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Nr. 28 u. 24 Freitag, den 10. Juni 1921. XXIII. Jahrgang Deutsche Gartenhau-Zeitung Bezugspreis bei direktem Bezug vom Verlag: für Deutschland und Deutsch- Oesterreich M. 16.—, durch die Post oder den Buchhandel und für das Ausland M. 40.— pro Kalenderjahr. Ausgabe z. Zt. 14tägig (Freitags). (früher „Der Handelsgärtner") Fachblatt für die deutsche Erwerbsgärtnerei Verlag: Thalacker & Schwarz, Leipzig-R., Comeniusstr. 17. Anzeigen 80 Pfennig für die sechs gespaltene Nonpareille-Zeile, bei Platzvorschrift 100 Pfennig, im Reklameteil M. 2.— für die dreigespaltene 78 mm breite Petit-Zeile. Teuerungszuschlag 100%,. Inhalt: Willigis, Willigis, Denk, woher du kommen sis! — Praxis und Wissenschaft: Die richtige Formbehandlung der Pyramiden laubbäume. — Verheerendes Auftreten des Erdbeerblütenstechers im deutsch-böhmischen Elbetale. — Interessante Beobachtungen über Nachtfrostsdäden. — Mit dem Verkauf der Handelsgärtner an Private. — Rechtspflege. — Kleinere Mitteilungen. — Vereine und Versamm lungen. — Ausstellungswesen. — Fachunterrichtswesen. — Handels nachrichten. — Genossenschaftsregister. — Handelsregister. Kon kurse. — Personalien. Des Meeres und der Liebe Wellen. (Erzählung.) Willigis, Willigis, Denk, woher du kommen sis! Dieses bischöfliche Mahnwort aus alter deut scher Vergangenheit hat auch für unsere Tage noch Wert und Klang. So z. B. in bezug auf das gegenseitige Verhältnis zwischen Blumen handel und Gartenbau. Wie liegen doch jetzt die Dinge? Der Blu- menhandel hat das Bestreben, seinen Stand als ein Ding für sich hinzustellen, als einen Sonderberuf, der mit dem erzeugenden Gar tenbau nur in einem sehr losen Zusammenhang stehe, als einen Beruf der auch bedeutend grö ßere geistige Qualitäten von seinen Jüngern erfordert. Denn, so sagen die Herren, das Blumengewerbe ist nicht ein Gewerbe schlecht weg, wie der Handel mit irgendwelchen Krä merwaren mit Band und Spezereien, sondern veredelt die Ware, die ihm der Gärtner, der Lieferant (in Anführungsstrichen), gewisser maßen als Rohstoff liefert. Aus diesem Grunde hat auch der Blumen handel kein Interesse daran, den Gartenbau wirtschaftlich zu stützen, ihm in Zeiten der Not zur Seite zu stehen. Im Gegenteil, da das Verhältnis beider Berufe ein rein geschäfts mäßiges ist, so nimmt das Blumengewerbe sei nen Werkstoff, die Blumen daher, wo es sie am billigsten erhalten kann. Wenn nicht aus deutschen Gärtnereien, dann eben einfach aus dem Süden, wo die Blumen, die hier mühselig und kostspielig unter Glas gezogen werden müssen, zum größten Teil unter freiem Himmel gedeihen und daher für einen Pappenstiel er standen werden können, oder vielmehr konn ten. Denn noch sind nicht die Verhältnisse wie früher wiedergekehrt, aber es ist doch der innigste Wunsch gar vieler Herren von der Zunft, daß sie recht bald wiederkehren möchten. In neuerer Zeit hat sich besonders Herr Olbertz in Erfurt für diese Angelegenheit in teressiert und zu diesem Zwecke sogar eine Reise nach Italien unternommen. Aber mit dieser Sonderangelegenheit wollen wir uns nicht beschäftigen, sondern nur einmal kurz auf das gegenseitige Verhältnis zwischen Blu menverkaufs- und Verwertungsgewerbe und Blumengärlnerei eingehen. Dabei wollen wir uns auf den historischen Standpunkt stellen, und vor allem davon ausgehen, daß die größte Mehrzahl der Geschäftsinhaber des Blumen handels aus dem Gartenbau hervorgegangen ist. Gewiß sind auch Angehörige anderer Be rufe, z, B. eine größere Anzahl von Kaufleu ten, Blumenhändler geworden, aber den weit überwiegenden Anteil der Angehörigen dieses Berufs stellen doch ehemalige Gärtner, Män ner, die auch einstmals in jüngeren Jahren den Spaten in die Erde senkten und im Schweiße ihres Angesichts in den Gewächshäusern ar beiteten. Doch sie sattelten um, sie vertausch ten den Beruf des Erzeugers des Rohstoffes mit dem des Verarbeiters und Veredlers des selben, und nun fühlen sie sich als etwas ganz anderes, nicht als ehemalige Kollegen, sondern, leider! als wirtschaftliche Gegner, oder doch wenigstens als Leute, die an einem ganz an deren Strange ziehen als die Gärtner, mit denen sie daher innerlich nichts mehr verbindet. Und das sollten doch diese Herren -sich an ihre Gärtnerzeit erinnern, sie sollen eingedenk sein der Tatsache, daß wohl nur ein kleiner Bruchteil von ihnen umgesattelt hat, aus kunst gewerblichen Gestaltungsdrang, sondern die meisten wohl deshalb, weil sie —, mit Recht erhofften, im Blumengewerbe müheloseres und mit weniger Risiko verbundenes Auskommen zu finden, Wohl ihnen, daß es ihnen gelang! Aber be denken sollten sie, daß das Gärtnerblut in ihren Adern ihnen gewisse Verpflichtungen ihrem alten Berufe gegenüber auferlegt, oder doch wenigstens auferlegen sollte. Praxis und Wissenschaft | Willigis, Willigis, Denk woher du kommen sis! Die richtige Formbehandlung der Pyramidenlaubbäume. Pyramiden, oder richtiger, säulenförmige Laubgehölze gehören zu dem wichtigsten Werkstoff der Landschaftsgärtner. Leider er- | füllen sie aber häufig nicht die Ansprüche, welche man in bezug auf ihre Formschönheit an sie stellen muß. So werden z. B, die Säu lenpappel, sobald sie ein gewisses Alter über schritten haben, von unten her kahl und ver lieren so ihre Schönheit, die doch in der Hauptsache darin besteht, daß sie bis zum Bo den mit grünnendem Zwergwerk bekleidet sind. Um einmal bei dieser Baumart stehen zu bleiben, so sei erwähnt, daß es ein sehr ein faches Mittel gibt, sie bis zu einem hohen Alter in einer das Auge befriedigenden Form zu er halten. Das Mittel besteht in richtiger Be handlung durch zweckmäßigen Schnitt. Dieser Schnitt muß schon frühzeitig einsetzen und dauernd gewissenhaft durchgeführt werden, um sicher zum Erfolg zu führen, Zur Pflanzung wähle man, besonders wenn es sich darum handelt, etwa Baumgänge auf Friedhöfen oder Baumkreise in Kriegerehrungs stätten zu bilden, selbstverständlich nur bis zum Boden gut bezweigte Bäume, Den Haupt stamm schneide man, um etwa ein Viertel zu rück, und stutze sämtliche Zweige durch schnittlich ein Drittel, Auf diese Weise wird bewirkt, daß sowohl der Stamm als auch die Zweige von unten heraus kräftigen Aus trieb machen. Jedes zweite Jahr behandle man die Bäume in dieser Weise. Sobald sie etwa zehn bis zwölf Jahre an ihrem Platz gestanden haben, beginnen jedoch trotz der regelmäßigen Durch führung dieses Schnittes von unten her die Zweige an Wuchskraft abzunehmen, der Stamm fängt also an sich zu reinigen, d. h. langsam kahl zu werden. Um das zu verhindern muß jetzt ein stärkerer Eingriff vorgenommen wer den. Man schneidet sämtliche Seitenzweige von etwa Meterhöhe über den Boden an, sehr kräftig bis auf ungefähr ein Viertel bis ein Fünftel ihrer ursprünglichen Länge zurück, kürzt den Hauptstamm ebenfalls ungefähr um ein Viertel bis ein Fünftel, wie es das Gesamt bild der Pflanzung erfordert, und läßt die un teren Seitenzweigen bis zu etwa einem Meter Höhe über der Erde entweder ganz unbeschnit ten, oder nimmt ihnen doch wenigstens nur ein Viertel ihrer Länge. Durch diesen Ein griff werden die Ernährungsverhältnisse der unteren Seitenzweige so erheblich verbessert, daß sie sehr kräftige Triebe geben, und der artig behandelte Bäume bauen sich in Zukunft als ganz prächtig breite Säulen auf. Nach einer Reihe von Jahren kann das Verfahren wieder holt werden, falls es wieder notwendig werden sollte. Ganz zu verwerfen ist aber natürlich das Köpfen der Säulenpappeln, etwa bis zur Hälfte ihrer Stammlänge, und ein vernünftiger Baumfleger sollte eine derartig jammervolle Schinderei nicht begehen. Säulenulmen und Säuleneichen haben die üble Angewohnheit, im höheren Alter gern aus der strengen Säulenform herauszuwachsen. Auch bei ihnen muß ein regelmäßiger Rück schnitt angewendet werden. Jedoch vermeide man den für die Säulen pappeln empfohlenen oben beschriebenen starken Eingriff, und beschränke sich auf einen jedes zweite Jahr anzuwenden mäßigen form verbessernden Rückschnitt der Zweige. Man kann auf diese Weise besonders bei den Ulmen wundervolle schlanke Säulenbäume er ziehen. Jeder Zweig, der Neigung zeigt, stark aus der Form herauszuwachsen, muß natürlich von vornherein' sofort ganz ausgeschnitten werden, Wenn auch leider heute die Garten gestalter nur ein wenig umfangreiches Ar beitsfeld haben, so sollen die berufenen Pfle ger bereits bestehender gartenkünstlerischer Schöpfungen doch alles daran setzen, das Vor handene in sachgemäßer Weise zu pflegen. Verheerendes Auftreten des Erdbeerblüten- Stechers im deutsch-böhmischen Elbetale, Man schreibt uns: In den Erdbeerkulturen in Sebu- sein und wahrscheinlich auch anderswo tritt heuer der gefürchtete Erdbeerstecher (Antho- nomus rubi) stark und verheerend auf, Fast sämtliche Erdbeerkulturen sind von ihm befal len, auch wenn die Parzellen noch so weit räumlich voneinander getrennt stehen. Die Schädigungen an den Fruchtblüten in der Blütezeit durch den Blütenstecher geschehen in der Art. daß der winzig kleine Rüsselkäfer nach Ablage eines Eichens in die Blütenknospe, knapp unterhalb dieser den Knospenstengel durchnagt. Die Blütenknospe verwelkt sofort blüht nicht mehr auf, bricht nicht mehr auf und fällt nach kurzer; Zeit trocken zu Boden. Durch starkes Auftreten und dadurch, daß ein Käfer bis 200 Eier ablegt, mithin gleichzeitig die gleiche Zahl Fruchtblüten absticht, sind die Erdbeerstecher sehr schädlich und imstande, bei Massenauftreten die gesamte Erdbeerernte zu vernichten, was in Sebusein auch der Fall ist. Was die Vertilgung der Erdbeerstecher betrifft, so sind wohl Mittel in der Blütezeit bekannt, darunter erstens das Absammeln und Abschütteln der abgestochenen Knospen und der in den kurzen Beiblättern der Blütensticle sitzenden Rüsselkäfer auf Papierunterlagen, am besten in den Morgenstunden. Hierdurch werden Käfer und Eiablagen gesammelt und verbrannt. Zweitens: Bestreuen der Blüten- stengel mit Kalkpulver, dem mit Vorteil 10 vH Naphthalin beigemischt wird, wodurch die Kä fer verjagt, ihnen der Aufenthalt verleidet wird. Von sicherer Wirksamkeit ist die Be kämpfung der verpuppten Schädlinge im Herbst und Winter. Die Erdbeerbeete müssen vorerst tief umgegraben werden, dann wird bei trockenem Wetter gebrannter Kalk in klei nen Stücken zwischen die Erdbeerstöcke un- tergehackt, wo er sich selbst löscht; die ätzende Beschaffenheit des untergebrachten Kalkes wirkt auf die im Boden überwinternden Erd- beerstecherpuppen geradezu vernichtend, und es ist noch selten vorgekommen, daß ein tiefes Umgraben und Einhacken von Aetzkalk gegen den Erdbeerstecher nicht geholten hätten, demnach darf bei den jetzt befallenen Erdbeer- kulturen der Winterkampf nicht vergessen werden.