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2650 Börsenblatt s. d Dlschn. Buchhandel. Redaktioneller Teil. -V 57, 11. März 1913. schränkt sind, sondern in einem großen Teil Deutschlands ge lesen werden, so daß die Möglichkeit besteht, daß teilweise dort geerntet wird, wo man sich an den Reklamekosten nicht beteiligt hat. Mein Korrespondent wollte das nicht zu geben und schrieb mir wieder: »Wir haben besonders au Anzeigen gedacht, die die Warenhäuser in Zeitungen wie dem Berliner Lokalanzeiger rc. bringen, also in Zeitungen, die in erster Linie in Berlin gelesen werden. Dort werden die Anzeigen lokalen Einfluß auf den Absatz haben, und deshalb müßte der Sortimenter mittun. Tut er es nicht, so ist es ganz natürlich, daß manche Verleger sich eines schönen Tages sagen: ,Ja, bei den Warenhäusern besorgt uns das Warenhaus die Reklame umsonst; wenn wir auch einen größeren Rabatt geben müssen, so haben wir doch dann keine Mühe und Schererei mehr mit dem Buch? Also, etwas mutz der Sortimenter dem Verleger aus die Dauer doch bieten. Ganz abgesehen hiervon, ist es eine alle Erfahrung, daß der Sortimenter weder am Buche, noch an der Anzeige Interesse hat, wenn er nicht selbst an den Reklamekosten beteiligt ist. In der Frankfurter Zeitung — das Berliner Tageblatt lese ich nicht — sind niemals derartige Warenhausanzeigen, wie wir sie im Auge haben. Wie es mit dem Berliner Tageblatt steht, weiß ich nicht mit Sicherheit, doch werden dort solche Warenhausanzeigen auch nicht erscheinen.- (Doch! F. L.) Jedenfalls erscheint die ganze Frage wichtig genug, um auch von Sortimenterseile behandelt zu werden, und zwar nicht zu spät, denn wenn erst der Sommer zu Ende geht, ist zu theoretischen Erörterungen keine Zeit mehr.*) Der Verein Berliner Kaufleute und Industrieller ver anstaltet im März dieses Jahres einen Reklameweltbewerb für Geschäftsdrucksachen und Inserate und hieran anschließend nach Ostern eine Ausstellung der eingesandten Reklamemittel. Die Beteiligung steht allen Kaufleuten und Gewerbetreibenden Groß-Berlins frei. Zum ersten Male, soweit bekannt, hat das Reklamewesen den Stoff zu einer Doktorarbeit abgegeben. Ihr Verfasser ist ein junger Berliner Großkaufmann, vr. Heinrich Hermanns, der sich mit der Dissertation unter dem Titel »Beiträge zur volkswirtschaftlichen Würdigung der Reklame« von der philo sophischen Fakultät der Universität Erlangen den Doktorhut erwarb. Die Abhandlung, die weit über ihren Sonderzweck allgemeines Interesse beanspruchen darf, zieht in den Kreis ihrer eingehenden Betrachtung die Reklame in ihren Verhält nissen zu dem Konsumenten, zum Handel, zur Sozialpolitik und zum Staat. Bei der Würdigung des Wertes der Reklame für den Konsumenten geht der Verfasser von dem Grundsatz aus, daß der Endzweck aller wirtschaftlichen Tätigkeit die Kon sumtion ist, die möglichst ausreichende Befriedigung aller menschlichen Bedürfnisse, und er gelangt zu dem Ergebnis, daß die Annonce die Ausgabe erfülle, Angebot und Nachfrage zu vermitteln, daß sie daher eine wichtige Ergänzung zu der Organisation des Warenmarktes bilde und dem Konsumenten eine bessere und reichlichere Bedürfnisbefriedigung vermittle. Die Zentralstelle zur Bekämpfung der Schundliteratur, der auch der Börsenverein, vertreten durch Herrn Kommerzienrat Siegismund, angehört, hielt ihre zweite Jahresversammlung ab. Der Geschäftsbericht ergab kein besonders erfreuliches Bild. Das hohe Ziel, ein Mittelpunkt sämtlicher Bestrebungen *> Ich möchte an dieser Stelle gleich eine andere Zuschrift zur Sprache bringen, die mir auch im Anschluß an meine Umsrage zuging und die »Rückständigkeit« des Berliner Sortiments illustrieren soll. Es beklagt sich darin ein ehemaliger Verleger, daß, als er mit einem Fremden eine Berliner Buchhandlung betrat, sich der Inhaber weigerte, ein Zwanzigsrancstiick in Zahlung zu nehmen. Ich mutz dem Sortimenter rechtgeben. In einer Stadt, wo es mehr Bankfilialen als Ztgarrenläden gibt, liegt wirklich keine Veranlassung vor, dem Buchhändler noch das Risiko aufzubllrden, das mit Annahme von ausländischem Geld sitr einen Nichtnumtsmatiker immer verbunden ist. auf diesem Gebiete zu sein, ein neutraler Treffplatz aller di vergierenden Richtungen, ist bisher nicht errreicht. Nach den Debatten kann man säst annehmen, daß das Ziel überhaupt unerreichbar ist. Zu hart platzten die Gegensätze aufeinander. Da gab es bei der Frage der Wahl eines Lehrers in de» Vorstand ein langes Rededuell zwischen Herrn Brunckhorst in Hamburg und den Berliner Lehrern. Und als diese Streitfrage vertagt war, brachte der nächste Punkt der Tages- ordnung, die Stellung der Zentrale zu der »Hochwacht« des Herrn Professor Brunner, einen noch heftigeren persönlichen Zusammenstoß zwischen diesem und den Hamburger Lehrern. Mehr Vereinsdisziplin zeigten die Frauen, die nach Auf lösung des -Frauenbundes zur Bekämpfung der Schund, literatur, der Zentrale beitreten werden und die sich ohne lange Zänkereien auf die Person ihrer weiblichen Vertretung im Vorstand einigten. Vielleicht zieht mit ihrem Eintritt in die Vereinigung wieder der sachliche Ton ein, der allein eine gedeihliche Entwicklung verbürgt. Ein in Menschenhaut gebundenes Buch bildete jüngst den Gegenstand eines Rechtsstreites in Berlin, wobei es sich um die Frage handelte, wieviel so ein gewiß nicht alltäglicher Ein band wert sei. Ein Kunstbuchbinder hatte einer Sortiments buchhandlung ein in echte Menschenhaut gebundenes Exemplar des im übrigen wertlosen Buches »Die knöcherne Hand, zur Ausstellung übergeben; als die Firma während einer Reise des Besitzers das seltene Stück für 75 verkaufte, verlangte der Buchbinder später 450 ^ Schadenersatz, da der Band gut diesen Wert repräsentiere. Interessant waren die Urteile der Sachverständigen. Der Buchbindermeister H. Nitz, dessen Mitteilungen hier zugrunde gelegt sind, gab an, daß Menschen leder ein äußerst seltenes Material sei, das einen ziemlich hohen Wert besitze; es existierten nur ganz wenige Einbände in Menschenhaut, und ihm seien nur sechs bekannt — aus allen diesen Gründen schätze er den Wert des in Rede stehenden Buches auf 450 bis 500 Ein anderer Sachverständiger hatte noch nie einen Einband aus Menschenhaut gesehen, wußte aber aus englischen Zeitschriften, daß solche Raritäten kostspielig seien. Vorgebracht wurde auch noch, daß der Buchhändler Durbon in Paris für ein ebensolches Buch 600 Frcs. verlange. Man einigte sich schließlich auf Vorschlag des Richters auf 175 vor allem weil offenbar in Deutsch land niemand den Geldwert eines so merkwürdigen Buches abzuschätzen wußte und die Vernehmung eines Pariser Sach verständigen doch eine zu umständliche und kostspielige Sache wäre. Jedenfalls dürften danach in Menschenhaut gebundene Bücher zu den teuersten Erzeugnissen der Buchbinderkunst zählen. Wenn das Thema nicht so heikel wäre, könnte man seine Verwunderung ausspreche», daß gerade in dieser Zeit Menschenhaut so teuer ist. Vom Berliner Bibliothekswesen ist einiges allgemein Interessierendes zu berichten: Professor vr. Konrad Bornhak, der Lehrer sür Staats und Verwaltungsrecht an der Berliner Universität, Wendel sich in der Zeitschrift »Gesetz und Recht, gegen die Erhebung der Bibliotheksgebühren, die nach einem Mintsterialerlaß von allen Studierenden halbjährlich bei Belegen der Vorlesungen erhoben und auch von sämtlichen Dozenten etngezogen werden, selbst wenn sie die staatlichen Bibliotheken (Königliche Biblio thek und Universitätsbibliothek) gar nicht benutzen. »Die Gebühr einfach allen auferlegen, von denen man annimmt, daß sie eine staatliche Einrichtung benutzen könnten, macht die Gebühr finanziell natürlich sehr ergiebig. Aber rechtlich be gründet ist dies Vorgehen nicht. Weshalb ist man bei Do zenten und Studenten stehen geblieben? Richter, Oberlehrer, Ärzte haben doch auch die Verpflichtung, sich wissenschaftlich weiterzubilden, und könnten dazu die Staatsbibliotheken be nutzen.« lKortsktzmig aus S. 2W5.j