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Allgemeiner Anzeiger : 17.03.1909
- Erscheinungsdatum
- 1909-03-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190903179
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- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19090317
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19090317
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- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1909
-
Monat
1909-03
- Tag 1909-03-17
-
Monat
1909-03
-
Jahr
1909
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 17.03.1909
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Oie lerdilcke f^ote. Die Note, die die serbische Regierung ihren Gesandten in Berlin, London Paris, Peters burg und Rom zugestellt hat und worin sie die Wahrnehmung ihrer Interessen den Mächten anvertraut, hat in Wien durchaus keinen günstigen Eindruck gemacht; denn sie läßt das Wesentliche vermissen: eine Erklärung über die Abrüstung. Wie Wiener Blätter melden, fand kurz nach dem Bekanntwerden der Note eine Beratung der Generalität in Wien statt, an der alle kommandierenden Generale teilnahmen. Die Wiener Blätter stimmen denn auch in der Ansicht überein, daß, wenn auch die serbische Note eine Art gedeckten Rückzuges andeuten mag, die notwendige Klärung der Lage keines wegs erfolgt ist. Am zuversichtlichsten urteilt noch die ,Neue Freie Presse', aber auch sie sagt, es feble alles, was die zwei Nachbarstaaten nach den Vorfällen der letzten fünf Monate dringend brauchen, um das gegenseitige Vertrauen wieder herzustellen und sich gegenseitig wieder in voller Sicherheit zu fühlen, um mit den kostspieligen militärischen Vorbereitungen aufhören zu können. Wenn man den Meldungen aus Serbien Glauben schenken darf, so hat dort eine ruhigere Stimmung Platz gegriffen. Als ein be merkenswertes Zeichen ist die vollkommen friedliche Stimmung der Skupschtina zu betrachten, in der der Minister des Äußern, Milowanowitsch, die russische und die an die Großmächte gerichtete serbische Note verlas. Milowanowitsch hob hervor, daß die Groß mächte bedingungslos die Erhaltung des Friedens wünschen und daß Serbien sich dem Verlangen der Mächte fügen müsse. Die Skupschtina hörte ruhig zu. Weder Kund gebungen des Mißfallens noch des Beifalls wurden laut. Das will viel heißen, denn die Skupschtina hatte doch einstimmig die Durch führung der serbischen Ansprüche gefordert. Be zeichnenderweise wurde am selben Tage, an dem die serbische Regierung ihre Note an die Großmächte absandte, an die Reservisten des dritten Aufgebotes Waffen und Munition ver teilt, was seit dem serbo-bulgarischen Krieg nicht geschehen ist. Das spricht nicht für friedliche Absichten Serbiens. Die Auffassung Rustlands geh: dahin, daß die Note Osterreich-Ungarn nicht besriedigen könne. Ja, man glaubt sogar in Petersburg, daß sie Österreich veranlassen könnte, ein Ultimatum zu stellen. Wie verlautet, soll Rußland an der Westgrenze, besonders im Wilnaer Militärbezirk, bereits Vorsichtsmaß regeln getroffen haben. Die Lage wird teilweise als sehr ernst angesehen. In diesem Augenblick ist besonders das Verhalten Italiens bemerkenswert. Die amtliche ,Tribuna' schreibt, von Anfang an habe keine Staatskanzlei dem Stolze Osterreich-Ungarns zu nahe treten wollen, und das könne man jetzt, wo sich der Horizont geklärt habe, erst recht nicht annehmen. Die Frage soll vor eine Konferenz gebracht werden. Sollte man sich dem widersetzen, dann müßte man annehmen, daß Österreich mit Absicht einen durch nichts gerechtfertigten Druck ausüben will, und Deutschland die Absicht hat, das Wasser zu trüben. Dies würde aber im völligen Gegen satz zum Grundcharakter der deutschen Regierungs politik stehen. Inzwischen haben England, Rußland Frankreich und Italien den Gedanken aufgegeben, in Wien Vorstellungen erheben zu lassen. Denn nach den Äußerungen eines hochstehenden französischen Diplomaten soll der Wiener Regierung folgendes vorgeschlagen werden: Die Botschafter Frankreichs, Englands, Rußlands und Italiens enthalten sich bis auf weiteres jeder Einmischung in die Verhand lungen. Es wird dafür Sorge getragen werden, daß die serbische Antwort (die Abrüstung betreffend) in einem Österreich be friedigenden, aber Serbien nicht demütigenden Tone gehalten sei. Dem diplomatischen Takte der österreichischen Regierung bleibt die Wahl der Form überlassen, das Ergebnis der öster reichisch-serbischen Verhandlungen rechtzeitig zur Kenntnis der Großmächte zu bringen. Hierauf wäre von Kabinett zu Kabinett zu erörtern, ob der eine oder andre Punkt jener künftigen öster reichisch-serbischen Verständigung geeignet er scheine, die Billigung der Berliner Vertrags mächte zu erhalten, oder ob das Abkommen in allen seinen Punkten als österreichisch-serbischer Nachbarvertrag anzusehen sei und demgemäß die einfache Kenntnisnahme genüge. Man glaubt in Paris, daß weder in Wien noch in Berlin diese Art der Erledigung der schwebenden Fragen Widerstand finden wird, Dabei übersieht man aber, daß Osterreich- Ungarn (und mit ihm Deutschland) nur solche Fragen auf der Konferenz behandelt wissen wollen, die vorher durchaus geklärt sind. Diesen Standpunkt nimmt übrigens neuerdings auch die Türkei ein. In wohlunterrichteten Kreisen, die der türkischen Regierung nahestehen, wurde bezüglich der Konferenzfrage erklärt, die Türkei stehe durchaus auf dem Standpunkte Deutschlands und Osterreich-Ungarns, daß eine Konferenz nur die Aufgabe haben könne, von bereits getroffenen Abmachungen Kenntnis zu zu nehmen. Nach wie vor ist also die Lage ungeklärt. Die Vieldeutigkeit der ferbischen Erklärungen erschwert die Lage, anstatt sie zu entwirren. Und die serbischen Politiker tun das ihre, um neuen Grund zur Beunruhigung zu schaffen. So äußerte der Ministerpräsident im Kreise von Parteifreunden: Serbien verlange eine europäische Konferenz und erst vor dieser werde es seine Wünsche bekanntgeben. Milowanowitsch fügte hinzu, daß Rußland, England und Frankreich den Inhalt der Note billigen. Auf die Frage, was man zu tun gedenke, wenn die Konferenz nicht zu stande komme, erwiderte der frühere Minister präsident Pasitsch, daß nach bestimmter Zusage Rußlands die Frage nur auf dem Wege einer Konferenz geregelt werden könne. Sollte die Konferenz nicht zustande kommen, so würde die Frage offen bleiben, d. h. es würde die Angliederung der Provinzen von feiten Ruß lands sicher nicht anerkannt werden. Dies würde für Osterreich-Ungarn von größter Trag weite sein. Serbien habe Zeit. Je länger sich die Sache hinziehe, desto mehr Zeit bleibe Serbien, sich für den entscheidenden Moment zu rüsten. Serbien werde vor Osterreich-Ungarn nicht kapitulieren, solange es von Rußland die gleiche, aufrichtige Unterstützung erfahre, wie in der letzten Zeit. potttilcke Kunälckau. Deutschland. * Kaiser Wilhelm empfing am 11. d. den Reichskanzler in längerer Audienz. Wie verlautet, Hai der Kanzler dem Monarchen einen Vortrag über die gegenwärtige Lage auf dem Balkan gehalten. * In parlamentarischen Kreisen erhält sich das Gerücht, daß der Preuß. Kultusmini st er Dr. Holle mit Rücksicht auf seinen andauernd ungünstigen Gesundheitszustand nicht wieder in sein Amt zurückkehren werde. Unter den Namen der Kandidaten, die als seine Nachfolger in Be tracht kommen sollen, wird neuerdings neben demjenigen des Ministerialdirektors Schwartz kopff sowie der Oberpräsidenten v. Jagow und v. Hegel auch derjenige des Oberpräsidenten v. Wentzel (Hannover) genannt. *Der Bundesrat hat dem Entwurf eines Gesetzes betr. Änderung des Straf gesetzbuches zugestimmt. * Die diesjährigen Kaisermanöver, die wahrscheinlich im nördlichen Württem berg stattfinden weichen, sollen einen ganz be-! sonders großen Umfang annehmen. Unter! anderm werden fünf bayrische Divisionen teil- nehmen. * In der Reichstagskommission ist ein von der Regierung als unannehmbar bezeichneter Antrag ans gesetzliche Einführung des 8 - Ah r-L adenschlussesim Handels gewerbe angenommen worden. * Das Preuß. Abgeordnetenhaus hat am 11. d. die wichtigsten Vorlagen seiner Session unter Dach und Fach gebracht; denn es stand die dritte Beratung des Gesetzentwurfs betr. die Her anziehung der Beamten zur Gemeindesteuer sowie die Wohnungsgeldzuschüsse und das Steuergesetz zur Beratung, das neben dem Stempelsteuergesetz die Mittel für die erhöhten Einkommen der Beamten bringen soll. Daß auch das Herrenhaus den Gesetzentwürfen zu stimmen wird, ist außer allem Zweifel. * Dieser Tage sind von der Regierung im Westen Deutschlands fünf Weinkon trolleure, zwei in Kreuznach, zwei in Koblenz, einer in Trier angestellt worden. Im Osten sollen demnächst eine oder zwei solche Stellen eingerichtet werden. Frankreich. * Der Senat hat die neue Nachtrags forderung für Marokko in Höhe von 25 Millionen Frank angenommen. *Zwei hohe französische Offiziere wurden wegen Disziplinbruchs im Anschluß an Rsrbereien zwischen Kolonialregimentern und Truppen der regulären Armee zu Stuben arrest verurteilt. Sie hatten Einspruch er hoben, als der Kommandeur ihre Regimenter des fortdauernden Disziplinbruchs beschuldigte, und erklärte, der größere Teil der Kolonial soldaten werde in einem europäischen Kriege „hinten bleiben," wenn es gelte, den Feind anzu greifen. England. *Die Admiralität hat beschlossen, unverzüg lich mehrere Kriegsschiffe mit rauch losen Motoren (der neuen Erfindung einer englischen Schiffsbaufirma) bauen zu lassen. Die neue Erfindung ermöglicht den Bau von Schiffen ohne Schornsteine, was für die Gefechtstüchtig keit der Schiffe von unabsehbarer Tragweite ist. Italien. * Die Nachricht von der Aufhebung des Einspruchsrechtes einer westlichen Macht bei der Papstwahl wird jetzt amtlich be stätigt. Im Amtsblatt des Vatikans heißt es über das Einspruchsrecht u. a.: „Wir verbieten allen Kardinälen und allen andern, die einen Teil an der Papstwahl haben, unter irgend welchem Vorwande von einer weltlichen Macht den Auftrag anzunehmen, Einspruch zu erheben, sei es auch nur unter der einfachen Form eines Wun sches." — Die Bulle ermahnt ferner die Kardinäle, bei einer Papstwahl keinerlei Rücksicht auf Ein mischungen weltlicher Fürsten oder auf sonstige weltliche Erwägungen zu nehmen, sondern nur den Ruhm Gottes und das Wohl der Kirche im Auge zu haben und ihre Stimmen auf den zu vereinen, der am fähigsten ist, die Kirche in fruchtbringender und nützlicher Weise zu leiten. Rußland. * Nach einer Meldung des ,B. T.' wird in den nächsten Tagen die Begnadigung der in der Peter-Pauls-Festung gefangenen „Helden" von Port Arthur, des Generals Stössel so wie der Admirale Nebogatow, Grigorjew und Lischin erfolgen. Stöffel hat, wie es heißt, in jüngster Zeit einen Schlaganfall erlitten und der Admiral Lischin ist an Schwindsucht erkrank, so daß die Ärzte ihm den Aufenthalt in südlichem Klima „verordneten". Der Marineminister be fürwortete das Gnadengesuch beim Zaren. Amerika. *Die mexikanische Regierung hat eine An zahl von Offizieren zum Studium des Militär wesens nach Japan und Deutschland entsandt. Diese Offiziere sollen nach ihrer Heimkehr eine völlige Neuordnung in der mexikanischen Armee vornehmen. Affen. * Zwischen Siam und England ist ein Vertrag unterzeichnet, durch den letzteres drei neue Provinzen auf der malaiischen Halb insel gewinnt. Deutscher Reichstag. Am 11. d. wird die zweite Lesung des Wein gesetzes fortgesetzt bei 8 3. Abg. Spindler (Zentr.): Wir halten an den Kommissionsbeschlüssen fest. Die Kompromißbe- Müsse treffen das Richtige, sie berücksichtigen das Interesse der Winzer. Die Vorschriften über Dekla rationszwang wollen wir sowohl beim 8 5 (gezuckerte Weine) wie beim § 6d (Verschnittweine) aufrecht erhalten wissen. Abg. Paasche (nat.-lib.) empfiehlt die beiden Teile seines Antrages, über die Notwendigkeit hinaus werde ohnehin kein Weinbauer Zucker zu setzen; denn wer gutem Wein Zucker zusetze, werde ohnehin schon durch seine Dummheit gestraft. Geheimrat Stein: Die Bedenken der beiden Vorredner in bezug auf die angeblich zu elastische Voraussetzung der Zuckerung sind doch wohl nicht berechtigt. Die Herren nehmen zwar an, es könnte zu einem Fallstrick auch für ehrliche Leute werden, wenn die Zuckerung nur erlaubt wird, „insoweit es der Beschaffenheit des aus Trauben gleicher Art und Herkunft in guten Jahrgängen ohne Zusatz ge wonnenen Erzeugnisses entspricht". Aber was „ein guter Jahrgang" ist, darüber besteht umcr den Sachverständigen doch wohl nicht solche Unge wißheit oder Meinungsverschiedenheit, wie die Herren, die diese Worte gestrichen wissen wollen, annehmen. Dem Antrag Hormann (31. Januar) bitte ich das HauS, zuzustimmen. Abg. Preiß (Els., Zentr.) spricht gegen Abg. Paasche. Sein Antrag sei unnötig. Es gibt über all Sachverständige, die feststellen, was ein „guter Jahrgang" ist. Wir hatten schon an eine Herab setzung des zulässigen Zuckerzusatzes gedacht. Von einer Vermehrung kann keinesfalls die Rede sein. Einer Verlängerung der Zuckcrungssrist stimmen wir nicht zu. Ahg. Lehmann-Wiesbaden (soz.): Kon- lequenterweise hätte die Regierung die Zuckerung von der behördlichen Genehmigung abhängig machen müssen. Das wollte sie aber nicht. Die Zuckerung bis zu 20 Prozent ist übergenug. Wir hoffen, daß die Negierung die Vorlage an dem 8 6b nicht wird scheitern lassen. Abg. Schüler (Zentr.): Das richtigste ist, die Kommissionsbeschlüsse anzunehmen und alle Bedenken in bezug auf Einzelheiten zurückzustellen. Der An trag Paasche ist mir unannehmber. Am besten wäre es, wenn eine Zuckerung ganz unterbleiben könnte. Auf ßöb darf keinesfalls verzichtet werden. Bei einer Kostprobe hat sich herausgestellt, daß der betr. Wein, Rotwein, stark mit spanischem Wein ver schnitten war. Verkauft wurde er als deutscher, badischer Wein. Dabei geht der Weinbau in Baden zurück! Abg. v. Wolff-Metternich (Ztr.) erklärt sich für den Antrag Paasche betr. Streichung der zu elastischen Bestimmung im 8 3, sowie für den Antrag Hormann, die Zuckerung bis zum 31. Januar zuzulassen. Abg. Frhr. Heyl zu Herrnsheim (nat.-lib.) bekämpft den Antrag Roeren - Erzberger, wonach ein Verschnitt aus Erzeugnissen verschiedener Herkunft nur dann nach einem der Anteile benannt werden darf, wenn dieser in der Gesamtmenge überwiegt und die Art bestimmt. Der Antrag sei praktisch undurch führbar. Abg. Wieland (südd. Vp.): Den Antrag Paasche lehnen wir ab. Abg. Thaler (Zentr.) begründet einen Antrag, wonach die Menge des zulässigen Zuckerzusatzes nicht prozentual festgesetzt wird; sondern es soll so viel Zucker zugesetzt werden können, als notwendig ist, um ein Erzeugnis zu gewinnen, wie es in guten Jahrgängen in der betreffenden Lage ohne solchen Zusatz erreicht wird. Nach kurzen Bemerkungen des Abg. Gregoire (Lothr.) schließt die Erörterung. Unter Ablehnung aller Abänderungsanträge wird 8 6 in der Fassung der Kommissionsbeschlüsse angenommen. Auch sonst vleibt es bei den Kommissionsbeschlüssen, obwohl bei 8 6b Staatssekretär v. Bethmann-Hollweg das Unannehmbar der verbündeten Regierungen wiederholt. Der 8 6b, der den Verschnitt behandelt, werd mit überwältigender Mehrheit gegen wenige stet- sinnige Stimmen angenommen. Die 88 und 8 werden ohne Debatte ange nommen. Beim 8 9, der den Haustrunk behandelt, bittet Abg. Wetzel (nat.-lib.), die Kontrolle über den Haustrunk möglichst wenig belästigend zu gestalten. Bei § 11 ersucht Abg. Wetzel im Namen aller kleinen nicht kaufmännisch gebildeten Leute dringend, die Buchführung so einfach wie möglich zu gestalten. Der Anttag Hormann zu 8 16 wird abgelehnt und das Weingesetz in allen seinen einzelnen Para graphen unverändert in der Kommissionssaffung angenommen. Das Gesetz über die Doppelbesteuerung wird nach kurzer Erörterung in zweiter Lesung in der Fassung der Kommissionsbeschlüffe angenommen mit der Reso lution, die möglichste Beseitigung der kommunalen Doppelbesteuerung wünscht. Hierauf vertagt sich das Haus bis Dienstag. O ^emells. 29s Kriminalroman von E. Görbitz, aeoetserung/ Das elegante Paar war längst von der Badegesellschaft auf der Veranda beobachtet worden, aber niemand ahnte, welche Fäden von dem Haushofmeister des Majoratsherrn von Grödenitz und der schönen Frau von Bettini hier am Strande angesponnen worden waren und daß dieselben bis zur fernen Residenz sich auS- dehnen würden, um sich dort zu einem gefähr lichen Netz zu verschlingen. 11. Am andern Tage »eiste Leonhard nach der Hauptstadt ab. Ein ihm in der Kanzlei aus gestelltes und mit dem Wappen der Grödenitze - untersiegeltes Dokument, welches ihn als den freiherrlichen Haushofmeister Hartwig bezeichnete, diente ihm als Legitimation. Er mietete sich in dem besten Teil der Resi denz eine elegant möblierte Wohnung von drei Zimmern und traf dann seine Vorbereitungen für die Ausführung des „Geschäfts", das ihn nach der Residenz zurückgeführt hatte. An dem Geldschrank des Wucherers Erich Seligmann, der mit dem verstorbenen Baron Kuno in für diesen so verderblich gewordenen Geschäftsverbindungen gestanden hatte, sollte ein Aderlaß vorgenommen werden. Leonhard sagte sich mit vollem Recht, daß Seligmann, da er Geldgeschäfte von solchem Umfange, wie mit Baron Kuno gemacht, ein sehr reicher Mann sein müsse. Die Wohnung desselben ersah Leonhard leicht aus dem Adreßbuchs. Dieselbe lag in einer nordwestlichen Vorstadt der Residenz. Am Wend des zweiten Tages nach seiner Ankunft unternahm Leonhard einen Streifzug nach der betreffenden Vorstadt, aus dem er aber nichts Besonderes über die Ausführbarkeit seines Unternehmens auskundschaftete. Seligmann, ein in aristokratischen und Offi zierskreisen sehr bekannter Geldmann, bewohnte ein altmodisches, kleines Landhaus, das in dieser abgelegenen Vorstadt der modernen Baufpekula- tion noch nicht zum Opfer gefallen war. Es lag, von der Straße entfernt, am Ende eines Gartens, der von drei Seiten von einer Mauer umgeben war; auf der vierten Sette, hinter dem Hause, war der Garten durch den Fluß begrenzt, der in mehreren Armen die Residenz durchströmte, die sich hier in der Vorstadt zu einem Wasser von beträchtlicher Breite vereinig ten. Auf der Gartenmauer befand sich ein hohes eisernes Gitter mit Lanzenspitzen und sämtliche Fenster des Landhauses waren mit starken Stäben versehen. Der Gartenmauer gegenüber, auf der andern Seite der Straße, befand sich ein Restaurant. Das kam Leonhard sehr gelegen; er ging in das Wirtshaus hinein, bestellte sich ein Abend essen und knüpfte mit dem ihn bedienenden Kellner ein Gespräch an. Ein bei dem Zahlen der Rechnung dem Kellner gespendetes reichliches Trinkgeld machte diesen immer geschwätziger, so daß er auch, nachdem Leonhard gespeist und sich mit einer angezündeten Zigarre an das Fenster gesetzt hatte, in dessen Näh« stehen blieb. Da das in der Vorstadt gelegene Etablissement mit seinem großen Garten hauptsächlich sein Ge schäft mit dem Sonntagspublikum machte, so war heute, an einem Wochentage, wenig Besuch in dem Lokal, dem Kellner blieb also hin reichende Zeit, die Unterhaltung mit Leonhard fortführen zu können. Nachdem letzterer, indem er auf die Macht des Egoismus spekulierte, bisher mit dem Kellner fast nur von dessen persönlichen Verhältnissen gesprochen hatte, wandte er jetzt den Kopf und blickte aus dem geöffneten Fenster. Nun schien er erst die gegenüberliegende Gartenmauer zu bemerken. „Umschließt," fragte er, „die Mauer drüben auch einen Restaurationsgarten oder einen Privat besitz ?" „Ein förmlich verzaubertes Schloß," ant wortete der Kellner, „niemand findet dort Ein laß, der nicht ganz besondere Empfehlungen besitzt! Es ist das Grundstück des reichen Seligmann!" Leonhard tat unbefangen und verwundert. „Wer ist Seligmann?" „Erich Seligmann," wiederholte der Kellner eifrig, „kennen Sie den Mann nicht?" „Nein," entgegnete Leonhard, „ich habe den Namen noch nie gehört, ich bin fremd in der Residenz und halte mich hier nur auf der Durch reise kurze Zeit auf." „Ach so," meinte der Kellner, „das ist etwas andres; hier kennt sonst jedes Kind den allen Seligmann, schon wegen seiner wunderlichen Persönlichkeit und schäbigen Kleidung. Er ist einer der berüchtigfteu Wucherer und wohl doppelter Millionär, dabei aber ein schmutziger Geizhals, der in seinem Äußern kaum von einem Bettler zu unterscheiden ist." Leonhard wußte sehr geschickt immer mebr aus dem Kellner hervorzulocken. So erfuhr er denn von diesem, daß der alte Seligmann sich gewöhnlich in einem, im Erdgeschosse liegenden Kabinett aufhalte, von wo ans er jeden Menschen sehen könne, der sich an der in der Mauer befindlichen Gittertür zeige, so daß er nm denjenigen Personen öffnen lasse, die er empfangen wolle. ! Gerade über diesem Kabinett befinde sich im ersten Stockwerk sein Wohnzimmer und mas vermut», daß er in dieser Stube, in die er niemand kommen lasse und die durch eine starke, mit mehreren Schlössern versehene Tür versichert sei, seine Reichtümer aufbewahre. Auch habe der alle Wucherer, erzählte der Kellner, einen sehr leichten Schlaf und stehe bei dem geringsten Geräusch, das ihm verdächtig erscheine, auf, um durch eine kleine Luke, die er in dem Fußboden seines Schlafzimmers habe anbringen lassen oder durch kleine Offnunge» in den Fensterladen und in der Tür nachzu sehen, ob ihm auch Gefahr drohe; ja, der Kellner behauptete sogar, daß die Drähte von elektrischen Telegraphen in allen Richtungen durch sämtliche Zimmer ausgespannt seien, die mit einer über Seligmanns Bett befindlichen Glocke in Verbindung ständen, so daß diese ihm die leiseste Bewegung im Bereiche seines Hauses ankündige. Seine Schwester, eine alle Jungfer, nebst einer ebenfalls bejahrten Magd und ei» junger Mensch, dem er Unterricht im Wucher-
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