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Allgemeiner Anzeiger : 10.10.1908
- Erscheinungsdatum
- 1908-10-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190810106
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19081010
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- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1908
-
Monat
1908-10
- Tag 1908-10-10
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Monat
1908-10
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Jahr
1908
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 10.10.1908
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Ereignissen, die die notwendige lange erwartete Folge der geschichtlichen Entwickelung sind. Wie früher, wird auch jetzt Rußland wahrschein lich sich gegen den Fürsten erklären, aber es ist kein Zweifel, daß die Mächte die neue Lage auf dem Balkan anerkennen werden. Ob sie freilich ihren Standpunkt in bezug auf die Herausgabe der von Bulgarien mit Beschlag belegten Orientbahnen ändern werden, ist eine andre Frage, aber es wird dieserhalb wahr scheinlich zu einem Vergleich kommen. Im Augenblick ist allerdings die Lage äußerst ernst. In Konstantinopeler Regierungs kreisen ist man der Meinung, daß die Türkei weder die Beschlagnahme der Orientbahnen, König Ferdinand I. von Bulgarien. Bulgarien Zum Königreich proklamiert. G Schneller als man in Europa zu glauben wagte, hat Bulgarien die Trennung von der Türkei vollzogen. In aller Eile ist Bulgarien (und mit ihm Ostrumelien) als unabhängig von der Türkei und zugleich zum Königreich erklärt worden. Fürst Ferdinand, jetzt Seine Majestät Ferdinand l. von Bulgarien, war am 3. d. von Bukarest aus nach Giurgewo gereist, wo ihn alle Minister erwarteten. In der Nacht zum 4. d. bestiegen der Fürst und sein Gefolge eine Jacht und dort wurde ein drei Stunden währender Ministerrat abgehalten. Die Minister waren fest entschlossen, abzudanken, falls der Fürst die Unabhängigkeitserklärung nicht gm geheißen hätte. Nachdem das Ministerium aber den Fürsten einmal überzeugt hatte, daß der Augenblick für die Unabhängigkeitsekklärung gekommen sei, war nur zu begreiflich, daß Fürst Ferdinand den lange gehegten Königstraum zu verwirklichen strebte. Alle Meldungen aus der bulgarischen Hauptstadt stimmen darin überein, daß die Un- abhängigkeitserkläruug sowie die Erhebung zum Königreich von der gesamten Bevölkerung mit Begeisterung ausgenommen wurde. Die Stim mung im Auslande, das zwar diese Entwickelung der Dinge vorausgesehen, aber noch nicht so schnell erwartet hatte, ist geteilt. In England und Rußland billigt man den Schritt Bulgariens durchaus nicht, Deutschland verhält sich ab wartend, die andern Mächte stimmen dem Zwange der Verhältnisse folgend, zu. Mit der Unabhängigkeitserklärung hat Bul garien vorläufig eine wechselvolle Geschichte ab geschlossen. Am 3. März 1878 war der russisch-türkische Krieg durch den Friedensschluß von San Stefano beendet worden. Durch diesen Frieden wurden die Fürstentümer Serbien, Rumänien und Montenegro für unabhängig erklärt. Bulgarien war zum selbständigen, aber der Türkei tributpflichtigen Fürstentum ge worden, dem man außerdem noch ein Stück (Süd-Bulgarien) abtrennte. Diese Abmachungen wurden im Berliner Kongreß berichtigt und von den Mächten gutgeheißen, obwohl sie in bezug auf Bulgarien durchaus nicht einwandfrei waren. Der staatsrechtliche Widersinn, daß ein selbst ständiges Fürstentum einem andern Staate tributpflichtig sein solle, kam zwar den Mächten (auch Bismarck) voll zum Bewußtsein, aber bei der allgemeinen Weltlage war man zufrieden, solchen Ausweg gefunden zu haben. Bulgarien aber strebte der Trennung von der Türkei, s^wie der Wiedervereinigung mit Südbulgarien zu. In dem neuen Fürstentum war im April 1879 Alexander von Battenberg zum Fürsten gewählt ivorden. Bald daraus ward der von der Türkei auf zehn Jahre in Ostrumelien ernannte christliche Statthalter verjagt und die Wiedervereinigung Ostrumeliens mit Bulgarien verkündet. Am 7. September 1886 verließ Fürst Alexander freiwillig das Land, da er sich gegen die immer stärker werdenden russischen Umtriebe nicht halten zu können glaubte. Im Juli des fol genden Jahres wurde der am 26. Februar 1861 ge borene Prinz Ferdinand von Koburg zum Fürsten von Bulgarien gewählt, aber auch er gefiel den Russen nicht. Indessen schlugen die mannig fachen Versuche, ihn zu vertreiben, fehl, zumal er an seinem Ministerpräsidenten, dem Russen feinde Stambulow, eine überaus starke Stütze hatte. Nach siebenjährigem.heimlichen Kampf mit dem Zarenreich trennte sich Ferdinand end lich von Stambulow und es kam eine Aus söhnung mit dem Zarenreich zustande, in deren Verfolg die Mächte endgültig den Bulgaren fürsten (im Gegensatz zum klaren Wortlaut des Berliner Vertrages) als Generalgouverneur von Ostrumelien anerkannten. Das ist kurz die Vorgeschichte zu den jetzigen noch die Unabhängigkeitserklärung ruhig hin nehmen dürfe. Doch schwankt man noch, ob inan durch eine Note an die Mächte Einspruch erheben soll, was wahrscheinlich keinen Erfolg hätte, oder aber, ob man zum Schwert greifen und unverzüglich den Krieg beginnen soll, dessen Ausgang zum mindesten zweifelhaft ist. Natürlich raten die Mächte zum Frieden. Es heißt sogar, beim Sultan seien mehrere Tele gramme von Kaiser Wilhelm eingetroffen, die dringend zur friedlichen Auseinandersetzung mit Bulgarien raten. Freilich muß man mit dem jetzt durch die Erfolge der Jungtürken erwachten türkischen Nationalgefühl rechnen. Das türkische Volk kann seine Regierung zum Kriege zwingen, wie das bulgarische das Ministerium zur Unabhängig keitserklärung gezwungen hat. Jedenfalls dauern die Bewegungen der türkischen Truppen gegen die bulgarische Grenze an. Bulgarien hat dagegen kriegsmäßig mobil gemacht und alle im Aus land weilenden Offiziere einberufen. Wenn es also den Mächten nicht gelingt, im letzten Augenblick den Weg friedlicher Vermittelung zu finden, ist der Krieg unvermeidlich geworden. * -k- * Die Übernahme Bosniens und der Herzegowina durch Osterreich-Ungarn ist nunmehr vollzogen worden. Kaiser Franz Joseph hatte an alle Mächte, die auf dem Berliner Kongreß vertreten waren, ein Handschreiben gerichtet, worin er von diesem Schritt seiner Regierung Mitteilung macht. Wie über das Schicksal Bulgariens, hatte auch der Berliner Kongreß über die immer unruhigen Landesteile Bosnien und Herzegowina bestimmt. Beide Gebiete sollten unter der Oberhoheit des Sultans bleiben, aber von Osterreich-Ungarn militärisch besetzt und ver- wlHejt werden. Österreich erwarb weiterhin das RM, im türkischen Bezirk Novibazar dauernd Truppen zu unterhalten, um dort die Christen und den Handel zu schützen. Die der Türkei gewährte Konstitution, die allen türkischen Untertanen (also auch den Christen) gleiche Rechte gewährt, schien die Besetzung dieses türkischen Gebietes unnötig zu machen und man beschloß in Wien, die Truppen zurückzuziehen. Dafür werden nun dem Sultan seine Souveräni tätsrechte über Bosnien und die Herzegowina ab genommen und gehen aufKaiserFranzJosepH über. Ein Vierteljahrhundert ist verflossen, seitdem Osterreich-Ungarn kraft des Berliner Vertrages die Provinzen militärisch besetzt und ihre innere Verwaltung übernommen hat. Rastlos hat es seitdem daran gearbeitet, diese einst fast unzu gänglichen, unter dem Joch der türkischen Regie rung daniederliegenden Länder dem Verkehr zu erschließen, Industrie und Handel auf jede Weise zu heben und ihnen eine westländische Kultur zu verleihen. Die Türkei ist sowohl von Bul garien als auch von Osterreich-Ungarn völlig überrascht worden. Die Übernahme Bosniens und der Herzegowina ist vom völkerrechtlichen Standpunkt aus zu billigen, um so mehr, als Kaiser Franz Joseph beiden Gebieten sofort eine Verfassung gewährt hat. In einem Mani fest an das bosnische Volk erklärt Kaiser Franz Joseph, daß die völlige Loslösung von der Türkei eine Vorbedingung dieser Landesver fassung sei. — Obwohl auf allen Seiten Neigung zum Frieden herrscht, ist die Lage auf dem Balkan doch sehr ernst. Um alle Schwierig keiten zn vermeiden, sind England, Rußland und Frankreich in aller Sülle übereingekommen, zur Regelung der Balkanangelegenheiten einen neuen Kongreß zu berufen, auf dem gewissermaßen der Berliner Vertrag revidiert werden soll. Während aber Frankreich wünscht, daß dieser neue Kongreß in Paris stattfinde, hat Rußland Petersburg als Tagungsort vorgeschlagen. Grundsätzlich sind wohl alle europäischen Mächte mit der Berufung dieses Kongresses einver standen, da auch in Konstantinopel beschlossen worden ist, die Entscheidung über Krieg und Frieden mit Bulgarien solange zu vertagen, bis die Mächte auf einem Kongreß zu den Um wälzungen auf dem Balkan Stellung genommen haben. Politische Kunälchau. Deutschland. * Kaiser Wilhelm hat an den Preuß. Städtetag, der am 5. und 6. d. in Königs berg tagte, ein in sehr herzlichen Worten ge haltenes Begrüßungstelegramm gesandt. * Der Reichskanzler Fürst v. Bülow, wird in diesem Jahre nicht wie früher von Norderney aus nach Kl.-Flottbeck fahren, sondern sich direkt nach Berlin begeben, wo er Mitte Oktober eintreffen wird. * In Beantwortung einer Eingabe des Bundes Deutscher Bodenreformer zwecks Ein führung einer Reichs zuwachs st euer hat Staatssekretär Sydow erklärt, daß die Steuer an sich wirtschaftlich gerechtfertigt, daß sie aber ungeeignet sei, im Reiche eingeführt zu werden. — Im vorigen Jahre hatte bereits der Preuß. Landtag sich gegen die staatliche Zu wachssteuer (Besteuerung der Wertsteigerung des Bodens) erklärt. *Dir Einberufung des Preuß. Land tages auf den 20. d. wird nunmehr durch königliche Verordnung, die das Datum des 2. d. trägt, bekanntgegeben. *Jm neuen Kolonialetat werden die Mittel zur Errichtung einer Polizeistation auf den Admiralitätsinseln gefordert werden Die neue Station wird auf der größten Insel des Archipels, der Manuinsel, ihren Platz finden. Bisher ist es dem Gouvernements- dampfer „Seestern" trotz seiner oftmaligen Be suche auf der Inselgruppe nicht gelungen, der Menschenfresserei der Bevölkerung ein Ende zu bereiten. Die neue Polizeistaüon dürfte wirk same Abhilfe bringen. *Jn einer halbamtlichen Äußerung erklärt sich die Heeresverwaltung gegen die vielfach lautgewordenen Forderungen der Ein führung der zweijährigen Dienstzeit bei der Kavallerie und der reitenden Artillerie, da die Ansprüche, die man an die Ausbildung und Kriegstüchtigkeit dieser Waffengattungen unbedingt stellen muß, sich nicht mit einer derartigen Verkürzung der aktiven Dienstzeit vereinigen lassen. Österreich-Ungarn. * In dem Völkerstreite zwischen den Deutschen und Slowenen, der erst kürzlich die berüchtigten Ausschreitungen in Lai bach hervorgerufen hatte, ist ein neuer Vorgang zu verzeichnen, der geeignet ist, aufs neue das größte Aufsehen zu erregen. In Marburg wurden aus die Anzeige zweier slowenischer Advokaten hin sieben deutsche Turner unter der Beschuldigung des Verbrechens der öffentlichen Gewalttätigkeit gegen Slowenen verhaftet und beim Landesgericht eingeliefert. Unter den Deutschen herrscht die-größte Erbitterung darüber, weil in Laibach weit ärgere Ausschreitungen un bestraft geblieben sind. Italien. *Wie aus Rom berichtet wird, haben die Probefahrten des neuen lenkbaren Militärballons einen glänzenden Erfolg gezeitigt. In wenigen Tagen wird vor Negie rungsvertretern die Hauptfahrt stattfinden. Falls sie gelingt, sollen fünf Lenkballons für Militärzwecke in Auftrag gegeben werden. Dänemark. * Nach viertägiger Debatte über die von dem früheren Justizminister Alberti be gangenen Millionen-Unterschlagungen nahm das Folkething einen Beschluß an, durch allgemeine Sammlungen die Folgen der Veruntreuungen zu Mildern. Amerika. * Präsident Castro ist plötzlich sehr schwer erkrankt, sodaß allgemein an feiner Genesung gezweifelt wird. Trotzdem hat er noch vom Krankenbett aus angeordnet, das die venezola nische Regierung in dem Streit mit Hol land unter keiner Bedingung nachgeben und ruhig die Blockade durch Holland abwarten solle. Afrika. *Jn Marokko hat sich ein neuer deutsch-französischer Zwischenfall zugetragen. Der Bote der deutschen Post, Mohammed Filali, geriet bei Rabat in Streit mit den einem französischen Offizier unter stehenden Polizeitruppeu. Als er verhaftet wurde und dem französischen kommandierenden Offizier vorgeführt werden sollte, kam es zu einer Schlägerei zwischen den Polizeitruppen und Marokkanern, wobei Mohammed Filali entwischte. Der französische Offizier verlangte vom deutschen Vizekonsul die Auslieferung des Postboten. Diese wurde verweigert, jedoch zu gestanden, daß der betreffende Offizier der Ver nehmung des Postboten und der Zeugen bei wohnen könnte. Bei dieser Vernehmung haben sich über den tatsächlichen Hergang Abweichungen ergeben. Es ist zu hoffen, daß die weiteren Besprechungen zwischen dem deutschen Vizekonsul und dem französischen Polizeioffizier zu einer Beilegung des Zwischenfalles führen. Von s^ab und fern. Ein Gedenktag der Deutschen in Amerika. Ani 4. d. waren 225 Jahre ver flossen, seit die ersten Deutschen ihren Fuß aui amerikanischen Boden gesetzt haben. Dieser Tag ist von den Deutsch-Amerikanern festlich be gangen worden. Die in St. Louis wohnenden Deutschen feierten die erste Landung von Deutschen in Amerika mit einer großen Parade und verschiedenen festlichen Veranstaltungen. Die Deutsch-Amerikaner in New Jork begingen mit großer Festlichkeit die Wiederkehr des Deutschen Tages, der im Jahre 1883 auf An regung der Deutschenführer Dr. Gottlieb Kellner und Dr. Oswald Seidensticker zur Verherr lichung der Errungenschaften des Deutschtums in Amerika zum ersten Riale gefeiert wurde. Der Austanschprofessor Kühnemann von der Universität Breslau überreichte eine Adresse. K bin Irrtum cles ^er^ens. 5j Originalroman von Franz Z i stl^r. (Fortsetzung., „Die Lieb« mag den Reichtum verschönen," fuhr Olga lebhaft fort, „die Armut aber macht sie doppelt drückend, denn man lebt nicht von Idealen, und der Kontrast zwischen dem poetisch schönen Bilde einer selbstlosen Liebe und der materiellen Wirklichkeit ist um so .greller, daß man wohl daran tut, dieser Liebe aus dem Wege zu gehen und dafür zu forgen, daß der kühle Verstand niemals die Herrschaft über das, was das Herz meint, verläßt." Während Olga ihre eigentümlichen Theorien über die Liebe entwickelte, war in Robert ein Gedanke aufgeschossen, den er sofort zu reali sieren versuchte. Bestrebt, aus seinen, wie er glaubte, reichen Mitteln dw Existenz der armen Witwe zu verbessern, hatte er vergeblich nach einer paffenden Art, diese Absicht durchzuführen, gesucht. Jem war ihm ein Weg eingefallen, auf dem er seinen Zweck erreichen konnte, ohne das Zartgefühl der beiden Damen zu ver letzen. „Wir werden später noch Gelegenheit haben, über dieses Thema miteinander zu streiten, und ich werde mein möglichstes tun, Ihre mir falsch scheinenden Ansichten zu bekämpfen und hoffent lich zu.verbessern: jetzt aber gestatten Sie mir eine andre Frage: Sie haben hier eine große Anzahl von mehr oder minder gelungenen Bildern, aus welche Sie, wie ich sehe, gar keinen > Wert legen. Weshalb versuchen Sie es nicht, dieselben zu verkaufen und im Falle, als Sie Abnehmer finden, lieber Ihre Zett an der Staffelei zu verwerten, als im Unterricht fremder Kinder, was nach meiner Ansicht zu den herbsten Prüfungen eines begabten und streb samen Geistes gehört." „Wer sollte mir diese Kleinigkeiten ab nehmen?" fragte Olga, „ich bin wirklich nicht eitel genug, um zu glauben, daß jemand für diese schülerhaften Versuche Geld ausgeben würde." „Lassen Sie es doch auf einen Versuch an- kommen. Ich habe einen bekannten Kunst händler, er heißt Kohn und hat sein Ihnen ge wiß bekanntes Geschäft in der Herrengaffe. Brttrgen Sie ihm einige dieser Bilder und fragen Sie, ob er dieselben in Kommission übernehmen wolle. Ich bin fest überzeugt, daß sich Kunst liebhaber finden werden, welche, überrascht von der originellen Auffassung und Durchführung, Ihre Aquarelle gut bezahlen werden." „Verfuche es, mein Kind," meinte nun auch Frau Reinwald, „ich habe dir schon ost das selbe gesagt, aber wenn es sich um Geldange legenheiten handelt, bist du ganz Künstlerin, und vergissest die Lage, in der wir uns be finden." Dunkle Röte des Unmuts färbte Olgas Wangen, ein strenger Blick traf die aste Frau, und mit fast herbem Tone sagte sie: „Ich werde tun, was mir der Herr Leut nant anrät, aber jetzt, glaube ich, sprechen wir von etwas anderm, unsre pekuniäre Lage ist keineswegs ein Gesprächsstoff, um uns oder unsern Gast zu unterhalten. Olga blieb sichtlich "verstimmt, und Robert hielt es nunmehr für angezeigt, seinen Besuch zu beenden. Hatte er doch an dem ersten Tage schon unendlich viel erreicht. Unmittelbar hierauf begab er sich zu dem von ihm empfohlenen Kunsthändler Kohn und sagte ihm, daß ein junges Mädchen ihm Aquarellbilder zum Verkauf bringen werde. Er möge die Bilder als wohlgelungen loben, sie annehmen und aufbewahren, bis er wiederkäme, da er die Absicht habe, alle diese Bilder selbst zu kaufen. In freudig gehobener Stimmung kehrte Robert dann nach Hause zurück. 3. Robert von West war von nun an fast täglich im Hause der Witwe Reinwald. Mit wahrer Freude sah er, wie ein behaglicher Wohlstand in der kleinen Wohnung sich auszuprägen be gann, und wie aus Olgas Blicken eine gewisse innere Befriedigung hervorleuchtete. Sie hatte den Rat Roberts befolgt und war zu dem ihm empfohlenen Kunsthändler mit ihren Bildern gegangen, mit denen sie zu ihrer eigenen Überraschung ganz unerwartet reichliche Erfolge erzielte. Nunmehr konnte sie auch ihre mühsame Be schäftigung als Lehrerin aufgeben, ja sie war dazu genötigt; denn ihre Bilder fanden so raschen Absatz, daß ihr Vorrat bald erschöpft wurde und sie sich zu neuen Kompositionen ver anlaßt sah. Daß alle ihre Bilder von Robert von West um so hohe Preise aufgekaust wurden, davon hatte sie allerdings keine Ahnung. Robert hütete sorgsam sein Geheimnis und widersprach auf das lebhafteste, wenn Olga die Vermutung aus sprach, daß ihre Aquarelle, denen sie selbst wenig Wert beilegte, von einigen urteilslosen Enthusiasten erworben würden, denn anders könne sie sich den raschen Abgang derselben nicht , erklären. Das eigentümliche Lächeln des Herrn Kohn aber, mit dem er sie begrüßte, so ost sie ein neues Bild brachte, hielt sie für einen Ausdruck der Freude über die guten Geschäfte, die er mit ihren Bildern mache. 's Olga und Robert waren gute Freunde ge worden und es gab Augenblicke, wo das Mäd chen seine Härte und Verschlossenheit ablegte und dem jungen Manne Einblicke in ein warmes Herz gewährte, die ihn entzückten. Die beiden jungen Leute musizierten, lasen oder matten zusammen, sie besuchten gemeinsam Konzerte und Galerien und bald schienen sie sich gegenseitig unentbehrlich zu sein. Roberts leidenschaftliche Liebe zu dem Mäd chen hatte ihren höchsten Grad erreicht, und er kannte kein ersehnteres Ziel, als Olga sein Eigen zu nennen. Trotzdem aber hatte er bis her nicht den Mut gefunden, Olga seine Liebe zu gestehen und um ihre Hand zu werben. Ihre Ansichten über die Liebe ließen ihn näm lich eine Zurückweisung und eine Störung jenes angenehmen Verkehrs besorgen, der für ihn zu einer stets neuen Quelle reiner Freuden ge worden war; auch konnte er in ihrem Be- > nehmen nichts finden, was ihn auf Erwide rung seiner Gefühle hoffen ließ.
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