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Allgemeiner Anzeiger : 20.03.1909
- Erscheinungsdatum
- 1909-03-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
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- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190903200
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- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1909
-
Monat
1909-03
- Tag 1909-03-20
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Monat
1909-03
-
Jahr
1909
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 20.03.1909
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Vrsdsnäe RrlsgsgefLbr. Die unbefriedigende Note Serbiens an Österreich, worin die Rüstungsfrage überhaupt nicht besprochen, dagegen der Donaumonarchie der Natschlag erteilt wird, den Handelsvertrag mit Serbien den Parlamenten vorzulegen, hat die Lage auf dem Balkan äußerst ernst gestaltet. Welcher Ausweg aus so düsterer Lage ge funden werden soll, ist im Augenblick nicht zu erkennen. So viel ist jedenfalls sicher, daß man in Wien entschlossen ist, auch jetzt noch größte Mäßigung zu zeigen. Alle friedlichen Mittel sollen nach wie vor versucht werden, die Belgrader Heißsporne zur Vernunft zu bringen. Gelingt das nicht, so kann Österreich sich sagen, den Serben jegliche Möglichkeit zur fried lichen Verständigung geboten zu haben. Dauert die in Belgrad beliebte Verschleppungspolitik weiter und entschließt man sich dort nicht bald, den Widerspruch zwischen friedliebendem Noten wechsel und kriegerischen Rüstungen aus der Welt zu schaffen, so fällt die ganze Verantwortung der Folgen auf Serbien. Aber die Stellungnahme Osterreich-Ungarns äußerte sich ein hochgestellter Wiener Diplomat folgendermaßen: „Wir werden in den nächsten Tagen noch eine letzte NoLs an die serbische Regierung richten, und in einer sehr ernsten und unzweideutigen Form über ihre Beziehungen zu unsrer Monarchie Auf klärung fordern. Wir werden verlangen, daß die Rüstungen und Truppenzusammenziehungen vorerst eingestellt werden, und daß erst dann die Verhandlungen auf dem wirtschaft lichen Gebiete erfolgen, wenn die für gedeih liche Beratungen unbedingt notwendige Ab rüstung der serbischen Armee durch geführt ist. Der serbischen Negierung wird zur Beantwortung eine Frist von einer Woche gestellt. Ist auch diese Antwort unbefriedigend, dann gibt es keine andre Möglichkeit mehr, den Flieden zu erhalten. Viel Aussicht, daß diese Antwort befriedigen wird, haben wir nicht. Serbien scheint sich eben einzubilden, daß es, wie sich die Dinge auch gestalten mögen, auf Rußlands Beistand rechnen könne. Ob es mit dieser Ansicht recht behalten könne, ist eine andre Frage." In diesem kritischen Augenblick ist die Stimmung in Petersburg durchaus geteilt. Man will dort trotz des großen Ernstes der Lage an keinen Krieg glauben und behauptet in amtlichen Kreisen Serbien, habe keine Unterstützung seitens Rustlands zu erwarten, denn Rußland wünscht keinen Krieg. Wäre der japanische Krieg nicht gewesen, würde die Sprache an der Newa heute wohl anders lauten. Unter den jüngeren Offizieren berrscht demgegenüber Kriegsstimmung, die älteren aber halten ihn in diesem Augenblick für das größte Unglück Rußlands. In Serbien gibt man sich indessen nach wie vor den Anschein völliger Harmlosigkeit. Die Regierung erklärt die Befürchtungen der Türkei, es wolle die (zwischen Serbien und Montenegro liegende) Provinz Novibazar besetzen, für gänz lich unbegründet, läßt ahxr gleichwohl Truppen gegen dieses Gebiet ziehen. Dazu kommt, daß der Kriegsminister der Skupschtina in einer vertraulichen Sitzung mitgeteilt hat, die Bewaffnung aller Militärpflichtigen vom 20. bis zum 4b. Jahre sei durchgeführt. Die Kriegsstimmung in Serbien wird Hoch an gefacht durch das Gebaren des Fürsten Nikolaus von Montenegro, der jetzt ebenfalls offen für den Krieg eintrilt. Wie aus Cetünje mitgeteilt wird, wurde im Konak ein Kriegsrat abgehalten, nach dessen Beendigung der russische wie der serbische Ge sandte neuerdings zum Fürsten berufen wurden. Der Fürst erklärte den beiden Diplomaten, sie mögen ihren Regierungen mitteilen, daß die Kriegslust in Montenegro so groß ist, daß sie nur durch BesriedW« der ! montenegrinischen Wünsche Hintangehaltei. wer den könne. Noch einmal wollen die Mächte eine Ver mittelung versuchen. Frankreich hat Serbien die Absendung folgender Note angeraten: „Die An gliederung Bosniens und der Herzegowina, welche durch ein österreichisch-türkisches Ab kommen geregelt ist, bietet Serbien keinen An laß mehr, irgendwelche politischen oder Gebiets ansprüche zu erheben. Serbien nimmt keinen Anstand, dies mit dem Ausdruck der Erwartung zu erklären, daß die Mächte Serbiens Willen, mit großer Selbstverleugnung zur Erhaltung des Friedens beizutragen, richtig einschätzen werden." Sollte Serbien sich zur Absendung einer solchen Note verstehen, so würde, wie man hinzufügt, sein Lohn in noch zu bestimmenden wirtschaftliche» Vorteilen bestehen, an denen das Ausland, auch Frank reich, ebenso Anteil nehmen würde. Diese Note in Verbindung mit Anstalten zur Abrüstung wäre geeignet, den Konflikt aus der Welt zu schaffen. Leider aber besteht wenig Hoffnung, daß man in Serbien klug genug sein wird, diesen Weg zu wählen. Drohender als seit Jahren steht am europäischen Himmel das Gespenst des Krieges. Politikcbe AunälLbem. Deutschland. * Das Kaiserpaar wird sich am Diens tag nach Ostern, am 13. April, in Venedig an Bord der Jacht „Hohsuzollern" begeben, die dann direkt nach Korfu fährt. Nach Beendi gung des dortigen Aufenthaltes wird die „Hohenzollern" Messina anlaufen, da der Kaiser den Schauplatz der furchtbaren Erdbeben katastrophe besichtigen will. * K ais er W i lh elm hat am Montag einen Vortrag des Reichskanzlers Fürsten v. Bülow über die Balkanfrage und die Reichs- fi nanreform entgegengenommen. * Vom Kaiser sind als im Besitz der Re gierungsgewalt befindlich anerkannt worden: der Präsident des Freistaates Haiti, General Francois Simon, der Präsident des Frei staates Peru, Augusto, und der Präsident des Freistaates Panama, Josö Domingo da Obaldia. *Wie gemeldet wird, ist an die Offi zierkorps eine besondere Kabinetts - order ergangen, die sich über das Verhalten der Offiziere in gesellschaftlicher Beziehung äußert. In dem Erlaß wird gesagt, daß der Kaiser es mißliebig bemerkt habe, daß Offiziere in Räumen, wo sich Damen in Ball toilette aufhalten, rauchen. Dies bezieht sich sowohl auf Privalräume wie auf Klubräume und Hotels. Gleichzeitig wird darauf aufmerk sam gemacht, daß älteren Bestimmungen zu folge das Rauchen in den Schloßhöfen und im Vestibül des Schlosses untersagt ist. *Das Modell des neuen 25-Pfenuig- Stücks, das jetzt dem Bundesratsausschuß vorliegt, besteht aus reinem Nickel, hat einen Durchmesser von 23 Millimeter und ist etwas stärker als das alte 20 Pfennig-Stück. Die Vorderseite weist die mit einem Eichentranz um schlungene Zahl „25" auf, ferner die Jahreszahl der Prägung und „Deutsches Reich"; auf der Rückseite findet man außer dem Reichsadler keine weitere Verzierung. *Dem Reichstage ist die Ergänzung zum Strafgesetzbuch zugegangen. *Jn der Budgelkommission des Preuß. Ab geordnetenhauses teilte der Finanzminister mit, daß die Ein kommen st e u er im Jahre 1908 voraussichtlich 265 Millionen ergeben würde, also nur um 5 Millionen zurückbleiben werde hinter dem Voranschlags, der im diesjährigen Etat gemacht ist. * Der Wert zuwachs st euer wenden sich fortgesetzt neue Gemeinden zu. So ha! das Bürgervorsteherkollegium und der Magistrat von Hannover mit allen Stimmen gegen fünf Bürgervocsteher die Sleusrvorlage angenommen, wonach die W er tzu w a ch s st eu er, die Grundsteuer nach dem gemeinen Wert und die Schankkonzessionssteuer am 1. April d. zur Einführung gelangen. Frankreich. *Jn der Angelegenheit des Zwischen falles von Casablanca ist Professor Weiß (Paris) zum Vertreter Frank reichs bei dem Schiedsgerichtshof ernannt worden. Schweiz. * Der Bundesversammlung ist vom Bundes rat eine Vorlage zum Schutze des Zeichens und Namens vom Roten Kreuz unterbreitet worden. Amerika. * Das Marinedepartement der Ver. Staaten hat dem Senat einen Bericht über die Unterhaltungskosten der ameri - kanis chen Flotte zugehen lassen. Dem Be richt zufolge kostet es jährlich 109 856 Dollar, ein erstklassiges Schlachlschiff in gutem Zustande zu erhalten, jedoch schließt diese Summe nicht die Kosten für außergewöhnliche Reparaturen ein. Für Kohlen für die Flotte wurden im Jahre 1908 3163 902 Dollar verausgabt, ausschließlich der Auslagen für Transport und Aufspeicherung. Die Kohlenversorgung verschlang danach eine Gesamtsumme von 5 5t4 915 Dollar. Dieser Bericht ist um so interessanter, als er einen Teil der'Zeit mitberücksichtigt, in der die Atlantische Flotte auf der Weltreise begriffen war. * Nach einer Meldung aus Havanna (auf Kuba) beschloß das Repräsentantenhaus, bei dem guten Stand der Finanzen die Auf hebung des Ausfuhrzolles auf Zigarren, Zigaretten, Tabak, Zucker und Liköre in das Ermessen des Präsidenten der Republik zu stellen. Afrika. * Nach den neuesten Meldungen aus Ma rokko ist es den Truppen Muley Hafids gelungen, gegen die Aufsässigen im Süden des Reiches einen entscheidenden Sieg zu erringen. Damit ist die Ruhe im Scherifenreiche end gültig wieder hergestellt. * Aus Algier wird gemeldet, daß man einer neuen Organisation für Fahnen flucht der Legionäre aus der Spur sei. Oeutlcker Aeickstag. Am 16. d. steht zunächst auf der Tagesordnung die dritte Lesung des Weingesetzes. Zum 8 8 empfiehlt Abg. Müller- Iserlohn (steif. Vp.) einen von ihm wiebereingebrachten Antrag, die zeitliche Grenze für Vornahme der Zuckerung bis zum 31. Januar (statt 31. Dezember) auszudehnen. Der Antrag wird abgelehnt und 8 3 in der Fassung zweiter Lesung angenommen. Eine weitere Debatte entsteht bei 8 6 a betr. Be nennung von Weinen, die ein Verschnitt aus Erzeug nissen verschiedener Herkunft sind. Hierzu liegt ein Antrag Roeren-Erzberger vor, wonach ein solcher Verschnitt nur dann nach einem der Anteile allein benannt werden darf, wenn dieser Anteil in der Gesamtmenge überwiegt (diese Worte fehlen in der Fassung zweiter Lesung) und die Art bestimmt. Die Angabe einer Weinbergs lage soll nur dann zulässig sein, wenn der aus der betr. Lage stammende Anteil nicht ge zuckert ist. Mit 8 6s. wird zugleich 86b zur Beratung gestellt, der von dem Verschnitt mit ausländischen Weinen handelt, und dessen erster Satz (Verbot der Benennung verschnittener Weißweine als „deutsche" Weine) bei der zweiten Lesung für „un annehmbar" von der Negierung erklärt wurde. Abg. Heyl zu Herrnsheim (nat.-lib.) bittet um Ablehnung des Antrages Roeren-Erzberger. Es sei unerläßlich, die Bestimmung aus der zweiten Lesung ausrecht zu erhalten, daß Verschnittweinc über haupt nicht verzuckert werden dürfen. Abg. Erzberger (Zentr.), für seinen Antrag einiretend, erklärt zugleich, daß mit einer Mehrheit im Hause auch seins Freunde bereit seien, die von der Negierung für unannehmbar erklärte Vorschrift im Satz 1 des 86b fallen zu lassen, um ein Scheitern des Gesetzes zu verhindern. Nach weiterer Debatte wird erst zu § 6 b der Satz 1 gestrichen, Satz 2 angenommen, und sodann 8 6 a in der Fassung Roeren-Erzberger angenommen. Ohne wesentliche Debatte werden der Rest des Ge setzes und sodann das ganze Weingesctz in der Ge- samtabstimmuug angeno m m e n. Dedattelos wird die Novelle zum Gesetz wegen Beseitigung der Doppelbesteuerung definitiv in dritter Lesung angenommen. Sodann wird die Etatsberatung fortgesetzt beim Spczialetat des Reich smilitärgerichts. Die Kommission hat verschiedentlich« Abstriche »orge- nommen, u. a. hat sie einen zweiten Adjutanten für den Präsidenten gestrichen, und ebenso je 600 Mk. Zulagen für 11 außeretatsmäßige militärische Mit glieder. Abg. v. Elern (kons.) beantragt, sowohl den zweiten Adjutanten, wie jene Zulagen für außer- ctatsmäßige Mitglieder wiederherzustellen, dagegen von den Kauzleisekretärstcllen drei (statt nur zwei- als künftig wegfallend zu bezeichnen. Abg. Semler (nat.-lib.) befürwortet diesen Antrag. Präsident des Reichsmilitärgerichts v. Linde: Auch ich bitte uni Annahme des Antrages. Die außeretatsmäßigen Mitglieder sind nötig, sie er sparen uns etatsmäßige Richter. Und die beiden Adjutanten sind nicht etwa bloß Dekoration, sie sind vielmehr als Militärrichter voll beschäftigt. Mit schwacher Mehrheit wird der Antrag von Elern und Gon. angenommen. Es folgt der Militäretat. Abg. Häusler (Ztr.): Meine Freunde sind in der Kommission bemüht gewesen, vielfach mit Erfolg, Abstriche durchzusetzen, wo dies möglich war, im Interesse der Sparsamkeit. Daß die Militärverwaltung sich billiger gestalten läßt, hat der Kriegsminister selber aner kannt. Die Kommission schlägt Ihnen deshalb auch eine Anzahl Resolutionen vor, die den Reichskanzler auffordern, in Erwägungen einzutreten: über ander weite Regelung der Nationalkontrolle, über Ver billigung der Jntendanturgeschäfte durch Verminde rung der Zahl der höheren Beamten und Über tragung der Arbeiten derselben an Bureaubeamte II. Klasse, ferner über Aufhebung der Gouverne ments- und Kommandaniurgerichte, über Besetzung der Stellen der Platzmajore, sowie der Beamten stellen im Generalstab mit aktiven Offizieren usw. Abhilfe ist nötig gegen den Mangel an Militär ärzten und Veterinärürzten. Diese letzteren müssen in das Osfizierkorps eingereiht werden. Dio Berufssicherheit unsrer Offiziere muß auf eine feste Basis gestellt, das Pensionierungssystem ge ändert und zu dem Behufe das geheime Qualistkationöwesen und das Protektionswesen beseitigt werden. Alle Offiziere haben ein Recht, die von ihren Vorgesetzten über sie gefällten Urteile zu erfahren. Und der Reichstag hat ein Recht darauf, zu erfahren, wes halb er jährlich 90 Millionen an Pensionen an Offiziere zahlen muß. Die Dienstzeit muß auch bei den berittenen Truppen verkürzt werden. Die jüngste Volkszählung zeigt leider ein Zurückgehen der Land wirtschaft. Um so notwendiger ist die militärische Erziehung der Jugend. Abg. v. Liebert (freikons.): Wir haben gegen 10 Millionen vom Militäretat abgestrichen. Dabei mußten wir aber bedenken, daß uns hohe Verant wortung trifft und z. B. von heute auf morgen Krieg auf dem Balkan ausbrcchen kann. Die Schlagfertigkeit des Heeres muß uns daher über alles gehen und so sind einzelne Abstriche wieder rückgängig zu machen. Das Auf rücken von Feldwebeln in Leutnantsstellen würde die größte Stärke des deutschen Offizierkorps, feine Gleichartigkeit beeinträchtigen. Die Beschlüsse über die Festsetzung der Negimentskapellen überlassen wir am besten der Heeresverwaltung. Ist es wahr, daß zwei Regimenier Neger als Pauker bezw. Kapellmeister angestellt haben? Das würde doch dem Raffegesühl uno dem Rassestolz des betreffenden Kommandeurs ein schlechtes Zeugnis ausstellcn. In der Kom mission wurde vielfach angeregt, als Lehrer inaktive Offiziere zu verwenden. Das ist löblich, aber an manchen Stellen sind nur durchaus forsche Offiziere als Lehrer möglich. Hoffentlich wird es dem Minister gelingen, unser Heer trotz der Abstriche auf alter Höhs zu erhalten. Abg. Graf Oriola (nat.-lib.): Nach den Aus führungen des ersten Vorredner könnte man glauben, daß im Heere alles im argen liege. Wir find nach wie vor stolz auf unsre Armee, die uns den Frieden sichert. Abg. Häusler hat nur wiederholt, was er im Vorjahr erzählt oder früher Herr Bebel vorgetragen hat. Teilt die bayrische Heeresverwaltung Häuslers Ideen? Die Ein führung der zweijährigen Dienstzeit für die berittenen Truppen würde starke Mehrausgaben notwendig machen. Die Sparsamkeit ist noch weiter zu führen, nur darf die Leistungsfähigkeit des Heeres nicht angetastet werden. So ist eine Reform der Tagegelder und Reisekosten möglich und notwendig. Der Ver kürzung der Aggregiertenfonds können wir nicht zn- stimmen. Die Weiterberatung wird vertagt. K Nemesis. 30) Kriminalroman von E. Görbitz. 'Fortsetzung.) Durch das Gitter konnte Livia bemerken, daß ein junger Mensch aus dem Hause trat und sich der Straßenpforte, vor der sie stand, näherte. „Sie wünschen, Madame?" fragte der junge Mann. „Herrn Seligmann in Geschälten zu sprechen," antwortete Livia, „ist er zu Hause?" „Sind Sie allein?" Bei diesen Worten beugte sich der junge Mann dicht an das Güter und musterte die nächste Umgebung. Da er niemand bemerkte, Frau von Bettini auch seine Frage bejahte, so öffnete er die Gittertür, ließ die Dame eintreten und verschloß dann die Mr sehr sorgfältig wieder. Darauf ersuchte er Livia, ihm zu folgen und schritt mit ibr auf einem mit Buchsbanmhecken eingefaßten Mittel weg durch den vollständig verwilderten Garten dem Hause zu. Dasselbe befand sich in ebensolchem Zustande mw der Karten, in dem hochaufgeschossenes Unkraut jede Blumenkultur überwucherte und mehrere verkrüppelte Bäume mit teilweise ver trockneten Asten den Eindruck des Verkommenen nnd Armseligen noch erböbten. Aus dem Jnnem des Hauses, von dessen Außenwänden an vielen Stellen der Kalkvutz abgetallen war, erscholl das wütende Gebell eines Hundes, der die Annäherung eines frem den Menschen witterte. Trotzdem Livia eine sehr mutige und kecke Person war, die so leicht vor keinem'Wagnis zurückschreckte, so bebte sie doch zusammen, als dicht vor ihr, in der Haustür, eine kleine Klavpe geöffnet wurde und in derselben ein larvenbastes gelbes Gesicht erschien, in dem zwei kleine, schräggeschlitzte Augen funkelten, die sich mit durchbohrendem Ausdruck auf sie richteten. Diese Musterung ihrer Person mußte zu Seligmanns Zufriedenheit ausgefallen sein — das Mongolengesicht gehörte nämlich dem Wucherer an — denn die Haustür wurde ge öffnet. Das Gebell der Dogge wurde zum Geheul. Zähnefletschend konnte die wilde Bestie kaum von Seligmann, einem alten, kleinen, sehr häß lichen Mann in geflicktem, unsauberen Schlaf rock, zurückgehalten werden, sich auf Livia los zustürzen. „Treten Sie noch nicht ein." warnte Selig mann mit heiserer Stimme, „ich muß erst meine Dogge einsverren, damit Sie nicht von ihr zer fleischt werden, sie duldet keinen Fremden im Haute." Livia konnte sich eines Schauders nicht er wehren: ihr fehlte in diesem Augenblick vor Widerwillen und Furcht selbst das kleinste Wort zum Gruß. Der alte Seligmann zerrte den wütenden Hund, den er am Halsbande sesihielt. beiseite und schob ihn mit Anfbieten aller .Kräfte in eine Seitenkammer, deren Tür er dann fest zuklinkte. „So, meine Beste," wandte sich Seligmann jetzt wieder an Livia, „nun können Sie herein kommen und mich Ihr Anliegen wissen lassen." Frau von Bettini trat in den engen, halb dunklen Hausflur. Die Dogge bellte hinter der geschlossenen Tür so gewaltig und kratzte mit ihren Pfoten dermaßen gegen die schwachen Bretter derselben, daß Livia unwillkürlich ihre Schritte beschleunigte, um aus dieser gefährlichen Näbe zu kommen. Ms Seligmann dies bemerkte, rieb er sich vergnügt grinsend die Hände und sagte: „Glauben Sie mir, meine wertgeschätzte Dame, daß ich bei der heutigen Unsicherheit, die überall herrscht, keine Minute ruhig sein könnte, wenn ich meine Bulldogge nicht im Hanse hätte. Die nähme den Kamvf mit einer ganzen Bande auf und beschützt mich besser, als es ein halbes Dutzend handfester Dienstleute imstande sein würde." Dabei öffnete der alte Wucherer eine Tür auf der andern Seite des Flurs und ließ Frau von Bettini dort eintreten. Die durch Luxus und Wohlleben verwöhnte Frau sah sich jetzt mit geheimem Grauen in einem Zimmer, das die größte Ähnlichkeit mit einer Gefängniszelle hatte. Das einzige Fenster dieses Zimmers war mit starken Eisenstangen versehen, die Wände waren mit Kalkwrbe gestrichen. Die Möbel dieses unheimlichen Raumes bestanden nur aus einigen Rohrstüblen nnd einem Tische aus Fichtenholz. Außerdem stand noch ein Arm- sefsel mit zerlumptem Bezug am Fenster. Seligmann bot der Dame einen der Robr- stühle an und setzte sich selbst auf den bedenklich wackelnden Armsessel. Dann wagte er, worin er ihr dienen könne. Livia schlug ihren Schleier empor. „Ich habe gehört, Herr Seligmann," hob sie an, „daß Sie Geldgeschäfte machen!" Der Alte wiegte den Kopf, aber antwortete nicht: vorläufig überlegte er noch. „Es ist natürlich," fuhr sie fort, „daß ich nicht gleich von Ihnen eine Zusage erwarten kann, da Sie mich ja garnicht kennen und mich heute überhaupt zum ersten Male sehen." Seligmann hatte inzwischen Livias Toilette gemustert: war dieselbe auch dunkel und ver hältnismäßig einfach, so hatte sein Luchsauge doch aus der Umhüllung des schwarzen Paletot- ärm^ks ein schweres goldenes Armband hervor- , blitzen sehen; das interessierte ihn mehr als Livias zauberische Schönheit, die ihn völlig kalt ließ. „Hm," machte er auf ihre letzten Worte, „ein kleines Geschäftchen weise ich nicht von der Hand, wenn mir Sicherheit geboten wird und ich dabei etwas verdienen kann." „Um darüber näher zu sprechen, würde ich Sie um Ihren Besuch bitten; ich bin eine allein stehende Witwe und ganz unabhängig: Sie würden sich bei mir sehr bald davon überzeugen, daß Sie in mir eine sichere Kundin finden könnten!" „Ich werde kommen, wenn ich mich auch zu nichts verbindlich mache," erwiderte Seligmann, bei dem die Habgier erwachte, „wollen Sie mir Ihre Adresse anvertrauen?" „Gewiß," sagte Livia, schlug ihren Paletot auf und zog aus der Kleidertasche ein Porte monnaie hervor, dem sie eine Visitenkarte ent nahm. Seligmann die Karte reichend, fuhr sie wieder fort: „Ich werde morgen den ganzen
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