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Nr. 29 u. 30 Freitag, den 22. Juli 1921. XXIII. Jahrgang Deutsche Gartenbau-Zeitung Bezugspreis (früher „Der Handelsgärtner") Anzeigen bei direktem Bezug vom Verlag: für Deutschland und Deutsch- Oesterreich M. 10.—, durch die Post oder den Buchhandel und für das Ausland M. 40.- pro Kalenderjahr. Ausgabe z. Zt. 14tägig (Freitags). Fachblatt für die deutsche Erwerbsgärtnerei Verlag: Thalacker & Schwarz, Leipzig-R., Comeniusstr. 17. 80 Pfennig für die sechs gespaltene Nonpareille-Zeile, bei Platzvorschrift 100 Pfennig, im Reklameteil M. 2.— für die dreigespaltene 78 mm breite Petit-Zeile. Teuerungszuschlag 100°/0. Inhalt: Vom gefallenen roten Elefanten, und was wir von ihm lernen sollten. — Praxis und Wissenschaft: Die praktische Durchführung der Kohlensäuredüngung im Gartenbau. — Vom gegenwärtigen Stande der Samenzucht und des Samenhandels. — Die Gefährlichkeit der Vereini gung des Erdbeer- und Himbeeranbaues. — Kleinere Mitteilungen — Ausstellungswesen. — Fachunterrichtswesen — Vereine und Versamm lungen — Handelsregister. Blattläuse an Kohl. Vom gefallenen roten Elefanten, und was wir von ihm lernen sollten. Mancher Leser wird witternd die Nase heben, weil er unter dieser Ueberschrift ein politisch Traktätlein vermutet. Es ist jedoch keins, aber dennoch eine Sache, welche die Anteilnahme der Gärtner verdient. Zwar an gefallenen Größen sind die gegen wärtigen Zeitläufte nicht gerade arm. Im Nu ist der Herr Lehmann oder Sauerbier Minister oder Präsident, Im Nu ist er's aber auch schon gewesen. Doch, wie schon bemerkt, von poli tischen Ein- oder Mehrtagsfliegen soll hier nicht die Rede sein. Vielmehr handelt es sich in der Tat, der Ueberschrift getreu, um einen gefallenen Elefanten, und wunderlicherweise nicht um den grauen oder schwärzlichen indi schen oder afrikanischen, sondern um einen schön leuchtendrot gefärbten, d. h. falls er ordentlich reif ist. Verwundert wird mancher Leser den Kopf schütteln: Reife, rote, gefallene Elefanten; welch eigenartige Insassen des großen zoologischen Gartens auf dieser allen Mutter Erde?! — • Doch gibt's da nichts zu staunen. Es ist die Rede von der Erdbeerneuheit „Roter Elefant“, die von ihrem Züchter und einer anderen Firma noch im Frühjahr 1921 um 300 Mark für je 6 Stück in den gärtnerischen Offerten- blättern angeboten wurde und nun bei letzt genannter Firma, etwa 3% Monate später, plötzlich um nur 15 Mark für je 10 Stück, im Tausendpreis sogar um nur 1 Mark je Stück zu haben ist. Man hat als Gärtner und mithin als Inter essent ganz bestimmt das Renht, über einen derartigen plötzlichen Preisturz in ein gelindes Erstaunen zu geraten. Mag sein, daß ja schließ lich jeder das Recht hat, seine Ware so billig oder teuer zu verkaufen, wie er lustig ist. Doch ist es immerhin recht fraglich, ob es in der bis herigen gärtnerischen Neuheitenhandelspraxis bereits; einen derartig plötzlichen „tiefen donnernden Fall“ gab wie den vorliegenden, nämlich von 50 Mark pro Stück auf 1,50 Mark, also um 97 v. H. im Kleinhandelspreis. Es handelt sich nach Meinung des Schreibers jedoch hier überhaupt nicht um eine Privat sache, sondern um einen für den ganzen gärt nerischen Neuheitenhandel grundsätzlich hoch wichtigen Fall, Es ist ja eine bekannte Wahrheit, daß die gärtnerische Neuheitenzüchtung bisher im all gemeinen als ein recht undankbares Beginnen galt. Tatsache ist, daß mancher Züchter an seinen Neuheiten, und seien es auch die wert vollsten, bisher als G e schäftsmann keine reine Freude erlebt hat. Der Gelderfolg stand nicht selten im Mißverhältnis zu der aufge wandten Mühe, und ehe der Züchter die Ernte seines Züchterfleißes einheimsen konnte, war oft die geschäftsunkluge Konkurrenz, also die Nachbauer seiner Neuheit, schon eifrig dabei, den Preis abzubauen. Man hat das früher sehr oft in der Fach presse beklagt. Es ist bedauert worden, daß es nicht für den Pflanzenzüchter auch so etwas wie einen Patentschutz gibt. Aber was soll man nun dazu sagen, wenn eine Firma, die wie der Züchter, vor einem guten Vierteljahr noch 50 Mark für das Stück einer Neuheit forderte, diese nun plötzlich für nur 1.50 M anbietet? Das ist doch Warenhauspraxis der übel sten Art. Entweder der „Rote Elefant“ ist gut und so wertvoll, wie ihn sein Züchter hinstellt. Nun, dann ist es doch das einzig Richtige, den Preis so lange als angängig so hoch wie irgend mög lich zu halten. Denn eine gute Pflanzenneu heit ist doch schließlich ebenso ihr Geld wert wie ein patentierter Hosenstrecker oder irgend ein anderer Gebrauchsgegenstand. Gewiß, 50 Mark für eine Erdbeerpilanze war ja nicht billig, aber wenn man an unseren gesunkenen Geldwert denkt, so ist dieser Preis gar nicht so fürchterlich hoch, wie es auf den ersten Blick scheint. Es ist klar, daß dieser Preis allmäh lich abgebaut werden muß. Aber sehr vom Uebel ist es, wenn das so ungeheuer plötzlich geschieht, Oder der „Rote Elefant" oder irgendeine an dere Pflanzenneuheit ist schlecht. Dann sind sogar nur 50 Pfennige pro Stück noch ein zu hoher Preis, Das ist die eine Seite der Sache. Die an dere aber ist die ; Wer soll in Zukunft noch Pflanzenneuheiten kaufen, in der Absicht, sie zum Pflanzenvertrieb geschäftlich auszunutzen, wenn er auf derartige unvernünftige Preisher absetzungen rechnen muß? Es ist doch klar, daß auf diese Weise alles gegenseitige Ver trauen auf die geschäftliche Solidarität der Er werbsgärtner in die Brüche gehen muß! Als der Verfasser dieser Zeilen den Preis von 50 Mark für den in Rede stehenden „Roten Elefanten“ zum ersten Male las, da war er der Ansicht: Endlich werden die Neuheitenzüchter vernünftig. Als ihm aber die Kunde von dem gewaltigen urplötzlichen Preissturz wurde, da mußte er leider diese gute Hoffnung begraben. Mancher Gartenbaubetriebsinhaber wird ein wenden; „Ja, wir freuen uns darüber, wenn wir gute Neuheiten billig kaufen können,“ und es ist ja auch dieser Standpunkt zu ver stehen, Aber nicht in aller Allgemeinheit zu billigen, Denn im Interesse der Gesamtheit des Erwerbsgartenbaus liegt es, wenn gärt nerische Neuzüchtungen, mit denen auch der Nachbauer noch ein gutes Geschäft machen könnte, nicht plötzlich zu einem Preise ange boten werden, der, relativ betrachtet, mit einem Schleuderpreise sehr große Aehnlich- keit hat, sondern stufenweie im Preise abge baut werden. Jedenfalls hat mindestens jeder Käufer, der eine Neuheit kurze Zeit vorher von einer Vertriebsfirma erwarb, das Recht zu for dern, daß diese Firma nicht nach so kurzer Frist einen derartig gewaltigen Preissturz für die in Betracht kommende Neuheit in Szene setzt. Was ist nun aus dieser Sache zu lernen? Es scheint dem Verfasser notwen dig zu sein, daß der Neuheitenhandel nicht der Willkür des einzelnen überlassen wird, son dern daß die Neuheitenzüchter sich vereinen, um in irgendeiner Weise bindende Normen für diesen überaus wichtigen Teil des Gartenbau handels zu schaffen. Es ist nicht Aufgabe und Zweck dieser Zeilen, das ,,W i e“ zu erörtern. Der Zweck war vielmehr nur, die Aufmerk samkeit weiterer Fachkreise auf die geschäft liche Bedeutung der Sache hinzulenken. 2 Praxis und Wissenschaft | Die praktische Durchführung der Kohlensäuredüngung im Gartenbau. Von Dr.-Ing. Friedr. Riedel, Essen In den letzten Jahren ist in einer ganzen Reihe von Fachzeitschriften die Kohlensäure düngung auf Grund zahlreicher Versuche be sprochen und deren Aussichten erörtert wor den, Es dürfte deshalb angezeigt sein, auch an dieser Stelle auf die bisher erzielten prak tischen Erfolge der Kohlensäuredüngung hin zuweisen. Seit Liebig wissen wir, daß für die Ernährung der Pflanzen nicht nur die Wurzeln die Auf gabe haben, Wasser und mineralische Bestand teile aus der Erde aufzunehmen, sondern daß auch die Blätter dazu bestimmt sind, die Kohlensäure aus der Luft aufzusaugen, um sie unter dem Einfluß des Sonnenlichtes zu zer legen und den Kohlenstoff mit Hilfe des Wur zelsaftes zu den organischen Verbindungen zu verarbeiten. Wir verstehen deshalb, wenn die Wissenschaft auf Grund eingehender For schungen zu der Ueberzeugung gelangte, daß in vorgeschichtlichen Zeiten, wo die Erde mit einer überaus üppigen Flora bedeckt war, der Kohlensäuregehalt der Luft höher gewesen sein muß als jetzt; denn wie hätten sonst die Pflanzen, deren Ueberreste wir ja heute noch in unseren ausgedehnten Kohlenlagern vor uns haben, damals in so erstaunlichen Abmessun gen und so großen Mengen erwachsen können! Ist aber dieser Schluß berechtigt, so dürfen wir aber auch für unsere jetzige Pflanzenwelt folgern, daß demnach durch eine künstliche Zufuhr von Kohlensäure eine Steigerung des Wachstums zu erwarten ist. Noch wahrschein licher wird dies, wenn wir bedenken, daß z. B. Kartoffeln neben 75 vH Wasser 1 vH minerali sche Stoffe, etwa 3 vH Stickstoff und 12 vH Kohlenstoff enthalten. In Roggenkörnern, die nur 15 vH Wasser enthalten, finden wir noch weit mehr Kohlenstoff, nähmlich 41 vH, neben 2 vH mineralischen Stoffen und 1,8 vH Stick stoff. Die Bedeutung des Kohlenstoffes und damit der Kohlensäure wächst aber noch mehr, wenn wir daran denken, daß sich in diese 1 bis 2 vH mineralische Bestandteile stets neun ver schiedene Grundstoffe teilen, wovon bekannt lich beondere Bedeutung das Kalzium (als Hauptbestandteil des Kalkes), das Kali und der Phosphor besitzen. Bezüglich dieser letzteren Stoffe, einschließlich des Stickstoffes, konnte Liebig zeigen, daß trotz der geringen Mengen, die die Pflanze hiervon benötigt, der jahr- hunderte-, ja jahrtausendelang in Kultur be findliche Boden an einzelnen dieser Stoffe ver armt und allmählich geringere Erträgnisse lie fert, Auf dieses Gesetz des Minimums hat be kanntlich Liebig nachdrücklich hingewiesen und die Erkenntnis der Notwendigkeit künst licher mineralischer Düngung ist sein großes Verdienst. Eine ausgedehnte Düngerindustrie ist seitdem entstanden, mit dem Erfolge, daß der Ertrag unserer Aecker in Deutschland um etwa 50 vH gestiegen ist. Troz des großen Bedarfs an Kohlenstoff hielt man dagegen eine künstliche Zufuhr von Kohlensäure nicht für nötig, weil man der Mei nung war, daß es den Pflanzen trotz des nied rigen Kohlensäuregehaltes (0,03 vH) der Luft bei der unermeßlichen Ausdehnung der Atmo sphäre nie an Kohlensäure mangeln könne.