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Allgemeiner Anzeiger : 16.12.1908
- Erscheinungsdatum
- 1908-12-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190812163
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19081216
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19081216
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-12
- Tag 1908-12-16
-
Monat
1908-12
-
Jahr
1908
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 16.12.1908
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r Vie äeutlcke Gekakr. In England greift die Furcht vor der ver meintlichen „deutschen Gefahr" täglich weiter um sich. Große Marine- und Landheeroffiziere sprechen von der Gefahr eines deutschen An griffs, wie von einem unvermeidlichen Schicksal. Das zeigte eine Versammlung höherer Marine offiziere, in der wieder Deutschland als das Schreckgespenst Europas hingestellt wurde. So sagte Admiral Noel in einer Rede u. a., Deutschland habe die Nordsee zum Paradeplatz für seine Flotte gemacht, weshalb sollte also England angesichts dieser Tatsache seine Küsten verteidigung vermindern, wie es unter der jetzigen Negierung geschehen sei. Man gebe jetzt ja eine ganze Menge Geld aus für die Marine, man habe zum Beispiel die Gehälter erhöht und bezahle solche auch weiter, wenn die Leute oder Offiziere längeren Urlaub erhalten, aber das trage nicht dazu bei, die Biarine schlagfertiger zu machen. Die Leute sollten sich nicht zu Hause an Land herum- lreiben, sondern die Schiffe als ihre Heimat be- lrachlen lernen. Der, Admiral gab ferner die Erstaunen er regende Erklärung ab, eine Dreadnought (die größte Kriegsschiff-Art) sei nicht wirksamer als irgend ein anderes Kriegsschiff, man solle dafür sorgen, daß mehr kleine Schiffe für die Küsten verteidigung gebaut würden. Im Gegensatz zu diesen Äußerungen seines Kameraden beklagte Admiral Smith, daß Deutschland zehn Dread noughts erbaue gegen die acht Englands. Die Flotte müsse immer in den heimischen Gewässern konzentriert bleiben, da Englands Landarmee zu schwach sei. Diese solle unbe dingt auf mindestens 500 000 Mann erhöht werden, die in 48 Stunden mobilisiert werden können, sonst sei auch der Zweimächtemaßstab zur Verteidigung der Heimat ungenügend. Lord Lee, vormals Erster Lord der Admiralität, gab seiner Überraschung über Admiral Noels Er kürung Ausdruck, daß „Dreadnoughts" nicht besser als andre Schlachtschiffe seien. Mister Bellairs wußte mitzuteilen, daß das deutsche Floltenprogramm sich fortwährend erweitere, während das englische nicht einmal eingehallen würde. Admiral Freemantle führte als Beispiel für die unzureichende Zahl englischer Kriegsschiffe an, daß kürzlich ein deutsches Kriegsschiff für ein englisches Kauffahrteischiff in Sansibar ein treten mußte, weil kein englisches Kriegsschiff in jenen Gewässern war. Auch alle übrigen Redner malten diedeutscheGefahr recht lebhaft aus. Auch in einem Artikel über die mangelhafte Verteidigung von Sheerneß, den einige Zeitungen veröffentlichten, muß die deutsche Gefahr der Werbearbeit zur Vergrößerung der Flotte dienen. Sheerneß ist das Hauptquartier der englischen Heimalflotte an der Ostküste. Hier sind unter andern auch vier Dreadnoughts und eine große Anzahl andrer mächtiger Linienschiffe stationiert, die oftmals des Nachts in dem leicht zugäng lichen Hafen sorglos vor Anker gehen. Der Schreiber des Artikels erinnert die Regierung daran, daß kaum 800 Meilen ent fernt, in Wilhelmshaven, angeblich 36 Zerstörer auf der Lauer liegen. Diese könnten beim An bruch der Nacht die deutsche Küste verlassen und in der Morgendämmerung in Sheerneß ein treffen und fürchterliche Zerstörung unter den ahnungslosen Schlachtschiffen anrichten. Eng land könne diesen 36 deutschen Zerstörern höchstens 24 entgegenstellen. Man müsse schleunigst Vorkehrungen treffen, um eine Über raschung zu verhüten, die gleich zu Anfang eines Krieges England seine besten Schiffe kosten könne. — Trotz aller Friedensbeteuerungen und Freundschastsreden denkt man in England immer nur an den Krieg. politilcke Kunälckau. Deutschland. * Kaiser Wilhelm wird sich anfangs Januar zu kurzem Besuch nach Hamburg begeben. * Staatssekretär Dernburg beabsichtigt, über seine Reise nach D e u t s ch - S ü d w e fr - Afrika vor den Mitgliedern Les Reichstages und einem geladenen Publikum einen VortrW zu halten. I * Entgegen anderslautenden Mitteilung^ wird halbamtlich festgestellt, daß die verbündeten Regierungen nach wie vor die Erbschafts - und Nach laß steu er als einen unerläßlichen Bestandteil des dem Reichstage vorgelegten Steuerreformwerkes betrachte. *Jn verschiedenen Blättern ist die Nachricht verbreitet worden, daß die preußischen Vorschläge wegen der Bildung eines Zweckverbandes deutscher Bundesstaaten für den Ausbau des oberrheinischen Wasserstraßennetzes unter Zu hilfenahme von Schiffahrtsabgaben in Holland zurückgewiesen worden seien, und daß infolgedessen Preußen darauf verzichtet habe, die auf landesgesetzlicher Anordnung beruhenden Bestrebungen nach Einführung von Schiffahrts abgaben auf allen natürlichen Wasserstraßen forlzusetzen. Diese Nachricht ist, wie halbamtlich erklärt wird, unzutreffend. * Der oldenburgische Landtag beschloß eine Änderung des Staatsgrundgesetzes, wonach die Einführung des geheimen allgemeinen direkten Landtagswahlrechtes erfolgen kann. Lsterreich-Ungm n. * Der Etatsvorschlag für das Jahr 1909, den der Finanzminister im österreichischen Abgeordnetenhause eingebracht hat, ist infolge der erhöhten Ausgaben für Heer und Diarine um 154 Mi l li ö n e n Kr o n e n h ö h er als der des Vorjahres. Frankreich. * Präsident Castro von Venezuela, der gegenwärtig in Frankreich weilt, wird sich demnächst in Berlin einer Operation unter ziehen. Castro ist von der französischen Regie rung ersucht worden, sich jeder Verbindung mit der Presse fernzuhalten. England. *Jm Unterhause wurde noch einmal über die angeblichen Verhandlungen wegen der Ab tretung der Walfischbai an Deutschland gesprochen. Die Regierung wurde gefragt, ob zwischen Staatssekretär Dernburg und den Premierministern der Kapkolonie und Trans vaals Mitteilungen ausgetauscht worden seien. In Beantwortung dieser Anfrage führte der Parlaments-Unterstaatssekretär des Kolonialamts Seely die kürzlich erfolgte Erklärung des Premierministers der Kapkolonie an, daß diese Kolonie nicht die geringste Absicht hätte, die Walfischbai oder ihre Verwaltung aufzugeben, und daß die Kapkolonie in dieser Angelegenheit mit den übrigen südafrikanischen Regierungen zusammengehe. Belgien. * Wie aus Brüssel gemeldet wird, ist König Leopold nicht unbedenklich erkrankt. Nach Ansicht der behandelnden Ärzte dürfte die Heilung mehrere Mbchen in Anspruch nehmen. Balkanstnaten. * Aus Konstantinopel kommt die über raschende Meldung, daß eine Einigung zwischen der Türkei und Osterreich-Ungarn über die Balkanfragen unmittelbar bevor- stehe. Wichtiger noch ist die Tatsache, daß auch Rußland und Österreich in aller Stille zu einer Übereinkunft gekommen sind. Es ist somit be gründete Aussicht vorhanden, daß auch Serbien seine Kriegsrüstungen einstellen wird. * Die Eröffnung des türkischen Parlaments soll nach Angaben von amt licher türkischer Seite, obwohl noch etwa 100 Wahlen ausständig sind, in den nächsten Tagen slattfinden. Es gilt in Konstantinopel als sicher, daß sie durch den Sultan in eigener Person in höchst feierlicher Weise erfolgen wird. Bis zum 5. d. waren 148 Deputierte gewählt, und zwar 114 Mohammedaner, 19 Griechen, 5 Armenier, 4 Bulgaren, 4 Serben, 2 Kutzo- walachen, 2 Israeliten. Die Griechen haben sich Vorbehalten, gegen di. an ihnen bei den Wahlen verübten Benachteiligungen in der Kammer zu protestieren. Trotzdem die grie chische Bevölkerung der Hauptstadt 350 000 Seelen, die armenische nur 25 000 zählt, be standen die Tücken darauf, daß die Griechen und Armenier Konstantinopels durch je zwei Abgeordnete in der Kammer vertreten sein sollen. Aus clem Keicbslage. Im Reichstage wurde am Donnerstag die erste Lesung des Etats fortgesetzt. Nachdem Abg. Hauß- mann (südd. Vp.) sich in längerer Rede über die Fragen der auswärtigen Politik verbreitet, die Ein setzung eines Schiedsgerichts in der Casablanca- Affäre und die Haltung Deutschlands in der Balkan frage begrüßt, sowie die Vorgänge in Prag einer abfälligen Kritik unterzogen, nahm Reichskanzler Fürst v. Bülow das Wort, um auf die verschiedenen im Laufe der bisherigen Debatten gestellten See- Abrüstungsfragen des nähern einzugehen: An Deutschland sei bisher ein solcher Abrüstungsvorschlag nicht herangetreten. Wenn das Deutsche Reich auch eine solche Regelung für erwünscht halten würde, so könnten sich doch daraus große Schwierigkeiten er geben. Das Maß und der Umfang unsrer Rüstungen zur See sei bedingt durch das Maß unsrer wirt schaftlichen Interessen. Völlig ausgeschlossen sei es, daß wir mit unserm Schiffsbau über das Maß des Notwendigen hinausgingen. Im gegenwärtigen Augenblicke der Schwierigkeiten Osterreich-Ungarns, unserm seit einem Menschenalter treuen Bundes genossen, halte er es nicht für richtig, diesem Bundes genossen durch eine unerfreuliche Kritik die Schwierigkeiten zu erhöhen. Er glaube dem Frieden am besten zu dienen, wenn er an der Unerschütter lichkeit dieser unsrer Treue zu Österreich - Ungarn keinen Zweifel auskommen lasse. Staatssekretär v. Schön erklärte, es werde demnächst ein Weißbuch erscheinen, das auch über Casablanca manches zur Berichtigung bringen werde. In China seien bereits die Gesandtschaftstruppen verringert worden. Ma die Vorgänge auf dem Balkan angehe, so wünsche das Deutsche Reich, daß diese Neuerungen der Türkei zum Segen gereichen mögen. Eine Reform des Auswärtigen Amtes sei in die Wege geleitet und er werde alles daransetzen, um praktische Neuerungen durchzüführen. Abg. Zimmermann (Resormp.) be schäftigte sich namentlich mit der Besoldungsvorlage. Auch Abg. Dröscher (kons.) befaßte sich mit dieser Vorlage und begrüßte besonders, daß die Reichs beamten endlich den preußischen gleichgestellt werden sollen. Abg. Beck-Heidelberg (wirtsch. Vgg.) sah gleichfalls den Zeitpunkt für eine Regelung der Beamtengehälter für gekommen. Am 11. d. wird die erste Lesung des Etats in Verbindung mit der ersten Lesung der Beamten besoldungsvorlage fortgesetzt. Abg. Spahn (Ztr.): Herrn Shdow bin ich die Anerkennung schuldig, daß die von ihm gebotene Berechnung des Mehrbedarfs angesichts des Etats als richtig erklärt werden muß. Warten wir aber ab, was die Kommission aus dem Etat macht. Bei der Bcfoldungsvorlage dürfen wir über 100 Millionen nicht hinausgehen. Sollen die Gehälter der Unterbeamten erhöht werden, so kann dies nur durch Verschiebungen innerhalb der Vorlage geschehen. Der BundeSrats- ausschuß für auswärtige Angelegenheiten sollte regelmäßig zusammcntreten. Wir bedauern die Prager Exzesse. Italiens Interesse fordert Festhalten am Dreibund. Unter dem Mißtrauen des Aus landes gegen uns lcidet unser wirtschaftliches Leben. Staatssekretär Dernburg: Ich möchte etwas über die Diamanlfunde in Südwestasrika sagen. (Abg. Singer: Vorlegen!) In der Kommission werde ich so viel Steine verlegen, daß Sie Ihre Helle Freude haben werden. Zuvor eine andre Be merkung. Es ist gesagt worden, das Gouvernement von Ostafrsta erfreut sich nicht mehr des Vertrauens der deutschen Bevölkerung. Aber wir treiben dort die Politik, die mit dem -Reichslage vereinbart ist. Zur Diamantensrage Will ich bemerken: Ich habe die neu cntdeckien Felder in Lüderitzbucht besucht und mich zunächst sehr skeptisch geäußert. Aber ein Geologe, der sich seit langem in Südafrika aufhält, hat sich in einem Bericht, der eben eingegangen ist, optimistischer aus gesprochen. Ich habe dort selbst Steine aufgelesen. Die Bedeutung der Diamantcnsunde liegt für uns darin, daß der Fiskus und das Gouvernement im Besitz von Bergwerksgerechtsame und von erheblichen Feldern sind und diese Verhältnisse zur Sanierung der Finanzen beitragen können. Im Gegensatz zum Abg. Scheidemann werde ich mich stets freuen, wenn ich dem deutschen Erwerbsleben neue Arbeitsgelegen heit zuweisen kann. Abg. Singer (soz.): Man kann nicht für Sparsamkeit sein und gleichzeitig seine Hoffnung auf Diamanteu setzen. Zu der ganzen Diamanten- geschichte sage ich: Erst sehen, dann glauben I Treue zu Österreich kann nur soweit gehalten werden, als der Weltfriede nicht gestört wird. Die Kabinettspolitik must zur Volkspolitik werden. Der deutsche Kaiser soll Österreich für den Kriegsfall Soldaten versprochen haben; ich halte jo etwas für unmöglich. In der Besoldungsvorlage sind die unteren Beamten ungenügend berücksichtigt worden. Abg. Kulerski (Pole) fürchtet, den Worten von der Sparsamkeit werde die Tat nicht folgen. Das Mißtrauen gegen Deutschland geht auf Preußens Einfluß auch auf unsre auswärtige Politik zurück. Die Behandlung der Pole» im Reichsvereinsgesetz und im preußischen An» siedelungs- und Enteignungsgesctz ist eines Kultur staates unwürdig. Die preußische Schulpolitik macht freie geistige Entfaltung unmöglich. Die preußische Regierung mißbraucht die Machtmittel des Reiches. Präsident Gras Stolberg ruft den Redner zur Ordnung. Abg. Kopsch (fr). Vp.): Die Verbindung von Etat und Besoldungsvorlage in der Beratung hat sich nicht als zweckmäßig erwiesen. Für die Bemessung der Beamteubesoldung ist nicht die mittlere Linie maßgebend, wie die Vor lage meint, sondern das Staatsintcressc. Beim Wohnungsgeldzuschuß wollen wir keine Differenzie rung zwischen verheirateten und unverheiratet! Be amten. Der Verminderung der Beamtenkategorien stimmen wir zu. Den Ausführungen des Abg. Frhr. v. Gamp über Ersparnisse im Postwesen trete ich bei. Bei gutem Willen kann im Etat noch viel gespart werden, namentlich beim Militäretat. Abg. v. Oertzen (freikons.): Auch wir glauben, daß die Kosten der Gehaltsreform über 100 Millionen nicht hinausgehen dürfen. Sonst müßten wir an die Opserwilligkeit der Steuerzahler noch höhere An forderungen stellen. In der Besoldungsvorlage sind zwar die Endgehälter erhöht, aber die Anfangsgc- hälter erniedrigt. Zweckmäßiger wäre es, die jetzigen Endgehälter bcizubehalten, und dafür die Anfangs gehälter zu erhöhen. Die Petitionen der Beamten- gehältcr werden wir gewissenhaft prüfen. Abg. Heckscher (frs. Vgg.): Ich begreife, daß auf der Brüsseler Weltausstellung auch unsre vor bildliche Sozialpolitik vorgeführt werden soll. In der Syndikatsbildung sehe ich eine eminente Gefahr. Als Gegenbewegung fördere man die Gewerkschaften der Arbeiter, ohne die gelben Gewerkschaften zu bevorzugen. Des geletzlichen Schutzes bedürfen namentlich die Schauspieler und Schauspielerinnen, die gegenüber den Direktoren und Agenten oft völlig rechtlos sind. Übet die auswärtige Politik müssen uns Weißbücher rechtzeitig orientieren. Tas Preß bureau des Auswärtigen Amtes sollte sich daraus beschränken, den unabhängigen Zeitungen Material zu geben. Abg. Erzberger (Zentr.) billigt des Reichs kanzlers Politik gegenüber Österreich und bittet um Unterstützung aller Bestrebungen auf Herbeiführung besserer Beziehungen zu Frankreich. Sind in der Tat 200000 Mk. für die Unterdrückung des Hale- Interviews verwendet worden? Die frühere Aus kunft des Staatssekretärs in dieser Angelegenheit muß unzutreffend gewesen sein. Ein Engländer hat mir gesagt, in der Auslandspolitik gebe es in der deutschen Presse nur zwei unabhängige Blätter, den .Vorwärts' und die .Kölnische Volkszeitung'. Ich mache mir das Urteil nicht zu eigen, aber ein richtiger Kern steckt darin. Die Behandlung des Fürsten Eulenburg vor Gericht zeigt, daß das Wort von der Klassenjustiz etwa? Berechtigtes enthält. Fürst Eulenburg hat sich als Opfer der großen Idee vom protestantischen Kaiser tum bezeichnet. Sind einem Botschafter je ent sprechende Instruktionen gegeben worden? Der Reichskanzler ist stets auf das Wort gestimmt: Freut euch des Lebens. Zur Leitung der auswärtigen Politik herrscht kein starkes Vertrauen. Die Dia manten in Südwestasrika sind an der Bahnstrecke gefunden, also in jenem Landslreifen, der durch einen Zentrumsantrag an das Reich gefallen ist. In Südwestasrika muß die Selbstverwaltung in irgend einer Form durchgesührt werden. Staatssekretär v. Schön: Meine frühere AuS- ! kunft war durchaus nicht irrtümlich. Ein englisches Blatt wollte eine angebliche Unterhaltung mit dem Kaiser veröffentlichen. Der Botschafter iu London hat aber wiederholt erklärt, der Kaiser selbst habe betont, eine solche Unterredung habe nicht stattgesunden. Abg. Erzberger fragte, ob Fürst Eulenburg als Botschafter Instruktionen konfessioneller Art erhalten habe. Ein Botschafter hat immer nur politische, nie konfessionelle Aufgaben. Zur Unter drückung des Artikels des amerikanischen Schrift stellers Hale ist kein Groschen und keine Mark au'- gewendet. Hale hat den Artikel aus eigenem Antrieb zurückgezogen. Das Weißbuch über Marokko soll nach Möglichkeit beschleunigt werden. Nach unerheblicher weiterer Debatte werden Etat und Besoldungsvorlage der Budgetkommission über wiesen. Nächste Sitzung am 12. Januar. O Nemesis. 4j Kriminalroman von E. Görbitz. ffortlktzung.» „Du bist einer, wie wir ihn brauchen können," dachte Leonhard bei sich im Men, indem er laut hinzufügte, daß so edle Gesin nungen ihm aus der Seele gesprochen wären und er sich glücklich schätze, in dem Fremden einen solchen Menschenfreund kennen gelernt zu haben. Wenige Minuten darauf saßen die drei Herren in einem Wagen, der sie nach dem in der Zeitung bezeichneten Hause brachte. Sie stiegen die vier Treppen hinauf. Das Inserat in der Zeitung war nicht über trieben gewesen, sie fanden das Elend noch größer', als sie es erwartet hatten. Der Amerikaner wich zurück, als er die Tür zu dec armseligen Dachstube öffnete und ihm der heiße Dunst aus dem mit kranken Personen übervölkerten Raum entgegen drang. überwältigt von der herausströmenden Stickluft, erschüttert durch den Anblick, der sich ihm geboten, reichte er den Hundertmarschein, den er im Hinaufsteigen aus seiner Brieftasche genommen und für die arme Familie bestimmt hatte, an Leonhard, der ihm zunächst stand. Mit großer Fingerfertigkeit ließ Leonhard den Kassenschein des Fremden in seinen Ärmel verschwinden und trat in die Dachstube. Die zehn Mark, die er der armen Frau reichte, waren für dies durch Not und Elend völlig entkräftete Weib ein so bedeutender Schatz, eine so uner- stvarlete Hilke, daß die Ärmste in Schluchzen ausbrach und ihre durch Tränen Halberftickten Danksagungen den.Herren nachschallten, als sie wieder die Treppe hinabgingen. Der junge Amerikaner hörte die Dankes- worte der Frau und hafte keine Ahnung, auf welche schmähliche Art sein Vertrauen von Leonhard gemißbraucht worden war. Er atmete erst wieder auf, als er das Haus, das so viel Elend barg, verlassen hatte und mit seinen beiden Begleitern den gemeinsamen Rück weg einschlug. Das traurige Schicksal der armen Familie, von welcher man soeben kam, sowie das soziale Elend der unteren Volksklassen im allge meinen, gab den Herren hinlänglichen Stoff zum Gespräch. Man dachte nicht mehr oaran, sich zu trennen und als die drei Herren wieder den Jungfernstieg erreichten, waren sie bereits ganz bekannt geworden. „Ach," sagte Leonhard gemütlich lächelnd, indem er unter der Baumreihe, die sich längs des Alsterbassins hinzieht, stehen blieb, „in aller Sorge für andre haben wir ganz uns selbst vergessen; ich habe Ihnen noch nicht ein mal gesagt, wer wir sind; erlauben Sie, daß ich die Ehre habe, mich Ihnen vorzustellen!" Sich leicht verbeugend, fügte er hinzu: „Privatier Munk aus Wien," dann auf Robert zeigend, fuhr er fort: „Herr Eugen von Kersten- bruch aus Berlin!" Unter diesen Namen waren die beiden Gauner in dem Hamburger Hotel aufgetreten. Der junge Fremde konnte nun auch seinen Namen nicht langer verschweigen, ohne gegen den Anstand zu verstoßen; deshalb sagte er ein fach und ohne jeden Stolz: „Ich bin der Baron Chlodwig von Saucken- Grödenitz." Leonhard und Robert verneigten sich aber mals, der erstere, um seine Freude, der zweite, um seine Verlegenheit zu verbergen. Der vomehme Name übte auf beide eine große, wenn auch ganz verschiedene Wirkung aus. „Ich habe," sagte Leonhard mit der Ge schmeidigkeit eines Weltmannes, „in dem Herrn Baron einen ebenso vortrefflichen, wie liebens würdigen Mann kennen gelernt, daß ich wirklich bedauern muß, hier das Ziel unsres gemein schaftlichen, dem Wohltun geweihten Ausfluges erreicht zu haben!" „Die Herren haften sich in Geschäften hier auf?" fragte der Baron. „Durchaus nicht," beeilte sich Leonhard zu antworten, indem er mit dem Baron den Weg wieder fortsetzte und Robert, der in der schweren Kunst der Verstellung seinem Gefährten nicht gleichkam, ihnen folgte, „wir sind auf einer Ver gnügungsreise begriffen und durchaus Herren unsrer Zeit!" „Nun," warf der Baron mit der ihm eigenen liebenswürdigen Offenheit ein, „was hindert uns dann, noch einige Zeit zusammen zu bleiben, wenn es Ihnen anderseits nicht un angenehm sein sollte?" „Wie können Sie solchen Fall nur an nehmen, Herr Baron? Es wird uns gewiß ein besonderer Vorzug sein, mit Ihnen noch ein Stündchen zu verplaudern! Nicht wahr, Herr von Kerstenbruch," wandte er sich nach Robert um, „Sie gestatten mir, daß ich für Sie mit annehme?" „Ich habe Ihnen," antwortete der Gefragte, indem er jetzt neben die beiden andern trat, „je den Entwurf unsres Vergnügungsprogramms vollständig überlassen, verfügen Sw also ganz über mich und meine Zeit!" „Wenn ich," fuhr Leonhard fort, „mir als» einen Vorschlag erlauben darf, so treten wir zu nächst hier in den Alsterpavillon, um eine Taffe Kaffee zu nehmen." „Einverstanden!" nickte der Baron. Robert gab selbstverständlich auch seine Zu stimmung. Die drei Herren gingen in den auf Pfählen, erbauten Glaspavillon, dessen Galerien sich west über den glitzernden Wasserspiegel der Binnen alster hinausschieben. Als man einen hinsichtlich seiner Lage be vorzugten Platz eingenommen und der Kellner Kaffee gebracht hatte, bog sich Leonhard ganz entzückt über das Geländer, als ob er in dem Anschauen des herrlichen Panoramas, das in der Ferne durch die kühngewölbten Bögen der Lombardsbrücke begrenzt wurde, seine Begleiter für den Augenblick ganz vergäße. Plötzlich schlug er sich vor die Stirn und wandte sich schnell nach den beiden Herren um: „Verzeihung, Herr Baron, daß ich schon wieder in meine Schwärmerei für Himmel und Wasser versunken war, und Ihre liebenswürdige Gegenwart vergessen konnte! Aber Sie werden mir zustimmen, Herr Baron, daß das in der Abendsonne wie flüssiges Silber leuchtende Alsterbassin geradezu bewunderungswürdig ist!"
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