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Allgemeiner Anzeiger : 21.10.1908
- Erscheinungsdatum
- 1908-10-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190810210
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19081021
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- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1908
-
Monat
1908-10
- Tag 1908-10-21
-
Monat
1908-10
-
Jahr
1908
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 21.10.1908
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Tur kalkankrile. Nach den neuesten Meldungen aus London ist zwischen Rußland und England über das Konferenz-Programm, nach dem die Dinge auf dem Balkan geordnet werden sollen, ein volles Einvernehmen erzielt worden. Sogar die vielbesprochene Darda- nellenfrage ist zwischen beiden Regierungen dahin geregelt worden, daß Rußland freie Durchfahrt durch die Dardanellen für seine Kriegsschiffe erhält. (Rußland kann nun im Schwarzen Meere eine starke Flotte halten.) Das Konferenzprogramm, das in der nächsten Zeit den Mächten unterbreitet werden soll, hat ungefähr folgende Punkte: 1) Anerkennung der Unabhängigkeit Bulgariens und Festsetzung seiner finanziellen Verpflichtungen gegenüber der Türkei, vielleicht auch Regelung der Frage der beschlagnahmten Eisenbahn; 2) Bestätigung der Angliederung Bosniens und der Herzegowina durch Österreich; 3) Rückgabe des nach dem Berliner Vertrage von Österreich besetzten Bezirks Novibazar an die Türkei. 4) Anerkennung derAngliede- rung Kretas au Griechenland mit der Festsetzung der finanziellen Verpflichtungen Griechenlands gegenüber/der Türkei. 5) die Be schränkungen der Souveränitätsrechte Monte negros sollen abgeschafft werden, d. h. Montenegro darf sich eine Kriegsmarine an schaffen und Österreich darf nicht länger die Hafeupolizei in Montenegro ausüben. 6) Fest legung der Entschädigung für Serbien, dem Bosnien, und für Montenegro, dem die Herzegowina für immer ver loren ist. Der Türkei wird außerdem in verlockende Aussicht gestellt, daß die a u s l ä n d i s ch e n Postämter aufgehoben werden sollen. — Der Vertragsentwurf ist an sich nicht übel, es fragt sich nur, was die Beteiligten sagen. Der bulgarische Ministerpräsident Malinow er klärte z. B-, Bulgarien sei nicht ge neigt, eine Art Geldbuße für seine Un abhängigkeitserklärung zu entrichten. Jeder Bulgare verbürge sich mit seinem Herz blute dafür, daß an der Proklamation von Tirnowo nicht gerüttelt werde. Ebenso denkt Serbien gar nicht daran, auf der Konferenz feierlich auf Bosnien zu verzichten. Die Stimmung in Serbien wird trotz aller Anstrengungen der Negierung immer bedrohlicher, da der Kronprinz, der ganz offen gegen seinen Vater auftritt, immer wieder durch Kriegsreden die Volksleidenschaften entfacht. Einer Anzahl von Offizieren erklärte der junge Herr, daß er die l a u e H a l t u n g Serbiens gegen Österreich, das zwei ser bische Länder ge st oh len habe, niemals billigen werde. Es wäre Pflicht gewesen, diesen Länderraub mit der Kriegserklärung zu beantworten. Einen Artilleriemajor, der auf den schlechten Zustand der Armee hinwies, schrie er au: „Hätten wir nicht so viele Feiglinge in Serbien, so ständen wir heute an der Drina." Ein großer Teil des Heeres steht auf feiten des Kronprinzen. Die Abdankung des Königs Peter scheint devoczustehen. Wie verlautet, läßt der Ärmste bereits seine Habseligkeiten aus dem Schloß, in dem er so wenige glückliche Stunden erlebte, entfernen. Besorgniserregend lauten die Nachrichten aus Serbiens Hauptstadt: Der Regierung, der es bis jetzt gelungen war, die Masse im Zaum zu halten, ist die Alacht aus der Hand gewunden. Die Slraßenkundgebungen, die unter dem Eindrücke der aus London und Paris eingetroffenen Nachrichten, daß Serbien von der Balkankonferenz nichts zu erwarten habe, mit verdoppelter Wucht wieder einsetzlen, haben jetzt bestimmte Richtung und Ziel erhalten. Während sie die Tage vorher planlos waren, werden sie jetzt systematisch veranstaltet und geleitet. Daher sind sie gefährlicher und eindrucksvoller ge worden. Das Volk, durch die Presse und durch fanatische Agitatoren aufgehetzl, gerät allmählich in eine wütende Verzweiflungsstimmung hinein, die jeden Augenblick zum Ausbruch kommen kann. Und wieder trat der Thronfolger unter die ihn umjubelnde Menge, an die er die Worte richtete: „Liebe Brüder, ich danke herzlichst für eure Liebe. Seid versichert, daß es auch mir schwer fällt, die Lage unsrer bosnischen Brüder mit anzusehen. Ich allein kann aber nichts unternehmen, da ich den obersten Behörden unsres Landes unterstehe. Wenn jedoch der kritische Moment eintritt, könnt ihr versichert sein, daß ich als euer Führer bereit sein und mit euch zusammen mein Blut für unser Vater land vergießen werde." Bis in die späte Nacht aber tönt durch Belgrads Straßen der Ruf: „Nieder mit Österreich!" „Laßt uns sterben! Auf in den Krieg!" In Konstantinopel, wo man sich mit stiller Ergebung in die Ereignisse gefügt zu haben schien, hat man derserbischenBewegung wohl oder übel Rechnung tragen müssen; denn auch in Konstantinopel lebt eine große Partei, die den Krieg gegen Bulgarien und Österreich will. Um auf alle Fälle vor bereitet zu sein, wurde das 3. Armeekorps mobilisiert und die Reserve einberufen. Die Lage ist also noch keineswegs so gefahrlos, wie die Diplomaten glauben, die am Themse strand den papiernen Balkansrieden schaffen. politilcke Kunälckau. Deutschland. * König Georg von Griechenland ist zum Besuche Kaiser Wilhelms in Berlin eingetroffen. Diese Monarchenbegegnung ist im Hinblick auf die Ereignisse am Balkan von hoher politischer Bedeutung. * Ka i s er W i lh elm hat der in Berlin tagenden internationalen Urheberschutz konferenz ein in sehr herzlichen Worten gehaltenes Telegramm gesandt. *Jm Fürstentum Reuß ä. L. ist ein Regent schafts wechsel eingetreten. Bis her führte dort für den geisteskranken Fürsten Heinrich XXlV. der Fürst von Neuß j. L. Heinrich XIV. die Regentschaft. Dieser hat jetzt die Regentschaft niedergelegt, die darauf, den Hausgesetzen gemäß, Erbprinz Heinrich XXV il. Neuß j. L. übernommen hat. Der von ver Regentschaft zurückgetrelene Fürst Heinrich XtV. steht im 77. Lebensjahre. *Das Preuß. Staats Ministerium trat am 15. d. unter dem Vorsitz seines Präsi denten Fürsten v. Bülo w zu einer Sitzung zusammen. In politischen Kreisen wird ange nommen, daß das Staatsministerium dabei die Thronrede für den am 20. d. wieder zusammentretenden Landtag festgestellt hat. Wie verlautet, wird die Thronrede sich auch mit der Wahlrechtsfrage beschäftigen. * Der Bundesrat Hal in seiner letzten Sitzung außer dem Entwurf über die Einwir kung der Armenunterstützung auf öffentliche Rechte noch den Entwurf eines Besoldungsgesetzes und den Handelsvertrag zwischen dem Deutschen Reiche und dem amerikanischen Freistaats San Salvador an die zuständigen Ausschüsse über wiesen. *Wis' verlautet, interessiert sich Staats sekretär Sydow lebhaft für den kürzlich auf getauchten Plan einer Besteuerung der Geheimmittel, er erwartet einen ent sprechenden Vorschlag aus der Mitte des Reichs tages. Das Reichsamt des Innern stellt auf Ersuchen des Staatssekretärs Sydow bereits Erhebungen darüber an, wieviel Geld alljähr lich im Deutschen Reiche für Geheimmittel auS- gegeben wird. Danach soll gegebenenfalls die Besteuerung eingerichtet werden. * Die Gerüchte, daß eine Abänderung der Automobilsteuer in Aussicht stehe, sind nach halbamtlichen Mitteilungen durchaus unzutreffend. Die Steuer auf Kraftfahrzeuge, wird seit dem 1. Juli 1906 erhoben. Für jedes inländische Kraftfahrzeug wird ein Grund betrag und für jede Pferdekraft eine besondere Steuer verlangt. Für ausländische Kraftfahr zeuge waren bedeutend höhere Sätze als für inländische vorgesehen. Der Reichstag hat nun in diesem Jahre beschlossen, die Abgaben für fremde Automobile herabzusetzen; auch die Be stimmungen über den Grenzverkehr der Kraft fahrzeuge wurden erleichtert. Die Automobil steuer wird wahrscheinlich den Voranschlag im Etat bedeutend übertreffen. *Der Marine-Etat für 1909,10 wird, wie jetzt bekannt wird, den Bau von drei Linienschiffen, einem Panzerkreuzer, zwei kleinen Kreuzern und zwölf Torpedoboten for dern. Die drei Linienschiffe sind Ersatzschiffe für die drei Küstenpanzerschiffe „Frithjof", „Hilde brand" und „Heimdall". * Zur Berufszählung von: Jahre 1907 verlautet jetzt, daß alle Bundesstaaten zugesagt haben, die Hauptergebnisse der Berufs statistik sowie der Landwirtschafts- und Gewerbe statistik bis spätestens Ende Oktober an das Kaiserlich Statistische Amt in Berlin abzuliefern. Letzteres stellt dann umgehend die Ergebnisse für das Reich zusammen, so daß zu erwarten ist, daß die wichtigsten Zahlen der Berufs- und Betriebszählung bis Mitte November der Allgemeinheit bekannt gegeben werden können. * Der Lübecker Senat erwählte für den verstorbenen Dr. Schoen den Senator Dr. Eschenburg zum präsidierenden Bürger meister. *Jn Bayern will man den VAtsuch machen, Frauen als Verteidiger zuzulassen, um, wie die darauf bezügliche Ministerialverord- nung ausführt, die Gefahren einer Haupt verhandlung von den Jugendlichen abzuwenden. Die Frauen werden aber nicht wie die Rechts anwälte zugelasfen, sondern wie (schon jetzt) die Rechtskonsulenten, da die Anwaltslaufbahn nur demjenigen freisteht, der die Fähigkeit zum Richter hat und zum Richler nur Männer be rufen werden können. Dänemark. *Jm Folkething führte der neue Minister präsident Neergard, als er das Programm der Regierung entwickelte, u. a. aus: Das neue Ministerium werde bestrebt sein, die Wunden zu heilen, die die Untreue des wegen Unterschlagung in Untersuchungshaft befindlichen früheren Ministers Alberti dem Lande zugefügt habe. Spanien. * In der Deputiertenkammer erklärte der Finanzminister, daß sich die Schulden Spaniens in geradezu gefährlicher Weise vergrößern. Der Minister kündigte eine Reihe von Steuerplänen an, durch deren Aus führung er den Finanzen eine sichere Grundlage zu geben hoffe. Die einzelnen Steuervorschläge sollen demnächst in der Deputiertenkammer be raten werden. Asien. * Nachdem die Revolutionäre im nord westlichen Persien die von den Regie rungstruppen teilweise eroberte Bezirksstadt Täbris wiedergewonnen haben, hat sich die regierungsfeindliche Bewegung vielen Städten im Perserreiche mitgeteilt. Die Partei um den Schah, die die Selbstherrschaft wieder Her stellen wollte, ist angesichts der drohenden allge meinen Erhebung ratlos, um so mehr, da sich an verschiedenen Stellen die Soldaten wieder geweigert haben, auf ihre Landsleute zu schießen. Wahrscheinlich wird der Schah sich nunmehr endgültig zur Verfassung bekennen müssen, oder er läuft Gefahr, Thron und Reich zu verlieren. Zum Wettkampf der Luftballons. Nach langen bangen Stunden ist nun end lich Kunde von einem der noch vermißten Ballons gekommen. Nachdem der Ballon „Castilla" in der Nordsee bei Helgoland und der Ballon „Helvetia" in der Nähe von Christiansund glücklich aufgefunden worden sind, ist auch der deutsche Ballou „Buslcy" in der Nähe von Helgoland aufgebracht wordeu. Die Herren Dr. Niemeyer und Hiedemann geben von ihrer Fahrt und Rettung folgende Schilderung: „Nach der Abfahrt von Berlin trieb der Ballon zuerst in der Richtung aus Südrußland, daitn nach Nordwesten über Kuxhaven. Als wir fanden, daß wir zu weit nach Norden gingen, beschlossen wir, zu landen, obwohl wir 12 bis 15 Stunden länger uns hätten in der Luft halten können. Die gesamte zurückgelegte Strecke betrug ungefähr 700 Kilometer. Etwa 10 Meilen südwestlich von Helgoland, am Dienstag früh zwischen 3 und 4 Uhr, sahen wir einen Dampfer und ließen den Ballon ins Wasser fallen; wir riefen um Hilfe und gaben blaue Lichtsignale. Der Dampfer war der „Prinz Wilhelm", der bald an die Seite des Ballons kam; der Ballon schwamm schon tiefim Wasser und wir beide lagen oben drauf. Der Dampfer ließ ein Boot herab, und wir wurden mit Hilfe eines uns zuge streckten Ruders ins Boot gehoben. Wir waren eine Stunde im Wasser- gewesen, als uns der „Prinz Wilhelm" entdeckte, und 20 bis 30 Minuten vergingen danach noch bis zu unsrer Rettung. Als wir an Bord kanien, waren wir säst nackt, eiskalt, total er schöpft und außerstande, uns zu rühren. Aber nachdem man uns Anregungsmittel eingeflößt, trockene Kleider gegeben und uns gewärmt hatte, erholten wir uns schnell. Wir hatten fast unser ganzes Geld verloren, nur in einem Strumpf waren noch 200 Akk. geborgen. Der Ballon war halb unter Wasser, so daß unsre Lage äußerst gefahrvoll gewesen ist." Glück licherweise ist es auch gelungen, den vermißten Ballon „Plauen" aus der Nordsee zu retten. Die Luflschiffer Hackstedter und Scheiterer wurden mit dem Ballon vom Fischdampfer „Ruby" in der Nordsee 240 Meilen von Kap Spurnhead gefunden und nach Hull (England) gebracht. Scheiterer liegt dort im Hospital. Es fehlt also noch der am Momag zur Weitfahrt ausgestiegene Ballon „Herge sell". Die Fahrt des Schweizer Ballons „Helvetia", die nahezu 74 Stunden in der Luft gewesen ist, hat zwar gezeigt, das Ballons länger in der Luft bleiben könne», als man ge wöhnlich annimmt, aber man hat in den Kreisen der Fachleute doch wenig Hoffnung auf eine glückliche Landung der beiden Ballons. Der Kreuzer „Zielen" und 14 Torpedoboote suchen ununterbrochen die Küsten der Nordsee ab. Im Ballou „Hergesell" befinden sich Leutnant Foertsch und Leutnant HunimeI. Dor Sieger der Gordon - Bennett - Fahrt. Nachdem nunmehr alle Teilnehmer an dem Gordon-Bennett-Rennen gelandet sind, muß man nach den bisherigen Meldungen den englischen Ballon „B a u s h e e" als den Sieger bezeichnen, der an der dänischen Küste landete. Wäre die „Helvetia", die 1300 Kilo meter zurückgelegt hat, nicht schließlich noch ins Wasser gesunken, so wäre sie unbestrittener Sieger; die. vom gleichen Mißgeschick betroffenen Ballons „Busley" und „Castilla" scheiden eben falls aus. Da aber England als Jnselreich sowohl zur Veranstaltung einer Weilfahrt, wie auch zu einer Dauerfahn ungeeignet ist, so ist es zweifellos, daß die Engländer das nächst jährige Gordon-BenneU-Wetlfliegen einer andern Sportmacht übertragen werden, und man dürfte kaum fehlgehen, wenn man annimmt, daß im nächsten Jahre der große internationale Wett flug in Frankreich beginnen wird. Für den zweiten und dritten Preis kommen der franzö sische Ballon „Coudor", Führer Jacques Faure, und der belgische Ballon „Belgica", Führer Geerds, in Betracht. — ' ^on uns fern. Attentat auf einen «-Zug. Der D-Zug Düsseldorf—Köln entgleiste nachts aus der Blockstation Leverkusen zwischen den Stationen Kuepperbnsch und Müllheim a. Rh. Ans die Schienen war von verbrecherischer Hand eine Eisenschweüe gelegt worden. Glücklicherweise wurden nur einige Reisende leicht verletzt. Waldbrand in den Ver. Staaten. Im Staate Michigan haben verheerende Waldbrände gewütet. Zwei Glädte sind von Feuer vernichtet worden. Nahezu 100 Personen sind in den Flammen umgetommen. Oi Sm Irrtum äes Zerrens. 8j Originalroman von Franz Zistlcr. <F°nsetzlln>,.> Trotz den Erklärungen Roberts und der Be mühungen von dessen Vertreter wurde von der Offiziers-Versammlung der Beschluß gefaßt, daß die ehrenrätliche Untersuchung stattfinden müsse, während welcher Robert die kleine Provinzstadl nicht verlassen dürfe. Die Kameraden, bei welchen Robert sich großer Beliebtheit erfreute, sprachen ihr Bedauern über einen Beschluß aus, den sie nach den be stehenden Verordnungen fassen müßten und trösteten nach Möglichkeit den jungen Mann, der auf das tiefste erschüttert war und in stumpfer Apathie die Verhandlung des Ehren rates abwarteie. Diese erfolgte bald und endete damit, daß Robert seiner Charge verlustig erklärt wurde. Fast betäubt hörte Robert das grausame Verdikt an; spurlos gingen an ihm die Worte deS Vorsitzenden, daß ihm eine Abschrift des Beschlusses zugestellt werde, sowie die teil nehmenden Tröstungen der Kameraden vorüber; in stummem Schmerze wankte er dem Bahnhofe zu und fuhr nach Wien zurück, um bei Olga neuen Lebensmut zu suchen. Jetzi mußte eine (Entscheidung erfolgen; wenn Olga einwilligte, die Seine zu werden, daun fühlte er Kraft genug, um den schweren! Schlag zu verwinden und den Kamps mit der ganzen Welt aufzunehmen. Tas Ringen um die Existenz fürchtete er nicht, galt es doch, für ein geliebtes Weib zu arbeiten; was ihn aber mit banger Sorge erfüllte, das war der: Gedanke, daß Olga seine Liebe nicht teile, und seine Werbung nicht anhöre. Für diesen Fall hatte er auch schon einen festen Entschluß gefaßt, den er während der raschen Eisenbahnfahrl den Lüften anvertrautc, die durch die geöffneten Fenster des Coupes seine fieberglühenden Wangen kühlten. 5. In Wien angekommen, fuhr Robert un mittelbar vom Bahnhof nach Währing, voll heißer Ungeduld, die Geliebte nach mehrtägiger Abwesenheit wiederzusehen. Der Tag der ersehnten Entscheidung war gekommen und doch bangte er vor dieser Ent scheidung; fiel sie ungünstig aus, so war seinem Leben die letzte Stütze entzogen und ziel- und haltlos mußte es zusammenbrechen. Das fühlte er, und wie ein Ertrinkender an einem Strohhalm, so klammerte er sich an die Hoffnung aus Olgas Gegenliebe, und wenn Erfahrung und Verstand widersprechen wollten, so gaukeüe ihm seine Phantasie blendende Illusionen vor. Mit pochendem Herzen stieg er die wohl bekannte Treppe empor, hastig öffnete er die unverschlossene Eingcmgstür, und blaß und ver stört in schwarzem Trauergewande trat ihm Olga entgegen. Erkältend berührte ihn die strenge Härte der Gesichtszüge des Mädchens und der gleich gültige Empfang. Kein Strahl der Freude rötete die bleichen Wagen, kein warmes Wort der Begrüßung ward ihm zuteil, und eisig kalt war die Hand, die sich flüchtig in die seine legte. „Was ist denn geschehen?" fragte Robert mit dem Tone des Schreckens. „Sie sind ja ganz verändert, was bedeutet das Trauergewand ? Wo ist Ihre Mutter?" „Meine Mutter," lautete die tonlose Er widerung, „ruht seit vorgestern schon im Fried- Hofe. In der schwersten Prüfung fand ich mich allein, doch das ist ja gewöhnlich, die Unglück lichen haben keine Freunde!" „Ihre bitteren Worte kränken mich unver dient; Sie können wohl annehmen, daß nur unaufschiebbare Geschäfte mich verhindert haben, hier zu erscheinen,. und sowie die Geschäfte be endet waren, kehrte ich zurück, und muß nun zu meinem Bedauern finden, daß die wenigen Tage meiner Abwesenheit mir und Ihnen schmerzliche Verluste gebracht haben. Glauben Sie mir, ich bin über das unerwartete Ende Ihrer Mutter nicht weniger tief bettübt, als Sie, und ich weiß recht gut, daß Trostesworte nach einer solchen Katastrophe wertlos sind, was aber sonst noch vorgefallen sein mag, mich auch Ihrer Freundschaft zu berauben, das ist mir unerklär lich. Meine Abwesenheit allein kann doch nicht hinreichen, um unser bisheriges freundschaftliches Verhältnis zu zerstören; sprechen Sie, Olga, was habe ich Ihnen zuleide getan?" „Nichts!" lautete die kalte Antwort. „Sie können doch nicht erwarten, daß ich mit heiterer Miene und frohen Worten Ihnen entgegen- trete?" „Das verlange ich ja auch nicht. Was ich aber zu verlangen mich berechtigt glmckte, das war ein warmes Wort des Willkommens mrd nicht ein bitterer Borwurf und abwehrende Kälte" — rind mit innigem Tone fuhr der junge Mann fort: „Hören Sie einige ernste Worte, die mir schon lange auf der Zunge lagen, die auszusprechen mich aber stets eine unerklärliche Scheu zurückhielt. Jetzt, wo Sie allein und verlassen dastehen, ist es meine Pflicht, diese Worte zu sprechen und Sie zu fragen, wie Sic sich Ihr künftiges Leben cinzurichten ge denken. Es wäre schlecht am Platze, Ihnen jetzt eine sogenannte Liebeserklärung zu machen. Sie müssen doch im Laufe der Monate erkannt haben, wie wahr und treu ich Sie liebe, und wie ich mir kein Glück auf dieser Welt mehr denken kann, ohne Sie. Die letzten Worte, die ich hier an dieser Stelle mit Ihrer verstorbenen Mutter sprach, betrafen Ihre Zukunft, ich ge stand ihr meine innige Liebe zu Ihnen und er hielt ihren mütterlichen Segen. Leider zerstörte die rauhe Hand des Todes das Leben dieser uns beiden so teuren Frau, und sie war, wie ich vermute, nicht mehr in der Lage, meine Für sprecherin bei Ihnen zu sein. So muß ich meine Sache denn selbst führen und ich frage Sie ohne weitere Umschweife klar und offen, wollen Sie meine Gattin werden, wollen Sie mich zu dem Glücklichsten aller Menschen . dadurch machen, daß Sie Ihr Schicksal mit dem meinigen verbinden?" Aus de« unverändert starren Zügen des Mädchens ließ sich nicht wahrnehmen, ob die Worte Roberts ein Echo in ihrem Herzen ge funden hatten oder nicht, ebenso kalt und gleich gültig klangen die Worte ihres Mundes: Sie überraschen mich in einem Atomente, wo ich wahrlich nicht in der Stimmung bin, vie
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