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3368 Börsenblatt f. d. Dischn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. oV 82, IS. Mtir, 1S12. waren im großen und ganzen die gleichen wie in den Vor jahren. Viel geklagt wird über den schlechten Eingang der Außenstände. Die Inanspruchnahme des Kredits ist weiten Kreisen durch die Reise- und Abzahlungs-Buchhandlungen anerzogen worden. Für das Antiquariat war das verflossene Jahr im all gemeinen ein gutes. Die Gründung zahlreicher neuer wissen schaftlicher Institute (besonders im Auslande) gab hiesigen Firmen Gelegenheit zu guten Verkäufen und belang reichen Umsätzen. Auch in diesem Jahre sind wieder zahl reiche größere Bibliotheken in Leipziger Besitz übergegangen, doch ist hierbei überall ein durch die Konkurrenz verursachtes Anziehen der Einkaufspreise zu bemerken, was natürlich auch auf die Verkaufspreise einwirken muß. Für die Leipziger Auktionsinstitute war das Berichtsjahr ebenfalls im all gemeinen befriedigend. Einen sensationellen Erfolg hatte die Versteigerung der von unserem verstorbenen Kollegen vr. Carl Geibel hinterlassenen großartigen Autographensammlung durch die Firma C. G. Börner. Die Entwicklung und Lage des Leipziger Varsortiments im Jahre 1911 kann als eine normale und befriedigende bezeichnet werden. Dis schon im vorjährigen Bericht er wähnten, oft weit über das Maß des Erträglichen gehenden Anforderungen des Sortiments an die Kulanz der Bar sortimente zwangen diese schließlich, im Interesse ihrer Existenzmöglichkeit eine feste Basis des gegenseitigen Verkehrs auf Grund neuer, am 1. Oktober gemeinsam eingesührtcr Lieferungsbedingungen zu schaffen. Fand diese notwendige Maßnahme zunächst auch nicht all gemeine Zustimmung beim Sortiment und führte sie vorübergehend auch zu einer teilweisen Verstimmung in dessen Kreisen, so kehrten die normalen Beziehungen doch bald in dem Maße wieder, als nach direkten Verhandlungen die innere Berechtigung der Forderungen eingesehen wurde. Als diese Berechtigung schließlich Anfang Dezember auch vom Vorstand des Börsenvereins und den Delegierten der Orts und Kreisvereine in besonderer Sitzung im Deutschen Buch händlerhause geprüft und öffentlich anerkannt wurde, die Barsortimente zudem über einzelne Punkte mit sich reden ließen, zeigte das kurz danach einsetzende Weihnachtsgeschäft die gewohnte äußerst lebhafte Signatur und damit auch das äußere Merkmal des Friedensschlusses. Der Kommissionsbuchhandel sieht nicht mit besonderer Freude auf das Jahr 1911 zurück. Wenn auch die Umsätze nicht kleiner geworden sind, so macht sich doch auch hier die allgemeine schlechte Lage im Buchhandel und besonders der schlechte Eingang der Außenstände im Sortiment durch starke Inanspruchnahme des Kredits geltend. Die von den Kommittenten geforderten Leistungen werden dabei von Jahr zu Jahr größer, wogegen die Ent lohnung dafür längst nicht mehr im richtigen Verhältnis steht, besonders in Anbetracht unserer ständig wachsenden Handlungsunkosten. Was schon im Jahresbericht für 1907 als notwendig ausgesprochen worden ist, daß nämlich der Leipziger Kommissionär über kurz oder lang zu einer Er höhung seiner Gebühren schreiten müsse, gilt heute dringender als je. Durch das schon öfter gerügte planlose »nach Tisch empfehlen« nicht eiliger Sachen, Anfragen, oder gar von Werken, die als erst erscheinend angezeigt sind, entstand den Kommissionären wieder viel überflüssige Arbeit. Es sei deshalb auch an dieser Stelle auf diesen Mißstand hingewiesen. Die vor einigen Jahren einmal drohende Gefahr der früheren Auflieferung der Post- und Bahnsendungen ist glücklicherweise auch in diesem Jahre dank dem Entgegen kommen der einschlägigen Behörden oorübergegangen; nur für die Bahn-Auflieferung von Lehrmitteln ist in jüngster Zeit die Vergünstigung der späteren Ablieferung aufgehoben worden. Im Lohntarif unseres Packerpersonals hätte im ver gangenen Herbst unter gewissen Voraussetzungen eine Änderung eintreten können, und die Gefahr eines Aus standes unserer Markthelfer lag nahe. Die Voraussetzungen, die sich auf eine bestimmte Steigerung der Lebensmittelpreise bezogen hatten, waren aber nicht singetreten, so daß keine Veranlassung zur Tarifänderung gegeben war. Es behielten trotz heftiger Agitation die besonneneren Elemente die Ober hand, so daß ein Streik vermieden worden ist. Im Musikalienhandel soll das Sortiment den Vortritt haben, denn es ist Übel genug daran. Mag es doch einmal frei und offen ausgesprochen werden, daß das Gesetz über den unlauteren Wettbewerb, wovon der Buch- und Musi- kalienhandel alles Heil erwartete, für uns einen Schlag ins Wasser bedeutete. Der Vertreter der Gesetzesvorlage, Graf von Posadowsky-Wehner, gab seinerzeit als Empfehlung den Rat, die Interessenten sollten nun auch den entsprechenden Gebrauch davon und ihre Rechte geltend machen. Das hat leider keinen Erfolg gezeitigt. Der Kampf gegen die Warenhäuser (Kaufhaus Brühl usw.) beweist es; die Machtmittel des Börsenvereins reichen allem Anschein nach nicht aus, sodaß der Musikalienhandel auch von dieser Seite keine genügende Unterstützung finden kann.*) Die äußersten Konsequenzen sind noch nicht gezogen, der Erhaltungstrieb könnte aber doch das Sortiment zu einer Bewegung »Los vom Zwang« hindrängen; die Gründung von Ein kaufsgenossenschaften ist zweifelhaft. — Mit der Misere im Musikalienhandel") hängt auch die zunehmende Ver wilderung des Tonstnns und musikalischen Geschmacks aufs engste zusammen. Die seichteste Musik (mit gemeinen oder dummen Texten) hat Einkehr gehalten nicht nur bei gewissen Gruppen sogenannter louuvsss äorso oder beim musikalischen Janhagel, sondern auch in guten Familienkreisen, die früher darob entsetzt gewesen wären, weil sie sonst gute Hausmusik pflegten. Das Weihnachtsgeschäft wurde angeregt durch die plötz liche Überschüttung des Marktes mit billigen Wagner- Ausgaben, bereits zwei Jahre vor Ablauf der 30 jährigen Schutzfrist. Der Verlagswechsel, durch An» und Verkauf im Musik verlag, muß als ansehnlich bezeichnet werden und nötigt zu fleißiger Benutzung des Verlagsnachweises (herausgegeben von Ernst Challier scn.). Der Deutsche Musikalien-Verleger- Verein, Sitz Leipzig, hat sich fester zusammengeschlossen, seine Satzung vereinfacht und die Rechte einer juristischen Person erworben. Im Vereinsausschuß des Börsenvereins ist dem Musikhandel endlich Sitz und Stimme eingeräumt worden. Das Vereinsleben ist beinahe ungenügend, die Vertretung und Wortfllhrung ruht auf zu wenig Schultern. Der Redaktionswechsel im Börsenblatt oerhalf dem Musikalien handel zu einer erweiterten, verständnisvollen Behandlung seiner Interessen, was um so höher zu bewerten ist, als »Musikhandel und Musikpflege- gar zu bemerkbar die Ge schäfte der Autorengenossenschaft vertritt, anstatt in erster Linie die eigenen. Der Riß zwischen der deutschen und österreichischen Tantiemegemeinschaft klafft weiter fort, während die Verhandlungen mit der französischen Sozietät zu einem mehrjährigen Abschlüsse führten. Die Ammre (Anstalt für mechanisch-musikalische Rechte) hat *> Vgl. hierzu: »Das Recht aus den Ladenpreis« in Nr. «6 d. BI. sowie den nachstehenden Artikel. Red. ") Dazu gehören auch die Gründung musikalischer Volks bibliotheken, die Preisausschreiben großer Zeitungen nebst Massen vertrieb Pp.