Volltext Seite (XML)
politische Kunctsckau. Deutschland. * Gleichzeitig mit der Auflösung des Kolo nialrats hat Kaiser Wilhelm bestimmt, daß beim Reichskolonialamt unter Hin zuziehung von Sachverständigen Kommissionen zu dem Zwecke gebildet werden, um da? Reichs kolonialamt bei der Verwaltung der Schutz gebiete in beratender Weise zu unterstützen. * Der neue Staatssekretär des Reichsschatz amts, Staatsminister Sydow, ist, wie amtlich bekanntgegeben wird, zum Bevollmächtigten zum Bundesrat ernannt worden. * Die Blättermeldungen über neue Steuerpläne des neuen Schatzsekretärs Sydow, namentlich auch über einen angeb lichen Plan, die Telegraphengebühren zu er höhen und den Zeitungsversand höher zu be lasten, entbehren, wie halbamtlich erklärt wird, jeglicher Begründung. *Die kvloniale Eisenbahnvor lage, die im Kolonialamte ausgearbeitet worden ist, liegt augenblicklich dem Bundesrate zur Beschlußfassung vor. Die Durchberatung der Regierungsvorlage ist dort bereits so weit gefördert, daß diese spätestens am 15. März dem Reichstage zugehen dürfte. In der Vor lage sind alle vier afrikanischen Kolonien vorge sehen, doch besteht dem Vernehmen nach vor läufig nicht die Absicht, die ostafrikanische Zentralbahn bis an den Tanganjika-See weiter zuführen. Die Bahnen sollen in der Haupt sache nicht aus Reichsmitteln erbaut werden. * Die Vereinsgesetzkommission des Reichstags kam nach viertägiger Debatte zur Abstimmung über den Sprachenpara graphen, der bekanntlich bestimmt, daß die Verhandlungen in öffentlichen Versammlungen in deutscher Sprache zu führen und daß Aus nahmen nur mit Genehmigung der Landes- zentralbehörde zulässig sind. Die Gesamt abstimmung ergab die Ablehnung dieser für das Zustandekommen des ganzen Gesetzes von der Regierung als unerläßlich bezeichneten Borschrist. * Nach wochenlangen Verhandlungen hat das Preuß. Abgeordnetenhaus die Polenvorlage mit den Bestimmungen über die Enteignung in der Fassung, die das Gesetz im Herrenhause erhalten hat, end gültig angenommen. * Der Budgetkommission des Preuß. Ab geordnetenhauses teilte auf eine An frage des Finanzministers v. Rheinbaben mit, daß die Frage der Beamtenbesol dungen in vberemftimmung mit dem Reich entschieden werden solle. Jedenfalls aber be absichtige die Staatsregierung. daß der Be- soldungsvorlage bis zum 1. April 1908 rück wirkende Kraft verliehen würde, und daß bis zu ihrer Verabschiedung wiederum Teue rungszulagen gewährt werden sollen. Mehrere Abgeordnete beschlossen, die Regierung noch einmal zu befragen, wann die Beamten besoldungsvortage eingebracht werden würde. — In Übereinstimmung mit dem Preuß. Finanz- Minister erkiärte in derhessischenKammer bei der Etatsberaiung Staatsminister Ewald, daß die Regierung mit der Erfüllung der Wünsche der Beamten bis zur Durchführung der Reichsfinanzreform warten müsse. * Wie verlautet, schwebt zurzeit nur noch eine Meinungsverschiedenheit wegen der Preuß. Mädchenschulreform ber den maß gebenden Stellen. Es handelt sich dabei um die Frage, ob nicht durch die Steigerung der wissenschaftlichen Anforderungen, namentlich in der Mathematik, allzu große, die gesunde körperliche Entwickelung beeinträchtigende geistige Anstrengungen den Mädchen in der allgemeinen Mädchenschule zugemutet würden. Osterreich-Ungar»». * Kaiser Franz Joseph empfing den deutschen Botschafter v. Tschirschky und Bögendorsf in besonderer Audienz. Wie verlautet, wurde dabei die Frage des orien talische»» Bahnbaues eingehend erörtert. *Jn Budweis finden seit dem tschechischen Wahlsieg allabendlich Ausschreitungen der Tschechen gegen die Deutschen statt, die sich so steigerten, daß Gendarmerie und Militär zur Herstellung der Ruhe einschreiten mußten. Mehrere Personen wurden verwundet und einige andre verhaftet. Enstlaud. *Jm Unterhause wurde unter Zustimmung aller Abgeordneten der Beschluß gefaßt, im Hinblick auf die fortdauernd guten Beziehungen zu allen Mächten, die Ausgaben für Heerund Flotte soweit zu vermindern, als es mit einer entsprechenden Verteidigung englischen Besitzes zu vereinbaren ist. Ob dieser Beschluß aber zur Ausführung kommt, ist eine andre Frage. Italien. *Wie aus Rom gemeldet wird, soll die beabsichtigte Zusammenkunft der Könige Eduard und Viktor Emanuel vor nehmlich einer Besprechung der mazedonischen Frage gelten. Italien soll dabei für ein unbe dingtes Zusammengehen mit England und Frankreich gewonnen werden. Infolge günstiger Begutachtung der Kruppgeschütze durch die Untersuchungs kommission hat der neue Kriegsminister die Kruppwerke angewiesen, den Auftrag, der seiner zeit rückgängig gemacht worden war, zu er ledigen. *Die Angelegenheit des in Petersburg wegen Teilnahme an einer Verschwörung gegen den Großfürsten Nikolaus Nikolajewitsch mit sieben Genoffen Hingerichteten Anarchisten Calvino wird noch ein unangenehmes Nachspiel sür einen römischen Pro fessor Calvino haben. Diesem kam vor einiger Zeit ein Paß abhanden, den er sich auf Betreiben einer russischen Gesellschaft, die ihn als Landwirt engagieren wollte, hatte ausstellen lassen. Der Professor meldete seinen Verlust nicht an und hat damit die Irreführung der Behörden in Petersburg und Rom verschuldet. Er wird vorläufig in feiner Wohnung polizei lich überwacht. Belgien. * In der Kammer wurde nach tagelanger Dauer die Debatte über das englische Weißbuch betr. den Kongostaat be endet. Mit großer Mehrheit wurde be schlossen. die Einmischung jeder fremden Macht (gemeint ist England) in die Kongofrage ener gisch abzulehnen. Schweden. * Der Reichstag beschloß einstimmig, die in der Regierungsvorlage verlangten 4 Unter seeboote zu bewilligen. Auch der Er höhung der Friedensstärke des Heeres wurde mit großer Mehrheit zugestimmt. Diese Maßregeln Schwedens sind um so bemerkens werter, als Norwegen, der Schwesterstaat, infolge seiner Neutralitätserklärung keine Ver mehrung von Heer und Flotte mehr vornehmen wird. Rußland. * In Petersburg ist das Gerücht ver breitet, der Zar werde in diesem Sommer nicht nur Italien, sondern auch Eng land und wahrscheinlich Dänemark be suchen. Balkanstaate«. * Die Bandenkämpfe in Maze donien fordern immer aufs neue ihre Opfer. Bei der Verfolgung griechischer Banden ist dieser Tage ein türkischer Hauptmann mit mehreren Soldaten gefallen. Amerika. * Wie aus Washington gemeldet wird, be absichtigt Präsident Roosevelt eine Bot- chaft an den Kongreß zu richten, worin ersucht wird, vier Schlachtschiffe zu bewilligen, tatt eins oder zwei, wie beabsichtigt ist. Afrika. * Zu den letzten Kämpfen in Marokko wird noch gemeldet, daß die Franzosen ungewöhnlich schwere Verluste erlitten hätten, wenn es ihnen auch schließlich gelang, den Feind zurückzuschlagen. Von der algerischen Grenze sind bereits 500 Manu Verstärkungen nach Casablanca aufgebrochen. In wenigen Tagen werden die übrigen 3500 Mann den Marsch beginnen. Man hofft, mit den Gesamt- streiilräften den Feind endgültig schlagen zu können. Asien. * Wie setzt aus Teheran gemeldet wird, sind bei dem Attentat auf den Schah von Persien, bei dem dieser durch einen glücklichen Zufall unverwundet blieb, 42 Per ionen mehr oder weniger schwer verletzt worden. Die Attentäter sind entkommen. Die Gerüchte, wonach dem Parlament ein Ausnahme gesetz vorgelegt werden soll, entsprechen nicht den Tatsachen; der Schah hat im Gegenteil kurz nach dem Attentat zu seiner Umgebung geäußert, er wünsche durchaus Frieden mit dem Parlament und dem Volke. Aus dem Keickstage. Der Reichstag überwies am Montag die große Novelle zur Gewerbeordnung mit den dazugehörigen Vorlagen einer Kommission. An der voraufgehenden Debatte beteiligten sich besonders lebhast die Par teien der bürgerlichen Linken, in deren Reihen manche Meinungsverschiedenheiten herrschen, wenn sie auch mit der Tendenz der Gesetzentwürfe sämt lich einverstanden sind. Die Redner der Freisinnigen Vollspartei sahen die Verhältnisse in der Haus industrie nicht ganz so ungünstig an wie der Abg. Naumann (fts. Vgg.-. Dieser verteidigte auch die in Berlin veranstaltete Ausstellung für Heimarbeit gegen den von jenen erhobenen Vorwurf, als sei sie tendenziös arrangiert gewesen, um das Bild grau in grau erscheinen zu lassen. Naumann leugnet es nicht, daß es auch bei der Heimarbeit lichte Punkts gibt, aber im allgemeinen beurteilte er die Verhältnisse sehr abfällig. Sonst brachten die Erörterungen nichts Bemerkenswertes, es sei denn die Feststellung, daß auch die Sozialdemo kratie die Hausarbeit nicht ganz vernichten, son dern nur sür die Herstellung von Zigarren ver bieten will. Am 3. d. steht auf der Tagesordnung die zweite Lesung des Etats des Reichsamts des Innern. Es liegen hierzu 25 Resoluttonen vor. Abg. Giesberts (ZentrO: Die diesjährige Debatte unterscheidet sich von ihren Vorgängerinnen dadurch, baß sie vielfache sozialpolitische Früchte zur Reife gebracht vorfindet. Die« ist noch der unermüdlichen Tätigkeit des Grafen Posadowsky zu danken, in dessen Spuren hoffentlich auch sein Nachfolger wandeln wird. Der Appell des Abg. Naumann, in Fragen, die das Los der wirtschaft lich Schwachen betreffen, das rein menschliche Empfinden walten zu lassen, und von Block und Antiblock abzusehen, sollte nicht nur in der Heim arbeiterfrage zur Geltung gelangen, sondern überall da, wo es gilt, Not und Elend zu lindern und ungerechte Zustände zu beseitigen. Leiber sind die Erhebungen über die Arbeitsverhältnisse in den Walz- und Hüttenwerken noch nicht in ihrem Er gebnis bekannt gemacht. Die Unfälle in dieser sehr wichtigen Industrie vermehren sich in er schreckender Weise. Jedem vierten Mann stößt jährlich ein Malheur zu. Diese Industrie ist die aesähr- lichste von allen Betrieben. Die. Gewerbe-Inspek tionen sollten durch Heranziehung von Arbeitern als Hilfskräfte erweitert werden. Die Tarifgemein schaften zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern sollten gesichert und weiter ausgestaltet werden. Der Wert der Tarifverträge wird von allen Parteien mehr und mehr anerkannt, und es wirkt sonderbar, wenn man sich daran erinnert, daß einmal ein Zuchthausgesetz eingebracht werden konnte. Er freulich ist es, daß die Regierung dazu übergeht, die Arbeiterkongreffe zu besuchen. Dies wünschen wir auch auf die andern Arbeiterorganisationen ausge dehnt zu sehen, wie es letzthin bei den christlichen Gewerkschaften der Fall war. Die Errichtung von Arbeitslammern zum freien und friedlichen Aus druck der Wünsche und Beschwerden der Arbeiter ist dringend erforderlich, an einem entsprechenden Ent wurf würden wir gern Mitarbeiten. Der Staat und wie alle sind verpflichtet, rechtzeitig dafür zu sorgen, daß bei einer etwaig«: wirtschaftlichen Krisis un verschuldet arbeitslos gewordene Arbeiter nicht unter gehen. Abg. Pauli- Potsdam (kons.): Die Verdienste des Grafen Posadowsky erkennen wir an. Wir bringen aber auch dem neuen Herrn großes Ver trauen entgegen, hoffen jedoch, daß er auch dem Mittelstand Wohlwollen entgegenbringt. Das sozial politische Schifflein muß in den richtigen Hasen ge steuert werden. (Zuruf b. d. Sozd.: Links steuern I) Es läßt sich nicht leugnen, daß in der letzten Zeit Arbeitswillige sehr häufig von den Streikenden! gemißhandelt worden sind. Daß Tarifverträge viel > Gutes schaffen können, erkennen auch wir an. Wenn die Arbeiter aber in flauen Zeiten keine Herab setzung der vereinbarten Löhne wollen, dann dürfen sie auch nicht in Zeiten der aussteigcnden Konjunktur eine Erhöhung der Löhne verlangen. Unsre Partei ist für Förderung der Sozialpolitik, soweit sie möglich ist. Unmögliches aber darf man nicht ver langen. Abg. Stresemann (nat.-lib.): In bezug auf die Schätzung des Grafen Posadowsky herrscht Übereinstimmung bei allen bürgerlichen Parteien. Wenn sein außerordentliches Wissen und seine übermenschliche Arbeitskraft der deutschen Sozial politik erhalten werden könnte, io würden wir dies mit größter Genugtuung begrüßen. Während des Niederganges der Konjunktur muß unsrer Industrie die Absatzmöglichkeit an dem Auslandsmarkt ge wahrt bleiben. Dankbar find wir dem Reichsamt des Innern für die von ihm verbreiteten „Ver traulichen Mitteilungen" und für die Einsetzung von Handelsattaches, die neue Absatzgebiete zu er kunden haben. Wir, bitten den Staatssekretär, sein Wohlwollen sür die im vorigen Jahre von un? eingebrachte Resolution in die Tat umzusetzen, in der um Subvention der Zentralauskunstsstelle für Landwirtschaft, Industrie, Handel und Ge werbe ersucht wird. In dem Handelsprovisorium mit Nordamerika haben wir nur wenig Zollermäßi gungen erlangt, jedenfalls aber ist eine wesent liche Erleichterung in der Zollabfertigung ein getreten. Die Klagen über Zollschitanen sind mehr und mehr verstummt. Wir haben jedoch mehr gegeben als empfangen. Bedenken erregt das Vorgehen der russischen Behörden, durch das speziell die Plauener Gardinentüllindustrie schwer geschädigt ist, indem ihr zunächst billigere Zollsätze zugesichert wurden, die aber bei der Effektuierung erhöht wurden. Dadurch wird der internationale Warenaustausch sehr erschwert. Auf der Heim- arbeiierausstellung find tatsächlich manche grobe Un richtigkeiten gezeigt worden. Wenn die Löhne tat sächlich höhere sind, als da angegeben wurde, so ist das für den Abschluß von Handelsverträgen von höchster Wichtigkeit. Die Heimarbeiter entwickeln sich durch Modernisierung ihrer Betriebe zu einem neuen gewerblichen Mttelstand, der ein kräftiger Damm gegen die Sozialdemokratie ist. Abg. Schmidt (soz.) weist auf die Arbeits losigkeit in Berlin hin. Nach den Erhebungen der Gewerkschaften betrage die Zahl der arbeitslosen organisierten Arbeiter in Berlin mehr als 24 000 Mann. Wenn in der Großindustrie Wohlwollen vorhanden wäre, so würde sie die Arbeiter in Zeiten finkender Konjunktur nicht sofort ent lassen, sondern sich gerade in solchem Moment ihrer Pflichten bewußt sein. Das Telegramm des Reichskanzlers an den Zentralverband deutscher In dustrieller beweist, daß die Sozialpolitik auf einem Punkte des Stillstände» angekommen ist und daß auch er der rücksichtslosen Jntereffenpolitik des krassen Eigennutzes huldigt. Der Zentralverband deutscher Industrieller hat hinsichtlich der Sozial politik nur Unheil angerichtet. Die beabsichtigte Regelung der Arbeitskammern genügt nicht einmal den allerbescheidenstcn Wünschen der Arbeiterschaft. Die Arbeitersekretariate werden vom Gewerbegericht als nicht angemeldete Betriebe als Vertreter der Arbeiter abgewiesen und sogar mit Strafe belegt. Da sollte Preußen von den süddeutschen Staaten lernen. Gewiß besteht in den vom Abg. Roeren aekennzeichneten Abbildungen und Schuften eine schwere Gefahr für unsre Jugend, viel schwerer ober ist die durch das Wohnungselend gegebene Gefahr. Für die Sozialpolitik muß ausschlaggebend sein der Schutz sür Leben und Gesundheit unsrer Arbeiter. Darauf vertagt sich das Haus. Von unä fern. Eine seltene Ehrung. Wie aus dem Haag berichtet wird, hat ein nationales Komitee im Namen von 10 000 einheimischen und aus wärtigen Mitgliedern dem Prinzen Heinrich der Niederlande eine Erinnerungsmedaille mit Album angeboten, als Huldigung für sein mutiges und menschenfreundliches Verhalten bei der Kata strophe des Dampfers „Berlin". Borlesunge« über BolkSwohlfahrrs« pflege. Ein bedeutungsvoller Versuch auf dem Gebiete sozialer Tätigkeit soll im kommenden Sommersemester an der königlichen Akademie zu Posen gemacht werden. Professor v. Wiese und Kaiserswaldau kündigt in dem soeben er schienenen Vorlesungsverzeichnis ein Konver- jatorium über Volkswohlfahrtspflege an, ins besondere für Damen und Herren, die in Fürsorge-Vereinen und -Anstalten praktisch tätig sind. K Vie Dame mit äen Aoten. Sj Kriminalroman von G. Quis. (Fortsetzung., Und ehe sich Karl dessen versah, waren ihm schon Handschellen angelegt. Die anwesenden Kriminalisten nahmen ihn in ihre Mitte und drei Minuten später fuhr er in einer Droschke «fit einem Kriminalbeamten und zwei Schutz leuten nach dem Justizpalaste in Moabit hinaus. Nach Karls Wegführung waren außer den Beamten noch der Arzt, der Diener Fritz und der Pförtner anwesend. Der Protokollführer hatte seine Arbeit vollendet und seinem Schrift stück noch hinzugesügt, daß der Mord um etwa dreiviertel elf Uhr verübt sein müsse, denn der Arzt habe den Leichnam fast noch warm ge funden. Der blutig« Kieselstein und Karls Stiefel wurden aufs sauberste verpackt und mit genommen. Sodann führte Fritz den Unter suchungsrichter und die Beamten nach der nahen Wohnung Karls. Jakob war noch wach; er saß in seinem Zimmer und las. Der sonderbare Auftrag eines Herm hatte ihm die Ruhe geraubt. Als ne Hausglocke erschallte, glaubte er, sein Herr ei nochmals auSgegangen und habe den Haus- chlüssel vergessen. Er ging hinunter, um zu öffnen. Der Leuchter wäre beinahe semer Hand entfallen, als er drei fremde Herren, von zwei uniformierten Schutzleuten begleitet, vor sich sah, die ohne weiteres in den Hausflur traten. „Im Namen des Königs I" grüßte der Untersuchungsrichter. „Wir sind die Gerichts kommission. Sind Sie der Diener des Dr. Karl Hollmann?" „Der bin ich, meine Herren," erwiderte der alte Jakob mit zitternder Stimme. „Aber, sagen Sie mir bloß, waS ist denn ge schehen ?" „Führen Sie uns in Ihres Herm Zimmer," lautete die in ruhigem Tone ge gebene Antwort. Jakob leuchtet den Beamten voran. Der Protokollführer setzte sich an den Tisch und machte sich zum Schreiben bereit, während der Untersuchungsrichter die einleitenden persönlichen Fragen sich von Jakob beant worten ließ. „Ihr Herr ist heute bei seinem Onkel gewesen und ist dann nach Hause zurückgekommen. Wann erfolgte die Rückkehr?" „Es mag wohl zehn Uhr gewesen sein!" entgegnete Jakob. „Er ist dann noch einmal zu seinem Onkel zurückgekehrt. Wann mag das gewesen sein?" „Der Herr Doktor waren wohl eine starke halbe Stunde hier." „Und was tat er hier?" „Ich weiß es nicht, denn er hatte mir ver boten, ihn zu stören und ich war während dieser Zeit auf meinem Zimmer." „Und woher wissen Sie, wann er wieder gegangen ist?" „Ehe er ging, kam er hinauf zu mir und gab mir noch einen Auftrag." „Und worin bestand derselbe?" Jakob zögerte mit der Antwort. „Sie können Ihrem Herrn nur durch Offen heit und strenge Wahrheit dienen," ermunterte der Untersuchungsrichter in begütigendem Tone. „Der Herr Doktor haben mir befohlen, gegen jedermann darüber zu schweigen." „Mein lieber Freund," sagte der die Unter suchung führende Beamte, „abgesehen davon, daß das Gericht Mittel besitzt, Sie zum Sprechen zu bringen, verdächtigen Sie durch Ihr Schweigen den Herm Doktor nur, und das ist doch schwerlich Ihre Absicht. Der Befehl Ihres Herrn wird begrenzt durch unsre Pflichten; dämm sprechen Sie: was trug Ihr Herr Ihnen auf?" Nach einigem weiteren Zögern sagte Jakob r „Ich sollte schleunigst für den Herrn die Sachen packen, er wollte eine Reise unter nehmen." Untersuchungsrichter und Protokollführer wechselten einen bedeutungsvollen Blick mitein ander. Das weitere Verhör drehte sich um die Art und Weise, wie Karl seinen Diener behandelt habe, über das Verhältnis zwischen Karl und seinem Onkel, um die Lebensgewohnheiten Karls, über die Jakob aussagte, der Herr Doktor habe seines Wissens niemals geheime Liebschaften gehabt und sein Lebenswandel wäre solider gewesen, als man ihn bei einem reichen und unabhängigen jungen Berliner Herrn ge wöhnt ist. Endlich war das Verhör beendet, und als der Untersuchungsrichter mit seinem Schreiber in der Droschke saß, sagte er zu diesem: „Selten ist die Entdeckung eines Ver brechens so einfach gewesen. Wir haben den Richtigen gefaßt. Der alte Kommerzientat lebte dem Neffen, der auf dessen Schätz» wartete, zu lange. Das Weggehen abends aus eine Stunde war nur einste Äst, um sein Alibi glaubhaft zu machen. Seine Stiefel paffen genau in die Fußspuren in dem sandigen Hofe. Gewalt ist bei den Schlössern des GeldspindeS nicht angewendet worden, weil dem Neffen di« Geldspindenschlüssel direkt zur Verfügung standen. Und nun noch die geheimen Abreise vorbereitungen. Glied an Glied paßt in diese Kette." Charlotte war in ihrem elterlichen Hause äußerst streng erzogen worden. Ihr Vater, ein höherer Beamter, hatte durch die Verlobung seiner Tochter mit dem ebenso reichen als ange sehenen Kapitän Honsby ihr Lebensglück zu sichern gehosst. Charlotte hatte vor zwei Jahren in diese Verbindung eingewilligt, ohne den bereits alternden Kapitän, der jetzt seine letzte Fahrt machte, zu lieben. Ihr Bruder Anton hatte ihr die Zukunft an der Seite des Kapitäns in den glänzendsten Farben geschildert und fühlte ich berufen, den eifersüchtig wachenden Anwalt eines früheren Vorgesetzten zu spielen und zu gleich während dessen Abwesenheit der Hüter einer Schwester zu sein, der mit Argusaugen über sie wachte — ein Zwang, der ihr auf die Dauer sehr unbequem wurde, ohne daß sie die Kraft, sich dagegen zu wehren, in sich ver spürte.