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Allgemeiner Anzeiger : 13.05.1908
- Erscheinungsdatum
- 1908-05-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190805133
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19080513
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19080513
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- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-05
- Tag 1908-05-13
-
Monat
1908-05
-
Jahr
1908
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 13.05.1908
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Vie rwläigungsfabrt äer äeutscken fürsten. Zu dec Huldigungsfeier in Wien wird von dort gemeldet: Die Begrüßung der beiden Kaiser in Meidling war überaus herzlich. Kaiser Franz Joseph trat beim Einfahren des Zuges ganz nahe ans Gleis und lief, als Kaiser Wilhelm aus die Plattform trat: „So bleib' doch oben, ich komme schon.* Aber Kaiser Wilhelm, die Kaiserin, die Prinzessin und der Prinz sprangen herunter, umringten den Kaiser Franz Joseph und begrüßten ihn freudig. Dann, ohne eine Minute Zeit zu verlieren, bestiegen alle wieder den Zug. Zu einer erhebenden Feier gestaltete sich die Gratulation? cour im Schönbrunner Schloß, an der sämtliche deutschen Fürsten, die Kaiserin, der Vertreter der freien Reichsstädte und alle Groß- Würdenträger teilnahmen. Kaiser Wilhelm hielt dann folgende Ansprache: „Eine erhebende Fügung der göttlichen Gnade und Vorsehung ist es, die uns am heutigen Tage um die erhabene Person Euer Kaiserlichen und Königlich-Apostolischen Majestät vereinigt. Sechzig Jahre, zwei Menschenalter, haben Euer Kaiserliche und Königlich-Apostolische Majestät in nie rastendem Eifer und treuester, edelster Pflichterfüllung dem Wohl und dem Glück Ihrer Völker gewidmet. Mit berechtigtem Stolz und hoher Genugtuung mag es das Herz Euer Majestät erfüllen, wie von allen Seiten die Untertanen dem in Ehrfurcht geliebten Herrscher die landesväterliche Treue mit hingehender Liebe und Danlbarleit zu vergelten bemüht sind. Aber nicht nur Millionen eigener Landeskinder jubeln in froher Festesstimmung ihrem heiß geliebten Kaiser und König zu — nein, auch weit hinaus über die Grenzen der Monarchie beugt sich die Welt in Verehrung und Be wunderung vor der ehrwürdigen Gestalt Euer Majestät. Euer Majestät sehen hier drei Generationen deutscher Fürsten um sich versammelt und keinen darunter, dem Euer Majestät nicht schon ein Vorbild gewesen wären, bevor er selbst berufen war, die Pflichten seines hohen Amtes zu üben. Uns allen haben Euer Majestät in sechzigjähliger Arbeit ein herrliches Beispiel aufgestellt, woran sich noch die Kinder und Enkel der Jüngsten unter uns erbauen werden. So sind wir denn, die treuen Freunde und Verbündeten Euer Kaiserlichen und Königlich- Apostolischen Majestät und mit uns Ihre Majestät die Kaiserin und Königin, meine Ge mahlin, hierher geeilt, um Zeugnis abzulegen von den herzlichen Gefühlen inniger Freundschaft und Anhänglichkeit, die uns für Euer Majestät beseelen. Aus bewegtem Herzen bringen wir unsre Huldigung dar dem edlen Herrscher, dem treuen Bundesgenossen, dem mächtigen Hort des Friedens, auf dessen Haupt wir den reichsten Segen Gottes herabflehen.* Kaiser Franz Joseph entgegnete: „Euer Kaiserliche und Königliche Majestät haben im Verein mit Seiner Königlichen Hoheit dem Prinz-Regenten von Bayern, Ihren Majestäten den Königen von Sachsen und Württemberg, den hier anwesenden durchlauchtigsten und durch lauchtigen deutschen Bundessürsten und dem Vertreter der Freien Hansestädte den liebens würdigen Entschluß gefaßt, mir aus Anlaß der Erreichung meines 60. Regierungsjahres persön lich ihre Glückwünsche darzubringen. Dieser Beweis Ihrer mir so überaus teueren Freundschaft, der zu den kostbarsten Erinne rungen meines Lebens gehören wird, hat mein Herz auf das freudigste berührt, und ich bitte Sie, hierfür meinen innigsten, tiefempfundenen Dank entgegenzunehmen. Ich darf in diesem mich in hohem Maße beglückenden Akte herzlicher Zuneigung wohl eine feierliche Kundgebung des monarchischen Prinzips erblicken, dem Deutschland seine Macht und Größe verdankt. Auch Osterreich-Ungarns Kraft liegt in diesem Prinzip, und in der treuen und unwandelbaren Liebe meiner Völker habe ich stets neue Zuversicht geschöpft, um den mir obliegenden schweren Pflichten gerecht zu werden. Die Tatsache, daß es mir heute vergönnt ist, eine so große Anzahl deutscher Fürsten um mich versammelt zu sehen, ist auch die ausdruckvollste Bestätigung des zwischen uns seit beinahe dreißig Jahren bestehenden engen und unerschütterlichen Bundesverhältnisses. Dieser Tag bestärkt mich in der frohen Er wartung, daß dieses nur friedliche Ziele ver folgende Bündnis dem gleichen Bestreben der andern Mächte wirksam zur Seite stehen, seine Aufgabe bis in die fernste Zukunft voll erfüllen werde. Ich bitte die göttliche Vorsehung, sie möge Eure Majestäten und alle deutschen Bundes sürsten sowie auch Ihre Majestät die Kaiserin Und Königin, deren Anwesenheit mich tief rührt und zu wärmstem Dank verpflichtet, für alle Zeiten in ihren gnädigen Schutz nehmen.* Gegen Mittag erschien die deutsche Kaiserin in den Gemächern Kaiser Franz Josephs zur Beglückwünschung. Bei dem Nachmittags statt gehabten Festmahl brachte der greise Jubilar folgenden Trinlspruch aus: „Der Besuch, den mir meine treuen Alliierten, Eure Kaiserlichen und Königlichen Majestäten, Seine Königliche Hoheit der Prinz-Regent, Ihre Königlichen Majestäten, die Durchlauchtigsten Fürsten sowie der Vertreter der Freien Hansqstädte heute ab statten, hat mich mit der größten Freude er füllt. Ich heiße Sie herzlichst in unsrer Mitte willkommen. Sie haben durch Ihre Hierher kunst den Gefühlen wahrer Freundschaft anläß lich der Erreichung meines 60. Regierungsjahres in einer Weise Ausdruck geben wollen, die meinen innigsten Dank Wachrust und in mir die Überzeugung festigt, daß die so engen, zwischen uns bestehenden Beziehungen uns allen ein wahres Herzensbedürfnis sind. Von dieser Zuversicht durchdrungen, möge es mir gestattet sein, dieses Glas auf Ihr Wohl sowie auf unsre unerschütterliche Freundschaft und Bundes- genofsenschast zu erheben und dabei auszurufen: Meine Erlauchten und Hohen Gäste leben hoch l* Polinlcbe Kunälckau. Deutschland. * Kaiser Wilhelm ist, von den Feier lichkeiten in Wien kommend, zu kurzem Jagd- aufenthalt in Donaueschingen eingetroffen. * Das schwedische und das dänische Königspaar werden nacheinander in der Zeit vom 31. Mai bis 5. Juni dem Ber liner Hofe Besuche abstatten. * Dem Reichskanzler Fürsten Bülowsind vom Kaiser Franz Joseph die Brillanten zum Großkreuz des StevhanS- ordens verliehen worden. * Die deutsch-dänischen Handels vertragsverhandlungen werden nach einer Meldung der ,Voff. Ztg/, nachdem die dänische Zolltarisresorm zustandegekommen ist, Ende dieses oder Anfang des nächsten Monats wieder ausgenommen werden. * Nach halbamtlichen Äußerungen der deutschen Regierung erscheint es sicher, daß die Internationale diplomatische Konferenz zur Neu regelung der Bestimmungen über das Waffen- wesen in Afrika Vie Verhindemngsmaß- regeln verschärfen wird. * In einem Bortrag über die wirtschaft lichen Verhältnisse SamoaS sprach sich Gouverneur Dr. Solf nach der ,Tgl. Rdjch/ auch über die Eingeborenen frage aus. Er betonte, daß sie in jedem Schutzgebiet eine besondere Lösung erfordere entsprechen» oen Verhältnissen. Ob Milde, Strenge oder umec i Umständen Härte am Platze sei, hänge lediglich von dem Charakter der Völker, von ihrer Moral und von ihrer Bildung ab. Auf keinen Fall dürte in der Behandlung der Eingeborenen Humanität in weichliche Verhätschelung aus arten. Die Entwickelung der Kolonien muffe unter allen Umständen aber mit den Einge borenen und durch die Eingeborenen und nicht gegen die Eingeborenen und trotz der Ginge- borenen vor sich gehen. Frankreich. * Gewisse deutschfeindliche Kreise in Paris haben an der Reise, die letzthin 30 franzö sische Studenten unter Führung des Prof. Andler nach Berlin führte, lebhaften Anstoß genommen. Sie haben jetzt eine pein liche Kundgebung veranstaltet. Auf dem Sor bonne-Platz wurde Prof. Andler von einer Gruppe junger Leute umringt. Diese verlangten von ihm Aufklärung darüber, warum man die Potsdamer Garnisonkirche be sucht habe, wo immer noch gewisse (von Frank reich eroberte!) Trophäen hingen. Witzig er widerte ein Teilnehmer der Fahrt, daß die deutschen Kollegen in Paris sich auch nicht die Augen verbinden ließen, um die in der Nähe von Napoleons Grabmal immer noch schön gruppierten (und aus Deutschland stammenden) Trophäen nicht zu sehen. Prof. Andler wurde von Polizisten nach dem nächsten Hausflur gebracht. Damit hatte die deutsch feindliche Kundgebung ein Ende; sie zeigt aber, daß in Paris nicht alle Kreise für eine deutsch- französische Freundschaft schwärmen. England. * Im Unterhause hielt Premierminister Asquith seine erste, mit Spannung erwartete Budgetrede. Wie aus London gemeldet wird, sührte er aus, der auswärtige Handel Eng lands sei nach Umfang und Wert im Jahre 1907 größer gewesen als in irgend einem vor hergehenden Jahre. Unter allgemeiner Spannung ging dann der Minister auf die Alters- pensionsfrage ein. Die Regierung schlage vor, eine wöchentliche Pension von fünf Schilling für über 70 Jahre alte Personen in Aussicht zu nehmen, deren Einkommen 10 Schilling die Woche nicht überschritte. Er glaube, die Zahl der Pensionäre würde 500 000 nicht übersteigen, und die Kosten würden sich nicht höher stellen als sechs Millionen Pfund jährlich. Der Entwurf würde nicht vor dem 1. Januar 1909 in Kraft treten. Belgien. *Wie aus Brüssel gemeldet wird, hat die Kammer einstimmig das Berner Abkommen über dasVerbot derNachtarbeit von Frauen in industriellen Betrieben, angenommen. Schweden. "Der schwedische Gesandte am Berliner Hofe, GrafTaube, hat unmittelbar nach dem Abschluß des Ostseevertrages von seinem Souverän das nur sehr selten an Nichtfürstlich keiten verliehene Großkreuz des Nordstern-Ordens erhalten. Zusammen mit der Verleihung des Seraphin-Ordens an die russischen Minister Stolypin, Iswolski und Fredericks beweist diese Auszeichnung den hohen Wert, den man in Stockholm auf den mit Hilfe Deutschlands ver einbarten Ostseevertrag legt. Wie um diesen ha! sich Graf Taube auch um das Zustande kommen des Vertrages über die Dampferfähre von Saßnitz nach Trelleborg besondere Ver dienste erworben. Portugal. * Im Anschluß an die feierliche Eidesleistung und die Proklamation König Manuels II. haben in Lissabon große Kundgebungen für den jungen Monarchen stattgefunden, die während der Nacht von jungen Edelleuten und Angehörigen der Bürgerschaft vor dem Palais und in den in der Nähe befindlichen Straßen veranstaltet worden waren. Der Monarch er schien am Fenster und richtete einige Worte an die ihm Huldigenden. Im Amelie-Theater, in dem der gesamte Adel einem Konzert des Berliner Philharmonischen Orchesters beiwohnte, wurden dem Könige lebhafte Ovationen bereitet. Das deutsche Orchester spielte die portugiesische Hymne. Afrika. * Frankreich hat nunmehr den ersten Schritt zur tatsächlichen Beschlagnahme Ma rokkos getan. Die Regierung hat nämlich General Lyautey, den Oberbefehlshaber in Marokko, bevollmächtigt, seine oberste Polizeigewalt dauernd auf alle Stämme von den äußersten französischen Posten bis zu den Abhängen des Atlas auszudehnen, und zwar so, daß diese Gebiete nicht dem Namen nach unter französischer Oberhoheit gelangen, aber außerstande sind, andern als französischen Interessen zu dienen. — Wie weiter gemeldet wird, ist der Sultan Muley Hafid mit großen Streitkräften in unmittelbarer Nähe der Hauptstadt Fez angekommen. Veutkeker Keickstag. In der Sitzung vom 7. d. wurde zunächst der Vertagung des Reichstages bis zum 20. Oktober d. debatteloS zugestimmt. Sodann wird die Genehmigung zur Strafver folgung der Abgg. Sckmdler (Zentr.), Brey (soz.) und Spethmann (srs. Vp.) erteilt, die des Abg. Bruhn (Rfv.) aber versagt. Es folgt die dritte Beratung der internationalen Abkommen betr. das Verbot der Nachtarbeit der gewerblichen Arbeiterinnen und der Verwendung von weißem (gelbem) Phosphor, die ohne Debatte an genommen werden. Auch dem Gesetz betr. die Stempelabgabe von Erlaubniskarten für Kraftfahrzeuge aus ländischer Besitzer wird in dritter Lesung ohne weitere Debatte zugestimmt. Bei der nun folgenden dritten Lesung des Münzgesetzes nimmt Schatzsekretär Sydow das Wort: Die verbündeten Regierungen erkennen das Bedürfnis für eine Scheidemünze nicht an. (Dreimarkstück). Entscheidend war für den Bundes rat, daß die Mehrheit der Handelskammern sich da gegen ausgesprochen hat, anderseits wünschen Land wirtschaft und Handwerker diese Münze. Dafür kommt da» 25 Pfennigstück. Abg. Frh. v. Gamp (sreik.) erklärt unter dem Beifall der Mehrheit sein Bedauern über diesen Beschluß. Abg. Raab (wirtsch. Vgg.): Das 25 Pfennig stück ist viel weniger wichtig, der Bundesrat mag es behalten, wenn er uns nur unsern Taler wisder- gibt. Nach kurzer weiterer Debatte wird zur nament lichen Abstimmung geschritten, mit großer Mehrheit wird den Beichlüssen der zweiten Lesung (Einsäb- rung deS 25 Pfennigstückes, Ablebnnn r des Taler?) zugestimmt. Ohne Debatte werden angenommen in dritter Lesung die Teuerung s z u l a g en, die Ost- martenzulagen und die Nachteagsetais für die Schutzgebiete (Kolonialbahnen), das Gesetz betr. den Versicherungsvertrag und das Gesetz betr. die Haftung des Tierhalter?. Ebenso wird debattelos 8 63 des Handels gesetzbuches in der neuen Fassung (Weiter zahlung der Gehälter für Handelsgehilfen in Krank heitsfällen) angenommen. In dritter Lesung wird ferner das Gesetz betr. den kleinen Befähigungsnachweis angenommen. Es folgt die dritte Lesung der Vogelschutz- geieyeS. Uber den Antrag, das Verbot des Fangens von Kcammetsvögeln in Schlingen erst nach Zustimmung der Pariser Konvention in Krist treten zu lassen, wird namentlich abgestimm:. Nach dem Ergebnis der Abstimmung (69 gegen -25 Summen) soll da; Verbot des Dohnensneges sofort nach Inkrafttreten des Gesetzes eintreten. Ein Entwurf zur Abänderung der Gewerbe ordnung (Handel mit lebenden Vögeln) wird eben falls in dritter Lesung angenommen Die dritte Lesung dec Maß- und Gwichts- ordnung wird debattelos angenommen. Damit ist die Tagesordnung crschöost. Na<b den üblichen DanteswoAen an den Prä identen für seine unparteiisch: und wo°n >w l-ns- Leitung er hebt sich Staatssekretär v. B e i h m a n n - H o l.l w e g: Ich habe Ihnen eine Allerhöchste Verordnung Z» verlesen. lDie Abgeordneten mit Ausnahme der Sozialdemokraten erheben sich): Wir, Wilyelm, vo» Gottes Gnaden usw., verordnen aus Gruns der Art. 12 uns 36 der Reichsverfassung mit Zu stimmung des Reichstags was folgt: 8 1. Der Reichstag wird bis zum 20. Oktober d. vertagt- 8 2. Der Reichskanzler wird mir dec Ausführung dieser Verordnung beauftragt. Die Abgeordneten stimmen in den üblichen) Hochruf aus den Kaiser ein un, verlassen daran! den Saal. K Vater Kkem. 3 Roman von Georg Heinrich Görz. j--, MorUeSlNig., ' Wie Franck den Alten betrachtet, kommen ihm allerlei Gedanken. Warum mag doch Niklos, der wohl über fünfzig Jahre als Schiffer tätig gewelen ist und sich — eine löbliche Ausnahme von der all- gemeiuen Regel bildend — ein erkleckliches Sümmchen Geld erspart hatte, nm bequem von der Rente seine bescheidenen Bedürfnisse be friedigen zu können, nicht seine letzten Lebens lage in einem friedlichen Häuschen am Lande zubringen? Franck, der schon oft versuchte, mit dem Alten darüber ein Gespräch zu beginnen, hat immer nur eine ausweichende Antwort be kommen. Die Schiffsleute, wenn sie den Alten sehen, necken ihn. „Wenn Ihr mal sterbt, Niklos" — so sagen sie — „dürft Ihr mit der Loreley, mx und dem andern Volk da unten tanzen, spielen und lustig sein, well Ihr dem Rhein so treu dient. Vielleicht gibt Euch der Wasser geist auch von den goldenen Schätzen, die auf dem Rheingrund liegen.* Der greise Niklos hört solchen Redensarten ruhig, still vor sich hinnickend oder die Sprecher ichelmsich anblickend, zu und erwidert nichts. Aber wenn er unbeobachtet an Deck wandelt, so leuchten seine alten, Hellen Augen ans dem runzeligen Gesicht hervor, wenn sein Blick auf die geliebte Wasserfläche deH Stromes fällt. Unten in der Kajüte sitzt er meist auf einem niederen Holzbänkchen und spleißt kunstgerecht die Schiffstaue oder verrichtet sonstige kleinere Arbeiten eines Mattosen, in denen er große Fertigkeit besitzt. Während sich Franck solcherlei Gedanken durch den Kopf gehen läßt, folgt er unver wandten Blickes den müden Bewegungen des Allen. Die andern Matrosen lassen wie stets auch hier die Gelegenheit nicht vorüberaehen, über das Aussehen ihres „vertrockneten Kame raden* zu spotten. Der Matrose Jan, der Franck zum Früh- stück gerufen hatte, sagte mit seinem rauhen, schnarrenden Bab: „De Niklos hatt sich lebendig rökere lote; !ons' werden de Stockfisch ers' kapott gemalt und dann in Rok gehange. Hei heü ewer noch eu täh Läwen.* Rohes Gelächter cSseits; nur Franck schweigt still und beugt sich wieder auf fein Zeituugsblatt nieder. Ein andrer Mattose, der auf des alten - Nillos Vorliebe für marinierte Heringe anspielt, sagt: „De Nillos hatt seker in sinn' jonge Johren eenmal in sinne Gier för Häring en ganze Tonn' voll opgesräte. Me kann jetzt noch de Ribben von dat Fatt fihn." Abermals allseitiges Gelächter trotz des faden Witzes. Der also angeulkte Nillos aber läßt sich in seinem Waschgeschäft durch nichts stören. Als er sich abgetrocknet und seine Kleidung wieder in Ordnung gebracht hat, setzt auch er sich hüstelnd am Kasseetisch nieder. Mittlerweile ist es Zeit geworden, die ersten Vorbereitungen zum Mittagessen zu treffen. — Jeder Schiffsmann vDß, auf den Rhein schiffen wenigstens, zugleich etwas von der Koch kunst verstehen. Abwechselnd — ömschichtig, wie der Schiffer sagt — muß jeder Kajütenbewohner eine Woche lang „die Menage führen*. Der Matrose, der gerade an der Reihe ist, lauft also im nächsten Hafen Vorräte, so weit er forderlich, für die ganze Woche ein — Fleisch, Kartoffeln, Gemüse und sonstige Zutaten — und kocht nach seine« Belieben, jeden Tag etwas andres. Erst am Ende seiner Menagen woche rechnet er mit den andern wegen des verausgabten Geldes ab. In dieser Worbe hat Franck die Küche. Der alle NilloS frühstückte diesen Morgen zuletzt, obgleich er nicht mit den andern Matrosen sich nochmals zum Schlafen niedergelegt hatte. Als er fertig ist, erhebt sich auch Franck, letzterer streift eine weiße Sochjacke an, faltet die Ärmel zurück und nun geht das Kochen los. Das Kartoffelschälen hat schon der alte Niklos in Gemeinschaft mit dem Schiffsjungen Franz besorgt. Letzterer ist jetzt auf dem Hinter deck, m der Kapitänskajüte, um der „Kapitänin* zu helfen. Franck spült zuerst das Kochgeschirr und die beim Frühstück benutzten Gefäße und Sachen. Er hält dabei auf die peinlichste Sauberkeit. Es ist ihm unmöglich, etwas hier durchgehen zu lassen. Nillos macht sich indessen am Kochofen zu schaffen. Er schürt den Brand, legt frische Kohlen auf, füllt einige Kochtöpfe mit Wasser und setzt sie keuchend aufs Feuer, während Franck sein Neinigungsgeschäft zu Ende führt. Die andern Matrosen drücken sich noch in der Kajüte herum, mit Niklos Schabernack treibend oder mit Franck spöttelnde Redensarten oder derbe Bemerkungen austauschend. „No, mal bin Sak gut,* sagt Gerd z» Franck; „kok ma blot beter, as gistern oust liewe Jan.* Letzterer, der in der Tat besser mit Tauwerl und Ruderstangen umzugehen weiß, als mit Kochtöpfen, ruft von der Treppe, auf der et eben steht, herunter: „Holt' din Mul, Gerd. Dau Heft ok grad ni op Kok lehrt. Owrigens kann onsereen ok niet Kokbüker utwendig lehren, as Franck.* Damit steigt er vollends auf Deck hinaus- Matthias folgt ihm; Gerd dagegen scheint Lust zu haben, mit Franck noch ein wenig zu dis putieren. Da tritt ihm Niklos entgegen und sagt: „Gon an Teck, Gerd, gon. Eck well die Bedden maken. Wenn Dau niet gehst, kannst bau din Lock allein maken.* Letztere Drohung hilft und, während er sm noch eine kurze Mutzpfeife mit holländische»! Rauchtabak stopft, steigt auch Gerd aus del Kajüte. Niklas beginnt in der Tat, die Belte» zu machen. Dieselbe Kajüte, in der die Matrosen esse» und wohnen, dient ihnen auch zum schlafen- Eigentliche Betten gibt's freilich in dem Nau»> nicht, dafür ist kein Platz vorhanden. D>t Lagerstätte des Schiffers bilden in die SchM wände eingelassene, viereckige längliche Kästeft sogenannte Kojen, von denen sich meist je zw^ übereinander befinden. Niklos zieht aus den Kojen die wollens» Laken, die als Bettdecken dienen, sowie d>' <
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