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Allgemeiner Anzeiger : 27.03.1909
- Erscheinungsdatum
- 1909-03-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190903277
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19090327
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19090327
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- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1909
-
Monat
1909-03
- Tag 1909-03-27
-
Monat
1909-03
-
Jahr
1909
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 27.03.1909
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Der Streit um die Rüstung. In England will der Streit um die deut schen Flottenrüstnngen nicht verstummen. Aber mals richteten mehrere Mitglieder des Unter hauses an den Premierminister Asquith die Frage, ob er im Hinblick auf die jüngst vom deutschen Staatssekretär der Marine v. Tirpitz abgegebene Erklärung, daß der deutschen Regie rung von der englischen Regierung kein Vorschlag zur Flottenabrüstung gemacht worden sei, eine Erklärung darüber geben könne, was zwischen den beiden Regie rungen bezüglich einer beiderseitigen Herabsetzung der Marineausgaben vorgegangen sei. Asquith antwortete: „Ich muß auf die Erklärung ver weisen, die ich bereits in diesen! Hause abge- ' geben habe, die die genauen Tatsachen darlegt, und an der ich in jeder Hinsicht festhalte. Die Angelegenheit ist im vergangenen Jahre mehr denn einmal Gegenstand des Gedankenaustausches zwischen beiden Regierungen gewesen, und zwar von unsrer Seite in der Absicht, uns zu ver gewissern, ob irgend welche Vorschläge der Art, wie sie in den an mich gestellten Fragen be zeichnet werden, in Erwägung gezogen werden würden. Wir haben keinerlei Vorschläge ge macht, weil man uns zu verstehen gegeben hatte, das deutsche Flottenprogramm sei gesetzlich festgelegt und in keiner Weise von dem englischen abhängig. Soviel ich Weitz, liegt ein Bericht über die Bemerkungen, die Staatssekretär v. Tirpitz in der Budgetkommission des Reichstags gemacht haben soll, nicht vor. Doch wird, wie ich aus den deutschen Zeitungen ersehe, der deutsche Staatssekretär des Aus wärtigen alsbald die Gelegenheit wahrnehmen, über die Sachlage Mitteilungen zu machen. Ich zweifle nicht, daß über seine Erklärungen ein vollständiger Berich: erstattet werden wird, und ich behalte mir jede weitere Erklärung vor, bis wir diesen Bericht vor uns haben." Darauf wurde der Vertreter des Marine ministeriums gefragt, ob die Regierung im letzen Juli gewußt habe, daß die Firma Krupp eine große Anleihe ausgenommen habe, zum Zweck der Erweiterung ihrer Werke infolge der Aufträge, die ihr die deutsche Regierung ge geben habe, um ihr Schiffsbauprogramm zu beschleunigen. Der Minister erwiderte, die Ver größerung in den Kruppschen Werken und die zu ihrer Durchführung aufgenommenen Mittel seien bei der Admiralität schon vor dem ge nannten Datum sehr wohl bekannt gewesen, und es sei teilweise infolgedessen geschehen, daß die für Erbauung eines Linienschiffes in Deutschland nötige Zeit um neun Monate sich verringert habe. Die in Frage stehende Erweite rung habe zweifellos vorher angezeigt, daß der Schiffsbau beschleunigt und daß die zahlreichen Verzögerungen, die früher stattgefunden hätten, verschwinden wür den. Zu gleicher Zeit brauchte dies jedoch keineswegs anzuzeigen, daß von seiten der deut schen Regierung die Absicht bestände, auch die Fristen für den Beginn der, nach dem Floiten- qesey genehmigten Schiffe zu verkürzen. In folge dieser Erklämngen äußerte ein Mitglied der Regierungspartei, es sei kein Grund zur Beunruhigung. Sendern das Haus zuletzt über die Flotte debattiert habe, seien keine neuen Tatsachen vor gekommen, die nicht teilweise die Regierung vorausgesetzt habe. Das Laad sei jedoch be unruhigt, und es würde nicht schaden, auf die Gründe hinzuweisen, um nicht dem Schrecken zu verfallen, der der Würde und den Interessen der Flotte entgegengesetzt sei. Es sei eine unwürdige Verwirrung. Er glaube, daß in Deutschland Klage geführt worden sei, weil auch nach dem jüngsten Besuch in Berlin und den dadurch heroorgerufenen! freundlichen Beziehungen durch unbekannte Per- ! sonen Reibungen verursacht worden seien. Hk Nemesis. 32 j Kriminalroman von E. Görbitz. Fortsetzung.^ Plätscherndes Geräusch auffvritzenden Wassers, dann war alles wieder still wie vorher. Dieser ganze Vorgang hatte kaum eine Minute gedauert. Leonhard betastete den Hut des Ermordeten, er fühlte in dem Seitensutter desselben eine Brieftasche eingenäht, der Streich war gelungen. Im stillen frohlockend, daß alles nach seiner Berechnung gegangen war, eilte der Mörder, den Hut seines Opfers unter den Rock geknöpft, nach Hause. Hier riß er das Hutfutter aus und zählte die Banknoten. Es waren wirklich hundert zwanzig Scheine zu je tausend Mark. Leonhard triumphierte, er war ein gemachter Mann. Einen Augenblick trat die Versuchung an ihn heran, mit der ganzen Summe in der Frühe des nächsten Morgens nach Amerika zu entfliehen; die dazu nötigen Legittmationsvapiere besaß er als Haushofmeister des Barons von Grödenitz, und Robert hätte ihn nicht verfolgen lasten können, ebensowenig brauchte er fürchten, daß Frau von Bettini über ihn tomvromittierende Geständnisse machen würde. Diese beiden mußten ihrer eigenen Sichxrheit wegen schweigen. Aber Leonhard verwarf diesen Gedanken sehr bald wieder, ec wollte Robert nicht betrügen. Es bewährte sich bei ihm die Erfahrung, daß Spitzbuben, deren Leben eine unaufhörliche Reihe von Verbrechen gewesen, gegenseitig ihr Wort 4 polililcke Aunälckäu. Deutschland. *Wie aus Kiel gemeldet wird, sind dort Gerüchte verbreitet, daß die Kaiserjacht „Hohen- - zollern" den Befehl erhalten habe, jetzt - die Mittelmeerfahrt anzutreten. — Kaiser Wilhelm wird in den nächsten Tagen in Berlin und Potsdam Truppsnbesichti- gungen vornehmen. *Nach Berichten russischer Blätter soll Kaiser Wilhelm an den Zaren ein Telegramm gerichtet haben, worin um Ein stellung derdeutschfeindlichenArtikel in der russischen Presse gebeten wird. Wie dazu halbamtlich erklärt wird, ist diese Be hauptung völlig aus der Luft gegriffen. * Der neue Turbinenkreuzer „von . der Tann", der vor einigen Tagen vom Stapel gelaufen ist, wurde der Nordsee station , zugeteilt. * Wie verlautet, hat die Unterkommission des Reichstages außer der Erhöhung des Roh tabakzolls und der Einführung einer Fakturenwertsteuer auch die Verhängung einer sofortigen Zollsperre beantragt, um eine übermäßige Voreinfuhr vor Inkrafttreten des neuen Tabaksteuergesetzes zu ver hindern. Die Aussichten für das Zustande kommen eines Tabaksteuergesetzes auf dieser Grundlage werden im Reichstage als günstig bezeichnet. * Halbamtlichen Berichten zufolge, werden sich bis zum 31. d. für 30 Millionen Mark Dreimarkstücke im Verkehr be finden. Während bis zum 1. Januar d. die Höhe der im Verkehr befindlichen Dreimarkstücke annähernd 16 Millionen Mark betrug, ist sie jetzt durch fortlaufende Neuausgabe der Münze auf das Dreifache gestiegen. Es ist daher an zunehmen, daß die Klagen über den Mangel an Dreimarkstücken bald verstummen werden. * Die Arbeiten am neuen Preuß. Fischereigesetz sind soweit vorgeschritten, daß demnächst der Entwurf zur Begutachtung veröffentlicht werden soll. Der Gesetzentwurf soll zusammen mit dem neuen Wassergesetz- entwurfe dem Landtage zugestellt werden. Man nimmt an, daß dies in dec nächsten Tagung des Landtages möglich sein wird. * Das neue Landtagswahlgesetz für das Großherzogtum Sachsen-Weimar erscheint mit einigen Abänderungen gesichert. So sollen sechsjährige Wahlfristen eingeführt und das wahlfähige Alter auf 25 Jahre hinaufgesetzt werden, auch soll der Abgeordnete seinen Wohnsitz in seinem Wahl kreise haben. Die Forderung auf eine Mehr stimme für jeden Wähler mit mehr als 2000 Mk. Einkommen oder mehr als 5 Hektar Grund besitz haben die Antragsteller fallen lassen. Man glaubt mit einer Regierungsmehrheit von fünf undzwanzig Stimmen in dem 33 Abgeordnete zählenden Landtag rechnen zu können. Österreich-Ungarn. * Kaiser Franz Joseph hat die chine sische Sonderkommission, die in Europa Verfassungsstudien machen will, unter Tangschauhi in längerer Audienz empfangen. Frankreich. *Die Pariser Post- und Tele graphenbeamten haben in einer Ver sammlung, die von 6000 Personen besucht war, mit ungefähr 5700 Summen beschlossen, die Arbeit wieder aufzunehmen. Damit ist der Streik beendet. England. *Die englische Admiralität hat beschlossen, an der Ostküste Schottlands eine Station für eine Unterseebootflottille mit dem Kommando in Firth of Forth zu er richten. Dadurch wird Englands StÄung in der Nord- und Ostsee aufs neue erheblich verstärkt. s * Die Flottenli ga hat infolge der letzten Unterhausdebatten über das Marinebaupro gramm eine außerordentliche Versammlung ab gehalten, in der beschlossen wurde, sofort die Werbearbeit im ganzen Lande zu beginnen, um die Regierung zum Bau von acht großen ' halten. Dann gefiel Leonhard auch das Leben und seine Stellung auf Schloß Grödenitz, wo er als Vertrauter und Günstling des Majorats- Herrn selbst ein Herrenleben führen konnte. Er beschloß, in den nächsten Tagen dorthin zurückzukehren. Mit diesem Vorsatz legte er sich zur Ruhe. In aller Frühe des folgenden Morgens war er bereits in der Wohnung Livias, zog ohne weitere Vorrede eine Brieftasche hervor, der er fünftausend Mark entnahm. Livia, die bis jetzt mit einer gewissen äußeren Höflichkeit von Leonhard behandelt worden war, bemerkte sogleich, daß dieser sein Betragen gegen sie geändert hatte: aber sie sagte nichts darüber, denn es war für sie eine große Genugtuung, daß sie ihn die Kassen scheine auf dem Tisch aufzählen sah. „Hier sind fünftausend Mark für Sie," sagte er, und als Livia das Geld hastig genommen und fortgelegt hatte, setzte er mit sehr bestimmtem Tone hinzu: „Sie haben aus meinen Wunsch Ihren Sommeraufenthalt unterbrochen, jetzt möchte ich Ihnen den Rat erteilen, so bald wie möglich eine längere Reise anzutreten, denn die Luft in der Residenz möchte für Sie schäd lich sein." Livia sah ihn befremdet an. „Wieso?" fragte sie in einem Tone, der ihre Empfindlichkeit nicht verbergen konnte. „Wozu diese Frage?" Er zuckte die Achseln und runzelte die Augenbrauen, „glauben Sie, daß ich jemals ein Wort unüberlegt und ohne Bedeutung lagen würde? Ich wiederhole, reisen Sie bald ab I" Schiffen in diesem Jahre und zur weiteren Be schleunigung und Erhöhung des Flottenpro gramms zu zwingen. Es ist zweifellos, daß sich einSturmgegen die Regierung im ganzen Lande erhebt; ob derselbe ernste Folgen haben wird, läßt sich noch nicht absehen Italien. *Mit der vor langer Zeit angekündigten und von der Kammer gutgeheißenen Armee- reform soll nunmehr begonnen werden. Vor allen Dingen sollen die Kavallerie und die Bergartillerie bedeutend vermehrt werden. Balkanstaate». *DieserbischeKriegsverwaltuug hat die Reservisten des ersten Aufgebots ent lassen und die des zweiten zu einer Waffen übung einberufen. Man erblickt hierin ein An zeichen dafür, daß die Zeit Lis zu einem etwaigen Ausbruch der Feindseligkeiten benutzt werden soll, um weitere Mannschaften militärisch auszubilden. Amerika. * Die Beschlüsse der Londoner internationalen SeerechtSkonferenz find in Washington ver öffentlicht worden. Der englische Vorschlag, wonach für Blockade eine diplomatische An kündigung genügt, wird angenommen, Baum wolle als Konterbande ausgenommen. Per sonen, die zur bewaffneten Macht des Feindes gehören, können auf neutralen Schiffen zu Kriegsgefangenen gemacht werden. Die Stellung eines feindlichen Schiffes unter neu trale Flagge vor Ausbruch der Feindselig keiten wird anerkannt. Asten. *Die revolutionäre Bewegung in Persien hat neuerdings einen nicht zu unterschätzenden Erfolg errungen. Zwei be deutende Städte des Nordwestens haben sich von der Regierungspartei losgesagt. Das Er eignis bedeutet einen großen Verlust für die Partei des Schahs. Daß die Revolutionäre nichts gegen dieFremden unternehmen wollen, geht aus einer Aufforderung hervor, die an die Konsulate in Rescht gerichtet - wurde. Sie sollen eine amtliche Bescheinigung einreichen, daß während der revolutionären Bewegung bis zum augenblicklichen Zeitpunkte niemals Eigentum von Europäern angetastet oder be schlagnahmt wurde. Hus ciem Keickstage. Im Reichstag wurde am Montag die Beratung des Militäretats beim Kapitel „Adjutanturoffiziere und Offiziere in besonderen Stellungen" fortgesetzt. Unter Ablehnung eines konservativen Antrages auf Bewilligung der vollen geforderten Summe (400 000 Mark) bestätigte das Haus ohne Erörterung den Kommissionsbeschluß, 300 000 Mk. zu bewilligen. Weiterhin hatte die Kommission von 206 Over- veterinärstellen 15 als „künftig wegfallend" bezeichnet, ebenso fünf (von 149) Umeröeterinärstellen. Ein konservativer Antrag wollte diese Bezeichnung künftig wegfallend" gestrichen wissen. Nach kurzer Erörterung fand der konservatioc Antrag Annahme. Beim Titel „Rettendes Feldjäger-Korps" hatte die Kommission den Zusatz beschlossen: Das Korps kommt am 1. Oktober 1909 in Wegfall. Abg. Rogalla v. Bieberstein beantragte, diesen Zusatz zu streichen. Nachdem auch Staatssekretär v. Schoen erklärt hatte, das Auswärtige Amt könne des Dienstes des Fcldjägerkorps nicht ent behren, wurde der Zusatz gestrichen. Nach unwesent- licker weiterer Debatte wurden die zu dem Titel „Mannschaften" gestellten Resolutionen der Kom mission betr. Feldwebelleutnants und betr. die Militärmusikkapellen angenommen. Ebenso die Reso lution betr. Geldstrafen statt Haftstrafen bei geringen militärischen Vergehen im Beurlaubtenstande. Nach Bewilligung einer Reihe weiterer Titel wurde die Beratung vertagt. Am 23. d. wird die Beratung des Militär- Etats beim Kapitel „Artillerie- und Waffenwesen" fortgesetzt. Abg. Will (Zentr.) beklagt die neuerdings bei den Werkstätten in Straßburg vorgekommenen umfangreichen Arbeitereutlaffungen. Es seien davon sogar Leute betroffen, die dort schon bis zu 15 Jahren in Arbeit standen. Abg. Becker-Köln (Zentr.) führt ebenfalls Be schwerde über Arbeitereutlaffungen. Oberst Wandel bestreuet, daß die Entlassungen > besonders umfangreich seien. Gibt's in einem Be Livia erschrak; zum erstenmal kam ihr der Haushofmeister unheimlich vor. „Mir träumte." fuhr er fort, „daß dem allen Seligmann in dieser Nacht ein Unglück zuge stoßen sei und mitunter gebe ich etwas auf Träume! Ich kenne, wie Sie wissen, den Allen nur vom Hörensagen, habe denselben auch in meinem Leben nicht gesehen. Aber Sie waren ja in seiner Wohnung, haben ihn auch wieder holt bei sicki empfangen und es könnte möglicher weise für Sie nicht angenehm sein, wenn dem alten Herrn, nachdem er bei Ihnen zu Wend gespeist, ein Unfall zugestoßen wäre und dies bekannt werden sollte!" Livia war totenbleich geworden, sie sing an, zu ahnen, daß sie die Bewogene war. Sie ver suchte zu sprechen, aber der Schreck dieser Ent deckung lähmte ihre Zunge. „Ich darf also wohl sagen: Glückliche Reise, gnädige Frau! Die Mittel dazu haben Sie ja angenommen!" Er verneigte sich hierbei mit ironischer Artig keit und war, ehe Livia sich von ihrem Schreck erholen konnte, aus ihrer Wohnung ver schwunden. Kaum hatte Leonhard das Boudoir Livias verlassen, als diese ihrer alten Gesellschafterin klingelte und mit mühsam erzwungener Ruhe Befehl zum Einpacken gab. Rosalie hatte selbst eine sehr bewegte Ver gangenheit hinter sich »nd kannte das Leben. Sie wunderte sich über nichts und widersprach den Befehlen ihrer schönen Gebieterin nie. Sie gehorchte auch diesmal und bereitete alles wieder zur Abreise vor. triebe wenig zu tun, so müssen Arbeiter allerdings entlassen werden und an einer andern Stätte Arbeit suchen. Und da kann es Vorkommen, daß sie mit etwas weniger Lohn vorlieb nehmen müssen. Die Arbeitszeit ist schon auf 8 Stunden 40 Minuten ge sunken. Würden wir weiter herabgeüen, so würden wir die Privatindnstris schädigen. Wollten wir die Schreiber zu Beamten machen so würden wir ja noch mehr Beamte kriegen. Arbeiter mit größeren Familien werden nach Möglichkeit berücksichtigt werden. Abg. Böhle (soz.) führt Beschwerde über Lohn- drückereien in Siegburg und über Unregelmäßig keiten in den Straßburger Werkstätten. Oberst Wandel: Wir sorgen für die Arbeiter, so gut wie wir können. Auch die Angriffe der Sozialdemokratie werden uns nicht hindern. Abg. Zube-il (soz.) bespricht die Lage der Pulverarbeiter in Spandau und bringt Beschwerden gegen die Vermattung vor. Weitere Wünsche und Beschwerden äußern die Abgg. Schwarze und Schirmer (Ztr.). Gegen die von beiden Rednern geäußerten Wünsche auf Einrichtung einer Penfionskaffe für die Arbeiter wendet Oberst Wandel ein, die Arbeiter würden sich dabei nicht besser stehen. Erstens wegen der Bett» tragszahlung und zweitens, weil ihnen die Bezüge aus der Pensionskaffe gegebenenfalls ja doch an da Invalidenrente, gekürzt werden würden. Abg. Sir (Zentr.) bespricht die Arbeitsverhält nisse in den bayrischen Gcwehrfabriken. Bayrischer Generalmajor v. Geb sattel sagt zu, daß nur in seltensten Fällen Arbeiterentlaffungen stattfinden sollen. Die Resolution auf Errichtung einer Pensions kaffe wird angenommen, dis auf Verbilligung des Artilleriedeopotwesens abgelehnt. Bei den einmaligen Ausgaben hatte die Kom mission 4^ Mill. Mk. für Vermehrung der Reserven an Verpflegungsmitteln gestrichen. Auf Antrag von Gans Edler zu Putlitz, dem auch der- Abg. Erzberger zustimmt, da es sich hier doch nur um eine scheinbare Ersparnis handle, wird diese Streichung wieder rückgängig gemacht. Bei dem Titel Entschädigung an Gemeinden, in denen umfangreiche Militärbetriebe bestehen, fragt Abg. Dove (frs. Vgg.) an, wie eS mit dem ver heißenen Reichsgesetze betr. Besteuerung von Reichsbetrieben durch Gemeinden stehe. Unterstaatssekretär Twele: über diese Vorlage kann von dem Schatzreffort nicht allein entschieden werden. Über den Zeitpunkt des Erscheinens der Gesetzesvorlage kann ich daher Genaues nicht sagen. Die Finanzv'erwaltung rechnet aber damit, daß sie im Laufe des kommenden Herbstes die Vorlage an die verbündeten Regierungen bringen werde. Im Außerordentlichen Etat, Abschnitt Festungs bau, bemerkt Abg. Trimborn (Zentr.): Der Fiskus will für die Grundstücke und Baulichkeiten, die er erwirbt, keine Wertzuwachs- und Umsatzsteuer zahlen. Er stellt sich einfach auf den Standpunkt der brutalen Macht. Die Rechtsfrage will ich nicht erst besprechen, denn es hat doch keinen ^Zweck. Aber die Frage ist wichtig genug, um bis in die Nacht hinein erörtert zu werden. Das Oberver- waltungSgericht hat dem Magistrat der Stadt Köln recht gegeben. Aber der Fiskus hat einfach erklärt, das Reich sei souverän, es brauche keine Steuern zu zahlen. Besteht keine gesetzliche Unterlage für unsre Forderung, dann müssen wir sie eben schaffen. Die Frage ist nicht von lokaler, sondern von all gemeiner Bedeutung. Der Redner bittet ferner um Schonung der Kunstschätze, die sich in den Händen der Militärverwaltung befinden. Er habe gehört, man wolle ein altes Kölner Portal nach Ost» elbien verlegen. Kriegsminister v. Einem: Ich habe schon in einer Privatunterredung versucht, Herrn Trimborn zu beruhigen. Er scheint aber noch immer sehr er regt zu sein. Er kann ruhig sein. Die Kölner Kunstschätze haben von uns nichts zu befürchten. Ich werde auch das Kcrchenportal nicht nach Ostelbien verlegen. Das hätte vielleicht der erste Napoleon getan und ich vielleicht auch, wenn ich ein Gm in Ostelbien hätte. Unterstaatsfekretär Twele: Der Reichskanzler steht auf dem Standpunkt, daß der Fiskus ein Steuerrecht der Gemeinden nicht anerkennen kann, solange nicht ein besondrer Gesetz darüber vorliegt. Die Frage soll in dem Gesetz geregelt werden, das ich vorhin zum 1. April angekündigr habe. Der Militärctat wird erledigt, ebenso das noch ausstehende Kapital des Etats des ReichsschatzamtS über die Vervollständigung des Eisenbahnnetzes im Interesse der Landesverteidigung. Das HauS vertagt sich. Leonhard kehrte mit großer Selbstzufrieden" heit nach Hause zurück. Er batte Livia voll kommen eingeschüchtert und wußte, daß er von ihr niemals eine ihn belastende Aussage z» fürchten hatte. Livias eigener Vorteil gebot ihr, aus seiner Nähe zu verschwinden; er war gewiß, daß diese schlaue Schöne seinen und auch Roberts Weg nicht wieder kreuzen würde. Seitdem Leonhard diese Überzeugung ge wonnen, konnte er sich erst völlig dem Gefühl des Triumphes hingeben, daß sein teuflischer An schlag gegen Seligmann, ganz wie er es be rechnet, gelungen war. Nichts bewies die Schlauheit und Selbstbe herrschung des ehemaligen Zuchthäuslers wohl mehr, als die Entsagung, die er sich selbst auf erlegte. Er bekämpfte die Lust, mit seinen reichen Mitteln die Freuden der Residenz zu ge nießen, sondern beschloß, während dieses TageK seine Mietswohmmg nicht zu verlassen und in der nächsten Nacht mit dem Schnellzuge nach Schloß Grödenitz zu reisen. Demgemäß traf er seine Vorkehrungen. Er bezahlte der Wirtin ihre Rechnung und lohnte den für seinen kurzen Aufenthalt gemieteten. Diener ab. Da Leonhard sich gegen Wirtin und Diener beim Zahlen sehr freigiebig zeigte, hatte er sich bei beiden das beste Andenken gesichert. Kaum hatten sich Wirtin und Diener ent fernt, als die Klingel der Korridortür ertönte. Der Diener kam noch einmal zurück und brachte eine Visitenkarte.
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