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Unvermerkt hatte Zinneck den aufgeregten, in höchsten Zorn geratenen Rcgierungsrat nach dem Wirtschaftshofe und »ach dem Jnspektorhause geführt. Sie kamen eben zurecht, einen fremden Herrn, der dem Wagen, der vorhin vorbeisuhr, entstiegen war, im Hause ver schwinden zu sehen, — während vier Gendarmen und zwei städtische Schutzleute die Eingänge des Inspektorats beobach teten, respektive böloachten. „Was geht hier vor?" herrschte der Regierungsrat von Gildenhordt die Leute an. Der zunächst stehende Gendarm erklärte höflich: „Der Polizei-Kommissar Wächter aus Berlin ist im Hause, um den der Hochstapelei, der Urkundenfälschung, desDiebstahls und Be truges bezichtigten sogenannte:: „Administrator Rowland" zu verhaften!" Gildenhardt stürmte ins Haus, Zinneck folgte. Sie kamen zu einer unbeschreiblich wüsten Szene zurecht. Rowlaud und Tatty hatten gerade ausgiebig „geluncht", — und ein reich besetzter Tisch zeigte die Ueberreste eines durch aus nicht frugalen Frühstücks. Rotwein- und Cognacflasche, Reste einer Gänseleberpastete, ein kalter angeschnittener Pnter, — es sah nebst den Tellern mit Obst und Kuchen nach einem rechten Festmahl aus. Wein und Cognac hatten Adolph Rowlands gedunsenes Gesicht noch höher gefärbt, Tatty hatte sich auch gütlich getan und war ihrer Bewegungen nicht mehr ganz Herr. Als der Po lizei - Kom missar, ohne ei nen Hereinruf ahzuwarten, ins Zimmer trat, sprang Rowland auf: „Wer sind Sie — und uas er lauben Sie sich, hier zu driugen ein?" lallte er. Der Beamte übersah rasch die Situation. Er ging auf den Admini strator zu: „Im Namen des Königs! Ich verhafte Sie, Adolphus Rowland!" und mit eiser ner Faust pack te er den Be trüger. Der wollte sich losringeu, und trotzdem fein Rausch rasch verflog im rasenden Entsetzen der Erkennung, stand er doch nicht fest auf den ivankenden Beineu . . . Tatty sprang ihm zu Hilfe, stieß gegen einen Stuhl, der zu Fall kam und sie mit riß, — sie schrie auf, — Adolph tobte, — der Kriminalbeamte ließ die Schrillpfeife tönen, — da öffnete sich die Tür, Gilden hardt und Zinneck, gefolgt von den Gendarmen, traten ein. Trotz seiner heftigen Gegenwehr wurde Rowland gefesselt, — Harriet, die es vorgezogen hatte, ohnmächtig zu werden, wurde von Zinneck ins Nebenzimmer geschafft, und dann der Gefangene in den Wagen eskortiert. Der Rcgierungsrat wurde ersucht, baldmöglichst im Amts gericht der nächsten Stadt seine Angaben zu machen. Das halbe Dorf war zusammengeströmt, johlend folgte die Schuljugend dem Wagen, dem nur Verwünschungen und Flüche folgten, — und heißer Dank für die Befreier, die den Administrator entführten. Der Negiernngsrat stand vor dem Entsetzlichen, Uuerwar-, teten wie gelähmt! Er befand sich noch in der Stube der Rowlands, während Zinneck sich zu Klotilde begeben hatte, ihr Harriets Erkrankung mitzuteilcn. Er fand' sie an Gildenhardts Schreibtisch, dem sie eben einige Geldrollen entnahm. „Ah, Zinneck!" sagte sie, ohne aufzustehen, und nur mit der Hand ihren glatten Scheitel streichend, „was bringt Sie für ein Wind dahergeweht? Wir glaubten Sie noch im Süden!" „Leider kein guter," sagte Walter ruhig, »aber ich muß Sie bitten, Frau Regierungsrat, mir zu Ihrer Schwester zu folgen, sie ist anscheinend schwer erkrankt.^ „Was soll ich dort?" versetzte Klotilde gleichmütig, „man hole den Arzt!" „Ich muß dennoch darauf bestehen, daß Sie mich beglei ten!" beharrte er sehr ernst. „Aber was wollen Sie denn?" trotzte Klotilde, „ich gehe nicht gern in die Behausung der Gutsleute!" Zinneck zuckte Lie Achseln. „Man hat Mr. Rowland verhaftet!" sagte er ernst. „Was!!" Klotilde war aufgesprungen und hielt sich krampfhaft am Schreibtisch fest, — „Sie . . . Sie . . . sagen . ." „Daß der Hochstapler Rowland, der Kutscher der Lady Trimmons, der Mann von Jette Märtens, verhaftet wor den ist." Jedes Wort fiel einem wuchtigen Hammer gleich auf das Haupt des hochmütigen Weibes . . . „Jette Märtens . . ." stammelte sie wie geistesablvesend, dann lachte sie schrill auf. „Eines Romans letztes Kapitel!" murmelte sie nach einer Weile. Walter erinnerte nochmals, sie möge hinübevkommeu. „Aber nein, Herr von Zinneck!" rief sie herrisch, „was fällt Ihnen ein, — was gehen mich jene Leute an!" Walter verließ sie, um den Vater seiner Braut aufzusuchen. Im Jnspek- torhaufe hatte man inzwi schen Türen und Fenster geöffnet, um Harriet waren ein paar Frauen be schäftigt, der Regierungs rat von Gil- Lenhardt aber saß noch mit ten in der Wohnstube, in der geschäftige Hände schon Ordnung ge macht hatten, und starrte brütend . ins Leere. Jetzt trat Walter ohne Klotilde wie der ein und ging auf den Vater Rosens zu. „Komm, Onkel Emmerich," sagte er eindringlich, „es ist doch besser, Du gehst ins Schloß!" Gikdenhardt fuhr auf. „O Walter, — Walter, — ist es denn möglich, — sie, sie hat mich all' die Jahve betrogen!" rief er außer sich und fiel schwer, die Arme ausbreitend, gegen die Schultern des jungen Mannes. Zinneck umfaßte ihn. „Fasse Dich, Vater, — fasse Dich!" bat er herzlich, „vielleicht ist Deine Frau, hoffen wir's wenig stens, wirklich im guten Glauben, daß Rowland ein tüchtiger Landwirt sei, gewesen, — daß er allerdings keinen Lord und so weiter zu Verwandten hatte, konnte sie wissen!" Gildenhardt atniete schwer und sagte dann, sich fest auf Zinneck stützend: „Hast Du sie nicht zu Tatty gerufen? Mir war's, als wärst Du in dieser Absicht gegangen?" „Sie wollte nicht kommen! „Diese Leute" gingen sie nichts an!" berichtete Zinneck. „Elende Komödiantin!" Gildcnhardt war außer sich, — die Zornader schwoll auf seiner-Stirn und seine Augen glühten. Im Freien blieb er dann stehen. „Zinneck, Du bist ein treuer Mensch," sagte er dann, müh sam nach Luft ringend, denn sein Herz arbeitete wie wahnsin nig, „bleib' heute hier, zu Mittag, — laß mich, — laß mich nicht allein mit Klotilde!" „Ich habe auch ein Recht, an Deiner Seite zu bleiben, Onkel Gildonhardt," sagte Wstlter warm, — „ich kam nicht im Stick aut Lissabon, äie Hauptstaät Portugals.