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Allgemeiner Anzeiger : 17.02.1909
- Erscheinungsdatum
- 1909-02-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190902171
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- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19090217
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19090217
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1909
-
Monat
1909-02
- Tag 1909-02-17
-
Monat
1909-02
-
Jahr
1909
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 17.02.1909
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Vas englische Uönigspaar in Berlin. Der Aufenthalt des englischen KönigspaareS kn Berlin, der vier Tage währte, ist an Glanz punkten nichts weniger als arm gewesen. Einen tiefen Eindruck hat der feierliche Empfang des englischen Herrschers im Rathause hinterlassen. Das geht aus einem ausführlichen Handschreiben des Königs an den Oberbürgermeister Kirschner hervor, in dem König Eduard für die so überaus glänzende Aufnahme und den freundlichen Empfang sowie für die herrliche Ausschmückung des Rat hauses nochmals herzlichen Dank und An erkennung ausspricht und gleichzeitig hundert Pfund Mart) für die Armen Berlins übersendet. Dem Oberbürgermeister verlieh der König den Ropal-Viktoria-Orden mit dem Stern. Bürgermeister Dr. Reicke und Stadtverordneten- vorsteher Michelet erhielten denselben Orden, der a« Bande getragen wird. Fräulein Johanna Kirschner, die dem hohen Gaste den Ehrentrunk reichte, wurde durch die Überreichung einer kostbaren Brosche seitens des Königs ausge zeichnet. König Eduard hatte eigentlich beab sichtigt, am Donnerstag einen Ausflug nach Potsdam zu machen und im dortigen Mausoleum der Ruhestätte seiner Schwester, der Kaiserin Friedrich, einen Besuch abzustatten. Indessen die plötzlich hereingebrochene strenge Kälte ver- eilebe diesen Plan. Dagegen stattete der König seinem Dragoner- regimeut einen Besuch ab. Der König, der an einem leichten Bronchialkatarrh erkrankt ist, unterhielt sich lebhaft mit mehreren Offizieren. Major v. Bärensprung, der Kommandeur des Regiments, brachte einen Trinkspruch auf den König aus, der sofort erwiderte. Dabei be diente sich der Monarch der deutschen Sprache, indem er etwa folgendes ausführte: „Es sei ihm eine außerordentliche Freude, bei seinem schönen Regiment weilen zu können, das sich jederzeit, im Krieg wie im Frieden, so ruhm voll hervorgetan habe, und von dem er über zeugt sei, daß es seinem Kriegsherrn immer Ehre machen werde. Besonders stolz sei er, daß er nach dem Tode seiner unvergeßlichen Mutter an die Spitze des Regiments treten durste, und er hoffe, daß auch einst seine Nach folger auf dem Throne Chefs des Regiments sein würden. Der König trank darauf auf das Wohl des Kaisers. Gegen Ende der Tafel er hob sich der Herrscher nochmals, um auf das Regiment und dessen Kommandeur ein Hoch auszubringen. An den Besuch der Kaserne des 1. Garde- Dragoner-Regiments durch den König schloß sich eine Besichtigung des Kaiser Friedrich- Museums, «» sich auch die Königin Alexandra, Kaiser Wilhelm und die Kaiserin einfauden. Geh.-Rat Bode führte die hohen Gäste und hatte Gelegenheit, auf die Hauptstücke der Sammlung hinzuweisen. Die hohen Gäste blieben etwa zwei Stunden in den Räumen des Museums. Am Abend fand eine Galavorstellung im Königliche« Opernhause statt. Das ganze Gebäude prangte in festlichem Blumenschmuck. Die Brüstung der großen Hofloge verdeckten Marechal-Niel-Rosen, die sich vou einem heliotropfarbigen, blumigen Hintergründe abhoben und über denen das feurige Rot der Nelken leuchtete. Die .Nelke, die mattrosa, die weiße und die vollrote, WM die Blume des Abends. Um den Balkon u«d den zweiten Rang zogen sich, durchwunden von grünen Tannenstreifen, die Nelken in den matten Farben. Der dritte und vierte Rang war ganz von dunkelroten Nelken garniert, und a« Plasond vereinten sich die Nelken aller Färbenschattierungen zu leichten Girlanden. Bon dr« Logen an der Bühne fielen die Blumen m kunstvoll arrangierten Büscheln hernieder, und bis hinauf zur Bühnenrampe rankte sich der Nelken Zier. Familientafet beim Kronprinzenpaare. Der Galavorstellung war eine Familien- tasel beim Kronprinzenpaare vorangega^e». Hieran nahmen außer dem König und der Königin von England und dem Kaiserpaare noch Prinz und Prinzessin Eitel-Friedrich, Prinz und Prinzessin August Wilhelm, Prinz Oskar, Prinz und Prinzessin Heinrich von Preußen, Prinzessin Viktoria Luise, Prinz und Prinzessin Adolf zu Schaumburg-Lippe, Prinz und Prin zessin Albert zu Holstein-Glücksburg, sowie Prinz Albert zu Schleswig-Holstein teil. Pressestimmsn. Die Londoner Blätter berichten überein stimmend, daß die englische Regierung von dem Verlaufe der Berliner Festtage äußerst befriedigt sei. Man glaubt iu London mit Bestimmtheit, daß mit der Zeit eine Berständigung über die Schiffsbau programme der beiden Länder erzielt werden wird, die den Finanzen beider Länder zugute kommen würde und die in einer Weise erfolgen könnte, bei der jedweder Anschein vermieden wird, als schriebe England auch nur mittelbar Deutschland den Umfang seiner Flottenrüstung vor. In wohlunterrichteten Pariser Kreisen wird versichert, daß bei den unter Frankreichs Mit wirkung vor Monaten geführten engli sch- russischen Verhandlungen schon die Möglichkeit einer späteren Sonderverstän digung Englands und Deutsch lands wegen deren beiderseitigen Verkehrs- interefsen amPersischen Golf ins Auge gefaßt wurde. Es blieb damals bei der münd lichen Erörterung jener Möglichkeit. Jetzt heißt es in Paris, daß der englische Unterstaats sekretär Hardinge, der den König begleitet hat, in seiner Unterredung mit dem Fürsten von Bülow nicht bloß die Einzelsrage der künftigen Endstation der Bagdadbahn am Per sischen Golf berührte, sondern auch andre für die Türkei und Persien wichtige Verkehrs ange- legenheiten besprach, von denen einige auch Ruß land interessieren. Es soll nun über alle diese Fragen in einen Meinungsaustausch zwischen den Kabinetten eingetreten werden. Somit hätte der Besuch König Eduards bereits ein praktisches Ergebnis gezeitigt, das im Interesse Deutsch lands, wie im Interesse des Weltfriedens gleichermaßen zu begrüßen ist. V Hl *Die Fahrt nach Potsdam hat König Eduard der anhaltenden Kälte wegen auf gegeben. Am Freitag nachmittag gegen V«6 Uhr fuhr das englische Königspaar nach herzlicher Verabschiedung von Kaiser Wilhelm und der Kaiserin nach London zurück. Politilcke Aunälckau. Deutschland. * Schatzsekretär Sydow hat sich in der Steuerkommission des Reichstags mit dem Ersatz der Nachlaß- durch eine Erb - anfallsteuer einverstanden erklärt. Nach längerer Debatte wurde die Regierungs vorlage betr. das Erbschaft? st euerge- etz angenommen. *Der bekannte Reitergeneral und ehemalige Flügetadjutant des Kaisers, Generalmajor z. D. Bogislav v. Heyoen-Linden, ist in Marienloh bei Paderborn im Alter von fünf undfünfzig Jahren infolge eines Herzschlages verstorben. * Die Ergänzung zum Strafgesetzbuch unterlieg: zurzeit noch der Prüfung bei den einzelnen Bundesregierungen. Sobald deren Gutachten eingegange» sind, werden die Bundes- ratsausschüfse sich mit der Vorlage beschäftigen. Die Vorlage wird wahrscheinlich Mitte oder Ende März an den Reichstag gelangen. * Der Antrag betr. Zulassung der Volks schullehrer zum Schöffendienst wurde von der Kommijsion des Preuß. Landtags a b - gelehnt. * Int Preuß. Abgeordnetenhaus« wurde nach längerer Debatte der Antrag angenommen, die Wahlen in vier Berliner Wahl kreisen zu beanstanden und über ihre Rechts- gAligkeit Beweis zu erhebe«. * Die Wahlpnifungskommissiox des Preuß. Abgeordnetenhauses hat die Wahl des Abg. Dr. Wendlandt (nat.-lib., » Kassel) für ungültig erklärt. England. * Stach den Meldungen englischer Blätter sollen zwischen Deutschland und Japan Verhandlungen über ein zwischen beiden herzu stellendes Abkommen schweben. Eingeweihte Kreise in Japan zweifeln indes an der Richtig keit dieser Nachricht. Balkanstaaten. * Die Verschwörung gegen Sultan Abd ul Hamid, der beim Selamlik (Frei tagsgebet) durch ein Komplott mehrerer Offiziere und Politiker entthront werden sollte, ist ver eitelt worden; eine Meuterei im Marine ministerium wurde mit Waffengewalt unter drückt. * Das türkische Budget weist einen Fehlbetrag von 37- Millionen Psund auf, von denen 2 Mill, durch das geplante Petro leummonopol und die Zollerhöhung gedeckt werden können. Hus ctem Keicbstage. Der Reichstag beriet am Donnerstag zunächst den neuen Nachtragsetat, der 4/z Millionen Mark zur Berzinsung weiterer Mittel zur Verstärkung der ordentlichen Betriebsmittel der Reichs-Hauptkasse, und außerdem noch 1700 000 Mark an Restkosten der Berufszählung von 1907 verlangt. Abg. Speck (Zentr.) sprach sich für Bewilligung der geforderte« Beträge aus. Auf eine Anfrage des Abg. Ortel (nat.-lib.) erwiderte Schatzsekretär Sydow, es sei weder angängig, die 120 Millionen des Reichs kriegsschatzes in der Reichs-Hauptkasse arbeiten zu lassen, noch würde es angehen, den Neichskriegs- schatz als Unterlage für die auszugebenden Reichs schuldverschreibungen zu verwenden, da der Reichs kriegsschatz festgelegt sei. Nach kurzer weiterer Debatte wurde die Vorlage in erster und zweiter Lesung genehmigt. Hierauf wurde die zweite Lesung des Etats des Reichsamts des Innern fortgesetzt. Eine lange Debatte entwickelte sich bei der Forde rung von 350 OM Mark für den Seefischerei-Verein. Abg. Hermes (freis. Vp.) schilderte den großen Wert und die erfolgreiche Wirksamkeit dieses Vereins. Abg. Hahn (kons.) trat für eine Erhöhung des Heringszolles ein. Ministerialdirektor v. Ion - quiöres machte hiergegen allerhand Bedenken geltend. Abg. Gothein (freis. Bgg.) polemisierte gegen den Abg. Hahn und protestierte gegen die in Aussicht gestellte Verteuerung eines so wichtigen Nahrungsmittels, wie die Heringe und wie Fische überhaupt es sind. Am 12. d. wird die Beratung des Etat des Reichsamtes des Innern, Kapitel Allge meine Fonds, fortgesetzt. Beim Titel „Reichszuschuß zur Invalidenversiche rung" bemerkt. Abg. Stadthagen (soz.): Die Renlenkontrolle ist seit einigen Jahren außerordentlich scharf. Daß die Kontrollärzte, für die so große Summen auf» gewendet werden, einen Erwerbsunfähigen wieder erwerbsfähig gemacht hätten, davon ist mir nichts bekannt. Wohl aber gibt cs zahlreiche Fälle, wo die Arzte einen Erwerbsunfähigen erwerbsfähig ge schrieben haben I In einem dieser Fälle war der Betreffende, der angeblich wieder erwerbsfähig sein sollte, nach sechs Wochen tot. Die jetzige Definition des Begriffs erwerbsunfähig wäre nur erträglich, wenn sie mit Wohlwollen gehandhabt würde. Von den Vertrauensärzten werden aber die Interessen derer, die sie bezahlen, gewahrt, nicht aber die Inter essen derjenigen, deren Fürsorge der Geleygeber be zweckte. Abg. v. Oertzen (sreikons.): Die unerhörten Vorwürfe des Herrn Stadthagen gegen die Arzte weise ich mit aller Entschiedenheit zurück. Freilich sind die Arzte sehr mißtrauisch, weil sie vielfach von Simulanten getäuscht worden sind. Wir wollen, daß dm bedürftigen Leuten die Renten gewähr! werden. Das sollten die Arzte sich immer vor Augen halten. Der Titel wird bewilligt. Für „allgemeine Interessen des deutschen Handels und Gewerbes" find 100 000 Mk. ausgesetzt. Abg. Everling (nat.-lib.): Warum hat man der deutschen Schlosserschule in Noßlvein in Sachsen die bisher gewährte Unterstützung entzogen? Die Verhältnisse haben sich gegen früher nicht ge ändert. Nur an Stelle des sozialdemokratischen Ver treters des Wahlkreises ist ein Angehöriger des Blocks getreten. Unterftaatssekretär Wermuth: Der Fonds für 1908 ist leider vollständig erschöpft und der für ' 1909 nur noch zu einem geringen Teil vorhanden. Wir können daher die Schule in Roßwein nicht dauernd unterstützen. Abg. Schiffer (Zentr.) wünscht, daß die Zahl der Ausländer an den technischen Hochschule» und Fachschulen mehr als bisher eingeschränkt werde. Abg. Gothein (frs. Vgg.): Es ist höchst be denklich, zu verlangen, daß der Staatssekretär sich mit den einzelstaatlichen Unlerrichtsverwaltungen in Verbindung setzen soll, um den Zuzug von Aus ländern hintanzuhaltcn. Eine Bevorzugung der Ausländer auf unsern technischen Hochschulen und Universitäten dürfe natürlich nicht stattsindcn, eine Benachteiligung aber auch nicht. Freizügigkeit muß herrschen. Abg. Frhr. v. Gamp (sreikons.): Was die AuS- länderfrage anlangt, so bin ich andrer Meinung als Herr Gothein. Daß die Ausländer nicht bevorzugt werden dürfen, das versteht sich ja ganz von selbst. Aber man darf doch überhaupt nicht übersehen, welche Gefährdung für unsre Industrie in einer zu ausgiebigen Zulassung von Ausländern liegt. Staatssekretär v. Bethmann-Hollweg: Wir dürfen doch in bezug auf Unterstützung von Schulen nicht so schematisch vorgehen. Wir müssen in jedem einzelnen Falle prüfen, ob eine Schule gerade auch den allgemeinen Interessen des Reiches dient. Nach weiteren Bemerkungen schließt diese Debatte. Beim Kapitel „Disziplinarbehörden" wird sine Resolution angenommen, die von der Kommission beantragt ist und die Wiederaufnahme im Dis ziplinarverfahren gegen Beamte verlangt. Benn Kapitel „Behörden für Unterstützung von Seeunfällen" fragt Abg. Hoch (soz.): Ist es richtig, daß das Ober seeamt zu einem Reichsschiffahrtsamt ausgebaut werden soll? Die Aufsicht auf diesem Gebiet ist mangelhaft. Direktor v. Jonquisres: Die betreffende Zeitungsnachricht ist unzutreffend. Der Bundesrat hat sich über diese Frage noch nicht schlüssig gemacht. Das Kapitel wird bewilligt. Es folgt das Kapitel „Statistisches Amt". Dazu liegen zwei Resolutionen vor betr. gleichmäßige Fest setzung der diätarischen Beschäftigung bei allen Reichs ämtern und betr. Vorlegung der Verträge mit den Druckereien über die amtlichen Veröffentlichungen der Reichsämter. Abg. Legien (soz.): Die bisherigen amtlichen Streikstatistiken sind durchaus unzuverlässig. Sie würden nur einen Wert haben, wenn auch die Gegnerschaften dazu herangezogen werden. Staatssekretär v. Bethmann-Hollweg: Die verbündeten Regierungen werden sich schlüssig darüber machen, in welcher Form die Statistiken ausge nommen werden sollen. Wenn die Gewerkschaften sich dieser Form nicht anpassen und dabei nicht Mit wirken wollen, dann muß es eben unterbleiben. Abg. Heckscher (freis. Vgg.) tritt für die Resolution betr. die diätarische Beschäftigung in den Reichsämtern ein. Unterstaatssekretär Wermuth: Allgemeine Regeln über die diätarische Beschäftigung in den Reichsämtern lassen sich nur sehr schwer aufstellen, da die Verhältnisse in den einzelnen Ressorts zu ver schiedenartige sind. Durch Anregungen des Abg. GiesbertS (Zentr.) erklärt Direktor Casper vom Reichsamt des Innern: Wegen einer einheitlichen Bergbau- Stastik nach Art der preußischen hat sich der Staats sekretär bereits mit den übrigen für den Bergbau in Betracht kommenden Einzelregierungen in Verbindung gesetzt. Eine allgemeine Lohnstatistik macht einige Schwierigkesten. Die Resolutionen werden genehmigt. Namens der Budgetkommission erklärt der Referent Erzberger: Die Kommission habe mit Staunen gehört, daß die Arbeitszeit der Bureau beamten bei den Zentralbehörden nur eine sechs stündige sei und habe einstimmig gewünscht, daß auch in diesen Bureaus acht Stunden gearbeitet werde. Staatssekretär v. Bethmann-Hollweg: Die Beamten wohnen meist nicht so nahe an den Bureaus, daß eine Mittagspause gemacht werden könnte. Und da ist eine ununterbrochene achtstündige geistige Arbeit zu viel. Abg. Erzberger (Zentr.): Diese geistige Bureauarbeit ist doch nicht so anstrengend, daß sie nicht acht Stunden dauern könnte! Als Referent der Kommijsion beantrage ich Rückverweisung des Titels „Bureaubeamte" an die Kommission. Die Rückverweisung, über die Hammelsprung (Aus zählung) notwendig wird, wird mit 119 gegen 100 Stimmen beschlossen. Abg. Fischer (Zentr.) bittet, eine größere Zahl ungefährlicher Heilmittel dem freien Verkauf preis zugeben und der Giftgefahr in der keramischen In dustrie erneut ebenso Aufmerksamkeit zu schenken wie den Bleiweißgesahren. Stach weiterer Debatte tritt Vertagung ein. K f^emesis. ?1f .Kriminalroman von E. Görbitz. Fortsetzung.' Als Leonhard, der an der Hsnterfsite des .Konversationshauses vorn wahren und ausgestiegen war, ans der Veranda erschien, sah er sich in ein lebhaftes Gesellschaftsleben verseht. Die Badekapelle konzertierte aus dem Orchester, vor welchem das regste Getümmel herrschte. Alle Tische und Stühle waren besetzt und Leonhard hätte in der Nähe des Orchesters wohl kauni einen Platz gefunden, wenn Herr von Knobelsdorf nicht anwesend gewesen wäre und ihm einen solchen an seinem Tisch ange- boten hätte. Der Haushofmeister des Varons von Grödenitz, von dem Herr von Knobelsdorf noch überdies vor einigen Tagen eine bedeutende Summe im Sviel gewonnen hatte, war immer hin eine Persönlichkeit, der man einige gesell schaftliche Rücksichten zollen konnte. Nachdem Leonhard noch mehreren andern Herren, die sich in der Gesellschaft des Herrn von Knobelsdorf befanden, vorqestellt worden war und sich Eiskaffee hatte kommen lassen, überlegte er, wie er das Gesvräch auf Frau von Bettini bringen könnte, denn es ließ sich an nehmen. daß eine so ungewöhnlich schöne Frau in einem solchen Badeorte von iedermann be merkt und daß ihre ganze Lebensgeschichte gewiß längst auSgeplaudert sein müsse. Leon hard, der, wie alle Menschen, welche ein böses Gewissen haben, jede fremde Erscheinung zuerst mit Mißtrauen betrachtete, konnte den Gedanken nicht lo^ werden, daß Frau von Bettini eine Polizeispionin sei. Gerade als er sich nach ihr erknndiaen wollte, erschien sie selbst auk der Strandvromenade und zog sogleich die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich. Sie trua heute nur blaue Farben an sich. Kleid, Hut, Sonnenschirm, Handschube, Strümpfe, alle? Ivar in den verschiedensten Nuancen vom dunkelsten bis zum hellsten Blau gehalten, was zu Livias rotblondem .Haar in eigentümlichem Konstraste stand. Neben ihr ging eine ältliche Person, halb Kammerfrau, halb Gesellschafterin, deren Häßlichkeit Livias Jugend und Schönheit noch mehr hervorhob. Der Name der schönen Witwe schwirrte durch die Luft, sobald man ihrer nur ansichtig wurde. „Sehen Sie. meine Herren, heute erscheint die reizende Livia ganz in Blau." Leonhard faßte den "Sprecher, der diese Äußerung getan, schart ins Ange. Es war ein noch junger Mann, der sich ebenfalls unter der Knobelsdorfschen Tischgesellschaft befand. „Sie kennen die Dame näher?" kragte Leonhard. „Durchaus nicht!" lautete die Antwort des jungen Mannes, der ein Herr von Landechow, der Sohn eines benachbarten Gutsbesitzers war. „Ich glaubte, weil Sie die Dame bei ihrem Vornamen nannten!" „Mannannte sie in der Residenz allgemein so," erzählte Herr von Landechow weiter, „haupt sächlich wohl nur, weil ihr Name etwas un gewöhnlich ist. Ich habe vor kurzem in der Residenz meiner Militärpflicht genügt und dort die schöne Livia von Bettini vielfach bemerkt, da sie manche für eine Dame auffallende Eigen schaften an sich bat: denken Sie sich, sie raucht, versteht zu fechten wie ein Kavalier und reitet wie der heste Stallmeister. Aber ich habe nie mals etwas Nachteiliges über ihren Rui ge hört !" Frau von Bettini war inzwischen mit ihrer alten Begleiterin aus di« Veranda gekommen und ging mit stolzer Sicherheit zwischen den besetzten Tischen umher. Da sie nirgends einen freien Platz entdecken konnte, winkte sie einen Kellner herbei und ließ für sich und ihre Gesell schaftsdame zwei Stühle aus den inneren Sälen heransbringen. „Also," fragte Leonhard «eiter, „ist sie die wirkliche Witwe eines Herrn von Bettini? Wissen Sie vielleicht, was ihr verstorbener Gemahl gewesen ist?" „Darin kann ich Ihnen nicht dienen," ?«t- gegnete Herr von Landechow, „ich bezweifle aber nicht, daß sie berechtigt ist, ihren Namen zu führen, denn bei der strengen Polizeiorgam- sation in der .Hauptstadt dürfte sie es doch nimmermehr wagen, sich einen falschen Namen und namentlich das Ndelsprädikat beizukgen." Leonhard verursacht« die Erwähnung der Restdenzpolizei geheime Pein. Währenddessen schien Frau son Bettini, die ihre Augen umherschweifeu ließ, erraten zu haben, daß sich Leonhard mit seinen Tiich- genossen über sie unterhielt. Sie halte ihren hellblauen Sonnenschirm zugemacht und fächelte sich jetzt mit einem Strauß Waldblumen, indem sie Leonhard unausgesetzt im Auae behielt. ! aber ohne mii irgend einem Zuge in ihrem Gesicht zu verraten, daß sie in ihm den Haus- ! Hofmeister des Majoratsherrn von Grödenitz ! wiedererkannt horte. Leonhards geheime llnruhe wurde immer ! nrößer. Wär« diese Frau eine gewöhnliche Abenteuerin gewesen, w würde die Fama ihren Namen an den Pranger der Öffentlichkeit ge schlagen haben und dieses war nach Herrn von Landechow? Versicherung nicht geschehen. Frau von Bettini schien von einem un durchdringlichen Geheimni? umgeben: ihr Er scheinen im Pavillon von Grödenitz konnte ein zufälliges gewesen jein, aber Leonhard glaubte on diesen Zufall nicht. Nachdem er den Pokal mit dem Eiskaffee durch eine Strohröhre geleert batte, wandte er sich plötzlich an seine Umgebung: „Für eine kurze Zeit," tagte er, „muß ich mich von den Herren beurlauben, gestatten Sie mir, später in Ihre Gesellschaft zurückkehren zu dürfen Dabei zog er seine Handschuhe an, die er vorher abgelegt hatte, um beim Genuß deS .Kaffees einen an seinem Finger glänzenden, kostbaren Ring zeigen zu können. Leonhard tnig nicht aus Eitelkeit Schmuck sachen : aber er kannte die Menschen und wußte, daß die Mehrzahl sich durch elegante Kleidung und prahlende Juwelen bestechen ließ. „Wollen Sie, Herr Hartwig," fragte Herr von Knobelsdorf, welcher den neulichen Gewinn sortnräkrend im Kops batte und auch heute auf das Zustandekommen einer Svielpartie hoffte — .eine Strandvromenade macken oder vielleicht
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