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Allgemeiner Anzeiger : 24.04.1909
- Erscheinungsdatum
- 1909-04-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190904244
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19090424
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19090424
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1909
-
Monat
1909-04
- Tag 1909-04-24
-
Monat
1909-04
-
Jahr
1909
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 24.04.1909
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Der erfolgreiche Gegenstoß cler Fungtürken. Militärische Klugheit und Geschicklichkeit sind in starkem Maße bei den Führern der jung- türkischen Bataillone vorhanden: Denn während man in Konstantinopel rat- und tatlos ist, voll zieht sich der Anmarsch der Komsteelruppen sicher und korrekt. Diese stehen bereits dicht vor Konstantinopel, das geradezu belagert ist. Die Komiteetruppen sind bewaffnet mit Gewehr, Seitengewehr und Pistole. Auch die Offiziere, die ohne Säbel sind, tragen Gewehre. Jeder Mann hat Feld flasche. Brotsack, Rollmantel, aber keinen Tornister. Die Offiziere benutzen Feldstecher. Alle Mann schaften tragen mazedonische Sandalen; jeder hat 200 Patronen im Patronengürtel; die' Truppen machen einen vorzüglichen Eindruck. Ihre Ausrüstung und ihre Haltung ist das Ergebnis des siebenjährigen mazedonischen Bürgerkrieges. Sie wenden den Feldtslegraph in ausgedehnter Weise an und bedienen sich der bekannten v. d. Goltzschen Karte von Kon stantinopel. Trotzdem sie durch Nachtmärsche ermüdet find, herrscht unter ihnen ungeheure Begeisterung. Mit dem größten Interesse lesen sie die letzten Zeitungen. Kommandant der Vorposten ist Rifat-Bei. Die Truppen stellen keine Feldwache, sondern Durchlaßposten aus, da keinerlei Überraschungen zu befürchten sind. Die Soldaten singen Lieder auf die Verfassung, sie werden von zahlreichen Zivilisten, vor allem Armeniern, angefeuert und bewundert. In Konstantinopel fangen jetzt auch die. Horden der meuternden Soldaten an, zu merken, daß man der Lage nicht gewachsen ist und daß man unüberlegt gehandelt hatte, als man sich der jungtürkischen Offiziere entledigte. Die Stimmung der hauptstädtischen Truppen ist daher sehr niedergeschlagen, sie bereuen ihr Vorgehen und werden vernmtlich dem Einzug« ... der makedonischen Trappen keinen Widerstand entgegensetzen. Zur Verteidigung , der AM wurde bisher nichts, getan. Viele Kasernen er scheinen verlassen, und vor den Loren der meisten Kasernen sieht man nicht einmal eine Schildwache. Das bisher durch keinerlei militärischen Widerstand aufgehaltene planmäßige Vordringen der jungtürkischen Truppen, die bereits den grüßtest Teil der Hauptstadt umklammert halten, bat, wenn Nachrichten aus privater Quelle sich bestätigen, den Sultan zu dem folgenschweren Entschluß kommen lassen, freiwillig der Regie rung zu entsagen. Wilde Gerüchte schwirren darüber in der Lust. Die Wiener ,N. Fr. Pr.' erhielt diese Nachricht, die aber ausdrücklich be tont, daß der Sultan bereit ist, ans den Thron zu verzichten. Sein Nachfolger wäre sein jüngerer Bruder Reschad. Es verlautet auis bestimmteste, daß der Sultan aus dringende Vorstellungen des gesamten Kabinetts nach anfänglicher Weigerung schließ lich in die Abdankung ein gewilligt habe, westn sein Leben garantiert werde. Die jungiürkische Armee hat bereits den Botschaften und Gesandtschaften in Konstanti nopel eine Proklamation übersandt, in der erklärt wird, daß der wesent- . liche Zweck des auf die Hauptstadt Konstantinopel marschierenden Armeekoros die endgültige Wiederherstellung der Verfassung sei, aber auch die gesetzliche Bestrafung der fluchwürdigen Urheber der blutigen Unordnungen. Das Komitee verbürge sich dafür, daß Leben und Eigentum der Fremden vollständig geschützt ' werden wird. Die Chrifienverfotgungen am Golf von Alexandrette dauern noch fort, doch lauten die Nachrichten darüber zum Teil äußerst widersprechend, zumal über die Höhe der Opfer. Um auf alle Fälle vorbereitet zu sein, hat die deutsche Regierung zwei Kriegs^ ffe nach den türkischen Gewässern beordert. Die beiden Tnrhmenkreuzer „Lübeck" n»d „Stettin" sind dazu bestimmt, weil sie sich für eine schleunige Entsendung und auch mr die Ver wendung in der Türkei wegen ihrer hohen Geschwindigkeit besonders eignen. Beide Kreuzer haben am Montag sofort nach Eingang des Befehls die Werft aufgesucht und dort ihre kriegsmäßige Ausrüstung, Übernahme von Kohlen, Proliant und Munition mit allen ver fügbaren Kräften beschafft. Die Hartung Bulgariens läßt mehr und mehr erkennen, daß man nicht' abgeneigt ist, aus der augenblicklichen Lage Nutzen ins sich zu ziehen. Bemerkenswert ist namentlich das Voit bulMsscher Seite an den Tag gelegte Bemühen, sich mit Rußland bezüg lich der Gewinnung von Vorteilen ins Einver nehmen zu setzen. Zar Ferdinand empfing näm lich den russischen Agenten in Sofia in mehr stündiger Audienz. Das türkisch-bulgarische Pro tokoll, in dem die Unabhängigkeit Bul gariens von der Türkei anerkannt wird, ist bereits unterzeichnet. politilcke Kunälckau. Deutschland. "Das Kaiserpaar hat dem ebenfalls aus Korfu weilenden Kö-nig Georg von Griechenland einen Gegenbesuch gemacht. * Die Stellung des Reichskanzlers Fürsten Bülow aalt eine Zeitlang als ernstlich erschüttert. Angeblich besaß Fürst Bülow, hauptsächlich nach den November-Verhandlungen des deutschen Reichstages, nicht mehr wie früher das Vertrauen des Kaisers. Einige Blätter er zählten über die Verstimmung zwischen Kaiser und Kanzler allerlei Geschichtchen, die aus „bester Quelle" stammen sollten. Dazu nimmt nun nach einigem Zögern die .Norddeutsche .Allgemeine Zeitung' hochossiziös StMmg; sie schreibt: „Ein'Berliner Blatt hat sich unter dem 14. d. eititz alberns EkMullg üllw TränÄr, die der Reichskanzler vor Sr. Majestät dem Kaiser vergossen haben soll, von Hut unterrichteter Seite mit dem Beifügen bestätigen lassen, dpß F ü r st Bülow wie ein Schloßhund geheult habe. In deutschen Blättern ist diese Leistung des betr. Blattes bereits nach Gebühr gewürdigt worden. Da ausländische Zeitungen auf die Angaben des betr. Blattes her eingefallen sind, wollen wir ausdrücklich fest stellen, daß es sich um ganz gewöhnlichen Schwindel handelt." * R e i ch s k a n z l e r F ü r st B ü l o w emp fing am Dienstag abend die Abordnungen aus dem ganzen Reich, die sich zur Überbringung von Adressen und Beschlüssen in Sachen der N ei ch s fin an z r e f o rm vereinigt hatten. Die Sprecher der einzelnen Abordnungen be tonen die Notwendigkeit, daß die etwa 400 Millionen Mark neuer indirekter Steuern und die Erbansallstener vom Reichstage unbedingt be willigt werden müßten. In seiner Antwort führte der N nchskanzler aus. daß es der ein mütige Wille der verbündeten Negierungen sei, die Lösung der Finanzreform noch in dieser Session des Parlaments herbeizuführen. Der Reichstag wird nicht auseinandergehen, bevor er endgültig zur Finanzreform Stellung genommen' hat. Des weiteren ging Fürst Bülow die einzelnVk von der Regierung in Vorschlag, gebrachten Steueranträge durch und schloß seine Ansprache mir den Worten: „Die Arbeit Wird dfn Mit gliedern des Reichstags erleichtert werden, wenn ihnen aus den verschiedensten Kreisen der Be i völkerung die Versicherung entgegeuklingt, daß sie bei ihrer Pflichterfüllung auf die Bereit willigkeit der Öffentlichkeit rechnen können. Indem Sie, meine Herren, dies hier und in ! dieser Stunde mit Würde und Bestimmtheit zum Ausdruck brachten, haben Sie sich für das große Werk und um das große Vaterland ein Verdienst erworben, und sind seines Dankes sicher." Holland. * Auf Grund der Beilegung deshol - ländisch-venezolanischenZwischen- falles, den seinerzeit der nunmehr kaltgestellte Castro vom Zaune gebrochen hatte, beschloß die Regierung, die Streitkräfte im Karaibischen Meere auf den normalen Stand zurückzuführen. Infolgedessen begeben sich die Kreuzer „Gslder- land" und „De Ruyter" an ihre Bestimmungs orte in die Heimat zurück. Nur der Kreuzer „Utrecht" bleibt in Curayao stationiert. Barkanstaaten. *Die bosnisch-herzegowinische Angelegenheit ist nunmehr endgültig erledigt, da sich jetzt sämtliche Mächte mit der Aufhebung des Artikels 25 des Berliner Vertrages einverstanden erklärt haben, der Österreich-Ungarn die Besetzung, aber Nicht die Einverleibung der beiden Balkanländer Bosnien und Herzegowina zuerkannt hatte. Veutlcber Reichstag. Am 20. d., stehen aus der Tagesordnung Petitionen. Einige Petitionen werden ohne Erörterung nach den Vorschlägen der Kommission erledigt. Zwei Petitionen verlangen Einschränkung der Getreideausfuhr. Die Kommission beantragt Über weisung zur Erwägung. Damit verbunden wird . eine Petition auf Abänderung .bezw. Aushebung des 8 18 des Zolltarifgesetzes (Aufhebung des städtischen Oktrois im Jahre 1910). Diese Petition, die den Oktroi bis Ende 1915 zulasten möchte, soll nach dem Kommlssionsantrag durch Tagesordnung erledigt werden. Abg. E m m e l (soz.) wendet sich gegen das Be streben, den Oktroi bis 1915 zuzulasten. Die Kommunen haben Zeit genug gehabt, für den Wegfall der Konsumsteuern Ersatz zu suchen und in Viesen Städten sei der Ersatz auch bereits ge schaffen. Abg. Wölzl (nat.-lib.) beantragt, den. Oktroi .bis "Ende 1914 zuzuiassen. In Bayern werde zur zeit eine Reform des Kommunalabgabcngesctzes vor bereitet, und io können jetzt die Gemeinden Ersatz steuern nicht schaffen. Abg. Pfeiffer (Zentr.): Ich bin zwar grund sätzlicher Gegner des Oktrois, aber aus Zweck mäßigkeitsgründen stimme ich dem Anträge Wölzl zu. Freilich muß betont werden, daß in Bayern nicht die honenden Ottroisätze erhoben werden, die tn Preußen bezahlt werden. Auch die Abg. Wagner (kons.) und Manz (srs. Bp.) erklären sich sür den Antrag Wölzl. Abg. Bassermann (nat.-lib.) bittet es beim Kommissionsantrage zu belassen. Beim Zolltarif er strebten wir Schutz der heimlichen Produktion. Da von den Getreidezölleu eine Verteuerung der Lebens- - Haltung zu befürchten war, schufen wir als Aus- i gteichüng die Vorbereitungen der Witwen- und Waisenbersicherung und die Aufhebung des städtischen Oktrois. Dabei muß es bleiben. Bayrischer Bundesratsbevollmächtigter Strossen- reuter: Mr haben seinerzeit in der Kommission und im Plenum Bedenken gegen 8 13 des Zolltarif- gcsetzes erhoben. Unsre Bedenken haben sich immer mehr als berechtigt erwiesen. Der bayrische Städte tag hat diese Bedenken ausgenommen, und 579 Ge meinden erneuern sie in einer besonderen Petition. Die Aufbringung des Steuerbedarfs iü den ban- rischen Gemeinden immer mehr erschwert worden. Hier würde für die bayrischen Gemeinden ein Be trag von 4 Millionen in Betracht kommen. Seit 1904 streben wir nach einer umfassenden Gemeinde- steuerreform. Die Reform wird aber noch einige Jahre in Anspruch nehmen. Obendrein wird die Beseitigung des Oktrois keine Verbilligung der Lebensmittel bringen: sie wird nur eine Liebesgabe für den Zwischenhandel, und dazu bedarf es be sonderer Eile nicht. Sächsischer Bundesratsbevollmächtigier Doktor Fischer: Den allgemeinen Darlegungen des Vor redners kann ich zustimmen. Dresden würde durch die Aufhebung des Oktrois, aus dem es 1 057 000 Mark zieht, besonders geschädigt. Auch wir in Sachsen erstreben eine Gemeindesteuerreform, aber vor 1914 kann diese nicht in Kraft treten. Abg. Heinze (nat.-lib.) schließt sich dem im Interesse sächsischer Kommunen an. Abg. Goth ein (frs. Vgg.): Der bayrische Bundesratsbevollmächtigte hat für die Ver ewigung des Oktrois gesprochen. Ende 1914 wird er dieselbe Rede halten. Breslau allein verliert durch die Aufhebung des Oktrois zwei Millionen, also halb so viel wie ganz Bayern. Trotzdem sind wir für Aufhebung des Oktrois. Von einer Liebesgabe an Fleischer und Bäcker kann nicht die Rede sein. Die Wohlhabenden sind viel eher in der Lage, höhere direkte Steuern zu zahlen, als daß sich der Arme fein Brot noch weiter verteuern lassen kann. Abg. Werner (D. Refpt.) befürwortet den Antrag. Als Kurheffe bin ich an der Annahme de- Antrages Wölzl lebhaft interessiert. Die Städte meines Wahlkreises wünschen die Annahme des Antrags Wölzl. Abg. Speck (Zenlr.): Prinzipiell stehe ich auf dem Standpunkt Bassermanns. Aber die derzeitig« besonders ungünstige Finanzlage der Gemeinden zwingt mich zur Unterstützung des, Antrages Wölzl. 8 13 des Zolltarifgesetzes ist von uns seinerzeit nicht als Ausgleich betrachtet worden. Preuß. Geheimrat Strutz: Auch die be teiligten preußischen Gemeinden müßten bei Beseiti gung des Oktrois die direkten Steuern beträchtlich erhöhen und dabei kommen auch viele wenig leistungsfähige Städte in Betracht. Die preußischen Gemeinden müssen jetzt ibre direkten Steuern obne- hin erhöhen. Ich bitte den Antrag Wölzl anzu- nehmcn. Abg. P au l i-Potsoam (kons.): Für die Minder heit meiner Freunde empfehle ich die Annahme des Kommissionsantrags. Me Kommunen haben Zeit genug gehabt, sich nach Ersatz umzusehcn Abtz. Hildebrand (soz.): Die Herren Regierungsverireter erscheinen, wenn Petittonen vor liegen, nur, wenn es sich um erneute Belastung der Arbeiter handelt, sonst nie. Die Gemeinden haben Zett genug gehabt, sich auf die Beseitigung der Oktrois vorzubcreitcn. War die Aushebung der Oktrois kein Ausgleich, so war sie Sand in die Augen der Wähler. Abg. Lender (Ztr.): § 18 des Zolltarifgesetzes war Gewalt gegen die Selbstverwaltung der Kom munen. Ich bin grundsätzlicher Gegner diese- Paragraphen. Abg. Goth ein (srs. Vgg.) wirst dem Abg. Speck Prinzipienlosigkeit vor. Aber das Zentrum war ja stets prinzipienlos und wird es wohl bleiben. Abg. Lender hätte seine Rede vor sieben Jahren halten und seine Freunde für seinen Standpunkt gewinnen sollen. Inzwischen sind Anträge auf namentliche Ab stimmung über den Kommissionsantrag, sowie über den Antrag Wölzl eingegangen. Die Abstimmung soll Mittwoch stattfinden. Nach kurier weiterer Debatte vertagt- sich da- Haus. Das Umil im Harden-Prszsß. Der Beleidigungs-Prozeß des Grafen Kuno v. Moltke gegen Maximilian Ha.den, dessen erste und zweite Verhandlung unerhörte Stürme öffentlicher Erregung hervorgerufen haben, ist nunmehr zu Ende geführt worden. Die Ver handlungen dauerten diesmal nur einen Tag. Das Gericht hat dahin erkannt: Der Angeklagte Maximilian Harden wird wegen übler Nachrede zu 600 Alk. Geldstrafe verurteilt, an deren Stelle im Nichtüeitreibung? Nile für je 15 Mk. ein Tag Gefängnis tritt. Die Kosten des Ver fahrens" trägt der Angeklagte, einschließlich der dem Nebenkläger erwachsenen Auslagen. Dem Nebenkläger, Exzellenz Grafen Kano v. Moltke, wird die Publi'NionSL'jugniS in der.Zukunft', der .Vossifchen Zeitung' und der,Kreuz-Zeitung' zugesprochen. K Manälungen cles Glückes. H Roman von Luise Voigt. (Fortsetzung.) . Leiser und leiser knisterte das Feuer im Ofen; dann flackerte es nochmals auf, erst hell, dann schwächer und schwächer, bis es endlich vollkommen erloschen war. Auch in der trauten Stube wurde es stiller. Der Engel des Schlafes berührte die müden Augenlider der alten Frau. Oskar Bredau aber saß noch lange in ernste Fachstudien vertieft beim milden Schein der Lampe. 2. Das an der Ringstraße gelegene Haus des Großhändlers Warnfeld war ein hohes, mäch tiges Gebäude, das im Renaissancestil erbaut, sich von den Palästen des Adels nur dadurch unterschied, daß über dem mächtigen Eingangs tor statt eines kronenüberragten Wappens eine glänzend schwarze Marmortafel prangte, die in leuchtenden Goldbuchftaben den Namen des Besitzers trug. Das weitläufige Erdgeschoß nahmen die Kontore ein; die beiden Stockwerke aber dienten zum ausschließlichen Gebra ch der Familie. Es war in den späteren Nachmittagstundeu. Die mächtigen Gaskandelaber brannten bereits und beleuchteten taghell das von granitenen Säulen getragene Treppenhaus. Kostbares Sieinmosaik zierte den Boden, hohe Pfeilerspiegel die Wände. Im Sternpunkt des Raumes befand sich ein von großen Blattpflanzen umgebener Spring brunnen, dessen monotones Plätschern die tiefe Stille, die hier herrschte, unterbrach. Den Hintergrund bildete die breite, von reichvsrgol- detem Geländer begrenzte Freitreppe, an derem Ende zwei Diener in geschmackvoller Livree leise plaudernd beieinander standen. Plötzlich verstummten sie und traten beiseite. Ein älterer Herr kam langsam die Stufen herauf; mit einer tiefen Verbeugung öffnete einer der Diener die Türe der Vorhalle. Der Eintretende war ein großer, starker Mann, mit scharfgeschnittenen Zügen. Ein grauer Spitzbart umrahmte sein gut gefärbtes Antlitz. „Ist mein Sohn zu Hause?" fragte er den Diener, jedes Wort stack betonend. „Der junge Herr ist vor kurzer Zeit ge kommen und befindet sich in seinem Zimmer." „Sage ihm, daß ich ihn zu sprechen wünsche und ihn bei mir erwarte." Nach diesen Worten wandte sich Herr Warnfeld, denn er war es, nach einer Türe des Seitenganges und schritt durch ein modern eingerichletes Vorgemach in sein Zimmer. Diesem Raume war, in des Wortes vollster Bedeutung, entsprechend dem äußern Glanze des Hauses, der Stempel des Reichtums aufgedrückt; denn jeder Gegenstand, den der Blick traf, war gediegen und kostbar. Prächtig geschnitzte Möbel, schwere Teppiche und Vorhänge, kostbare Ölgemälde, all dies sah man hier vereinigt; ja sogar eine wertvolle Waffensammlung hinter der mächtigen Spiegelscheibe eines Kastens fehlte nicht. Herr Warnfeld ging mehrere Male im Gemache auf uud nieder, daun trat er zu seinem Schreibtisch, der trotz seiner verschwenderischen äußeren Ausstattung ein Arbeitstisch im vollsten Sinne des Wortes war; aufgeschlagene Bücher, Papierhefte und Zeitungen bedeckten seine breite Platte; auck verschiedene, teils geöffnete, teils geschlossene Briefe lagen da, und daneben stand auf einem kleinen Silberteller ein Kelchglas, zur Hälfte mit Rotwein gefüllt. Der Großhändler warf einen Blick auf die dort liegenden Papiere, nahm eines um das andre in die Hand, aber nur, um es sofort, ohne irgend ein Interesse dafür zu zeigen, wieder wegzulegen. Dann aber rollte er einen bequemen Lehnstuhl in die Nähe des schwarzen Marmorkamins, in dem ein hell loderndes Feuer brannte, ließ sich auf der weichen Polsterung nieder und blickte nachdenklich in die prasselnde Glut. Da ließen sich nahende Schritte hören; die Türe wurde geöffnet, die schwere Portiere zurückgeschlagen, und ein hochgewachsener junger Alaun trat in das Zimmer. Die Ähnlichkeit zwischen Vater und Sohn war unleugbar. Ein unverkennbarer Familien zug lag in dem Antlitz beider, und doch war der Gesamteindruck gänzlich verschieden. Auf dem Antlitz des Großhändlers lag kalte, leidenschaftslose Ruhe. Die Augen blickten so scharf nnd durchdringend, als seien sie ge wöhnt, alles, was ihnen nahte, bis in die innerste Tiefe zu durchschauen; seine Haltung erschien ernst und gemessen. Sem kurzge- shnittenes Haar war bereits ergraut. Das volle, kastanienbriune Haar des Sohnes da gegen war leicht gelockt, das Auge aber blickte matt und sein ganzes Wesen verriet eine gewisse Ermüdung. Mit artiacm Gruße trat er seinem Baier entgegen. „Du hast gewünscht, Papa —" „Ja, Leo," entgegnete jener, „ich wollte wieder einmal ernsthaft mit dir sprechen. Komm, setze dich neben mich und beantworte mir einige Fragen." Der junge Mann gehorchte der Aufforderung, nahm einen Sessel und ließ sich gleichfalls am lodernden Kamiufeuer nieder. „Nun, Papa?" „Vor allem sage mir, Leo, wie bringst du den ganzen Tag zu?" Überrascht sah der junge Manne auf. „Das ist denn doch eine etwas sonderbare Frage," erwiderte er, eine leichte Verlegenheit im Ton verratend, „du weißt doch sehr gut, Papa, was gewöhnlich ein junger Mann in meiner Lebensstellung lut. Ich glaube nicht, daß ich dir in dieser Hinsicht etwas Neues sagen kann." „Und doch interessiert es mich, gerade aus deinem Munde zu hören, wie du deine Zeit einteilst." „Nun, das kann ich dir schon sagen. Ich habe einen großen Bekanntenkreis, bin bei vielen Vereinen, besuche die Klubs, die Rennbahn, abends das Theater, den Zirkus oder einen Konzertsaal. Oft bleibt mir kaum Zeit, einen Spaziergang zu machen oder auszureiten. Du siehst, Papa, daß ich genügend beschäftigt bin." „So, das ist alles, was du tust?" fragte nochmals der Großhändler „Genügt dir mein Bericht noch unmer nickt, soll ich vielleicht jeden meiner Schritte, Stunde für Stunde anführen?"
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