihre Forderungen durchgesetzt haben, nicht nur sehr ungehalten, er ist sogar ver zweifelt. Er soll einem Abgeordneten gegen über sich beklagt haben, daß die Offiziere mit ihren Forderungen sich nicht direkt an ihn ge wendet hätten. Er hätte selbst in die Ent fernung der Prinzen aus der Armee singewilligt, da die Schaffung eines schlag- ertigen Heeres stets das höchste Ziel seines Lebens gewesen wäre. Und zu oem neu- e^annten Kriegsminister sagte der König: „Weshalb eine solche Bewegung? Meine Liebe zu Griechenland ist tief, ich habe alles getan, was ich sür das Land tun konnte, und werde niemals aulhören, sür das Vaterland zu arbeiten. Ich bin sicher, daß sich weder die Armee noch das Volk über mich beklagen können. Das Volk muß sein Gewissen prüfen, um zu erkennen, wo das Übel steckt, gegen das es sich erhob.", LL Dem ,Globe' wird aus Konstantinopel geschrieben, daß die deutsche Politik in der Türkei erfolgreich gewesen sei. Als be zeichnend sür die Lage möge der deutsche Erfolg im Wettbewerb um die Lieferung von Militär bekleidung für die türkische Armee erwähnt werden. Auf Ersuchen der türkischen Intendantur haben englische, französische und deutsche Firmen Kleiderproben nebst Preisangaben eingesandt. Die deutsche Probe sei zwar nicht die beste ge wesen, aber sie sei doch wegen der billigen Preise angenommen worden. * Nachdem die Ber. Staaten in der Türkei die Erlaubnis zum Bau mehrerer Eisenbahn st recken erworben haben, müssen sie jetzt ihre Dankbarkeit durch die Ge währung eines Darlehens an die Türkei be weisen. Das türkische Finanzministerium ent sendet Abgeordnete nach Amerika, um über eine Anleihe von 6 Millionen Pfund zu ver handeln. * Die in einem Gesetzentwürfe der türkischen Regierung enthaltene Bestimmung, wonach Ausländer, die in der Türkei eine Zeitung herauszugeben beabsichtigen, der Behörde eine von dem betreffenden Konsulat beglaubigte Erklärung vorzulegen haben, ist von der Kammer dahin abgeändert worden, daß alle diese Zeitungen einen verantwortlichen Leiter türkischer Herkunft haben muffen. Demgemäß hat die türkische Regierung die Blätter, deren Eigentümer Ausländer sind, ausgefordert, gemäß dem Gesetze einen verantworlrichen Leiter, der türkischer Untertan sein muß, anzuu elden. Afrika. * Infolge der grausamen Martern, denen die gefangenen Widersacher des Sultans Muley Hafid ausgesetzt sind, haben sich die Mächte zum Einschreiten entschlossen. Durch besonderen Kurier ist den Konsuln der Mächte in Fez die Weisung zugegangen, dem Sultan Muley Hafid eine Note zu überreichen, die ein Verbot der Torturen und Züchtigungen verlangt, die Ver stümmelungen ooer langsamen Tod zur Folge haben. Asten. kU Die chinesische Regierung ist am Werke, die Armee vollständig nach euro päischem Muster nmzuwandeln und hat bereits darin große Fortschritte gemacht. Nachdem ein geheimer Kciegsrat geschaffen worden ist, über nahm der Kaiser den Titel Generalissimus, den bisher der Vizekönig getragen hatte. Nach Ver lauf von drei Jahren will das Reich der Mitte eine moderne Armee mit 36 Armeekorps und 48 Korps besitzen, wobei auch die „Kolo nien" Tibet und die Mongolei beitragspflichtig sein sollen. "Der frühere Schah von Persien hat eingewilligt, daß ein Teil seiner Güler zum Nationaleigentum erklärt werde. Der jetzige Schah hat eine allgemeine Amnestie erlassen, indessen wird in dem betreffenden Erlaß hervor gehoben, daß Leute, die von nun an politische Verbrechen irgendwelcher Art begehen, sehr schwer bestraft werden. Oie Entdeckung äes f§oräpols? Es ist kaum ein Zweifel mehr! Der ame rikanische Reisende und Forscher Dr. Cook hat den Nordpol entdeckt. Er selber berichtet dar über einer amerikanischen Zeitung : „Ein neuer, naturwissenschaftlich interessanter Weg ist von uns durchzogen worden. Wir haben von Wild dicht bevölkerte Gegenden ent deckt, die das Jagdgebiet der Eingeborenen und der Europäer sehr erweitern werden. Wir haben ein Land entdeckt, auf dem die nördlichsten Felsen der Erde ruhen. Zahlreiche Eskimos befanden sich in Annato k ander Küste von Grönland versammelt. Sie Plamen eine Bärenjagd für den kommenden Winter und hatten schon große Mengen von Fleisch zn^mmen- gebracht. Zahlreiche Hunde bevölkerten ihr Lager. Alle diese Umstände waren uns günstig, und wir fanden alles Nölige, um eine Expedition sus- zurüsten, Führer, Hunde, Nahrungsmittel usw. Und dies an einem nur 700 englische Meilen vom Pole entfernten Punkte. Dank der angebotenen Hilfe des kleinen 250 Mann zählenden Eskimostammes konnten wir ein Haus aus alten Kisten bauen. Unser reiflich erwogener Plan ging dahin, uns einen Weg an der westlichen Küste von Grön land bis zum Pole zu bahnen. Bald darauf reisten wir ab. Es war im Januar. Am 19. Februar 1908 schiffte sich das Gros der Expedition nach dem Pole ein. Es setzte sich aus elf Mann und 103 Hunden zusammen, die dreizehn Schlitten zogen. Die Kälte war bitter und machte sich namentlich fühlbar, als wir die Höhen passierten, die den Ellesmeresund be grenzen. Die Temperatur fiel auf 83 Grad Fahrenheit, mehrere Hunde erfroren, und auch die Menschen litten sehr. Bald aber fanden wir breite Wildspuren, die es uns gestatteten, uns verhältnismäßig leicht einen Weg durch den Mousersund bis nach Landsend zu bahnen. Auf diesem Marsche töteten wir hundertundeinen Moschusochsen, sieben Bären und 335 Schnee hasen. Am 18. März traten wir ins Polar meer ein. Mitte März 1908 hatten uns die letzten Eskimos verlassen, doch hatten wir noch 460 Seemeilen bis zum Nordpol zurückzulegen. Wir konnten bald feststellen, daß wir uns in 84 Grad 47. Breite und 86 Grad 36. Länge befanden. Hier waren die letzten Spuren fester Erde, von da ab alles unter uns wankend, keine Spur von Lebewesen, selbst unter dem Mikroskop nichts Lebendes wahrzunehmen. Am 7. April bewunderten wir die Mineruachtssonne über der furchtbaren weißen Einöde. Am 8. April befanden wir uns in 86 Grad 66. Breite, 94 Grad 2. Länge. Wir hatten in neun Tagen über 100 Seemeilen zurückgelegt, leider aber von unserm Beobachtungsmaterial viel verloren. Am 21. April ergab unsre erste genaue ; Sonnenhöhenmessung, daß wir uns in 89 Grad, s 59 Minuten und 46 Sekunden nördlicher Breite, also nur 14 Sekunden vom Nordpol entfernt, befanden. Wir rückten noch 14 Sekunden höher, ergänzten noch einmal unsre Messungen und bereiteten uns vor, einen längeren Auf enthalt zu nehmen, um daselbst doppelte Ver- messernngen vornehmen zu können. Schließlich, als kein Irrtum mehr möglich war, durchstachen wir im Polarpunkte das Eis und befestigten an einer Stange eine Fahne, die in dem von so vielen Menschen so heiß ersehnten Nordpolwinde flatterte. Das war am 2l. April 1908. Die Sonne stand hier auf Mittag; der Zeitbegriff war aber an dieser Stelle ein unbestimmbares Etwas, da hier alle Meridiane zusammentreffen. Aus der Mitter nacht in den Mittag. Die nördliche Breite be trug genau 90 Grad. Die Temperatur maß — 38 Grad Celsius, überall, wohin man blickte, war Süden. Obgleich wir über unsern Erfolg vor Freude überflossen, sank unser Mut am folgenden Tage wieder, nachdem wir alle unsre Messungen vorgenommen und die örtlichen Ver hältnisse genau studiert hatten. Die Einsamkeit und Ode der Szenerie wirkte bedrückend, und der Nordpol erschien uns als eine etwas zu freudlose Stelle, als daß sie so viele Menschen alter hindurch das Ziel des Ehrgeizes der Menschheit hätte sein können. Soweit das Auge reichen konnte, erstreckten sich endlose, von der Mitternachtsionne in Purpurfarbe ge hüllte Schneefelder, ohne Leben, ohne Land, ohne eine einzige Stelle, die die Eintönigkeit des Frostes unterbrochen hätte. Mitten in der toten Welt des Eises waren wir die einzigen lebenden Wesen. Am 23. April wandten wir dem Nordpol den Rücken und begannen die Heimreise." Von unci fern. Der „Z. III" ist nach 23 stündiger un unterbrochener Fahrt von Bülzig aus glücklich in Friedrichshafen gelandet. K Oev Oberkof. 19j Roman von C. Wild. „Ich! Ich habe stets gezweifelt, und Susy wußte es genau, daß der Tote nicht ihr Gatte war. Soweit hat sie mich nie geliebt, um auf richtig zu sein. Von allem Anfang an ist sie falsch gegen mich gewesen. Ich habe diese Frau heiß und innig geliebt, mit jeder Faser meines Herzens, aber sie hat diese nie verdient und wohl auch nie so recht verstanden. O, Eva, diese Liebe hat stets mehr Qualen als Freude gebracht, jetzt aber ist alles zu Ende. Ich gehe fort von hier, weit fort, in der Ferne werde ich vergessen lernen!" „Sie wollen fort von Berlin?" „Schon vor einigen Tagen erhielt ich einen sehr ehrenden, sehr vorteilhaften Antrag, den Prinzen S. auf seiner Reise nach Afrika zu begleiten, ich konnte mich nicht entscheiden, Susys wegen, ich mochte sie nicht verlassen — doch jetzt ist jedes Band zwischen uns zerrissen." „Susy hofft auf ein Wiedersehen," warf Eva schüchtern ein. „Nein, Susv wird mich nicht mehr sehen, und seien Sie überzeugt, sie wird sich bald zu irösten wissen — die Täuschung, die sie an mir verübt, kann ich ihr nun und nimmer vergeben." „Und das alles soll ich ihr sagen?" fragte Eva beklommen, „nein, das wage ich nicht. Sie kennen ihre Leidenschaftlichkeit." „Nein, liebe Eva, Sie sollen dieser auch nicht ausgesetzt werden. Ich will an Susy schreiben — armes Kind, Sie sollen mit dieser peinlichen Sache nichts mehr zu tum haben." Nach einem herzlichen Abschiede ging Dieblen. Feuchten Auges blickte ihm Eva nach. „Ob er wohl standhaft bleiben wird?" fragte sie sich. Doch Diehlen blieb standhaft; als Susy nach Berlin kam, hatte er schon die Stadt verlassen. Einige Tage hindurch weinte und jammerte die leidenschaftliche junge Frau. Aber nach und nach beruhigte sie sich, und einige Monate später war die Erinnerung an Diehlen aus ihrem Gedächtnis entschwunden. Eva arbeitete fleißig; sie hatte ihre frühere Lebensweise wieder ausgenommen und lebte still und friedlich dahin. Eines Tages ließ sie der Herausgeber des ,Häuslichen Ratgeber' zu sich bitten. „Liebes Fräulein," sagte er lächelnd zu ihr, „ich habe mich eines Auftrages an Sie zu ent- > ledigen. Die reizende Kindergruppe, die Sie mir einst für die Mappe der,Kinderzeitung' zeichneten, hat, wie Sie wissen, bei meines Abonnentinnen großen Beifall gefunden. Viele lobende Anerkennungsschreiben liefen ein, die mich herzlich freuten! Da erhielt ich vor einiger Zeit einen Brief von Herrenhand aus Kalkutta — der Schreiber gab an, er hätte bei einer bekannten deutschen Familie das Blatt ge lesen und ebenso den Namen der Künstlerin, Eva Holdhaus. Er bat um Auskunft, wo diese Eva Holdhaus lebe, und erkundigte sich nach Ihren Familienverhältnissen. Ich nahm diese Fragen für Neugier eines Mannes, der sich für Ihre Kunst interessierte, und ließ sie in möglichst kurz gehaltener Weise beantworten. Da erhielt ich gestern einen Brief von derselben Hand, aber nicht mehr aus Kalkutta, sondern aus Hamburg. Hier ist der Brief, ich hoffe, derselbe wird nur Angenehmes enthalten." Mit zitternden Händen nahm Eva den Brief entgegen; sie war kaum imstande, ihre Er regung zu bemeistern. „Dieser neugierige Herr wird Ihnen seinen Namen mitgeteilt haben?" fragte sie, ein Lächeln auf ihre Lippen zwingend. „Jawohl; er unterzeichnete sich Wilhelm Krüger." Mit Evas Fassung war es vorbei; sie lehnte sich in ihren Stuhl zurück und schloß die Augen. „Um Gotteswillen, Fräulein Holdhaus, Sie werden doch nicht ohnmächtig werden," rief der Chef des Hauses bestürzt aus. Sie öffnete die Augen, die voll Tränen schwammen. „Ach nein," stammelte sie, „es war nm die Überraschung. Herr Krüger war einst ein Freund unsres Hauses — seit Jahren habe ich nichts von ihm vernommen." „Nun, dann wünsche ich nur, daß eS gute Nachrichten sind, die Sie da erhalten, und nun lesen Sie Ihren Brief in Frieden, ich lasse Sie allein." Er ging, nachdem er ihr freundlich zu genickt. Eva öffnete hastig de« Brief. Er enthielt nur wenige Worte: „Eva, wenn du noch meiner gedenkest, so schreibe mir das Wort: „Komm!" und ich eite zu dir, um deine Vergebung zu erflehen." Sie ließ das Blatt sinken und griff sich an die Stirn. War's möglich, liebte Wilhelm Krüger sie noch? Konnte sie noch das ge träumte Glück ihrer jungen Mädchenjahre ge nießen ?" Sie befand sich in dem Arbeitszimmer des Chefs, das kein Fremder betreten durfte. Nus dem Nebenraum, in dem er gewöhnlich empfing, hörte sie seine Stimme, dazwischen eine andre, wohlbekannte, — o so lange nicht gehörte — atemlos, bebend vor Aufregung, wandte sie sich der Tür zu, sie wurde in diesem Augen blick geöffnet, eine männliche Gestatt trat über die Schwelle. „Wilhelm!" schrie sie auf. „Eva, meine teure Eva" — schon lag sie in seinen Armen, an seiner Brust. „Du liebst mich noch, du liebst mich noch," flüsterte er freudetrunken, sie fest an sein Herz pressend, „ach, Eva, wenn du wüßtest, wie ich mich nach dir gesehnt habe." änd nun ging es an ein Erzählen, Fragen und Antworten. Als Wilhelm den Befehl seines Onkels er hielt, sich um die Tochter des reichen Senators zu bewerben, hatte er ablehnend geantwortet. Die Folge davon war, daß sein Onkel die sofortige Rückkehr des Neffen nach Hamburg forderte. Diesem Wunsch mußte Wilhelm sich fügen, -i ltnd nun brach für Wilhelm eine schwere Zett herein. Sein Onkel drohte, sich gänzlich von ihm und seiner Schwester loszusagen, wenn er nicht seinen Willen erfülle. Der Kampf war schwer, alle Hoffnungen für eine bessere Zukunft
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