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Allgemeiner Anzeiger : 22.07.1908
- Erscheinungsdatum
- 1908-07-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
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- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190807225
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19080722
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19080722
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-07
- Tag 1908-07-22
-
Monat
1908-07
-
Jahr
1908
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 22.07.1908
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pslitlkebs N-RnälcbLU. Deutschland. »Kaiser Wilhelm ist auf seiner Nord landreise vor Bergen eingetroffen. * Der Bischof von Ermeland, Dr. Andreas Thiel, ist im 82. Lebensjahre zu Frauenburg gestorben. Gelegentlich seines goldenen VriesterjubfläumS im Jahre 1899 wurde Dr. Thiel vielfacher Ehrungen von feiten Kaiser Wilhelms sowie der Behörden und wissenschaft lichen Korporationen gewürdigt. Zu seinem 20. Geburtstage verlieh ihm der Kaiser den Roten Adlerorden erster Klaffe. »In Deutschland wurden im Zaire 1997 (nach den Voranschlägen) 2070 Mill. Mark Steuern und Zölle erhoben, und zwar vom Reich 1351, von den Bundesstaaten 719 Millionen. "Die Torpedobooots- Schul flottille wird unter ihrem Chef-Korvetten kapitän Hartog am 31. Juli eine Ubungsfahrt nach Norwegen antreten, aw der Stavanger angelaufen werden soll und deren Dauer auf neun Tage berechnet ist. * Kürzlich wurde die Nachricht verbreitet, die preuß. Wahlrechtsreform werde im nächsten Frühjahr im Landtage eingebracht werden. Demgegenüber wird halbamtlich er klärt, daß Vorschläge seitens der Regierung über Abänderung des Preuß. Wahlrechts dem Landtage in seiner nächsten Tagung nicht be schäftigen werden. Um in die vom Fürsten Bülow seinerzeit in Aussicht gestellte Prüfung des Wahlrechts hinsichtlich vorzunehmsnder Ab änderungen eintreten zu können, muß der Re gierung vor allem das einschlägige statistische .. Material für die Wahlen vorliegen, das sich gegenwärtig im Abgeordnetenhaus« befindet. Es wird noch geraume Zeit dauern, ehe über haupt die Vorbeiten beendet sind. * Besondere Abteilungen zur Abur teilung von Straftaten Jugend licher sind in Baden bis zur Sammlung weiterer Erfahrungen vorerst in Mannheim und Karlsruhe gebildet worden. Diese Abteilungen sind aber im Gegensatz zu den Jugendgerichts höfen der me'Üen andern Staaten aus einer Reihe von Gründen sachlicher und persönlicher Art nicht dem Bormundschaftsrichter, sondern einem der regelmäßigen Strafrichter übertragen worden, der in besonderen Terminen zu ver handeln hat. Ofterrei ch-Ung arn. *Der rumänische Ministerpräsident Sturdza Wird demnächst mit dem österreichisch-ungarischen Minister des Auswärtigen, Frhrn. v. Ahren- thal, eine Zusammenkunft auf dem Semmering haben. Die beiden Staatsmänner werden bei dieser Gelegenheit eingehend alle Balkanfragen erörtern. *Wie aus Wien halbamtlich gemeldet wird, dürfte der englische Vorschlag, dem Banden unwesen in Mazedonien durch eine namhafte Militärgewalt zu begegnen, von Österreich angenommen werden. Man begrüßt es in Wien mit Befriedigung, daß der englische Vorschlag auf Maßnahmen zurückgreift, deren Wichtigkeit auch von Österreich stets anerkannt wurde. Österreich behält sich selbstverständlich etwaige Änderungen in bezug auf Einzel heiten vor. * Gegen denFutternotstand in Steier mark, Istrien, Dalmatien, im Küstenlande, in Krain, Kärnten, Galizien und Bukowina hat das österreichische Ackerbauministerium eine um fangreiche Hilfstätigkeit eingeleitet. Der not wendige Betrag zur Linderung der Futternot soll 4 Millionen Kronen betragen. Frankreich. * Anläßlich der jüngsten Unruhen inIndo - china erheben die französischen Blätter heftige Anklagen gegen die Iapaner. Sie behaupten, die einheimischen Truppen in Indochina würden beständig durch japanische Hetzschriften gegen die Franzosen aufgestachelt und für ein japanisches Protektorat bearbeitet. Der Versuch einiger unzufriedener Anamiten, ein ganzes französisches Bataillon zu vergiften, werde von allen Kolo ¬ nisten auf japanische Ansüftung zurückgeführt. Es sei unverantwortlich von der Regierung, daß sie unter solchen Umständen einen Teil der Kolonialtruppen auS Indochina zurückgezogen hat. Es sei auch auf den Einfluß der Japaner zurückzuführen, wenn Frankreich an der chinesi- schen Südgrenze Schwierigkeiten finde, denn auch in China gehe die revolutionäre Be wegung von japanischen Agenten aus. England. * Die englischen Flottenmanöver in der Nordsee, an der sich im ganzen 315 Schiffs beteiligen, haben ihren Anfang ge nommen. Alle Bewegungen der Schiffe, sowie das Ergebnis ihrer Gefechtsübungen sollen streng geheim gehalten werden. *Die englische Regierung Hai beschlossen, die Pläne betr. die Erbauung eines neuen Kriegshafens in Rosyth aufzugeben. Die Entscheidung stützt sich lediglich auf Gründe, die die Marine betreffen. Politische Zwecke haben dabei keinen Einfluß ausgeübt. Man wird wahrscheinlich einen andern Ort an der Nordostküste Schottlands als Flottenstützpunkt wählen. Belgien. »Die Deputiertenkammer hat die General diskussion über die Vorlage wegen der An gliederung des Kongo st aates beendet. Das Ministerium glaubt, daß die Annahme der Regierungsvorlage gesichert sei. Ruhlanv. *DaS Zarenpaar ist von seiner Reise in die Finnischen Schären wieder nach Kron stadt zurückgekehrt. Balkanstaaten. * Die Erregung über die jüngsten, von türkischen Offizieren gegen Vorgesetzte verübten Verbrechen hat in Konstantinopel die vielen andern politischen Sorgen fast in den Hinter grund treten lassen. Man sieht sich einem förm lichen Terrorismus gegenüber, der hauptsächlich von den Kreisen der jungen Offiziere ausgeht und sich gegen die furchtbare Verbreitung des SpionagesystsmS richtet. Die jungtürkische Bewegung hat entgegen der Darstellung der Regierung solchen Umfang angenommen, daß in aller Stille 28 Bataillone Infanterie mobil gemacht worden sind. Außerdem wurde das Marinemsnisterium beauftragt, vier oder fünf Kanonenboote zur Küstenbewachung nach Saloniki zu senden. * Die Krise in Serbi«n wird immer ernster. König Peter, dessen Regierung ohnehin wenig beliebt ist, findet keinen neuen Kabinettsbildner; die alte Regierungspartei hat ihm infolgedessen angeblich geraten, eine Militärdiktatur einzurichtm und mit ihrer Hilfe ohne Parlament zu regieren. Es ist jedoch nicht anzunehmen, daß König Peter einem so gefährlichen Rate folgt, dem sein Thron schwankt seit seinem Regierungsantritt und würde schwerlich diese neue Belastungs probe ertragen. "Uber die Zukunft Bulgariens sprach sich Fürst Ferdinand in einer bemerkenswerten Rede etwa wie folgt aus: Es sei seine Aufgabe wie die der Sobranje, das öffentliche Wohl zu sichern, und dies würde durch den unmittelbaren Verkehr der Volksvertreter mit dem obersten Chef wesentlich erleichtert. Der Fürst sprach die Hoffnung ms, mit Unterstützung der neuen Generation die zivilisatorische Aufgabe Bulgariens auf dem Balkan mit demselben Eifer fortsetzen zu können wie bisher. Afrika. *Die Franzosen sind auf ein eigenartiges Mittel verfallen, um den Sultan Abd ul Aziz wieder in seine alte Macht zurückzusühren. Meldungen aus Tanger zufolge werden die französischen Soldaten in marokkanische Tracht gekleidet, um den entthronten Sultan aus feinem geplanten Zuge nach Marrakesch zu begleiten. Indessen gewinnt der neue Sultan Muley Hafid mit jedem Tage mehr Anhänger, die sich ihm verpflichten, mit den Fremden Frieden zu halten, wenn alle europäischen Soldaten außer den Gssandischaftswachen das Land verlassen. Muley Hastd hat augLNscheiu- M alles zu einem Schlage gegen Frankreichs hlmppenmacht vorbereitet. Asien. * Der neue japanische Ministerpräsident Marquis Katsura, der auch das Finanz ministerium übernahm, ist eine der bekanntesten politischen Persönlichkeiten Japans. Er gehört zu den Schöpfern des Bündnisses mit England und stand auch während der Kriegsepoche an der Spitze der Regierung. »Der Schah von Persien hat einen Kostenanschlag sür den Neubau des Parlaments- gebäudes, das in Trümmer geschaffen worden ist, eingefordert. Mit dem Nebau soll unver züglich begonnen werden. Die in die englische Gesandtschaft zu Teheran geflüchteten Perser haben ihr Asyl verlassen, nachdem ihnen, bis auf wenige, die verbannt wurden, Begnadigung zugesichert war. Im Nordwesten des Reiches, in Täbris, ist die Lage unverändert. Die Straßenkämpfe dauern fort und es ist schwer abzusehen, wer endlich Sieger bleiben wird, der Schah oder das empörte Volk. Vas vorläufige 6näe äes Eulenburg- ^ro^esses. Der Meineidsprozeß gegen den Fürsten zu Eulenburg und Hertefeld vor den Geschworenen des Königlichen L mdgerichts I ist am Freitag mittag, am 15. Berhandlungs- und 16. SitzungS- taqe, auf unbestimmte Zeit vertagt worden. Die Gründe, die für den Gerichtshof maßgebend waren, bestehen einzig und allein darin, daß der Angeklagte Fürst zu Eulenburg infolge seines schweren Leidens nicht diejenige Verhandlungs- fähigkeit besitzt, auf die ein jeder Angeklagte ein prozessuales Recht hat. Dabei mußte es ohne Belang bleiben, daß der Angeklagte selbst mit der allergrößten Entschiedenheit sich gegen die Vertagung aussprack. Staatsanwalt und Ver teidigung hatten in Übereinstimmung den Ver- tagungsautrag gestellt, da eine Verhandlung auf strengprozessualsr Grundlage nicht mehr möglich war. Der Angeklagte selber stand auf wesentlich aaderm Standpunkte. .Meine Gesundheit ist mir vollkommen einerlei," sagte er. „Ich fühle auch die Kraft, daß ich weiter verhandeln kann. Es tut mir leid, wenn die Herren Arzte sich demgegenüber anders ausgesprochen haben. Ein Schuldloser kämpft für seine Ehre und kämpft für seine Unschuld. Was ist ihm das Leben ? Jetzt wird nun die Verhandlung unter brochen! Wie kann ich denn wissen, ob ich denn überhaupt die weitere Verhandlung erlebe. Ich bin ein kranker Mann; ich kann zusammen brechen." Und mit tränenerstickter Stimme mbr er fort: . . Und dann schließt sich nachher das Grab über einen, über den nicht der Richterspruch gefällt worden ist. Sie sprechen mit dem Vertagungsantrag mein Urteil. Ein Urteil, das schwer auf mir lastet, denn es bedeutet die Ungewißheit. Was soll ich mit dieser Ungewißheit machen? Ich bin so schwer leidend, daß ich kaum glaube, mich jemals wieder erheben zu können. Denken Sie daran! Denken Sie an da«, was in mir vorgeht! Denken Sie menschlich daran. Das ist meine Bittel" Der Verteidiger des Angeklagten, Justizrat Wronker, batte etwa folgendes aus- gejührt: „Meine Herren Richter! Sie ver mögen es kaum zu ermessen, in welch hartem Kampf wir, seine Verteidiger, mit dem Fürsten gestanden haben. Es mag seltsam klingen, und doch ist es eine Tatsache, daß hier die Wege der Verteidi gung von ihrem Klienten sich trennten. Der Fürst will und besteht mit eiserner Energie darauf, daß weiterverhandelt wird, und wir haben es seit Tagen, seit Wochen erkannt, wie jeder Laie es erkennen mußte, daß der Fürst am Ende seiner Kräfte war und daß für ihn das Schlimmste zu befürchten stand. Aber mit einer Heldenhaftigkeit, die ausrichtige Bewunderung er heischt, hatte der Fürst jeden Gedanken zurück- gewiessn, die Verhandlungen einftellen zu lassen. Welch ungeheure Selbstüberwindung hat der Fürst bewiesen, um der Verhandlung ihrenLauf zu lassen! Der Herr Oberstaatsanwalt hat nichts verab säumt, um von seinem Standpunkt aus, um kraft seines Amtes der Wahrheit und dem Recht zum Siege zu verhelfen, adrr auch der Herr K Vater Kbem. 23 Roman von G sorg Heinrich G örz. !F°rN-tzun«.) Noch eine letzte Umarmung. Dann eilt die Rätin hinaus. Nur ja unter den Augen ihrer Nichte weg, damit sie ihr nicht doch noch ver rät, daß sie aar keinen Brief bekommen bat, sondern ein Telegramm. In dieser Depesche stand /chwerkrank" und es wurde um schleunige Abreise gebeten. Eine Stunde später verläßt AgneS mit ihrem Gatten das Haus. Schweigend legen sie den Weg zum Bahn hof zurück. Dann braust der Zug heran. Am Coupö reicht er ihre Tasche hinauf und murmelt «in paar Grüße für ihren Vater. „Adieu, Agnes!" „Leb wohl . . . Heinrich." — * * Drei Taae ist Agnes fort; Franck vermißt sie kaum. Nur steht er jetzt nicht mehr an dem Fenster des Wohnzimmers, das den besten Ausblick auf den Strom gewährt. Wenn sie in der Fensternische hier saß, mochte er sich nicht dahin stellen. Nun ist sie ihm hier — aus dem Wege! . . . Abend für Mend steht er schweigend da und starrt in die Winternacht hinaus. In seinem Hirn wälzen sich tolle Gedanken. — ES nagt etwas in ihm. wie Reue. Warum? Wofür? Er wird sich selbst nicht klar darüber. Etwas treibt ihn weg, er möchte fliehen, aber er weiß nicht wohin. Und ein alles ihm wohlbekanntes Gefühl wird laut in seinem Herzen. Eine wilde Sehnsucht, ein Gefühl gkeich dem gierigsten Hunger: die alte Sehnsucht nach — Glück. Etwas, das er zu erhaschen geglaubt, daS er in den Händen zu halten wähnte, wie ein schöner Traum ist etz davongeflattert; wie eine Fata Morgana hat es ihn getäuscht. Was er früher — aus Rücksicht aus seine Frau — nicht zu tun wagte, jetzt kann er es nicht lassen; das Hinausschaurn auf den Strom. Mit begierigem Auge beobachtet er, wie die wintergrauen Wagen schwere Eisstücke dahin- ickleppen. „Wenn AaneS wiederkommt, darf ich nicht mehr Hinausschauen," denkt er bei sich. Er darf nicht mehr, damit sie es nickt errät, daß er fick wegsehnt, hinaus — dorthin! Er muß sie täuschen darüber und fühlt doch, daß dieses Unausgesprochene zwischen ihren Herzen sich austürmt, wie eine hohe Mauer. Er tritt von dem Fenster zurück und be ginnt, hastig in dem Zimmer auf und ab zu schreiten. Sein Blick fällt zufällig in den Spiegel. Erschrocken starrt er sein Konterfei an: seine blassen Mangen, die tiefliegenden Augen, diese verdrossene Miene, die aufein andergepreßten Lippen, die unruhigen Augen. Jeder muß m seinem Gesickt lesen, daß er nicht zufrieden, nicht froh, nicht glücklich ist. Aber wird er, wenn er zu seinem alten Beruf zmückkehrt, den alten Frohsinn, die alte Frische und Gesundheit, die alte Energie wieder gewinnen? Da auf dem Tisch liegt ein Brief von seiner Frau. Darin steht, daß ihr Vater schwer krank sei und — wenn nicht das Schlimmste eintrete — ein langes Krankenlager durchmachen müsse. Weiter bittet ibn Agnes, ihr zu erlauben, einige Wochen dazubleiben. Das ist ihm sogar lieb, in der Zeit kann er sich über sich selbst klm werden. 23. Auf dem 'Elektrolytischen Zinkwerke ist der Vroiessor eben in dem Cab des Direktors vom Bahnhof angekommen, am Portier vorbei gestürmt und ins Bureau Knuffelmanns geeilt. Im Augenblick ist diese Tatsache im ganzen Werk bekannt. „Haben Sie schon gehört, Meister Franck? Weigand ist da. Sie wissen schon? Sagen Sie mal, Franck, hören Sie's auch krachen?" Dr Pfloider blinzelt dem Werkmeister zu. „Wie meinen Sie das, Herr Doktor?" „Nu, ich meine man so. Was man so aus der allgemeinen Aufgeregtheit der Herren Akttonäre schließen darf: Und dann das lange Gesicht vom Direktor! Merken Sie denn nischt?' „Hm . . „Nu, sagen Sie's Mr 'raus. Die Ge schichte kommt Ihnen ooch wackelig vor, was?" „Nun ia, eS liegt so etwas Undefinierbares in der Lust." „Die Sache ist oberfaul. Ich habe ge kündigt. Seh'n Sie sich vor." Tagelang sieht Franck von Knuffelmann nichts. Was er aber sieht und hört, das be stimmt ihn zu dem Entschluß, dem Anraten deS Doktors zu folgen und zu kündigen. Von Tag zu Tag fahren nämlich immerfort in Chaisen und feinen Gefährten Herren an den Toren Oberstaatsanwalt hatte anerkennen und erkennen müssen, daß man am Ende stehe: Es geht nicht mehr weiter! So sind wir Zeugen des erschütterndsten Dramas geworden, das jemals in einem Gerichtshof sich abgespielt hat, und das, wie ich überzeugt bin, keiner von uns noch einmal erleben möchte." Nach längerer Be ratung verkündete der Vorsitzende: „Die Ver handlung wird vertagt. Die Untersuchungshaft dauert in dem bisherigen Maße <ort. Man könnte zweifelhaft sein, ob diese Fortdauer der Haft angezeigt ist, da der kranke Mann nicht fluchtverdächtig ist; nach Ansicht des Gerichts liegt aber Verdunkelungsgefahr vor, weil er den Brief an Ernst geschrieben und Kistler zu Ernst geschickt hat." — Mit der Vertagung ist der ganze Prozeß und die an ihn gewandte Arbeit einfach auS- gelöscht. Die Angelegenheit befindet fick wieder in der Voruntersuchung und bei dem Zustande deS Fürsten ist noch nicht abzusehen, wann es und ob eS je zu einer neuen Verhandlung kommen wird. Die Kosten fallen vorläufig der Staatskasse zur Last, doch sollte der Fürst in dem neuen Verfahren verurteilt werden, so hat er auch die Kosten dieses Verfahrens zu tragen. Ob unter diesen Umständen der Prozeß Moltke-Harden, in dem das Zeugnis des Fürsten Eulenburg eine hervorragende Rolle spielt, seine Erledigung finden kann, erscheint mehr als zweifelhaft. Von und fern Der Mih-erfola des Grafen Zeppelin hat in der ganzen Welt Aufsehen erregt. Man erwartet« von dieser Fahrt, daß sie den end gültigen Beweis erbringen werde, die Luft, das unbekannte Land der Menschensehnsucht, sei vom Menschen endlich beherrscht; aber der Sturmwind hat es anders gewollt. Alle Sach verständige sind sich darüber einig, daß der Un fall, den der Lenkballon erlitt, nichts mit seiner Bauart zu tun habe, sondern lediglich auf das Zusammentreffen mehrerer ungünstiger Umstände zurnckjuführen ist. Daß man dem Luftschiff deS Grafen Zeppelin nach wie vor in Fachkreisen großes Vertrauen entgenbringt, zeigt u. a. die Gründung einer Zeppelin-Luftschiff-Betriebsge- sellsckaft mit mehreren Millionen Mark Kapital, die sich zur Ausgabe gestellt hat, den Luftschiff verkehr von Berlin aus nach andern großen Städten einzurichten. Da^ Grubenunglück auf Z«chr Carolus Maqvns. Die Aufräumungsarbeiten auf der 7. Sole der Carolus Magnusgrube in Ellen, die durch eiue Dynamiterplosion völlig zerstört worden ist, wobei 11 Bergleute den Tod fanden, gestalten sich äußerst schwierig. Die Ver wüstungen, die durch die Explosion in den der Unfallstelle benachbarten Flößen angerichtet wurden, haben sich als so bedeutend herausge« stellt, daß wohl noch einige Tage vergehen werdm, bis die zusammengebrochenen und ver schütteten Strecken aufgeräumt worden sind. Auch die Bergung der drei noch nicht aufge fundenen Leichen, darunter die des mit Aus gabe der Sprengstoffe betrauten Steigers Svitz- nas, ist einstweilen noch nicht möglich. Man glaubt übrigens, daß die drei, die sich zur Zeit der Katastrophe im Dynamitschuppen befanden, gleich bei der Explosion zerrissen worden sind. Das Befinden der Leichtverletzten, die keinerlei äußere Verletzungen erlitten, sondern von dem durch die Explosion verursachten gewaltigen Luftdruck und den sich entwickelnden Gasen be täubt worden waren, ist verhältnismäßig gut. Die Arzte hoffen auch die Schwerverletzten, die immer noch nicht vernehmungsfähig sind, am Leben zu erhalten. Wüste Skaudalszeue» haben sich in den letzten Näckten in dem Kölner Vorort Kalk ab gespielt. Gegen eine Rotte von angetrunkenen Burschen mutzte von der Polizei eingeschritten werden, wobei der Skandal einen solchen Um fang annahm, daß mehrere Landwehrleute den mit blanker Waffe vorgehenden Polizisten Hilfe brachten. Zahlreiche Personen wurden verletzt. Der HaupträdelSführer wurde später verhaftet. Auch mehrere Polizisten und Reservisten wurde« nicht unbedenklich verletzt. des Werkes vor, die der Buchhalter an Stelle des Herrn Direktors umherführt. Dr. Pfloider läßt sich auch wenig mehr sehen. Wenn er kommt, weiß er immer Neues zu erzählen. Die Dampfmaschinen oder elektrischen Motore sollen verkauft sein: — andre Herren inter essieren sich für die Röstöfen, die Bleikästen, die Auslaugbottiche, die Säuretürme usw; einmal ist sogar ein Seifenfabrikant dagewesen, d«r wollte das ganze Werk in Bausch und Bogen kaufen. Der Krach sollte schneller kommen, als Franck eS sich träumen ließ. Noch hatte er nicht gekündigt, als die Zeitungen meldeten, daß die Aktionäre des Elektrolytischen Zink werkes den Verkauf des Werkes an eine Aktien gesellschaft für Kaliverwertung beschlossen hatten. Der Doktor hatte also reckt. Zu Hause findet Franck eine neue Unglücks- bottchaft. Agnes teilt ihm telegraphisch mit, daß ihr Vater sanft und gottergeben aestorben ist. Am andern Morgen steht Franck in der Elektrolyse wie an jedem andern Tag. ES kommt etwas von dem Gefühl über ihn, das einen braven Steuermann beseelt, der auf hoher Flut am Steuerrad stehen bleibt, wäh rend das Schiff sinkt und die andern Insassen sich retten. Da steht plötzlick der Portier vor Franck. „Direktor Knuffelmann läßt bitten, Sit möchten ins Bureau kommen." Franck steht bald vor ihm. „Sie ließen mich rufen, Herr Direktor? „Jawohl. Sie müllen sich nach einer andern Stellung umsehen. Sie haben wohl schon ge-
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