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Allgemeiner Anzeiger : 03.07.1909
- Erscheinungsdatum
- 1909-07-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190907039
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- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19090703
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19090703
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1909
-
Monat
1909-07
- Tag 1909-07-03
-
Monat
1909-07
-
Jahr
1909
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 03.07.1909
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Oer XanLlerwecksel. G In einigen Blättern war der Versuch gemacht worden, die Rücktrittserklärung des Reichskanzlers Fürsten v. Bülow, die er am 26. d. dem Kaiser unterbreitet hat, in ihrer Be deutung abzuschwächen. Demgegenüber ver öffentlicht dir Mord. Allg. Ztg/ offenbar mit Zustimmung des Reichskanzlers folgende Er klärung: „Der Reichskanzler hat den Kaiser um seine sofortige Entlassung gebeten. Seine Majestät hat sich zur sofortigen Erfüllung dieses Wunsches nicht zu entschließen vermocht und hat den Reichskanzler unter warmer Betonung seiner großen, in zwölf jähriger Ministertätigkeit der Krone und dem Lande geleisteten Dienste dringend gebeten, sein Amt noch so lange zu führen, bis die Reichssinanzreform, deren Erledigung eine nationale Notwendigkeit sei, zustande gebracht wäre. Der Kaiser hat sich dabei von der Überzeugung leiten lassen, daß es am allerersten dem Fürsten v. Bülow gelingen werde, das Werk unter Abweisung der dem Gesamtinteresse schädlichen und daher für die verbündeten Re gierungen unannehmbaren Steuervorsch.äge zu Ende zu führen. Dem Ersuchen des Kaisers hat der Reichskanzler sich nicht entziehen wollen. Jedoch ist er mit Rücksicht auf die politische Entwickelung, die durch die Abstim mung über die Erbschaftssteuer ihren Ausdruck gefunden hat, «»widerruflich entschlossen, alsbald nach Erledigung der Finanzreform aus dem Amte zu scheiden." Danach muß also mit einem Kanzlerwechsel als mit einer unumstößlichen Tatsache gerechnet werden. Niemand hätte noch vor kurzer Zeit geahnt, daß Fürst Bülows neunjährige Kanzler- täligkeu in dem Augenblick mit einer Nieder lage enden würde, wo er sich mit unermüdlicher Ausdauer und eisernem Fleiß dem Zustande- kommen eines nationalen Werkes widmete. Nach manchem Fehlschlag und manchem Erfolge muß den Fürsten dieser Ausgang der Geschichte der Finanzreform um so schmerzlicher berühren, als er sein Lebenswerk mit keinem Siege krönen, und auch die Finanzreform, sein bedeutsamstes Werk, nicht vollendet sehen kann. Die konservative Partei behauptet, daß sie den Kanzler nicht zum Rücktritt gedrängt habe. Ein Parlamentarier äußerte sich diesbezüglich zu einem Vertreter des ,B. L.-A/: Ein Grund für den Reichskanzler, abzudanken oder sein Nücktrittsgesuch aufrecht zu erhalten, liegt nicht vor. Bis jetzt hat es keinen Minister in irgendeinem Staate gegeben, dem eine ungeheuer hohe Steuerbelastung des Volkes auf einmal bewilligt worden ist, wie es jetzt im Reichstage geschehen ist. Wenn man sich auf den parlamentarischen Standpunkt stellt, so muß man folgerecht sagen: Wenn eine Partei dem Reichstage diese Masse Steuern bewilligt, so zeigt sie dadurch nicht, daß sie ihn beseitigen will. Im allgemeinen nimmt man doch an, daß es gerade ein Akt der Unterstützung der Politik des leitenden Staatsmannes ist, wenn man diesem Steuern bewilligt. Die Konserva tiven haben ja oft genug wiederholt, daß sie auf dem Standpunkt stehen, daß das Verbleiben des Reichskanzlers im Amte lediglich von seiner Ent schließung und von der des Kaisers abhängt. Mehrheitsbeschlüsse der Parlamente sollen darauf keinen Einfluß haben." Durch den Entschluß des Reichskanzlers, unter allen Umständen aus dem Amte zu scheiden, ist aber die Lage keineswegs geklärt. Das Schicksal der Finanzreform ist noch immer unentschieden wie vorher. Wie verlautet, hatte der konservative Reichs tagsabgeordnete Frhr. w Richthofen eine längere Unterredung mit dem Reichskanzler, bei der wahrscheinlich über dis Eröffnung des Fürsten v. Bülow an die konservative Partei gesprochen worden ist. Als unrichtig wird es bezeichnet, daß der Bundesrat der Kouerungssteuer in irgendeiner Gestalt schließlich zustimmen könnte. Diese Steuer bleibt für die verbündeten Regierungen nach wie vor in jeder Form unannehmbar. Gerüchtweise verlautet, Fürst Bülow sei entschlossen, wenn es nicht anders geht, vorläufig die Verbrauchssteuern anzunehmen, dann den Reichstag zu vertagen und die Besitzsteuern erst im Herbst in Angriff zu nehmen. Es fragt sich nun, was geschehen wird, wenn die Arbeiten der neuen Mehrheit zu keinem Ergebnis führen, oder aber wenn sie Beschlüsse zeitigen, die für die verbündeten Regierungen unannehmbar wären. Dann müßte der Bundesrat zu dem schon vor einigen Tagen von vielen Seiten empfohlenen Mittel der Reichstags-Auflösung schreiten, und da Fürst Bülow ja bis zur Erledigung der Finanzreform im Amte bleiben will, könnte er sich vor einem neuen Reichstage vielleicht überzeugen, daß jeder Grund zum Rücktritt hinfällig geworden sei. Die Frage ist, ob dann der Kanzler im Amte bleiben würde. Politische Aunälckau. Deutschland. "Kaiser Wilhelm wird zwischen den 15. und 25. September zur Einweihung der neuen Preuß. Gesandtschaft in München und der ihm gehörenden Schackgalerie nach München kommen. Der Prinz-Regent unterbricht für die Zeit des kaiserlichen Besuches seinen Jagdaus- enthalt im Gebirge. "In unterrichteten Kreisen heißt es, der Reichsschatzsekretär Sydow werde infolge der letzten Entscheidungen des Reichstages seine Entlassung nehmen. Zu seinem Nachfolger ist Geheimrat Witting, der jetzige Direktor der Nationalbank für Deutschland, ausersehen. Dieser wird dann im Herbst mit der Aufgabe betraut werden, eine neue Erbanfall steuer dem Reichstage vorzulegen und durch zuführen. "Staatssekretär Dernburg und der Unterstaatssekretär v. Lindequist haben von Posen aus mit der Besichtigung von An- siedelungsgütern begonnen. * Dem Reichstage ist ein Abkommen zwischen D.e utschland und Dänemark, betr. den gegenseitigen Schutz der Muster und Modelle, zugegangen. Nach dem Abkommen soll der Schutz der Muster und Modelle in beiden Staaten unabhängig davon gewährt werden, ob die Ausführung oder Nachbildung des Musters oder Modells in dem Gebiete des einen oder des andern Teils erfolgt. Bisher ging der deutsche Urheber seines Diusterschutzes in Däne mark verlustig, wenn er den geschützten Gegen stand dort nicht einführte. "Das Gesetz betr. Heranziehung der Preuß. Beamten zur Gemeinde einkommen steuer wird jetzt amtlich bekanntgegeben. Danach werden sämtliche Staatsbeamten, Ele mentarlehrer und die bisher von der Gemeinde steuer ausgenommenen Kirchendiener von nun an wie alle andern Personen zur Einkommen steuer herangezogen, jedoch mit der Einschrän kung, daß von ihnen nur Zuschläge bis zu 125 Prozent der Staats - Einkommensteuer er hoben werden dürfen. Diese Einschränkung be zieht sich natürlich mcht auf das Privat-Ein kommen. Das sogenannte SLeuervorrecht bleibt also in Preußen nur noch für die Mili tärpersonen in bezug auf ihre Gehaltsbezüge bestehen, sowie für alle Beamten, Elementar lehrer usw., die schon vor dem 1. April 1909 angesteüt sind. "In einigen Teilen der Provinzen West preußen und Posen ist jetzt durch eine Ver ordnung die Zulassung einer Ver schul- dun gs grenze für landwirtschaftliche und forstwirtschaftliche Grundstücke eingcführt worden. Die Handhabung des Gesetzes liegt in den > Händen der Oberpräsidenten der beiden Pro vinzen. Lsterreich-Ungar». * Zum Schutze gegen Grenzüberschrei- s tungen an der italienischen Grenze wird demnächst eine neue österreichffche Grenz schutz t r u p p e in der vorläufigen Stärke einer Kriegskompanie aufgestellt. Frankreich. "Der frühere Präsident der französischen Republik, Loubet, wird im Herbst einer Ein ladung des Königs Eduard nach England folgen. Loubet, der mit dem jetzigen Präsi denten Fallibres im besten Einvernehmen steht, wird am englischen sowie am spanischen Hofe wegen seines gesunden Urteils und seiner reichen Erfahrung sehr geschätzt. * Die Deputiertenkammer hat mit 453 gegen 61 Stimmen die vom Senat bereits bewilligten bedeutenden Er g ä nzu n g s kre dit e für Marokko zu den Etats 1908 und 1909 an genommen. England. "König Eduard trifft am 15. August in Marienbad ein. * Die Bewegung gegen den Zaren besuch in London hat solchen Umfang und solche Formen angenommen, daß nun auch das Unterhaus sich damit beschäftigen mußte. Auf eine Anfrage an den Generalstaatsanwalt, ob seine Aufmerksamkeit auf die Artikel gelenkt worden sei, in denen vor kurzem bei Be sprechung des herannahenden Besuchs des russi schen Kaisers zur Ermordung des Zaren angereizt worden sei, und welche Schritte in dieser Angelegenheit unternommen werden würden, erwiderte der Generalstaatsanwalt, die Artikel seien von höchst sträflichem Charakter; aber im Hinblick auf ben herannahenden Besuch des russischen Kaisers halte es die Regierung nicht für ratsam oder nötig, jetzt oder überhaupt irgendeine Mitteilung über die Schritte zu machen, welche gegen die verantwortlichen Per sonen zu unternehmen seien. Italic«. "In der Deputisrtenkammer erklärte in Beantwortung einer Anfrage wegen der kürzlich von der Preuß. Regierung erlassenen Verordnung betr. Ausweiskarten füritalie Nische Arbeiter, der Minister des Äußern, Tittoni, der italienische Botschafter in Berlin habe im Auftrage der italienischen Regierung eine Erklärung überreicht, in der ausdrücklich Ver wahrung gegen die Rechtmäßigkeit dieser Ver ordnung zum Ausdruck gebracht worden sei. Minister Tittoni bemerkte dazu, die Verordnung sei nur in Preußen, Sachsen und einigen kleineren Staaten in Kraft. Die Forderung einer einfachen Ausweiskarte halte er für ge setzmäßig; aber eine Steuer von zwei Mark für die Ausgabe dieser Karte zu verlangen, sei nicht gesetzmäßig, und ebenfalls nicht gesetz mäßig sei die Vollziehung der Ausweisung, die denjenigen Arbeitern angedroht sei, die ihren Arbeitsvertrag brechen. Amerika. "Auch in den Ver. Staaten wächst die Bewegung für das Frauenstimmrecht immer mehr. Eine Führerin erklärte dieser Tage auf dem Frauenkongreß in New Jork, man müßte die Mitglieder der gesetzgebenden Körper schaften, die gegen das Frauenwahlrechi stimmen, ausfindig machen und dafür sorgen, daß diese Männer nicht wiedergewählt werden. Wie in England, veranstalten auch die amerikanischen Frauenrechtlerinnen Straßenkundgebungen und dergleichen. Afrika. * Der Sultan M u l ey H afid von Marokko hat, wie jetzt als sicher angenommen werden kann, seinen jüngeren Bruder Muley Mo hammed vergiften lassen. Die auf Be fehl Muley Hafids erfolgte Vergiftung seines Bruders wird damit begründet, daß Muley Mohammed beabsichtigt habe, dem abgefetzten Sultan Abd ul Aziz wieder zum Throne zu verhelfen. Im übrigen ist die Lage im Scherisenreiche nach wie vor sehr ernst, da sich die Zahl der Widersacher Muley Hafids be ständig vermehrt. Afien. "Der Schah von Persien hat das neue Wahlgesetz wieder zurückgezogen, nachdem er sich überzeugt hat, daß die Bevölke- I rung mit allen bisher gegebenen Rechten unzu- ! frieden ist. Diese Maßnahme des Schahs wird ! jedoch die Lage nur verschlimmern, denn abge- ! sehen davon, daß sie einen Wortbruch gegenüber England und Rußland bedeutet, werden nun die Revolutionäre eine doppelt eifrige Tätigkeit ent falten. Tur ^age. Bemerkenswert sind die Ausführungen eines hervorragenden Mitgliedes der konservativen Reichstagssraktion über die Lage. „Was die einzelnen Steuern anoetrifft, so sind Kohlen- ausfuhrzoll und Mühlenumsatzsteuer alte konser vative Forderungen, die in vielfachen Be sprechungen des Reichstags von uns vertreten worden sind. Ob die konservative Fraknon ge neigt wäre, davon Abstand zu nehmen, das läßt sich in diesem Augenblick schwer sagen. Die Entscheidung darüber würde wohl im wesentlichen davon abhängen, welche Ersatzsteuern an ihrer Stelle regierungsseitig geboten werden würden. Die Ko ti er un g s st eu er wird von dm Konservativen, wenn man einzelne Härten, die darin liegen, beseitigt, ihrem Grundgedanken nach für eine gute Steuer gehalten. Das Mißver hältnis in dem Kurs unsrer Reichs- und Staatspapiere im Vergleich zu dem Kurse von Papieren andrer Staaten, die nicht dieses wirt schaftliche Aufblühen und die wirtschaftliche Kraft zeigen wie Deutschland, ist doch so offenbar, daß es durchaus berechtigt ist, wenn durch eine Be vorzugung der Staatspapiere gegenüber andern Werten der Versuch gemacht wird, diese Anlage papiere in ihrem Kursstand zu heben. Wenn die Reichsregierung die ehrliche Ab sicht hat, die Finanznot des Reiches zu be enden, so sollte sie nicht zu vorsichtig sew und ihre Forderungen nicht überspanne«. Würde sich dann später herausstellen, daß die eine oder die andre Steuer volkswirtschaftlich nachteilig wirkt, so würde sich fedenfalls iw. Reichstage immer eine Mehrheit finden, sie ab zuändern oder nötigenfalls auch aufzuheben und die erforderlichen Ersatzsteuern, wenn es nicht gerade die Erbanfallstener sein sollte, zu bewilligen. Daß die verbündeten Regierungen die Erbanfallsteuer noch einmal einbringen, ist kaum anzunehmen. Eine solche Verständnislosigkeit ist der Regierung nicht zu zutrauen. Was die Frage der Reichstagsauflösung betrifft, so steht die konservative Partei auf dem Standpunkt, daß zurzeit eine solche wohl wenig angebracht erscheinen dürfte. Die Konservativen würden ihren Besitzstand im großen und ganzen zu wahren wissen. Die Elemente, die sich gegen die Haltung der Fraktion in der Erbschaftssteuer angelegenheit ausgesprochen haben, sind doch nur recht kleine Kreise, die allerdings recht viel von sich reden machen. Aber das Gros der Wählerkreise, die konservativ sind, wird von diesen ganzen Agitationen außerordentlich wenig berührt und wird zweifellos nicht die geringste Neigung zeigen, dem Banner des Hansabundes zu folgen. Die Kosten des Verfahrens würden sicherlich die Mittelparteien tragen, insbesondere die Nationalliberalen. Die Freisinnigen würden das, was sie an die Sozialdemokraten verlieren, sich von ihren Nachbarn zur Rechten wieder holen. Die Reichstagsauslösung würde jedenfalls das Scheiter« der Finanzreform auf absehbare Zeit zur Folge haben. Es ist anzunehmen, daß unsre leitenden Staatsmänner Wirklichkeitspolitiker genug sein werden, um nicht aus einer begreiflichen Mißstimmung her- ! aus zu einem so untauglichen Mittel zu greifen. ! Der Reichskanzler dürfte sicherlich den Sperling ! in der Hand der Taube aus dem Dache vor» s ziehen." erwachend, fuhr das junge Mädchen empor' endlich mein und starrte mit dem Ausdrucke angstvollen Schreckens und bangen Staunens zu dem hohen, schlanken Mann herüber, der aus dem Dunkel des Fichtenwäldchens ihr entgegentrat. Mt einem leisen Wehruk erhob sie sich und streckte die Hand wie abwehrend gegen ihn aus. Sie wollte fliehen, doch ihr Fuß blieb wie an gewurzelt auf derselben Stelle; sie wollte sprechen, aber ihre Kehle war wie mit eiserner Gewalt zusammengeschnürt. Da traf abermals der Klang ihres Namens ihr Ohr; sie fühlte ihre Hand erfaßt und sich mit sanfter Gewalt wieder auf die Bank niedergedrückt. „Nora, süßes, heißgeliebtes Mädchen, du willst von mir gehen?" Diese Worte gaben ihr die Besinnung wieder; rasch zog sie ihre Hand zurück: „Ich verstehe Sie nicht, Herr Körner. Sie irren sich jedenfalls, und ich kann Sie nur er suchen, mir den Weg nach Hause frei zu geben." Herb vnd abweisend klang diese Rede von den todblassen Lippen des jungen Mädchens; aber auf den ernsten Mann an ihrer Seite übten sie keine Wirkung, im Gegenteil; er behielt ihre Hand nur um so fester in der seinen und seine Stimme blieb mild und weich, als er erwiderte: „O, Nora, soll der Kamps noch immer nicht beendet sein, der uns jahrelang unser Glück vorenthält? Nicht als Oskar Körner, nein als Oskar Bredau stehe ickt abermals vor dir und fasse wie damals deine liebe, süße Hand K Manälungen äes Glückes. 22j Roman von Luise Voigt. Endlich erhob sich Nora, um die Fabrik kurz vor Geschäftsschluß zu verlassen. Langsam schloß Nora die Kanzleitüre und gab dem wartenden Diener den Schlüssel, dann trat sie in das Freie. Berauschender Blütenduft erfüllte die Lust; farbige Falter schwebten spielend von Blume zu Blume und lesie flötend klang der Lockruf der Vögel aus grünem Gebüsch. Glühend rot versank der Feuerball der Sonne und vergoldete mit wunderbarem Widerschein den Abendhimmel. Aus ihrem Lieblingsplätzchen, der einsamen, non grünen Bäumen halb verdeckten Bank, ließ sie sich endlich nieder und blickte gedanken- voll aus die blühende Landschaft. Veraangen- beit und Gegenwart zogen wie im Traume an ihrem geistigen Ange vorüber, und der tiefe, brennende Schmerz, der schon die ganze Zeck über in ihrem Herzen gewühlt hatte, löste sich bei dem heiligen Schweigen der Natur in einen mächtigen Tränenitrom auf, der sich unaufhalt sam über ihre Wangen eraoß. Kramushastes Schluchzen unterbrach die feierliche Stille des Abends^ Minute nm Minute verrann; immer heftiger und leidenschaftlicher wurde ihre innere Bewegung. Da rauschte es leise neben ihr in den Zweigen und eine tieibeweqte Männer stimme rief mit dem Ausdruck namenloser Zärtlichkeit: „Nora!" i und flehe dich an, wie damals: Nora, ich Wie aus einem bösen, qualvollen Traum ! habe dich unaussprechlich lieb; werde endlich, Das ganze Wesen des jungen Mädchens bebte bei diesen Worten; ein Gefühl namenlosen Glückes durchströmte für einen Augenblick ihr Inneres, um leider im nächsten Moment dem Ausdruck tiefsten Schmerzes zu weichen: „Herr Körner," wiederholte sie nochmals mit tonloser Stimme, „ist es edel von Ihnen, jetzt so mit mir zu sprechen, wo sich alle Verhält nisse so gänzlich geändert haben? O, wie dankbar war ich Ihnen, als Sie mir bei unserm ersten Begegnen hier ganz fremd ent gegentraten, als keine einzige Ihrer Mienen ein Erstaunen oder Wiedererkennen verriet. Glauben Sie vielleicht, daß Sie mir gegenüber deshalb, weil ich für immer von hier scheide, ein Wort der Erklärung schulden? Das ist, bei Gott, nicht nötig. Unrecht, furchtbar unrecht ist es aber von Ihnen, daß Sie mir gegenüber von einem Gefühle sprechen, das nur Ihrer Braut gehören muß. Dort drüben im Herrenhause lassen Sie alles zum Empfang Ihrer künftigen Frau Herrichten, und mir gegenüber er kühnen Sie sich, das Wort Liebe ouszusprechen I Das ist die furchtbarste Rache, die Sie im Leben gegen mich ausüben konnten! Und nun nochmals, geben Sie den Weg frei; ich will nach ^ause!" „Wohin verirren sich Ihre Gedanken, Nora?" entgeonete nun Körner ernst. „Wie können Sie mir zutrauen, daß ich Ihnen gegenüber von den heiligsten Gefühlen eines Menschen herzens sprechen könnte, wenn ich ein andres Mädchen meine Brant nennen würde? Ich ge höre nicht zu jenen Menschen, denen die Liebe ein bloßes Spiel, ein- launige Abwechselung ist. Mein Herz würde es nie lernen, heute für dieses, morgen für jenes Wesen zu schlagen. Wahr und innig lieben kann ich nur einmal im Leben, und wem diese Liebe gehört, das hätten Sie nun, seit schon vielen, vielen Jahren wissen können. O, Nora, als ich damals aus Ihrem Vaterhause forteilte, Tod und Verzweiflung im Herzen, da hoffte ich, es würde mir gelingen, Ihr Bild aus meiner Erinnerung zu bannen, und es könne noch eine Zeit kommen, wo ich vergessen lernen würde. Ich arbeitete mit dem Aufgebot aller meiner Kräfte, — jedoch umsonst! Im Wachen und im Träumen sah ich Ihr leuchtendes Auge, hörte ich den süßen Ton Ihrer Stimme. Ich schalt mich selbst einen wahnsinnigen Toren, der mit einem Luftgebilde ringt: „Sie liebt dich nicht, sie hat dich ja verstoßen," dies sagte ich mir tausend und abertausendmal; jedoch so ost ich mir dies sagte, tauchte wie ein Hoffnungs stern in meiner Erinnerung ein leuchtender, inniger Blick jener fernen Mädchenaugen auf, der mich einst einen Augenblick lang getroffen und in dem ein ganzer Himmel gelegen hatte. Tröstend rief mir dann eine innere Stimme zu: „Verzage nicht, die goldenen Wogen ihrer Umgebung haben ihr freies Denken geblendet, doch die Zeit wird kommen, wo der Schimmer des Rauschgoldes aufhören und das wahre Gold ihres Herzens zur Geltung kommen wird." Und siehst du, Nora, ich habe gewartet, jahrelang gewartet; meine äußeren Verhältnisse hatten sich indessen geändert, ich war ein freier, unabhängiger Mann geworden und hatte lange, lange Zeit in der Fremde zugebracht. Keine
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