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Allgemeiner Anzeiger : 19.06.1909
- Erscheinungsdatum
- 1909-06-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190906190
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19090619
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- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1909
-
Monat
1909-06
- Tag 1909-06-19
-
Monat
1909-06
-
Jahr
1909
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 19.06.1909
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Vas neue Steuerprogramm äer Kegierung. Der Bundesrat hat drei Gesetzentwürfen die Zustimmung erteilt, die als Ersatzsteuervorlagrn für diejenigen Steuern zu gelten haben, welche nach den bisherigen Verhandlungen Aussicht auf Annahme im Reichstage nicht haben: es sind dies die Gesetzentwürfe wegen Änderung des Erbschaftssteuergesetzes, des Reichsstempelge setzes und des Wechselstempelgesetzes. Halb amtlich wird dazu erklärt: Zunächst soll die bestehende Erbanfallsteuer auf das Erbe von Abkömmlingen und Ehegatten ausgedehnt werden, dies aber unter Berücksichti gung von Einwendungen und Wünschen, die in der Öffentlichkeit vielfach laut geworden sind. So soll wegen der Befürchtung, daß die Steuer ein für die nächsten Angehörigen nicht leicht zu ertragendes Eindringen der Steuerbehörde in die Familienverhältnisse zur Folg' haben könne, der Mobiliarbesitz, soweit er nicht in Kapi talien, insbesondere in Wertpapieren besteht, aus der Besteuerung völlig ausscheiden. Ferner soll das Gattenerbe freibleiben und damit der Einwand entkräftet werden, daß die Steuer in dem Fall unbillig sei, wo die Ehefrau dasjenige, was ihr Mann hinterläßt, hat miterwerben und miterhalten helfen. Die Steuer soll auch dann nicht erhoben werden, wenn der Ernährer der - Familie im Felde gefallen ist. Im übrigen sind in der Vorlage alle Vergünstigungen für den ländlichen Grundbesitz wiederholt, die der früher vorgelegte Entwurf einer Erbschaftssteuernovelle enthielt. Von dieser Erbschaftssteuer erwartet die Regierung für das Reich einen Ertrag von 55 Millionen Mark. An zweiter Stelle steht als Abgabe vom Besitz die Besteuerung der ^euerversichernngspolicen, unter Freilassung der kleineren Versicherungs werte unter 5000 Mk. Die Steuer soll '/« vom Tausend der Versicherungssumme betragen, was einen Ertrag von erwa 35 Millionen erwarten läßt. -- Sodann soll der durch diese Abgabe nicht erfaßte, in Wertpapieren bestehende Kapital besitz durch eine nochmalige Erhöhung des Effektenstempels belastet werden. Es sollen in Zukunft entrichtet werden: von inländischen Aktien 2'/- Prozent (gegen bisher 2 Prozent), von ausländischen 3 Prozent (2'/-), von Kuxen 3 Mk. (1,50), von Einzahlungen auf solche 2Vr Prozent (1), von inländischen privaten Renten und Schuldver schreibungen sowie solchen ausländischer Staaten und öffentlicher Verbände usw. 1 Prozent (6 vom Tausend), von sonstigen ausländischen Obli gationen 1V- Prozent (1), endlich von Renten- und Schuldverschreibungen inländischer öffent licher Verbände 3 vom Tausend (2 vom Tausend). Neu hinzu treten die Aktien der deutschen Kolonialgesellschaften mit 1 Prozent. Der Mehrertrag aus diesen Tarifänderungen darf auf etwa 10 Mill. Mk. berechnet werden. Aus diesen drei Steuerarten, die als Besitz steuern bezeichnet werden, erwartet die Regie rung mithin einen Gesamtertrag von INO Millionen Mark, Die Mühlenmwatzsteuer und der Kohlenausfuhr zoll, die die Rumpskommisfion hier als Ersatz vorschlägt, werden von den verbündeten Regie rungen bekanntlich nichr angenommen. Diese suchen dafür Ersatz durch Verkehrssteuern, und zwar durch eine Stempelabgabe beim Eigentums wechsel von Grundstücken ('/- Prozent, Ertrag 20 Millionen), durch eine Erhöhung des Wechselstempels und durch Einführung eines Scheckstempels (gleichfalls 20 Millionen). Der Wechselstempcl soll nur für solche Wechsel, die länger als drei Monate laufen, erhöht werden, und zwar im ersten Jahre für einen, und dann für je fernere sechs Monate der Laufzeit um eine weitere Ab gabe in Höhe des bisherigen Stempels. „Wenn die verbündeten Regierungen/ so schließ! die halbamtliche Erklärung, „somit den er hobenen Bedenken gegen mehrere der ursprüng lich vorgejchlagenen Entwürfe durch Einbringung der vorgenannten Ersatzvorschlage entgegen kommen, so tun sie dies in der Erwartung, daß es nunmehr gelingen wird, zwischen dem Reichs tag und dem Bundesrat eine Übereinstimmung zu erzielen, die die Finanzreform zum baldigen guten Ende führt." PolMlcke Kunälckau. Deutschland. * Die kaiserliche Familie wird Anfang August zu mehrwöchigem Sommer aufenthalt in Wilhelmshöhe eintreffen. *Auf Vorschlag des Seniorenkon vents des Reichstages sollen die Steuervorlagen erst in einer General debatte nochmals besprochen werden. Nach einer allgemeinen Debatte von vier Tagen glaubt man die Einzeldiskussion für jede Vorlage auf etwa anderthalb Tage ansetzen zu können, so daß die zweite Lesung aller Stenervorlagen, auch der neuen Ersatzsteuern, am 3. Juli er ledigt sein und die dritte Lesung sich sofort au- schließen könnte. Die Verabschiedung der Be soldungsvorlage dürfte in zwei bis drei Tagen zu erledigen sein, so daß etwa am 10. Juli der Reichstag sich auf den Herbst ver tagen könnte. * Wenn die Hinterbliebenen-Ver- sicherung nicht bis zum 1. Januar 1910 in Kraft tritt, so sollen nach dem 8 15 des Zoll tarifgesetzes von da ab die Zinsen der ange sammelten Mehrerträge aus bestimmten land wirtschaftlichen Zöllen den einzelnen Jnvaliden- Versicherungsanstalten für ihre Witwen- und Waisenversorgung nach Maßgabe der von ihnen im vorhergehenden Jahre aufgebrachten Ver sicherungsbeiträge überwiesen werden. Diese Hinterbliebenen - Versicherung ist nun ein Be standteil der Reichsversicherungs - Ordnung, die jetzt der öffentlichen Kritik unterstellt ist. Daß sie, die bisher dem Reichstag noch nicht zuge gangen ist, bis zum 1. Januar 1910 vom Reichstag verabschiedet sein sollte, ist bei der Weitschichtigkeit des Materials ausgeschlossen. Da nun aber die bisher angesammelten Beträge von etwa 40 Millionen noch bei weitem für den gedachten Zweck nicht ausreichen, werden weder Regierung noch Reichstag diesen Fonds schmälern lassen wollen. Bei dieser Sachlage wird denn auch schon für den Herbst mit der Einbringung eines Notgesetzes gerechnet, das den 8 15 des Zolltarifs entsprechend ändert. FranLreicr,. *Die vom Deputierten Bertheaux ge führten, zum Sturz des Ministerpräsidenten Clemenceau vereinigten radikalen Sozialisten haben in der Kammer einen Erfolg zu verzeichnen gehabt. Die Abstimmung über die Angelegenheit der Ruhegehälter der Eisenbahnbeamten ergab bei Auszählung des Hauses eine Mehrheit von 50 Stimmen für die Regierung, die die Kabinetts frage gestellt hatte. Dieses Ergebnis wurde von den Regierungsgegnern angezweifelt. Eine noch malige Auszählung ergab in der Tat eine Minderheit für die Negierung. Das Kabinett hätte infolgedessen zurückireten müssen, wenn nicht der Kammerpräsident die erste Auszählung für bindend erklärt hätte. In politischen Kreisen Frankreichs hält man den Sturz Clemen ce a u s für unausbleiblich. England. *Der Admiral Beresford wird eine Kundgebung erlassen über den Zustand der englischen Flotte und der Marine verteidigungsmittel und darin unter anderm namentlich den Bau von schwimmenden Docks als wünschenswert bezeichnen. Schweden. * Alle schwedischen Zeitungen beschäftigen sich eifrig mit dem in Aussicht genommenen Besuch des Zaren. Ob der Zar nach Stockholm gehen wird, ist freilich noch nicht bekannt, er wird aber jedenfalls einige Tage als Gast in der Sommerresidenz des Königs Gustav ver bringen. Vor Antritt seiner Auslandreise wird der Zar der Enthüllung eines Denkmals aut dem Schlachtfeloe von Pullawa (Lrüdrußland, wo 1709 Karl Xll. von Schweden entscheidend von den Russen geschlagen wurde) beiwohnen. Die russische Regierung hat die Kosten für das. Denkmal getragen, auf dem sich auch eine In schrift zu Ehren der tapferen schwedischen Sol daten befindet, die in dem Kampfe fielen. Balkanstaaten. *Die Kretafrage wird mit jedem Tage verwickelter. Nachdem vor einigen Tagen halb amtlich aus London gemeldet worden war, England werde der Zurückziehung der internationalen Truppen keine Schwierigkeiten bereiten, erklärt jetzt ein der türkischen Regierung nahestehendes Blatt, daß England endgültig beschlossen habe, seine Truppen von Kreta nicht zurückzuziehen. Diese Maßnahme würde dem Entschluß der Vertrags mächte zuwiderlaufen und auf der Insel große Verbitterung erregen. Amerika. *Der Präsident von Brasilien, Moreira Penna, ist in Rio de Janeiro gestorben. Der Verstorbene hat sich be sondere Verdienste um die Reform des Währungssystems wie der Bundes finanzen, um den Ausbau des Eisenbahnnetzes und um die Förderung der Einwanderung aus Europa erworben. Er hat seine Unabhängigkeit als Präsident in der Wahl der Minister benutzt, die tüchtigsten Mitarbeiter heranzuziehen. * Der venezolanische Kongreß hat den um die Wiederherstellung der Beziehungen zu den europäischen Mächten verdienten Gesandten Dr. Paul seines Amtes enthoben, da Dr. Paul während der letzten Krise in Venezuela die An regung gegeben haben soll, daß fremde Kriegsschiffe nach La Guayra kamen. Veullcker Keickstag. Am 15. d. steht aui der Tagesordnung die Inter pellation der Freisinnigen und Nattonalliberalen betr. die m e ck I e n b u r g i s ch e V e r f a s s u n g s- sr a g e. Die Interpellanten tragen an, was der Reichs kanzler zu tun gedenke, damit eine den modernen Antorderungen der Zeit entsprechende Verfassung in Mecklenburg hergesiellt werde. Staatssekretär v. Bethmann-Hollweg erklärt sich zu sofortiger Beantwortung bereit. Zur Begründung der Interpellation bemerkt Abg. Pachnicke (frs. Vgg.): Gleich zu Beginn der Session haben wir in einem Antrag verlangt, daß für jeden Bundesstaat zur Genehmigung des Etats und zur Mitwirkung an der Gesetzgebung eine Volksvertretung geschaffen werden müsse. Die Ge schäftslage hat seine Beratung hinausgeschoben. Aber die mecklenburgische Frage duldet weiter keine Ver zögerung. Der Entwurf der mecklenburgischen Re gierung, der auf eine ständische Vertretung Hinaus lies, war unzureichend, obwohl er der dorti gen Ritterschaft noch zu weit ging und ihr doch auf den Leib geschnitten war. Aber man bekam da wieder ein schönes Beispiel rilterschaft- licher Mittelstands- und Bauernfrcundlichkeit. Ver fassungsfeindliche Parteien gibt es nicht mehr. Auch Sie von der Rechten sind veriassungsfeindlich ge wesen. Jetzt verstehen Sie (nach rechts» das Recht der Mehrheit zu verteidigen und die Macht der Mehr heit anzuwenden, wie sie jetzt wieder in der Finanz kommission gezeigt haben. Jahrhunderte haben das wirtschaftliche Leben umgestaltet, aber der alte meck lenburgische Landtag ist derselbe geblieben. Wohl ist von ihm manches für das Volkswohl geschehen und der Feudalismus ist durch das Reichsrecht gemildert worden. Aber die wirtschaftliche Entwicklung ist ver langsamt worden und die Schule ist vernachlässigt. Nun sagt man freilich, die ganze Angelegenheit gehe den Reichstag nichts an. Aber haben sich nicht mit ihr Bundesrat und Reichstag schon oft besaßt? Das Veriüumte ist hier endlich nachzuholen. Der Weg von Schwerin nach Berlin- darf nicht auch fernerhin mit Versprechungen gepflastert bleiben. Zur Beantwortung der Interpellation bemerkt Staatssekretär v. Bethmann-Hollweg: Die mecklenburgische Verfassungsfragc ist bereits so oft und so ausführlich im Reichstag erörtert worden, daß neue Gedanken kaum mehr vorgebracht werden können. Daß die mecklenburgische Verfassung fest- gebildet werde, wünschen große Parteien im Lande, und auch der Bundesrat hat schon 1875 seinen Standpunkt geäußert. Im Vordergründe steht aber doch die politische Frage, ob das Reich sich ent schließen wird, seine Machtsphäre gegenüher dem inneren Verfassungsleben der Einzelstaaten anders adzustecken, als es in der Reichsversassung begründet ist. Eine derartige grundlegende Abänderung des Verfassungörechts liegt nicht in 'der Absicht der verbündeten Regie rungen. Das hindert sie aber nicht, an der Er wartung festzuhalten, die sie 1875 ausgesprochen haben. Gerade der gegenwärtige Augenblick bieter den verbündeten Regierungen keinen besonderen An laß, an der Erfüllung ihrer Erwartung zu zweifeln, wobei sie den Wunsch haben, daß es der groß herzoglichen Regierung gelingen möge, die languni. mittene Frage in naher Zeit zum Abschluß zu bringen. Mecklenburgischer Bundesralsbevollmüchligier außerordentlicher Gesandter Frhr. v. Branden stein: Die mecklenburgischen Regierungen halten es für ein dringendes Bedürfnis, auch der Gesamt bevölkerung eine Beteiligung an der Gesetzgebung und an der Feststellung des Staatshaushalts zu ge währen. DeSyalb haben sie einen Versassungs- enlwurf dem Landtage unterbreitet. Bedauerlicher weise ist eine Einigung darüber nicht erzielt worden. Das kann aber nicht als endgültiges Scheitern der Frage betrachtet werden. Die mecklenburgischen Regierungen sind fest entschlossen, das in Angriff ge nommene Reformwerk fortzusetzen. Auf Antrag Wiemer wird Besprechung der Inter pellation beschlossen. Abg. v. Normann (kons.) verliest eine kurze Erklärung, wonach seine Partei es ablehne, diese Frage hier zu verhandeln mit Rücksicht auf die Un zuständigkeit des Reiches für einzelstaatliche Ber- sassungsangelegenheilen. Abg. v. Ortzen (srcikonf.): Das Reich ist nach der Reichsverfassung nicht berechtigt, in die Ver- sassungsfragen der Einzelstaaten einzugreifen. Das Reich würde sonst den Charakter als Bundesstaat verlieren und zu einem Einheitsstaat werden. Vizepräsident Paasche: Ich bitte die Redner, ihre Reden nicht mehr zu verlesen, da dies nach der Geschäftsordnung nur den Rednern gestattet ist, di« der deutsche» Sprache nicht mächtig sind. (Rufe rechts: Unerhört, das ist ja Bosheit! Unerhörte Beleidigung!) Vizepräsident Paasche: Die Geschäftsordnung schreibt ausdrücklich vor, daß seine Rede nur ver lesen darf, wer der deutschen Spruche nicht mächtig ist. Von einer unerhörten Beleidigung kann als» keine Rede jein. <Erneute anhaltende Unruhe rechts.) Abg. Linck lnai.-lib.j tritt, als Unterzeichner der Interpellation, für deren Tendenz ein und gibt eine Skizze der mecklenburgischen Zustände. Unter lasse das Reich in diesen, Falle ein solches Ein schreiten, jo mache es sich zum Mitschuldigen an den mecklenburgischen Zuständen. Mecklenburg. Bcvollm. v. Brandenstein: Die Übertreibungen, deren sich die Abgg. Linck und Pachnicke in ihrer Schilderung von den mecklenbur gischen Zuständen schuldig gemacht haben, kann ich nicht unwidersprochen jassen. Namentlich muß ich i bestreiten, daß unsre Schulverhällniffe io schlecht sind, j wie Vorredner sie hingcstellt hat. i Vizepräsident Paasche: Ich habe Herrn von Normann ruhig reden lassen und habe auch Herrn v. Oertzen nicht unterbrochen. Erst nachher habe ich gebeten, die nachfolgenden Herren möchten ihre Reden nicht ablesen. Wenn Herr v. Oertzen sich durch meine Worte verletzt gefühlt hat, jo be dauere ich das: es war das jedenfalls nicht meine Absicht. Abg. Spahn (Zentr.): Wir bleiben bei der seinerzeit vom Abg. Lieber abgegebenen Erklärung, daß der Reichstag in dieser Frage nicht kom petent ist. Abg. Frohme <soz.): Es ist ganz zweifellos, daß der Reichstag in dieser Frage kompetent ist. Abg. v. Treuenfels lkons.j weist die Vor würfe gegen die mecklenburgische Ritterschaft zurück. Die ganze Interpellation ist nur ein Mätzchen, durch das die Sache nicht gefördert wird. Vizepräsident Kämpf ruft den Redner zur Ordnung. Abg. Frhr. v. Maltzan lkons.) tritt ebenfalls den Angriffen der Linken auf die mecklenburgische« Verhältnisse entgegen. Die Besprechung schließt. Der Präsident teilt noch mit, es sei eine Inter pellation der Sozialdemokraten eingegangen bett, einstweilige Aufhebung der Gettcidezölle mit Rück- sicht aus die Teuerungsverhältnisse. Von j»ak unä fern. Verhaftung von Banknotenfälschern. Die Kriminalpolizei hat in Bochum drei Per- sonen, die falsche 50-Mark-Scheine in Umlauf gesetzt halten, verhaftet. Vian fand bei ihnen 37 falsche Scheine. Die Fabrik dieser Geld scheine befindet sich im Hause eines Lithographen in Barmen. Die Scheine sind leicht kenntlich, da sie in der Mitte nicht scharf gedruckt sind. Ein Bochumer Kohlenhändler hatte 16 «cheine für 700 Mark von den Schwindlern gekauft. Da er sie nicht absetzen tonnte, übergab er sie der Kriminalpolizei. A Manälungen äes 6lückes. 18j Roman von Luise Voigt. (Fortsetzung.) Was hatte aber diesen furchtbaren Eindruck auf das junge Mädchen hervorgebracht? Mit dem Direktor und noch einigen Beamten war ein hoher, schlanker Mann in das Gemach ge treten. Er hatte blondes, lockiges Haar, und ein wohlgepflegter Vollbart umrahmte sein feingeschnittenes, ernstes Angesicht. Mit einer artigen Verbeugung trat er zu dem jungen Mädchen und sagte mit ruhiger, wohlklingender Stimme: „Rehen Sie meinen besten Dank, Fräulein, für den Fleiß und die Pünktlichkeit, womit Sie sich der Ihnen übertragenen Korrespondenz widmen. Es würde mich sehr freuen, wenn Ihnen die Stelle in unserm Kontor auch ferner hin zusagen würde." Hatte schon der Anblick des noch jugend lichen Mannes eine mächtige Wirkung auf Nora hervorgebracht, so wurde dieselbe beim Tone seiner Stimme noch bedeutend gesteigert. Sie mußte ihre ganze Kraft zusammennehmen, um seinen Blick zu ertragen. Herr Brenner, der die Verwirrung des jungen Mädchens bemerkte, sagte vermittelnd: „O, wir hoffen noch lange gute Freunde und Kollegen zu bleiben, find Sie nicht ein verstanden, Fräulein Nora?" Diese hatte sich indessen soweit gefaßt, daß es ihr möglich war, zu antworten; doch ihre Summe hatte jeden Klang verloren, als fie sagte: „Ich bin den Herren für die gute Meinung, die Sie von mir hegen, sehr verbunden, und es soll auch fernerhin mein aufrichtiges Bestreben sein, Sie mit meinen Leistungen, so viel es in meinen Kräften steht, zufrieden zu stellen." „Daß dies in jeder Hinsicht der Fall sein wird, ist, nach Ihren bisherigen Arbeiten zu schließen, über jeden Zweifel erhaben, Fräulein," entgegnete verbindlich der junge Fabrikant; dann sprach er noch einige freundliche Worte mit den anwesenden Herren und empfahl sich dann mit einer Verbeugung vor dem jungen Mädchen; die sämtlichen Herren begleiteten ihn. Kaum hatte sich die Tür hinter ihm ge schloffen, so verlieb Mora ihre so mühsam auf recht erhaltene Fassung, wie vernichtet sank fie auf ihren Stuhl. „Ist es denn möglich, täuscht kein furcht barer Wahn meine Sinne, ist er es, oder hält mich ein Traum umfangen? Kann es eine so täuschende Ähnlichkeit geben? Nein, und tausendmal nein, es kann kein Irrtum sein. Es war der nur zu wohlbekannte Ton seiner Stimme, es war sein ernster, milder Blick I Aber wie käme er hierher? Und der Name, der konnte doch keine Täuschung, keine Lüge sein l Auch begegnete er mir kalt und fremd; kein Zucken der Wimper verriet ein Wieder erkennen, und doch war er es, er und kein andrer!" All diese Gedanken bewegten Nora. End lich aber erhob sie sich, schloß ihren Schreib tisch ab und langte nach Hut und Mantel. In der Fabrik schlug di« Uhr die Mittags stunde, ihr Bruder mußte bereits zu Hause sein; er wird ihr gewiß Auskunft geben können. Doch auch vor ihm heißt es sich be herrschen, denn er durfte ja keine Ahnung bekommen von dem, was sich vor Jahren zu getragen, und was ihre Seele bis heute nicht überwunden hatte. 21. Nett und freundlich war die Wohnung, die die Geschwister inne hatte. Sie bestand aus drei Zimmern; das mittlere diente ihnen als Speise- und Wohnzimmer, die beiden andern als Schlafzimmer. Weiße Gardinen schmückten überall die Fenster. Die Einrichtung war höchst einfach; aber doch geschmackvoll. Es lag ein unbeschreiblicher Hauch von Gemütlichkeit über dem Ganzen. Leo Warnfeld ging heute erregt im Zimmer auf und nieder, und das erste Wort, womit er seine Schwester bei ihrem Eintritt empfing, war: „Hast du unsern Chef gesehen?" Das Mädchen, das nur mit Mühe den Sturm in der eigenen Brust unterdrückte, er widerte : „Ja, er war iu Begleitung des Direktors in unsrer Kanzlei; du hast ihn doch auch gesprochen — wie gefiel er dir?" „O, ganz gut," entgegnete Leo, „er ist ja ein sehr hübscher und äußerst zuvorkommender Mann, aber abgesehen davon, wollte ich dich fragen, ob er dir nicht bekannt vorkam?" „Bekannt?" wiederholte Nora leise. „Nun ja, bekannt," fuhr ihr Bruder fort, „erinnert er dich nicht an jenen jungen Mann, der vor mehreren Jahren im Kontor unsres Vaters angestellt war und so plötzlich von dem selben entlassen wurde?" „An Bredau, meinst du?" Halb unbewußt fiel der Name von Noras Lippen, ihr Bruder jedoch nickte lebhaft: „Ja, an Bredau, dir fiel die frappante Ähnlichkeit also gleichfalls aus? Ich gestehe offen, daß ich im ersten Augenblick, als ich ibn sah, wirklich meinte, es könne kein andrer lein, und erst, als mir der Name Körner genannt wurde, begriff ich meinen Irrtum, übrigens fiel mir auch auf, daß er selbst, ehe mein Name genannt wurde, mit den Worten: „Ä, Herr Warnfeld!" auf mich zutrat und mir die Hand reichte." „Nun, vielleicht hat Herr Brenner ihm deinen Namen früher bereits genannt." „Möglich. Aber kannst du mir nicht sagen, Nora, warum der Vater Bredau, auf den er früher doch so große Stücke hielt, damals io plötzlich entlassen hat?" „Den Grund hat Papa nie angegeben. Ich habe übrigens auch nicht danach gefragt." „Das wundert mich, denn wenn ich nicht irre, so leitet« der junge Mann damals an meiner Stelle deinen Stenographie-Unterricht, und da wäre es doch natürlich gewesen, wenn du dich nach dem Schicksal deines Lehrers er kundigt hättest. — Hast du auch gehört, Nora, daß unser Chef nun längere Zett in Friedrichs- tal bleiben und später sogar seinen ständigen Aufenthalt hier nehmen wird?" Ein leichtes Beben ging bei dieser Nachricht durch den Körper des jungen Mädchens und große Angst sprach aus ihrem Blick, als fie erwiderte:
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