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-4 Das Frühstücksbrot. — von m. L. Iulian. «Nachdr. vcrboik»., Vor Wenigen Minuten hatte es zur Frühstückspause ge klingelt. Herr Schmidt hatte seine Schar Buben wie ein klei nes Heer geordnet auf den Hof marschieren lassen, als Masse ein großes Butterbrot in den Händen, von der gleich beim Aufstellen Gebrauch zu machen sich die kleinen Schulrekruten kaum ent- halten konnten. Aber das gestrenge Kommando: „Erst auf dem Hofe wird gegessen!" wirkte nach. Ordnung und Zucht mußten sein! Mit um so größerem Eifer wurde, im Freien an gelangt, das Frühstück seiner Hüllen entkleidet, und tapfer bissen die kleinen Zähne hinein. Plötzlich^ stockte der Parademarsch, die ganze Schar stand dicht gedrängt, dann ein heulendes Geschrei und — wie das Knäuel sich entwirrte, brachten vier, nein sechs sogar einen sich sträu benden, mit Arm und Bein zappelnden Jungen angeschleppt; fast sollte man fürchten, sie würden schließlich nur noch die leere Jacke vor den Richter brin gen; denn kaum saß der Verklagte noch drin. Die anderen Knaben trotteten hinter dem jämmerlich heulenden Kläger hinterdrein, bis alle vor dem Lehrer als der strafenden Gerechtigkeit Halt machten. Einer hatte das Erzählen und Ankla gen immer noch eiliger wie der andere, bis Herr Schmidt schließlich den Rede strom mit den Worten - eindämmte: „Mund zu! Fritz Tantow redet." Allge- meineStille, nur dasHeulen währt fort. „Nun, Fritz, warum heult der Anton R'adtke?" „Herr Lehrer, Antons Brot ist fort," kam die prompte Antwort. chr wichtig vor. „Fort?" fragte Herr Schmidt er staunt, „wie ist das nur möglich?" — „Der Gustav Blobel hat's mich weggenommen und schnell aufge gessen," kam es unter heulendem Geschluchze kaum verständlich aus des Gekränkten Mund. — „Wie kannst Du so et was sagen, An ton?" verwies ihn der Lehrer, „hast Du denn gesehen, daß der Gustav es genommen?" — KNee," heulte An ton weiter, „aber et war doch meine Wurst, die er in den Mund steckte. Ick habe ihr doch man von Tante Fine gekriegt." — Dieser Beweis war eigentlich schlagend genug nach An- tonsMeinung,und doch konnte es Herr Schmidt noch nicht recht glauben von dem Gustav. Mit ernstem Gesicht wandte er sich dem An geklagten zu. Dieser, ärmlich, aber reinlich gekleidet, stand mit niedergeschlagenen Augen und fest geschlossenen Lippen vor ihm. „Gustav, hast Du das Brot genommen?" fragte der Leh rer ruhig. Gustav schwieg. „Nicht trotzig sein, Kind! Sag', hast^Du das Brot ge nommen?" Freundlich ernst klang seine Stimme, und be ruhigend strich er über des Knaben Haupt. Gustav schlug einen Augenblick die Augen hoch und sah den Lehrer an, öff nete auch die Lippen, — doch plötzlich seine Kameraden be trachtend, schloß er den Mund wieder, ohne ein Wort hervor gebracht zu haben. „Nun, Gustav, Du hast nur noch nicht geantwortet. Sprich die Wahrheit," ermahnte der geduldige Mann noch einmal. „Hast Du Dir das Brot genommen?" Ohne aufzusehen, antwortete Gustav kurz: „Nee!" „Doch, er hat's doch gegessen!" brüllte Anton von neuem los, der sich bei dem erhofften Strafgericht schon etwas be ruhigt hatte und nun leichter auf seiu Frühstück, denn auf die verdiente Prügel für den anderen verzichtete. „Sei still!" verwies ihn Herr Schmidt streng, „wenn Gustav Dein Brot gegessen hat, wird er es schon gestehen." Und sich freundlich wieder dem Missetäter zuwendend, zog er ihn näher zu sich heran. Er hatte den bescheidenen, fleißigen Knaben stets gern gehabt und war daher ehrlich betrübt, ihn auf einem doppelten Unrecht ertappt zu haben. „Ich bin es eigentlich nicht von Dir gewöhnt, daß Du lügst oder Deinen Mitschülern ihre Sachen wegnimmst, Gustav, trotzdem mag's mal vorgekommen sein, Kind; jetzt aber sage die Wahrheit. Nun? Sprich, warum hast Du dem Anton sein Frühstück genommen und es aufgegessen?" Ganz leise, kaum dem Lehrer verständlich, antwortete er: „Ich hatte so'n Hunger." Prüfend fah ihn Herr Schmidt an: „Hattest Du denn Dein Brot vergessen?" „Nee." „Na, wenn Du Dein Frühstück schon gegessen, konnte der Hunger doch so groß nicht mehr sein." „Ick kriege jetzt keins, meine Mutter ist doch krank und verdient nischt." Bei diesem Geständnis sah der kleine Wicht so beschämt zur Erde, als wäre es schon ein Verbrechen, so arm zu sein. Mitleidigen Herzens sah der Lehrer sich den armen Schelm genauer an, nun fiel ihm auch auf, wie schmal und blaß das Gesicht des Kindes war. Daß der Anzug alt und tüchtig ge flickt, das wunderte ihn nicht, denn diese karrierte Tracht — braune Hosen mit schwarzen und binnen Flicken, dazu eine Jacke, bei der die Ellenbogen neugierig in die Welt sahen — war kein ungewohnter Anblick mehr für ihn. Aber dieses müde, blasse Kiudergesicht, das von Entbehrungen mancherlei Art sprach, rührte ihn, und teilnehmend fragte er: „Seit wann hast Du denn kein Frühstück mehr bekommen?" „Schon überst eine Woche nich." Wie kläglich, wenn die Witwe krank zu Bett lag, mochten Ein« fluctentitck« LisrnLrck-Geclenkfeier »rn kerliner kisni»rck-Oenk>n»i. Der Kleine kam sich als Wortführer Eine lecksjrikrige Lebensretterin.