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ps? 62, 15. März ISI2. Nichtamtlicher Teil, Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. 3369 sich durch wichtige Reichsgerichtsentscheidungen große Vor teile gesichert und einen guten Abschluß gemacht, der auch dem Musikoerlag zugute kommt. Komponisten-Gedenktage erinnerten an- Franz Liszt, den großen Künstle,-Komponisten und Schöpfer der Lieder- transkription, Wilhelm Taubert, den Vater des Kinder liebes, Ferd. Hiller, Ambroise Thomas, I. L. Dussek, ferner Heinrich Marsch,,er, Robert Führer, Karl Proski, Johannes Eccard; als Freigut verfielen: Herrn. Berens, D. Krug, Henry Wieniawski, Duvernoy, Offenbach, Carl Krebs, Ad. Golde, denen eine längere als 30jährige Schutzfrist ihren einstigen Ruhm auch nicht wesentlich verlängert hätte. Da Richard Wagner geborener Leipziger war, kann das Er scheinen der hinterlasseneu Memoiren vermerkt werden; auch das Bachfest in Leipzig vom 20.—22. Mai (vgl. Neue Zeitschrift f. Musik, jetzt die einzige Leipziger Mustkzeitung). Politik und Buchhandel. Der vorstehend abgedruckte Geschäftsbericht des Vereins der Buchhändler zu Leipzig ist in der Versammlung vom I I. März einstimmig genehmigt worden, und auch wir würden keine Veranlassung haben, uns damit zu beschäftigen, wenn der so ganz aus dem Rahmen fallende temperamentvolle Absatz über den Mustkalienhandel am Schluffe des Berichts nicht zu einer Stellungnahme Veranlassung gäbe. Sie er scheint uns um so notwendiger in einer Zeit, in der man viel lieber den Dingen aus dem Wege geht, als ihnen ins Gesicht sieht, weit mehr versucht, zu verkleistern, als seiner Überzeugung Ausdruck zu geben, obwohl kaum irgend jemand in die Lage versetzt würde, sie mit seinem Blute zu besiegeln. In der Beziehung haben sich ja die Zeiten gegen früher bedeutend geändert, aber sie find dafür nach einer anderen Richtung hin komplizierter geworden. Während es ehedem noch leicht war, sich ein Bild der Verhältnisse zu machen, weil sie klarer, durchsichtiger als heute waren und ein verhältnismäßig kleiner, unter denselben Bedürfnissen und Voraussetzungen arbeitender Kreis Berufsgenossen die Über sicht erleichterte, ist es heule, wo alles von der Masse be herrscht wird und die Beziehungen des Einzelnen durch Hunderte von Fäden mit der Allgemeinheit verknüpft sind, selbst für politisch geschulte Köpfe schwer, das Richtige immer mit Sicherheit zu erkennen. Dazu kommt, daß selbst dieses -Richtiger nur für eine bestimmte Zeit und unter bestimmten Voraussetzungen Gültigkeit hat und auch unsere Gesetzgeber sich damit begnügen müssen, schrittweise der Entwicklung zu folgen und der Gegenwart ihren Tribut zu zollen, ohne auf eine künftige Gestaltung unseres Wirtschaftslebens — selbst wenn die Ansätze dazu bereits deutlich erkennbar sind — Rücksicht zu nehmen. Diese Unsicherheit und Undurchsichtigkeit der Verhältnisse mag ein gutes Teil Schuld mit haben, daß das Interesse an öffentlichen Fragen und die Betätigung der Berussgenoffen im Vercinsleben von Jahr zu Jahr abnimmt. Das ist nicht nur, wie der Referent in dem erwähnten Bericht klagt, im Verein der Musikalienhändler der Fall, sondern in gleicher Weise im Börsenverein. Auch hier glaubt jeder mit sich und seinen eigenen An gelegenheiten genug zu tun zu haben und die Arbeit für das Gemeinwohl den -dazu Berufenen« überlassen zu können, ohne sich klar darüber zu werden, daß auch er be rufen ist, mit Hand ans Werk zu legen. Immer sind es dieselben wenigen Männer, die Zeit und Arbeit opfern, um dann die Vorwürfe der anderen zu ernten, wenn sie im Kampfe zmllckweichen müssen, während doch jeder einzelne mit in Reih und Glied gehört und seinen Mann stellen müßte. Denn damit, daß er sich lediglich um sein Geschäft kümmert und allem aus dem Wege geht, was nach Politik oder öffentlichem Interesse aussteht, ist es heute nicht mehr -Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 79. Jahrgang. getan, und die letzten politischen Ereignisse sollten auch den jenigen die Augen geöffnet haben, die immer nur andere gewähren lasten, statt sich selbst mit zu betätigen. Jeder von uns müßte doch ein Interesse daran haben, daß der Buchhandel, der das Werk seiner Hände mit ist oder doch sein sollte, die Stellung im Wirtschaftsleben einnimmt, die ihm zukommt. Erst in dem letzten Münchner Briefe (Nr. L4) ist die Frage der politischen Betätigung des Buchhandels — das Wort nicht im parteipolitischen Sinn, sondern in bezug auf unser allgemeines Verhältnis zu den anderen und die Mög lichkeit einer Einwirkung auf sie verstanden — gestreift worden, und sie ist interessant genug, uns einmal näher damit zu beschäftigen, selbst auf die Gefahr hin, von denen mißverstanden zu werden, die dadurch ihren Charakter zu verderben fürchten und politisch' Lied ein garstig' Lied nennen. Wie jeder andere Geschäftsmann hat auch der Buch händler das Recht und die Pflicht der Teilnahme am öffent lichen Leben, ja vielleicht in höherem Maße als viele andere, da sowohl dis Tätigkeit des Verlags als auch die des Sor timents an die Voraussetzung einer genauen Kenntnis der geistigen und wirtschaftlichen Bewegungen gebunden ist. Dazu bedarf es eines Schlüssels, der uns das Verständnis für unsere Umgebung erschließt, da wir oft genug an verschlossene Türen klopfen. Sie öffnen sich von selbst wie ein Sesam, wenn wir das Losungswort kennen und nicht als Fremde, sondern als Eingeweihte kommen. Das Mittel, Eingang bei den Andern zu finden, liegt in der Kenntnis ihrer Interessen und Neigungen, die von ihrer Bildung und zwar hauptsächlich der beruflichen und politischen bestimmt werden. Stand und Beruf eines Menschen liegen an der Oberfläche, so daß es nicht schwer hält, von ihnen aus ein Urteil zu gewinnen und darauf eine Wahrscheinlichkeitsrechnung aufzubauen. Dagegen dürfte es weit schwieriger sein, zu den Quellen hinabzusteigen, aus denen die eigentliche Wesenheit eines Menschen gespeist wird, die sich am deutlichsten in dem Verhältnis zu seinen Mitmenschen, kurz gesagt in seiner politischen Stellungnahme kundgibt. Mag auch das Dichter wort -Du glaubst zu schieben, und du wirst geschoben» seine Gültigkeit behalten, fruchtbarer ist es jedenfalls, sich Einblick in die treibenden Kräfte der Gegenwart zu verschaffen als der Schnecke gleich sich in sein Haus zu verkriechen und Auge und Ohr dieser Entwicklung zu verschließen. In den Kreis- und Ortsvereinen wird man jetzt wieder den Abgeordneten ein ganzes Bündel von Anträgen und Wünschen mit auf den Weg geben, die sie in Leipzig zu Kantate vertreten sollen, und ihnen grollen, wenn sie mit leeren Händen nach Hause kommen oder doch nicht in vollem Um fange erreichten, was sie erreichen sollten. Mancher von diesen Abgesandten, der als Saulus auszog, ist als Paulus wieder gekommen, um seine Vereinsgenoffen mit denselben Gründen zu überzeugen, die man ihm entgegengehalten hat. Denn der Sinn für das politisch Mögliche wird sich nur da ein stellen, wo sich Gelegenheit dielet, die Dinge im Zusammen hang mit allen oder doch den hauptsächlichsten Faktoren zu erfassen, und als einen weiteren Gewinn wird man es ansehen müssen, wenn mit dieser Erkenntnis der politischen Not wendigkeiten Hand in Hand das Bestreben geht, sich an verwandte Interessentenkreise anzuschließen, um gemeinsam mit ihnen das politisch Mögliche zu erreichen. Das wirtschaftliche Leben kann nur gesunden, wenn alle berechtigten Interessen zur Geltung kommen. Deshalb ist es notwendig, dem, was man als richtig erkannt hat, auch außerhalb der Berufs organisation praktischen Ausdruck zu geben und jede sich bie tende Gelegenheit zur Betätigung seiner Gesinnung in der Öffentlichkeit zu benutzen. Sobald wir um uns unangenehme 440