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Mnud Hilmersons Sräutignm. t)o» zj e r d Gruner. (Nachdruck verböte».! In einem vornehmen Hotel auf der Kärntnerstraße zu Wien herrschte trotz des grauen Herbsttages, dessen rieselnder Nebel die Straßen erfüllte, eine gemütliche Stimmung. Die elektrischen Lichter und die weißen Auerbrenner in schwersilbernen, modernen Gehängen schufen eine angenehme Helle. Das Diner ging zu Ende. Da und dort rührte bereits einer der Gäste in den feingliederigen Mokkaschälchen und holte mit der Gemächlichkeit, die nach einem guten Diner selbstverständlich ist, eine Zigarre aus dem Etui. Geräuschlos eilten die Kellner auf den Teppichen mit den rotlinigen Mustern umher. Jener Typ von Bedienungsjüng lingen, der dem Ausländer in der alten Kaiserstadt immer imponiert. Schlank, geschmeidig, elegant, in Lackschuhen, wei ßer Krawatte, frisiert und pomadisiert, tadellos höflich und diskret. « An zwei Tischen, die in einer der weit ausladenden, mit Gobelins behängten Nischen standen, fanden sich die Herren allmählich zu einer ungezwungenen Unterhaltung zusammen. Ein paar Kavallerieoffiziere, junge Leute mit blonden Schnurrbärtchen, langem Hals, breiten Schultern, rosig frisch, eben aus der Provinz gekommen, um ein paar Wochen in der Residenz fröhlich und ungezwungen zu verleben. Daneben ein etwas älterer Herr mit kurzgeschnittenem Vollbart. Er war sehr sorgfältig gekleidet. Lebhaft in den Bewegungen, mit frisch aufgesteckter Wäsche. Nach Sprache und Haltung kein Wiener. Er und die beiden Offiziere betrachteten, da sie das Mahl bereits beendet, mit Wohlgefallen ihren Nachbar, nach feinem Bartschnitt ein Engländer. Allerdings keiner von der Sorte, die in Witzblättern zu paradieren pflegt, weder karricrt noch Khaki. Er stak in einem Anzug, den ein ürst kaUor gebaut. Eine Weiße Rose, halb erblüht, füllte sein Knopfloch. Die Hände verrieten eine geübte Manicure. Auf schlankem Kör per saß ein mächtiger Kopf mit blassem Gesicht. Die Augen müde, wie von einer langen Reise, die Lider ein wenig gerötet. Ein Mann, dessen ruhiger Sicherheit man es ansah, daß er das Hotelleben gewöhnt war. Er aß mit der Eleganz eines Gentlemans und mit der Delikatesse eines Gourmands. Die Speisekarte genügte ihm nicht. Er verhandelte lange mit dem Oberkellner, dessen Glatze sich in dem dunklen Bordeau des Gastes spiegelte. Den Käse ließ er stehen, hob aus seinem Rock eine nil grüne Zigarrentasche und entnahm ihr ein Rauchkraut, das der Größe und Gestalt nach aus Südamerika stammte. Als er es anzllndete, sah man einen wunderbaren Stein an seiner Hand glänzen. Ein kleiner Seufzer entfuhr den Lippen des Engländers. Er sah auf und bemerkte die auf ihn gerichteten sympathischen Blicke der Nachbarn. Ein leichtes Nicken bestätigte, daß er es wahrgenommen. „Trübes Wetter heute," sagte einer der Kavallerieoffi ziere zu seinem Kameraden, doch so laut, daß die ganze Ge sellschaft daran Anteil nahm. Der Engländer nickte, mein Herr," sagte er ver bindlich, „aber was schert man sich um Wind und Wetter, wenn man bleiben kann, wo inan will, und wenn man keine Sorgen mit sich führt." „Die lasse ich immer zu Hause," bemerkte der Herr im Smoking gegenüber und winkte dem Kellner. „Bitte," sagte er nach einem Blick auf seine Uhr, „ich habe das Zimmer Nr. 3 belegt. Nach meiner Schätzung dürfte in etwa einer Viertelstunde mein Bruder mit der Westbahn eintreffen. Gottlieb von Bethlen aus Budapest, bitte, benach- richtigeu Sie mich sofort davon." Der Kellner verbeugte sich und verschwand in der Rich tung der Portierloge. „Die Sorgen lasse ich zu Hause," wiederholte Herr von Bethlen. „Ich suche lieber Dinge, die ich zu Hause nicht finde." „Also Abenteuer," bemerkte der jüngere der Offiziere, und ein Lächeln flog über sein rosiges Gesicht. „Auch," gab der Ungar zu rück. „Ich habe noch immer etwas erlebt, wenn es auch nur Episoden waren. Manch mal freilich Dinge, die einen nachdenken machten, oder Reisegenossen, die, wenn man sie auch nur einmal sah, einem lange in Erinnerung bleiben. Menschen, die, wenn der Zug in dunkler Nacht Fernen durcheilt, auf Sekun den, blitzartig auftauchten, vor einem erstehen, leibhaf tig mit ihren Hellen Augen oder den verlorenen, in sich gekehrten Blicken." „Manchmal wünscht man, lange, wochenlang neben einem zu reisen, um zu er forschen, was er mit sich her umtrüge; was ihm das Leben leicht oder schwer gemacht." - Der eine Kavallerist brannte sich eine Zigarette an. „Da hat der Herr mehr Glück gehabt als ich. Ich bin nur einmal — in Galizien war's, auf einer elenden Bahn, eine elende Fahrt, bei noch gräßlicherem Wetter — mit einem Manne ge fahren, der vornehm aussah — ich will sagen für Galizien wie ein Pfarrer, ein Rabbiner oder ein Bezirksrichter. Kurz, sehr hounet. Benahm sich auch so. Einfach tadellos. Wir sprachen miteinander. Wenn man nichts anderes zu tun hat, ist's ja natürlich. Und wer war's? Als wir ausstiegen, sagte er ein bißchen lächelnd, er wäre zwanzig Jahre im Zuchthaus gesessen. Unschuldig, natürlich!" Der Engländer blies den Rauch gemächlich vor sich hin. Er hob den Kops, als ob er lauschte. Draußen rieselte der Nebel. Schwarzgekleidete Herren mit Zylindern, die ziemlich abgegriffen waren, traten durch eine Tür im Hintergründe ein und nahmen auf einem schma len Podium Platz. Eine kleine, karminrote Fahne hing da vor, auf der eine samtene Lyra eingestickt war. „Interessant," fing schwerfällig der Brite an. „Man erlebt mancherlei. Einmal in Amerika . . ." Er brach wieder ab. „Die Geschichte wäre zu lang. Auch bin ich nicht in der rechten Stimmung, zu er zählen." Herr von Bethlen munterte ihn auf. „Wenn es etwas In teressantes ist, ich glaube, der Herr . . ." „John Berkley," sagte der Engländer . und. erhob sich mit leichter Verbeugung von seinem Sitz. „OberleutnantWitt- mann aus Przemysl" Lransporl eines zweikiöckiaen Haukes auf eiern HuNkon. kilcikauer Louis LaNan der Begründer des berühmten Lastans Panoptikum' in Berlin -j-.