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Allgemeiner Anzeiger : 10.02.1909
- Erscheinungsdatum
- 1909-02-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190902105
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- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19090210
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19090210
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- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1909
-
Monat
1909-02
- Tag 1909-02-10
-
Monat
1909-02
-
Jahr
1909
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 10.02.1909
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politische kunälckau. Deutschland. * Zwischen dem Deutschen Reich und Venezuela ist ein Freundschafts-, Schiff- fahrts- und Handelsvertrag abgeschlossen worden, der Deutschland das Recht der M ei st- begünstigung einräumt. *Wie verlautet, hat sich der Reichskanzler bei der Verabschiedung der Ergänzung zum Reichsbankgesetz durch den Bundesrat die Bestimmung des Zeitpunktes Vorbehalten, an dem diese Vorlage dem Reichstag zugehen wird. Es scheint, daß man vorläufig dem Reichstag keinen Beratungsstoff zuführen will, der ihn von der Erledigung der Reichs finanzreform ablenken kann. * Gegen die Brausteuervorlage macht sich eine immer wachsende Bewegung bemerkbar. In Hamburg hielten 6000 Personen, bestehend aus Brauereigewerbe-Arbeitern und dem Brauereigewerbe nahestehenden Gewerben, eine Versammlung ab, in der sie sich einmütig gegen die Brausteuervorlage er klärten. Sollte die Vorlage dennoch Gesetz werden, so sei eine Entschädigung der betreffen den Kreise nötig. England. *Jn London ist das Gerücht von einer be vorstehenden Ministerkrise verbreitet, weil verschiedene Kabinettsmitglieder nicht dem Flottenbauprogramm der Admiralität unbedingt zustimmen wollen, wonach England 2V-, 5 und 6 Millionen Pfund aufzubringen hätte. Man fürchtet, die Welt könne darin eine Aufforderung zur Fortsetzung des Wettrüstens sehen, was gerade in dem Augenblick, wo Kaiser Wilhelm und König Eduard sich in Berlin begrüßen, vermieden werden müsse. Italien. * König Viktor Emanuel hat einen Gnadenerlaß unterzeichnet. Die Begnadigung erstreckt sich auf gewisse Pressevergehen, ferner auf Vergehen gegen die Staatsgewalt gelegentlich eines Ausstandes oder aus politi schen Gründen, und auf Diebstähle,, wenn der gestohlene Gegenstand nur geringen Wert hatte oder der Diebstahl aus Armut und zur Be schaffung von Lebensmitteln begangen war. Schließlich werden durch den Erlaß die Strafen für eine Reihe ähnlicher Vergehen um ein bezw. ein halbes Jahr verkürzt. Belgien. *Wie aus Brüssel berichtet wird, hat die Kammer 200000 Frank für die Notleidenden Süditaliens bewilligt. Holland. * Die Kammer hat einstimmig den Schiedsgerichtsvertrag mitdenVer. Staaten genehmigt. Amerika. *Der neue deutsche Botschafter in den Ver. Staaten, Graf Bernstorff, sprach auf einem von der New Iorker Handelskammer ihm zu Ehren gegebenen Festmahle über die zwischen Deutschland und Amerika bestehenden freundschaftlichen Be ziehungen. Afrika. *Die unter Führung des französischen Ge sandten Regnault in Fez eingetroffene fran zösische Gesandtschaft ist dort mit be sonderen Ehren von Muley Hafid empfangen worden. Die Verhandlungen zwischen dem Ge sandten und Muley Hafid werden sich bis gegen Ende Februar hinziehen. Man hofft auf einen glatten Verlauf der Verhandlungen, nur die Festsetzung der Ab d ulAzizzu zahlenden Rente dürste Schwierigkeiten ergeben. Aus ciem Aeickstage. Im Reichstag wurde am Donnerstag die zweite Beratung des Reichshaushalts-Etats beim Etat für das Reichsamt des Innern fortgesetzt. Hierzu lagen vor elf Resolutionen, darunter zehn zum Ausgabe titel „Staatssekretär", mit welchem die Beratung be gann. Vier Resolutionen des Zentrums betrafen den Erlaß einer Zolltarifnovelle betr. Gewährung von Einfuhrscheinen an Inhaber von Walzwerken, Eisen- und Stahlgießereien, die Konzessionspflich^'ür den Flaschenbierhandel, Verhältniswahl bei dM be vorstehenden Reform der Krankenversicherung und ferner Arbeiterschutzvorschriften im Bereich der Groß eisenindustrie. Eine sozialdemokratische Resolution verlangte dasselbe wie die letzterwähnte des ZewruHA. Zwei wettere sozialdemokratische Resolutionen forderten ein Reichsberggesetz und Arbeiterschutzvorschriften für Glashütten. Zwei Resolutionen der wirtschaftlichen Vereinigung verlangten gesetzliche Regelung des ge werblichen Auskunfteiwesens und Revision der Vor schrift des § 54 des Gewerbe-Unfall-Verficherungs- gesetzes über die Ansammlung von Reservefonds. Eine nationalliberale Resolution forderte Reichszu schüsse zum Ausbau des Deutschen Handwerksblattes'. Die Redner begründeten in der Hauptsache die von ihren Parteifreunden eingebrachten Resolutionen. Am 5. d. stehen auf der Tagesordnung zunächst die Allg em einen R e ch n un g en für die Jahre 1903 und 1904. Nach kurzer Debatte werden die selben in zweiter Lesung für erledigt erklärt und Entlastung erteilt. Weiter steht auf der Tagesordnung die Weiter- beratung der Rechnungs-Übersicht für die Schutzgebiete zu 1904. Gemäß dem Anträge der Butgetkommission werden die außeretatsmäßigen Ansgaben und die Etatsüberschreitungen genehmigt. Über den ferneren Antrag der Kommission, die nachgesuchte nachträgliche Genehmigung für die Etatsüberschreitungen infolge der Vorarbeiten für die Bahn Windhuk - Rehoboth zu erteilen, wird namentlich abgestimmt. Die nachträgliche Ge nehmigung wird mit 190 gegen 122 Stimmen be schlossen. Sodann wird die Beratung des Etats des Reichsamts des Innern fortgesetzt. Zu den vom Donnerstag eingebrachten zwölf Resolutionen ist noch eine Resolutton Bassermann hinzu gekommen betr. Vorlegung einer Denkschrift über die Abonnentenversicherungen von Zettungen. Abg. Linz (freikons.): Wir hoffen, daß der Staatssekretär durch eine vernünftige Mittelstands- Politik auch denjenigen Ständen helfen wird, die bisher in der Gesetzgebung etwas vernachlässigt wurden. Arbeitcrfürsorge und Mittelstandspolitik schließen sich nicht aus. Mit Herrn Trimborn wünschen wir für die Kleingewerbetreibenden die Ermöglichung der Selbstversicherung. Ferner bessere Regelung des Submissionswesens, vermehrte Rück sichtnahme bei Vergebung von Arbeiten auf das Handwerk. Für ein Reichsarbeitsamt sind wir grundsätzlich, aber es erscheint uns als etwas zu schwerfällige Einrichtung. Die Orts krankenkassen haben sich erwiesen als Institutionen zur Stärkung des sozialdemokratischen Einflusses. Die Befürchtung, daß die freien Hilfskassen nicht mehr als gleichberechtigt gelten sollen, ist aufgctaucht. Wir wünschen aber, daß sie nach Möglichkeit in ihrer gegenwärtigen Organisation bestehen bleiben. Eine Herabsetzung der Altersgrenze für Altersrenten von 70 auf 65 Jahre sollte bald in Erwägung gezogen werden. Abg. Schack iwirtsch. Vgg.) empfiehlt die Reso lutionen seiner Partei. Der nationalliberalen Reso lution auf Ausbau des ,Handwerksblattes' stimmen wir zu. Dem Staatssekretär danken wir für seine eifrige soziale Tätigkeit. Erfreulich ist, daß endlich das Gesetz über den unlauteren Wettbewerb ge kommen ist. Den Handwerkern muß die Selbst versicherung ermöglicht werden. Der Resolution auf Einführung der Verhältniswahl bei der Kranken versicherung stimmen wir zu. Staatssekretär v. Bethmann-Hollweg: Es liegt Ihnen bereits ein reiches Material vor. Und trotzdem sind wieder so viele Wünsche laut ge worden. Es hat doch sein Bedenken, wenn Jahr für Jahr ein so voller Strauß von Wünschen hier zusammengebunden wird. Im Lande könnte der Eindruck entstehen, als geschehe nicht genug. Noch schwerer wiegt es, daß dadurch ein Moment der Beunruhigung in das Land getragen wird. Es sind Wünsche für das ,Handwerksblatt' laut geworden. In diesen Etat konnte aber eine neue Forderung für solche Zwecke nicht eingestellt werden. Ich hoffe aber, daß dies im nächsten Jahre geschehen wird. Es liegt Wetter eine Resolution bezüglich der Großeisen industrie vor. Aber 8 120 s der Gewerbeordnung trifft schon allgemeine sanitäre Vorschriften. Es schien uns einstweilen nicht angezeigt, darüber noch in unsrer diesbezüglichen Verordnung hinauszu gehen. Und was die Arbeitszeit in dieser Schwer industrie anlangt, so sind wir darüber doch noch nicht genau unterrichtet. Ein Gesetz über Privattheater- Versicherung ist in Ausarbeitung. Bei Neuregelung der Arbeitszeit im Handelsgewerbe wird differenziert werden müssen zwischen Stadt und Land. Verlangt hat man ferner eine Enquete über die Verhältnisse des Mittelstandes, des Kleinhandelsstandes. Geben wir dem statt, so ziehen wir uns vielleicht wieder .eine Wge des Abg. Gamp wegen „zu vieler Enqueten" zu. Weiter wünscht man das Recht der Berufsvereinigungen geregelt zu wissen. Praktisch haben die Tarifverträge neuerdings im Reiche sehr zugenommen, und gerade die großen Arbeitgeber- Organisationen waren dabei das treibende Element. Die Frage ist dadurch praktisch weiter geklärt worden. - Sehen wir, wie sich bei uns die Tarif verträge entwickelt haben, so glaube ich, daß es einer gesetzlichen Regelung dringlich nicht bedarf. Wir würden damit wohl nur die natürliche Entwickelung aufhalten. Die Reichsversicherungs-Ordnung wird noch in diesem Monat dem Bundesrat zugehen. Mein Bestreben geht dahin, die Arbeiter zu Worte kommen zu lassen. Bei der Krankenversicherung handelt es sich zunächst um Einbeziehung von Gesinde, ländlichen Arbeitern und Hausgewerbetreibenden. Das Kranken kassenwesen soll zentralisiert werden im Interesse der Leistungsfähigkeit. Die Beiträge werden halbiert werden. Ein bestimmtes Arztsystem soll nicht vor geschrieben werden. An einem Handinhandarbetten hat es ja bisher gefehlt. Ich brauche da nur an Köln zu erinnern. Wir stehen da vor einer ernsten Sache. Die Boykottierung von Kranken ist eine zweifellos unsoziale Erscheinung. Die Hinzufügung neuer Lohnklassen zugunsten des Mittelstandes und Hand werks, sür diejenigen, die ost schlechter stehen als die Arbeiter, haben wir nicht einfügen können. Wir wollen das der weiteren Beratung im Reichstage überlassen. Dazu kommt noch die Hinterbliebenen- Versicherung. Ich hatte gewünscht, wir hätten das Werk gründlicher vorbereiten und später einbringen können. Daß das Werk ohne Beiträge in Szene gesetzt wird, darin ist nicht zu denken. Auch ein Reichszuschuß wird erforderlich sein. Hoffentlich wird bei der gemeinsamen Beratung ohne Streik und Boykott das Ziel in Frieden erreicht. Abg. v. Czarlinski (Pole) spricht über den Sprachenparagraphen des Vereinsgesetzes und fordert Abstellung von Mßständen. Abg. Gothein sfrs. Vgg.): Die Enquete über den Mittelstand soll uns deutlich zeigen, was genau unter Mittelstand zu verstehen ist. Im Bergwerks wesen gibt zu denken, daß wir in Deutschland relativ mehr Unfälle haben als jedes andre Land. Auch wir wollen ein Reichsberggcsetz und da dies vor läufig doch nicht kommt, die Einbeziehung der Berg arbeiter in die Gewerbeordnung. Darauf vertagt sich das Haus. Vie Berliner Hochbahnkatastrophe vor Gericht. In dem Prozeß gegen die Zugführer Gustav Wende und Karl Schreiber, die angeklagt sind, das Unglück verschuldet zu haben, das sich im September v. auf der Berliner Hochbahn er eignet und bei dem 18 Menschen getötet und nahezu 40 mehr oder minder schwer verletzt wurden, treten erhebliche Schwierigkeiten zutage, da es sich zumeist um die Auseinandersetzung über Dinge der Technik handelt. Die Sach verständigen sind der Meinung, daß alles getan worden sei, um ein Unglück zu verhüten, während die Verteidiger und einige Zeugen be haupten, bei der eigentümlichen Bauart des Gleisdreiecks habe ein Unglücksfall immer im Bereich der Möglichkeit gelegen. Am zweiten Verhandlungstage gestalteten sich die Dinge spannender. Rechtsanwalt Bahn erklärt, daß er verpflichtet sei, gegenüber den Sachverständigen der Hochbahn, die hier doch in eigener Sache begutachtend auftreten und es so darstellen, als ob alles in Ordnung sei, andre Sachverständige zu laden. Als solche schlage er den Professor Meyer, den Dr. Mathesius, den Privatdozenten Dr. E. C. Zehme und eventuell den Schrift steller Richard Nordhausen vor. Viele Sach verständige seien der Ansicht, daß bei der Kon struktion des Gleisdreiecks es unausbleiblich sei, daß es dort einmal zu einem Unglück kommen mußte. Diese Feststellung würde doch wenigstens für das Strafmaß von Wichtigkeit sein. Er habe Mitteilungen über 5V Betriebsstörungen auf der Hochbahn erhalten, die auf unordent lichen Betrieb zurückzuführen seien. Der Vorsitzende stellt aus den Men fest, daß bei dem Unfälle 18 Personen getötet und etwa 20 Personen schwer verletzt worden sind. Hierzu kommen noch mindestens ebensoviel leichter Verletzte. Der frühere Zugführer Pohle, der von der Hochbahngesellschaft entlassen worden ist, bekundet, daß es sehr häufig vorgekommen ist, daß ein Signal noch im letzten Augenblick von „Fahrt" auf „Halt" umgestellt wurde. — Bei den Erörterungen über die Einzelfälle kommt zur Sprache, daß die Hochbahn drei Gefahrpuntte habe, an denen die Zugführer eine besondere Aufmerksamkeit entwickeln müssen. Einer Zeugin Marwitz hat der Angekl. Schreiber einmal gesagt, daß das Gleisdreieck für ihn die schwie rigste Stelle sei und er immer aufatme, wenn er darüber hinweg sei. In der weiteren Zeugenvernehmung über Unfälle und Störungen, die sich früher auf der Hochbahn ereigneten, bekundete der ehemalige Zugfahrer Hoffmann: In einem Falle sei ihm einmal die Weiche unter dem Zuge verstellt worden. Signal- und Blockstörungen seien an der Tagesordnung. Auf Vorhalt des Ver teidigers bestätigt der Zeuge, daß an der Warschauer Brücke einmal ein Bolzen ge fehlt und der Zug in die Spree hätte gehen können, wenn der Bolzen nicht wieder eingeführt worden wäre. Schließlich berichtet der Zeuge noch über einen Kall, wo er eine Weiche ausgeschnitten habe, d. h., wo das Signal richtig und die Weiche falsch stand. — Der Verteidiger läßt sich sodann durch den Zeugen Bering bestätigen, daß dieser dreimal hintereinander bemerkt habe, daß ein falsches Signal gezogen war. Der frühere Blockwärter Köhler, der von der Gesellschaft entlassen worden ist, bekundet, daß von den meisten Weichenstellern wiederholt die Plomben, die die sog. Nottasten an dem elektrischen Apparat hielten, gelöst worden sind, wenn sie versehentlichdasSignalauf „freie Fahrt" gestellt hatten. Es wäre unter den Hochbahnbeamten offenes Geheimnis gewesen, daß man bei jedem Schlosser alte und neue Plomben bekommen konnte, die von den Weichen stellern in der Tasche herumgetragen und als Notauslöser benutzt wurden, wenn sie etwas versehen hatten. Hochwasser in Deutschland. Immer ernster lauten die Nachrichten, die aus allen deutschen Stromgebieten über das Hochwasser einlaufen. Noch ist kein Sinken des abnorm hohen Wasserstandes der Flüsse zu be obachten, und unermeßlich ist der bisher schon angerichtete Schaden. Zahlreich sind auch die Opfer an Menschenleben, die die plötzlich herein brechende Flut gefordert hat. Besonders ge fährlich ist die Lage am Oberrhein. Wegen Einsturzes der Siegbrücke bei Neuwied und der Saynbrücke bei Enger sowie wegen Gefährdung der Eisenbahnbrücke bei Troisdorf infolge von Hochwasser ist der Durchgangsverkehr auf der rechten Rheinlinie eingestellt. Das Hochwasser der Ruhr ist zwischen den Bahnhöfen Kettwig auf der Strecke Essen—Hauptbahnhof-Düssel dorf und Werden bis an die Bahndammkrone getreten und hat die Böschung auf etwa 200 Meter Länge angegriffen. Die Strecke wird vorsichtigerweise bis auf weiteres nur auf dem der Ruhr abgelegenen Gleis be fahren. In Hannoversch - Münden sind ein zelne Stadtteile meterhoch überflutet, so daß der Zusammensturz zahlreicher Häuser befürchtet Wird und verschiedene Fabrikbetriebe gestört sind. Es ist viel Vieh in den Fluten umgekommen. In die vom Verkehr abgeschnittenen und in höchster Gefahr befindlichen Ortschaften der Fluß niederung sind Pioniere zur Hilfeleistung abge gangen. In Schlesien haben neben dem Hochwasser noch Schneestürme gewütet, die die Lage noch trostloser gestaltet haben. Vom Main und der Donau und ihren Nebenflüssen lauten die Nach richten besonders trübe. Die Unterwaschung der Bahndämme hat zu großen Verkehrsstörungen geführt, durch die auch der Berlin—Frankfurter Schnellzug betroffen wurde. Auch aus der Oberpfalz werden große Verwüstungen gemeldet. Hi s^emelis. 19s Kriminalroman von E. Görbitz. ^ortsetzung.1 „Nun," fragte Robert mit stolzem Herrscher ton, „was haben Sie mir so Dringendes mit zuteilen, daß Sie mich inmitten meiner Gäste aufsuchen?" Leonhard, der das Zeichen Roberts ver standen hatte, antwortete mit unterwürfiger Verbeugung: „Der Herr Baron werden mich gewiß ent schuldigen, da das, was ich Ihnen zu sagen habe, keinen Aufschub leidet!" Livia von Bettini zog sich nach dieser Äußerung Leonhards augenblicklich von den beiden Herren zurück, setzte ein Lorgnon auf und versenkte sich in die Betrachtung der Ahnen bilder. Sobald Robert sich mit Leonhard allein sah, forderte er ihn auf, sich schnell zu erklären. „Ich habe," raunte letzterer seinem Freunde zu, „während ihr im Park wäret, mit dem Guts besitzer von Knobelsdorf und noch einigen andern Herren Pharao gespielt und dabei sehr bedeutende Verluste gehabt: ich bedarf von dir schnell zwei tausend Mark, die ich aus Ehrenwort verloren habe und," setzte er ironisch lächelnd hinzu, „ich muß doch meine Ehre wieder einlösen. Du hast ja unser Geld in Verwahrung, also gib mir schnell die bezeichnete Summe." Robert machte ihm leise Vorwürfe. „Ich begreife dich nicht," unterbrach Leonhard die Vorhaltungen Roberts. „Es ist doch ver abredet worden, daß das Vermögen des Majoratsherrn von Grödenitz uns beiden ge hören soll, also habe ich doch bei dir beinahe unbegrenzten .Kredit: übrigens," setzte er ge heimnisvoll und mit bis zum Nüsterton ge dämpfter Stimme hinzu, „habe ich, ehe ich zu spielen angefangen, mich noch mit der Be festigung deiner Herrschaft beschäftigt, was eigentlich noch eine besondere Belohnung ver diente !" „Mein Freund," entgegnete Robert, „ich be klage nicht so sehr das Geld, das du dem Moloch des Spiels geopfert, als den üblen Eindruck, den dein Spielen überhaupt hervor bringen muß, denn niemand wird es begreifen können, daß du als mein Haushofmeister so große Summen verlieren kannst: im glücklichsten Falle wird man mich für den Geprellten und dich für einen Schelm haften. Nimm dich also in acht, denn der geringste Zufall könnte unser Verbrechen enthüllen." Leonhard machte ein Zeichen der Ungeduld. „Sobald das wieder gewonnen sein wird, was ich verloren habe," sagte er, „will ich auch den Karten und Würfeln für ewig Lebewohl sagen." Robert entschuldigte sich bei seinen Gästen und begab sich mit Leonhard nach den Zimmern, welche ausschließlich von ihm benutzt wurden und die, außer von Leonhard und Balthasar, sonst von niemand betreten werden dursten. Hier händigte er Leonhard die von diesem verlangten zweitausend Mark aus. „Ich empfehle dir noch einmal Vorsicht an," flüsterte er ihm dabei ins Ohr, „du weißt, daß! dies Geld aus der Brieftasche jenes — jenes —" „Verstorbenen stammt," ergänzte Leonhard die Rede mordeten es!" „Du „daß die Summe nicht allzugroß ist und daß du überhaupt nur über die Hälfte derselben zu verfügen hast!" „Du tust gerade, als ob dies unser ganzes Vermögen wäre und es ist doch nur ein Tropfen im Meer! Laß' dir morgen stüh vom Kanzlei rat Löbel eine Abschlagszahlung auf die laufen den Einkünfte deines Majorats zahlen, damit wir leben können, wie es Kavalieren zukommt: ich habe durchaus nicht Lust, mich einzuschränken l" „Das hätte ich ohnehin getan," versetzte Robert, „da ich selbst eine größere Summe ge- brauche." „Du? -" „Halte mich jetzt nicht auf," sagte Robert, indem er nach der Uhr sah, „ich darf mich nicht länger meinen Gästen entziehen!" Damit wandte er sich der Tür zu. „Nur noch eine Frage," flüsterte Leonhard, indem er an Roberts Seite blieb, „wer ist die stattliche Dame mit dem rotblonden Haar, die ich vorher an deinem Arm gesehen habe?" „Eine Frau von Bettini." „Der Name ist mir unbekannt, ich habe den selben nicht auf der Liste der Ungeladenen ge lesen." „Das war auch nicht möglich, denn sie ist nur durch Zufall anwesend." „Durch Zufall?" fragte Leonhard plöDich schr aufmerksam. „Ja. Sie ist aus dem nahen Seebade, wo sie sich als Kurgast au schält, herübergekommen: wir trafen sie im Pavillon auf dem Kulm, wo sie die Aussicht genoß: die Pflicht der Höflichkeit gebot mir, sie einzuladen, sich unsrer Gesell schaft anzuschließen und sie nahm diese Ein ladung an!" Leonhard konnte seine Meinung über diesen Zufall, der Frau von Bettini hergeführt, nicht weiter äußern, da man die Tür, die in den Ahnensaal führte, erreicht hatte. Robert ging hinein, während Leonhard zu rückblieb, da er, ohne auffällig zu erscheinen, sich nicht noch einmal an der Seite seines vermeint lichen Herm und Gebieters der Gesellschaft zeigen konnte. Als Robert in den Saal trat, fand er Fran von Bettini mit dem größten Teil der An wesenden vor dem Bilde des ersten Barons von Grödenitz, dem Stammvater des alten Adelsgeschlechtes, stehen. Es fand ein sehr leb haftes Gespräch statt, dem eine Meinungsver schiedenheit zugmnde zu liegen schien. „Da kommt der Herr Baron!" rief Frau von Bettini, als sie Roberts ansichtig wmde. „Er kann zwar kein berufener Schiedsrichter in unserm Streite sein, well er über sich selbst kein Urteil hat, aber wir können vergleichen, ob eine Ähnlichkeit zwischen ihm und seinem Ahnherrn vorhanden, dem der Sage nach unter Umständen noch einmal eine Rückkehr aus seiner Gruft ver gönnt sein soll, um das RScheramt in unsrer Welt zu übemehmen." Robert fühlte sich sehr unbehaglich, feine Person einem Vergleich mit dem Ahnenbilde Roberts, der sich scheute, des er- Chlodwig zu erwähnen, „ich weiß weißt aber auch," fuhr Roben fort,
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