Volltext Seite (XML)
Nr. 37 u.38 Freitag, den 16. September 1921. XXIII. Jahrgang Deutsche Gartenbau-Zeitung Bezugspreis bei direktem Bezog vom Verlag: für Deutschland und Deutsch- Oesterreich M. 16.—, durch die Post oder den Buchhandel und für das Ausland M. 40.- O pro Kalenderjahr. Ausgabe z. Zt. 14tägig (Freitags). (früher „Der Handelsgärtner") Fachblatt für die deutsche Erwerbsgärtnerei Verlag: Thalacker & Schwarz, Leipzig-R., Comeniusstr. 17. Anzeigen 80 Pfennig für die sechs gespaltene Nonpareille-Zeile, bei Platzvorschrift 100 Pfennig, im Reklameteil M. 2.— für di« dreigespaltene 78 mm breit« Petit-Zeil«. 0 Teuerungszuschlag 100°.. Inhalt: Rosenzeit und Rosenheim. — Handelsgärtnerund„Klein- gärtner“. — Praxis und Wissenschaft: Ein Uebelstand beim Samen handel. — Sammelt Walnüsse zur Aussaat. — Kleinere Mitteilungen. — Rechtspflege. — Fachunterrichtswesen. — Vereine und Versammlungen. — Ausstellungswesen. — Handelsnachrichten. — Personalien. Des Meeres und der Liebe Wellen. (Erzählung.) 7. Fortsetzung. Rosenzeit und Rosenheim. (Ein Stimmungsbild aus Sangerhausen). Von Prof. E. Gnau. ,,Wieder sind die Tage der Rosen!“ So klang es durch die diesjährige Rosentagung des Ver eins Deutscher Rosenfreunde in Gotha am 16, und 17. Juli. Obwohl bei der Ausstellung der Rosen dort die rheinischen Rosenzüchter wegen der feindlichen Sperre fehlen mußten, so über traf doch diese Ausstellung an Form und Farbe der deutschen Neuzüchtungen alles, was bisher an Rosen gesehen worden ist. Die gel ben, die Lutea-Hybriden sind Mode, die näm lich, welche bisher Lyon-Rosen oder nach dem Lyoner Züchter Pernetiana-Rosen hießen, deren Züchtung aber eine deutsche Erfindung ist, des pfälzischen Arztes Dr. Müller-Weingarten, eines Mannes, der mit seinen glänzenden Züch tungen so wenig ein Geschäft zu machen be strebt war, daß heute noch erst ganz wenige derselben einen Namen haben, darunter Ger mania und Gruß an Sangerhausen. In Gotha war zu sehen und zu hören, daß der Verein Deutscher Rosenfreunde, der die Ausstellung veranstaltete, seinerseits mit Ener gie am Werke ist, unser Volk wieder zur Freude am wahrhaft Schönen und durch sein Beispielauchzuneuer erfolgreicher Arbeit zu erziehen. Zählt doch der Verein bereits wie der zweihundert ausländische Mitglieder. Ja, wir sahen es dort: Trotz Schmach und Not, hier jubelt ein fleißiges Geschlecht von Schöp fern deutscher Werte: „Wieder sind die Tage der Rosen!“ Neben den vielen deutschen Neu züchtungen altbekannter und neuer Rosen firmen wurden mit Preisen bedacht die an Sor tenzahl reichsten Gruppen des unter selbstän diger Leitung stehenden Vereins-Rosars zu Sangerhausen, und um die Weiterführung und weitere Ausgestaltung dieses einzigartigen Rosenhains drehten sich auch z. T. die Ver handlungen des am zweiten Festtage in Gotha abgehaltenen deutschen Rosenkongresses. Drum erklang nun auch für die Rosenfreunde dort der Lockruf: Auf nach Sangerhausen, zu unserem Rosenheim! Sangerhausen, nur ein Ort sonst dessen Name wie Eichenberg, Alten beken, Rietschenhausen täglich ausgerufen wird an den großen Bahnhöfen wichtiger Verkehrs strecken, fettgedruckt in den Kursbüchern, damit er als Durchgangsstation nicht über sehen wird von denen, die in der Reisezeit Gott weiß wohin wollen. Eine Stadt, die aber dem Vergnügungsreisenden meist nur ihre roten Dächer zeigt, ehe er, in den Bahnhof ein fahrend, den Ruf „Station Sangerhausen, sie ben Minuten Aufenthalt“ gleichgültig an sein Ohr klingen läßt. Eine kurze Charakteristik, doch meist genügend für den Berliner Ferien reisenden, dem einmal im Jahre Gott will rechte Gunst erweisen. Vielleicht aber wird dieser doch aufmerksam auf den von einer Rosenanlage flankierten stattlichen Bahnhof, an dem der Reisezünftler sonst achtlos vor beifährt, und sicher weckt nun ein kundiger Reisenachbar die Neugier nach „unserem Rosenparadies“, wie kürzlich ein Festpro gramm den Sangerhäuser Rosengarten nannte. Steigt man dann aus, siehe, da grüßt der Kyff häuser in bläulicher Ferne, und gegenüber stei gen freundliche Berge auf, mit den berühmten Kirschplantagen des alten Kaiserpfalzortes W’allhausen aus der Ottonenzeit, und der Fra gende erfährt, daß hinter diesen Bergen die herrlichsten Laubwälder des Südharzes meilen weit ein Gebiet überschatten, das der Köhler nebst dem Bergmann vergangener Zeit heute an den Jäger und an den einsamen Natur schwärmer abgetreten hat, und dessen ver steckte Harzwalddörfer in den Augen des letz teren den im Harz einzig dastehenden Vorteil bieten, von den Berliner Luftschnappern noch nicht entdeckt zu sein. Diese Wälder sind der Stolz Sangerhausens; an ihren Rändern sucht der Rosar-Gärtner gegen Entgelt an die Forst kasse seine Wildlinge. Aber auch ihre alte Jägerstadt haben die Bürger mit einem Kranze herrlicher Bäume eingefaßt, deren Schatten uns aufnimmt, wenn wir den Bahnhof verlassen. Fragen wir nach den anderen Schönheiten und Merkwürdigkeiten der Stadt, so erzählt man uns von eigenartigen Kirchen aus gotischer und auch romanischer Zeit, von dem stattlichen Renaissancebau des „Neuen Schlosses“, erbaut einst für die Herzöge von Sachsen-Weißenfels, von dem ältesten in das Rathaus eingemauerten Roland und von dem sehenswerten Altertums- Museum. „Wächst dort noch Gras in den Straßen?" So fragte neulich Hindenburg aus seinen Ma növererinnerungen heraus einen Sängerhäuser Arzt, der ihn besuchte. Gras in den Straßen einer Stadt, die als Stadt der goldenen Aue jüngst jenen Räuberhauptmann mit seinem Kommunistengesindel anzog, der vor Gericht in Moabit der Welt als Scheinprophet zu impo nieren dachte, mit dem irgendwo aufgelesenen emphatischen Worte: „Es naht der Tag der Freiheit und der Rache!“ Gras in den Straßen dort, wo am Bahnhofe die Kugelspuren und die zerschossenen Uhren — wie lange noch? — von dem blindwütigen Schießen am Ostersonnabend erzählen, das die im Rauben gestörte, und dann in großer Ueberzahl von Versteck zu Versteck heranschleichende feige Bande gegen die fast nicht mehr rechtzeitig angekommene kleine Mannschaft der Schutzwehr zehn Stunden lang unterhalten hat! Heute durchströmen andere, nämlich harmlos frohe Scharen unsere Rosen stadt, die Straßen mit den rosengeschmückten Vorgärten, an den Wegweisern vorbei, die hin aufzeigen zum Rosarium! Zum Stadtpark, an der Straße Halle—Cassel, geht's hinein, durch ein Naturholztor mit der alten Inschrift von der Goetheschen Dornburg: „Freudig kehre hier ein, und froh entferne dich wieder; ziehst du als Wanderer vorbei, segne die Pfade dir Gott!" Schauer der Ehrfurcht umwehen uns hier nicht, denn die Anlage ist erst zwanzig Jahre alt, jedoch zwischen inländischer und auslän discher Bäume hindurch, über Teiche hin winkt dem Sommergäste ein Rosenflor ohne gleichen. Das ist das Rosarium des „Vereins Deutscher Rosenfreunde“, der hier anfangs nur eine klei nere Anlage schaffen wollte, um die alten ver gessenen schönen Rosensorten zu sammeln und zu pflegen, die heute meist nur in Bauerngärten und auf Kirchhöfen sich finden. Selbst die Rose ist ja, wie alles, eine Modesache. Aber die An lage ist weit über ihren ursprünglichen Zweck hinausgewachsen. Von den vierzig Morgen des Stadtparkes sind acht Morgen mit Rosen be stellt; über dreißigtausend hohe und niedere Rosenstöcke blühen da, in sechstausend Sor ten, und, im Anschluß an die Hauptanlage der Edelrosen, im Wildrosenpark, in Arten und Ab arten, vierhundert Sorten Wildrosen aus aller Welt, die ebenfalls deutscher Forscherfleiß ge sammelt hat, in der Person des bekannten Bo tanikers Dr. Dieck in Zöschen, die aber, damals in französischen Besitz geraten, erst durch Reiserkultur aus dem Rosarium l'Hay bei Paris hierher verpflanzt werden konnten. Die Edel rosen sind nach gärtnerischen Grundsätzen, die Wildrosen botanisch systematisch und doch in landschaftlicher Gruppierung verteilt, so daß Gärtner wie Rosenliebhaber, Botaniker wie Naturfreunde gleichermaßen hier zu ihrem Rechte kommen. Der Wildrosenpark ist der größte botanische Rosengarten Deutschlands, und durch seine landschaftliche Lage und Ge- staltung, wie durch seinen Reichtum an Rosen und Parkgewächsen ist dieses Rosarium jeden falls das schönste von allen, die es geben mag. Es dient der Freude an der Rose, aber auch dem Studium der Rose in bezug auf ihre Varia bilität, ihre Wachstums- und Züchtungsbedin gungen. Die mustergültige Etikettierung und eine vorhandene Bibliothek ermöglichen hier auch das Studium der Geschichte der Rosen zucht. Für die Rosenzüchter, die ihre Neu- heiten hierher schicken, hat das Rosarium die ■ Bedeutung einer Dauerausstellung. Schon vor dem Kriege war es jährlich von 30 000 Fremden besucht. Die Kaiserin Augusta Viktoria, deren Bild, in Serrarezza-Marmor ausgeführt von Arnold Künne in Charlottenburg, auf die An lage herabschaut, war seine Protektorin. Nur frisch im Grün den Weg hinauf; Dort oben geht das Herz dir auf! So ladet ein Spruch auf einer Bank den Fremden zum Eintritt ein. Ja, das Herz muß uns aufgehen, wenn wir sehen, wie mutig und .kraftvoll deutscher Fleiß sich auf sich selbst besinnen will, und wenn wir, wie hier, die Er fahrung machen, daß über alle Torheit und alle Selbstsucht hinweg doch die Liebe am Schönen und Guten, und opferfreudige Treue wieder wach werden. Als Hindenburg seine Verwun derung darüber geäußert hatte, daß in diesen durch grasige Straßen und stille Winkel zum Teil ländlich verschlafen erscheinenden Städt chen sich der politisch gefärbte Räuberunfug breitmachen konnte, da ging ihm aus dem Ro sarium eine Rosensendung zu mit folgendem Verse: Einst sahst du Gras in unsern Straßen wachsen, Jetzt grüßen dich die Rosen dieser Stadt: ! Nicht Kommunisten nur gibt's hier in Sachsen, Das nach wie vor auch treue Männer hat! Ja, es klinge weiter, durch das deutsche Volk, voll Sehnsucht und Vertrauen: „Merkt auf die Tage der Rosen!“ Handelsgärtner und „Klein gärtner“. Wiewohl ich inmitten vieler Kleingartenbe sitzer wohne, habe ich, wie auch die Kollegen von einer eigentlichen Konkurrenz der Garten inhaber (hier hat fast ein jeder einen Garten) noch nicht viel gemerkt. Im Gegenteil, alle diese „Kleingärtner“ brauchen viel Pflanzen, Samen, Blumen, Kranzgrün, Bedarfsartikel usw. Daß durch die Kleingärten eine Menge Ge müse und auch Obst herangezogen wird, ist selbstverständlich, denn die meisten haben in der Kultur derselben gute Erfahrungen, und wer sie noch nicht hat, der hilft sich mit Fra gen, macht allerdings auch oft etwas verkehrt und Mißerfolge finden sich bei dem einen und dem andern immer, was ja auch bei uns der Fall ist Aber trotz aller Gärten ist immer noch Nachfrage nach Gemüse, namentlich nach Früh gemüse aus dem freien Lande. Getrieben wer den hier höchstens Gurken, dann natürlich Salat. Sicheren Absatz findet man für einge-