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Allgemeiner Anzeiger : 04.04.1908
- Erscheinungsdatum
- 1908-04-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190804046
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19080404
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- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1908
-
Monat
1908-04
- Tag 1908-04-04
-
Monat
1908-04
-
Jahr
1908
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 04.04.1908
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politische Deutschland. * Bei herrlichem Frühlingswetter ist Montag nachmittag die „Hohenzollern" mit dem Kais er und der Kaiserin, dem Prinzen August Wilhelm und der Prinzessin Viktoria Luise an Bord unter dem Donner der Geschütze der italienischen Kriegsschiffe und den begeisterten Kundgebungen der Einwohnerschaft von Venedig in See gegangen. Kurz vor der Abfahrt er schien unerwartet an Bord der „Hohenzollern" Fürst Nikolaus von Montenegro. Er war von Petersburg aus, wohin er sich am 27. März begeben hatte, um gegen die ge plante österreichische Balkanbahn Einspruch zu erheben, direkt nach Triest und von dort nach Venedig gefahren. Kaiser Wilhelm be grüßte ihn mit großer Herzlichkeit und blieb 20 Minuten mit ihm allein. Wie verlautet, Hai der Fürst auch dem Deutschen Kaiser gegen über Beschwerde geführt, daß die geplante Bahn keinerlei Interessen seines Landes berücksichtige. 'Nachdem die deutsche Regierung erklärt hat, der vom Präsidenten Roosevelt zum Botschafter in Berlin erwählte, von der deutschen Regierung angeblich abgelehnte Dr. Hill sei in Berlin herzlich willkommen, ist die Angelegen heit für alle Beteiligten erledigt. Von andrer Seite wird allerdings gemeldet, Herr D r. Hill werde seinen Berliner Posten auf Wunsch der Regierung der Ver. Staaten nicht antreten. 'Reichskanzler Fürst Bülow, der ge legentlich seines Besuches beim österreichischen Minister des Äußern Frhrn. v. Nhrenthal in Wien auch in längerer Audienz vom Kaiser Franz Joseph empfanden wurde, ist nach Berlin zurückgekehrt. Der Reichskanzler hat in vertrautem.Kreise geäußert, daß zwischen Deutsch land und Österreich in allen politischen Fragen vollständiges Einvernehmen herrsche und daß die Politik beider Staaten nach wie vor auf die Erhaltung des europäifchen Frie de n 8 gerichtet sei. KaiserFranzJosepH, der sich mit seinem Gaste lebhaft unterhielt, hat übrigens seinen jüngsten Jnfluenzaanfall völlig überwunden. 'Wie halbamtlich gemeldet wird, soll die Begegnung des Reichskanzlers Fürsten von Bülow mit dem italienischen Minister des Äußern Tittoni in der ersten Hälfte des April stattfinden. ES ist möglich, daß Fürst v. Bülow nachher noch einige Tage auf italieni schem Boden verweilen und Venedig oder auch die oberitalienischen Seen aufsuchen wird. Von einem förmlichen Urlaub kann aber insofern nicht die Rede sein, als der Reichskanzler für die Zeit seiner Abwesenheit auch seine Geschäfte nicht andern Händen abgeben wird. *Dem Reichstag ist eine Denkschrift betr. Alkohol und Eingeborenenpolitik, sowie eine Denkschrift über die Bekämpfung des Akkoholverbrauchs in den afrikanischen Kolonien zugegangen. * Die Petitionskommission deS Reichstags hat Petitionen der Frauengruppen der kirchlich sozialen Konferenz in Berlin, den Ausschluß der Öffentlichkeit bei Skandal prozessen häufiger anzuordnen und die Wiedergabe skandalöser Prozeßberichte in den Zeitungen, die nur der Sensationslust dienen, gesetzlich zu verbieten, dem Reichskanzler zur Prüfung überwiesen. 'Die Petitionskommission des preuß. Ab geordnetenhauses hat 477 Petitionen um Ein - führungdes Reichstagswahlrechts in Preußen der Regierung zur Prüfung überwiesen, nachdem der Meinung Ausdruck gegeben war, die Regierung werde sich davon kaum überzeugen lassen, sie könne aber er- kennen, wie stark die Anteilnahme der Bevölke rung an einer Reform des Wahlrechts sei. * Die Neuwahlen zum Preuß. Abgeord netenhause sind auf den 3. Juni festgesetzt. Militaristen unerbittlich zeige, während ec, ehe er Minister wurde, diese Leute als Genossen hochgehalten und zum Antimilitaristen-Kongretz von Amsterdam sogar 10 Frank beigesteusrt habe. Nach längerer Debatte hatte Clemenceau jedoch das Haus wieder aus seiner Seite. England. 'M- nunmehr seststeht, wird das Königs paar gegen Ende April seine skandinavische Reise antreten. König Eduard wird in Gemeinschaft mit seiner Gemahlin nacheinander die Höfe von Stockholm, Kopenhagen und Christiani« besuchen. * über die mazedonische Frage ist in London ein Weißbuch veröffentlicht wor den, in dem zunächst die englischen Vorschläge in bezug auf Mazedonien aufgeführt sind. Weiterhin wird auf die ernsten Folgen hingewieien, die aus dem Glauben entstehen könnten, daß das europäische Konzert nicht imstande oder nicht willens sei, der gegen wärtigen kritischen Lage ein Ende zu bereiten. Leider enthält das Weißbuch keine ausführbaren Reformvorichläge! *Jm Unterhause erklärte Unterstaatssekretär Runciman auf eine Anfrage, Deutsch land sei auf dem ordnungsmäßigen Wege davon unterrichtet worden, daß das russisch, englische Abkommen über Perlien nicht die englischen Sonderrechte am Persischen Golf berühre. Deutschland habe keinen Ein spruch erhoben. (Diese Erklärung ist insofern interessant, als England bisher immer geleugnet hat, im Persischen Golf Sonderinteressen zu ver folgen. ES bleibt nur abzuwarten, in welcher Weise England seine angeblichen „Rechte* geltend machen wird!) Schweiz. 'Die Staatsrechnung der schweizerischen Eidgenossenschaft für 1807 schließt mit einem Einn ah m eüb ers chuß von 6'/r Mill. Frank ab. statt eines im Budget vorgesehenen Defizits von 2 Mill. Frank. Italien. 'Nach einer Meldung aus Rom, haben oie italienischen Truppen im Somalilande einen beachtenswerten Erfolg gegen die Einge borenen errungen. Die seit langer Zeit um strittene Station Danane wurde ohne Wider stand besetzt. Die Expeditionstruppen haben somit dem Mutterlande einen ziemlich umfang reichen, sehr fruchtbaren Landstrich erworben. Schweden. * Wie aus Stockholm gemeldet wird, nahm der Reichstag den Gesetzentwurf betr. Er höhung der Zuckersteuer und ent sprechende Herabsetzung des Zuckerzolles an. Rußland. 'In Petersburg ist es der Polizei behörde gelungen, eine neue Verschwörer organisation zu ermitteln. Jnfolged essen fanden in allen Stadtteilen Haussuchungen statt. Zahlreiche Verhaftungen sind erfolgt. Bei den Verhafteten, unter denen sich viele Frauen befanden, wurden große Mengen verbotener Bücher, Adressen, Dokumente usw. beschlag nahmt. Alle Spuren deuten auf eine Ver schwörung gegen das Leben des Zaren. Balkanstaaten. 'Nach einer Meldung auS Petersburg hat die russische Regierung nunmehr der italienischen und der französischen Regierung ihre Reform vorschläge für Mazedonien übermittelt. Man hofft, daß auch England diese Vorschläge annehmen und daß man so zu einem allge meinen Einvernehmen kommen werde. So wünschenswert dieses Einvernehmen der Mächte besonders hinsichtlich der Balkanfrage fein mag, so wenig Hoffnung ist doch vorhanden, daß England sein Bestreben, auch auf dem Balkan die Rolle der Vormacht zu spielen, so bald aufgeben wird. macht Muley Hafids. Dieser denke gar« nicht daran, Frieden zu schließen. Das Gerücht, der ehemalige Räuberhauptmann Raisuli sei in Tanger eingetroffen und vom Sultan Abd ul Aziz zum Gouverneur einiger nördlichen Bezirke ernannt worden, bestätigt sich. Raimli versprach, den Marsch der SultanStrupven nach Fez, der aus Furcht vor Muley Hafid immer aufgeschoben worden ist, mit allen Kräften ins Werk zu setzen. Raisuli ist am allerwenigsten eine Bürgschaft kür den baldigen Frieden. 6! us c!em Aeickstage. Der Reichstag hielt am Montag nicht weniger als drei Sitzungen ab, in denen der Ewt in dritter Lesung endgültig v-rabschiedet wurde. Bei der Be ratung über den Militäretat kam es noch einmal zu einer ausgedehnten Debatte über die Fälle Hohenau-Lynar, deren Kosten in der Hauptsache Zentrum und Sozialdemokratie bestritten. Abg. Kopsch (frs. Vp.) kritisierte erneut die Zurücksetzung der Juden im Heer. Bei der Abstimmung über einen Antrag Liebermann v. Sonnenberg, einen Offizier als Vortragenden Rat und einen StabS- offister mehr zu bewilligen, mußte das Haus wegen Beschlußunfähigkoit auf eine viertel Stunde vertagt werden. In der zweiten Sitzung wurde der An trag mit 132 gegen 116 Stimmen abgelchnt. Beim Justizetat entspann sich eine sehr lebhafte, persönlich gefäkbte Auseinandersetzung über den Kampf gegen den schmutz m Schrift und Bild zwischen dem Abg. Rören (Zsntr.) und Müller-Meiningen (frs. Vp). Es wurde danach noch viel gesprochen, namentlich beim Postetat. Einige sehr wichtige Etats passierten ohne jede Diskussion. Am Dienstag wird zunächst ein Bericht der Reichs schulden-Kommission ohne Debatte in die Rechnungskommission verwiesen. Es folgt die erste Beratung des Gesetzentwurfs betr. die Beschäftigung von Hilfsmitgliedern im Kaiserlichen Patentamt. Der Gesetz entwurf gibt dem Reichskanzler die Befugnis, im Bedarfsfall Personen, die die Befähigung zum Nichteramt oder zum näheren Verwaltungsdienst besitzen, oder in einem Zweige der Technik sachver ständig sind, mit den Verrichtungen eines Mitgliedes des Patentamtes zu beauftragen. Das Gesetz wird nach einer kurzen Besprechung durch den Staatssekretär v. Bethmann-Holl weg in erster und zweiter Lesung angenommen. Es folgt darauf die erste Lesung des P o st - s ch e ck g e s e tz e s. Staatssekretär Krätke begründet dis Vorlage und empfiehlt sie zur Annahme. Die Befürchtung, daß die Genossenschaftskassen, Sparkassen usw. durch den Postscheckverkehr geschädigt würden, treffe nach Fortfall der Verzinsung nicht mehr zu, eine solche Konkurrenz sei ausgeschlossen. Abg. Rösickc (Bd. d. Ldw.) hebt die Bedenken hervor, die ein großer Teil seiner Freunde gegen diese Vorlage habe. Die ländlichen Sparkassen Würden doch schwer geschädigt werden, die Ver hältnisse Osterreich-Ungarns seien auf Deutschland nicht zu übertragen. Abg. Singer (soz.) hat dagegen Bedenken, daß die Gebühren für den Verkehr durch Verord nungen des Bundesrats geregelt würden und nicht durch Gesetz. Er beantragt Verweisung an die Budgetkommission. Abg. Weber (nat.-lib.) steht dem Postscheck verkehr im Prinzip sympathisch gegenüber. Eine Schädigung der landwirtschaftlichen Berufsgenossen schaften und Sparkassen wollen auch seine Freunde ! verhindern, ihre Prosperität darf nicht eingeschränkt werden. Die kleinen Landwirte werden die Spar kassen doch für Anlegung ihrer Gelder vorziehen, Depositenkassen gibt cs auf dem Lande nicht, des halb sei der Postscheckverkehr auch in dieser Hinsicht zu begrüßen. Abg. Kämpf (frs. Vp.) meint, weder in der Stadt noch auf dem Lande werde es kaum einen Menschen geben, der der Post auch nur 10V Mk. ohne Verzinsung anvertrauen würde. Eine Ver mehrung der baren Zirkulationsmittel sei nur denk bar, wenn der Postscheckverkehr weit ausgedehnt wird. Die Vorlage sei das beste Mittel, das Publikum von den Einrichtungen der Post abzu schrecken. Die Abgg. Nacken (Zentr.) und Arendt (freik.) sind im großen und ganzen mit der Vorlage einverstanden und sehen in ihr einen Verkehrs fortschritt. Damit schließt die Diskussion. Der Gesetzent wurf wird an die Budgstkommission verwiesen. Es folgt die erste Lesung des Entwurfs betr. ) Änderungen im Münzwesen. Der Ent- l Wurf erhöht die Quote des zu prägenden Silbers i von 15 Mark auf 20 Mark pro Kopf der Bevölkc- : rung und sieht die Einführung eines 25 Pfennig- s stückes vor. I 7^aukreich. darum aufs höchste gestiegen. Das zeige sich Afrika. 'Nachrichten aus Tanger besagen, daß in dem Gefecht am 15. März entgegen der fran zösischen Darstellung sehr viele Frauen, Kinder und Greise getötet worden seien. Die Er bitterung der Eingeborenen sei 'In der Deputiertenkammer war gelegent lich der Beratung der Amnestievorlage Ministerpräsident Clemenceau der Gegenstand heftiger Angriffe der Sozialisten. Sie hielten ihm vor, daß er sich heute gegen die Anti- - vor allem an dem Wachstum der Streit- Staatssekretär im Rcichzschatzami Sydow be gründet die Vorlage, die aus Zweckmäßigkeitser- wägungen entsprungen sei. Die Einführung einet 25-Pfennigstücks — aus reinem Nickel, ohne Loch, da das deutsche Volk nicht gewohnt sei, die Münzen an einer Schnur um den Hals zu tragen — werde allgemein und in ganz Deutschland gefordert. Abg. Speck (Zentr.) äußert schwere Bedenken aegen die Einführung eines 25-Psennig-Stücket. Die Sache scheine ihm noch nicht spruchreif. Er fürchtet sogar eine Erhöhung der Preise v»n de« neuen Stücke, indem 25 Pf. kosten wird, was bisher 20 Pf. kostete. Die Erhöhung der Silberguote lehne seine Partei nicht prinzipiell ab. Abg. Hennig (kons.) stimmt der Vorlage zu. Abg. v. Strombcck (Zentr.) tritt im Gegenfay zu seinem Parteifreunde Speck lebhaft für die Aus prägung von 25 Vst-Stiicken ein. Abg. Arendt (freik.l steht der neuen Münzsorte von 25 Pfg. sehr sympathisch gegenüber. Besonderes Gewicht sei auf die Zorm zu legen. An Stelle der runden Münzstücke könnten doch auch viereckige Stücke ausgegeben werden. Der Wiederausprägung der Dreimarkstücke müsse ernstlich näheraetreten werden. Bei der Außerkurssetzung von Münzen müsse Fürsorge getroffen werden, daß das Publikwn nicht geschädigt werde. Abg. Kämpf (frs. Vp.): Daß für das Fides- undzwanzigpfennigstück ein Bedürfnis varsikgt, beweisen die zahlreichen Petitionen der Handel« kammern. Abg. Raab (wirtsch. Vgg.) begrüßt eS, da« aus praktischen Gründen von dem Dezimalsystem abgegangen sei. Der Entwurf geht au eine Kommissian vs« 14 Mitgliedern. Darauf folgt die Beratung der Resolut»« Frhr. v. Gamv zum Etat der Reichspost- und Telegraphenverwaltung auf Gewährung von Ost markenzulagen. Abg. Schulz (sreikons.) begründet die Reso lution; der AbänderungSautrag Ablaß auf „un widerrufliche' Gewährung der Zulagen sei un annehmbar. Ein Grund sei nicht dafür vorhanden, daß die Reichsbeamten die Zulage, die den preußi schen Beamten im Osten längst gewährt werde, nicht erhalten. Ungleichheiten müßten beseitigt werden. Abg. Fritzen (Zentr.) erklärt sich für den Antrag Ablaß, aber gegen den Antrag Gamp. Abg. Bassermann knat.-lib.) erklärt, seine Freunde werden für den Antrag Gamv mit de« Amendement Ablaß stimmen. Eine verschiedenartige Behandlung der Reichs- und Staatsbeamten w nicht angängig. Abg. Brandys (Pole): Die Polen seien prinzipielle Geaner von Ostmarkenzulagen und lehnen daher beide Anträge ab. Abg. Bruhn (Reiormp.) ertlärt seine Zu stimmung; zwischen die Beamten sei ein Keil ge trieben durch die verschiedene Behandlung, die be seitigt werden müsse. Abg. Ledebour (soz.l: Wir lehnen jede Forderung ab, die sich als Korruptionszulage herausstellt. Abg. v. Gersdorff (kons.): Der Worte sind genug gewechselt, laßt uns doch endlich Taten sehen! Abg. Lattmann (wirtsch. Vgg.) führt aut, daß seine Freunde für die Resolution stimmen würden. Die Abstimmung wird am Mittwoch stattstnden. Darauf wird über mehrere Resolutionen zu« Etat abgestimmt. Bei der Abstimmung über di« Resolution über die Erteilung von Aufträgen für die Militärverwaltung unter Voraussetzung der Tarifverträge ist Hammelsprung nötig. Der Antrag wird mit 127 gegen 121 Stimmen angenommen. Die Resolution, den Arbeitern der Militärver waltung den Lohn an gesetzlichen Feiertagen zu zahlen, wird angenommen. Ebenso die Resolution über Prüfung der Löhne bei der Heeresverwaltung und Einführung des Neunstundentages. Abgelehnt wird der Antrag Bassermann aus Jugendaerichtshöse, während der Antrag Kirsch, die Errichtung „tunlichst bald* vorzunehmen, ange nommen wird. Die zum Postetat gestellten Resolutionen werden angenommen, eine wieder unter Hammelsprung. Von unä fern. Professor Koch aus einer Weltreise. Professor Robert Koch wird mit seiner Ge mahlin von Bremerhaven aus mit dem Lloyd- Dampfer „Kronprinzessin Cecilie" eine auf anderthalb Jahre berechnete Erholungsreise um die Welt antreten. Er wird sich zunächst haupt sächlich bei Verwandten in Nordamerika aus- halten; hierauf wird er sich nach Japan und von dort aus nach China und Vorderindien begeben. K Vie Vame mit äen R,olen. 11j Kriminalroman von G. Quis. sAorUecuns.! „Nein, die Tochter meines Bruders. Eine Nichte, die ich so zärtlich liebe, als ob sie mein eigenes Kind wäre. Ihr zeigt ihr das Geschäft. Mein Name ist Vater Reutter. Ich bin ein rechtschaffener Mann, was man wohl, ohne zu prahlen, von sich erzählen darf. Also, Mütter- chen, überlegt Euch die Sache genau. Drei tausend Mark sind ein rundes Sümmchen. Geht Ihr darauf ein, so werden wir schnell miteinander fertig. Wir fahren morgen mittag zur Stadt, machen die Sache auf dem Gerichte ab, und ich kehre als Eigentümer zurück. Wo nicht, io wollen wir annehmen, daß wir darüber kein Wort verloren haben." Die Wirtin schwieg einen Augenblick. Dann sagte sie: „Habt Ihr die tausend Taler bei Euch?" Der Reitende öffnete schweigend die Geld katze, die er um den Leib trug und zählte 150 Doppelkronen auf den Tisch. Weit öffneten sich die Augen der Wen, und eS schien, als verlängerten sich ihre hageren Hände, um lüstern in dem funkelnden Metall wühlen zu können. Ruhig aber strich der Alte dis Münzen wieder ein und freundlich schmunzelnd murmelte er vor sich hin: „Der Vater Reutter ist ein guter Zahler. Er läßt sich nicht lumpen. Er zahlt bar und ! läßt niemand warten." Die Wirtin bediente den Gast, der noch i verschiedene Gläser trank, fortan mit großer Ehr erbietung ; als er sich dann zum Fortgehen an schickte, rief er ihr beim Abschied noch zu: „Morgen mittag komme ich wieder!" Als die Alte allein war, schlich sie in ihr Kämmerchen, das sie sorgfältig hinter sich ver riegelte und zog an einer Stelle, die durch ein geheimes Zeichen markiert war, einen Mauer stein aus der Wand. Sie griff in die Öffnung hinein, und es zeigte sich ein großer mit Geld gefüllter Beutel. Sie schüttelte seinen Inhalt in ihren Schoß. In dem Zwielicht, das in daS armielige Gemach drang, erglänzten nun ganze Haufen der verschiedensten Münzsorten. Mit einer Lust, die ihr Her- hochschlagen machte, badete sie die Hände in den blitzenden Silber und Goldstücken. Der Vorschlag des alten Reutter erschien ihr im rosigsten Licht. Sie war, wenn sie darauf einging, gar wohl versorgt. Es stand ihr frei, noch ferner in dem Hauie zu schalten und zu walten, in dem sie so lange sorgenlos gelebt hatte und dabei ward ihr der unendliche Genuß, noch hundertundfünfziq Gold stücke zu dem übrigen zu legen. Als TagS darauf sich der aste Reutter, wie er versprochen, mittags wieder eingestellt hatte, fuhren Heide nach der Stadt zum Notar. Die Bedingungen des Kaufgeschäfts wurden auf gesetzt. Reutter machte der Alten die erbetenen Zugeständnisse und zahlte die verabredete Summe sofort bar anS. Der neue Eigentümer reigte sich bald als ein sehr unternehmender Mann. Er veran staltete sofort einige sehr welentliche Änderungen in der Hauseinrichtung. Maurer und Zimmer ¬ leute begannen rastlos zu walten. Aus dumpfen Gemächern wurden freundliche Gast zimmer. Die verwilderten Büsche, die das Wirtshaus umgaben, verwandelten sich in an mutige Anlagen. Das ganze Gebäude, das früher einer unheimlichen Spelunke geglichen hatte, bekam das Aussehen eines zum Besuch einladenden Gasthauses. Die alten Stammgäste erfuhren natürlich nicht ohne tiefes Bedauern, daß die Wirtin ihr Eigentum verkauft hatte. Sie beruhigte fie je doch, indem sie mitteilte, daß sie als Verwalterin des Geschäfts im Hause bleiben und den ge wohnten Verkehr mit ihren Freunden aufrecht erhalten würde. So kam es denn, daß sie all mählich sich in die Neuerung fügten und die ' Stätte ihres verstohlenen Treibens nach wie vor besuchten. Die Alte wies ihnen ein nach dem Hofe gelegenes Zimmer an, dessen Ein- richtung ganz dem Orte ihrer früheren Zu sammenkünfte entsprach. Sie selbst blieb in alter Geschäftigkeit, ging und kam, bediente und nahm Geld in Empfang. Abends überreichte sie dem neuen Eigentümer die Tageseinnahme, wobei sie aber keineswegs nach dem alten. Sprichworts: „Ehrlich währt am längsten" handelte. Vater Reutter ließ sie ohne Störung walten, sah die Rechnungen nur flüchtig durch und schien mit großem Vergnügen den Fort gang seines neuen geschäftlichen Unternehmens zu beobachten. Das Wirtshaus „Zum Kreuz wege" stand eben im guten Aufschwung, als der Wirt eines Tages Anordnungen zum Emp fange seiner Nichte traf, die am andern Morgen eintreffen sollte. — Schon in früher Stunde des andern TageS hielt ein Wagen gegenüber dem Wirtshause. Eine anmutige Mädchengestalt stieg heraus. Vater Reutter eilte ihr entgegen und reichte ihr die Hand. Lange ruhten seine Blicke auf ihrem lieblichen Antlitz. Eine tief« Bewegung war auf den Zügen des Greises zu lesen. Er mochte sich beherrschen wollen, aber eine über die gefurchten Wangen perlende Träne verriet die Aufregung seine? HerzenS. Die Hände, mit denen er die des jungen Mädchens drückte, erbebten. Sein Schweigen war beredter, als alle Ausdrücke der Freude, der Überraschung und Bewunderung sein konnten. „Also endlich da?" begann er, sich sammelnd. „Ja, lieber Oheim," antwortete Anna und nahm seinen Arm. „Leider wurde ich nur zu lange aufgehalten." Einige Gäste hatten sich inzwischen an den Fenstern versammelt, die Dorfjugend stand mit offenem Munde und gaffte. Die Wirtin kam herbei, betrachtete mit Staunen die hübsche Nichte, deren Reutter mehrfach erwähnt hatte, präsentierte sich mit tiefen Knixen und trug die Reisetasche des jungen Mädchens inS Haus. Ein freundliches Zimmer erwartete letztere. Ihr Blick überflog die einfache und doch nette Einrichtung. Sie erfaßte als Zeichen des Dankes noch einmal die Hand des Greises und drückte fie innig. „Sie haben sich mir zuliebe viel Mühe gegeben," sagte sie mit bezauberndem Lächeln. „Sind Sie zufrieden?" fragte er zärtlich. „Es ist besser, als ich es brauche," ant wortete sie.
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