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Allgemeiner Anzeiger : 15.01.1908
- Erscheinungsdatum
- 1908-01-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190801154
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- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19080115
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19080115
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-01
- Tag 1908-01-15
-
Monat
1908-01
-
Jahr
1908
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 15.01.1908
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politifcke Kundfckau. TeutschlanL. * Die Nachricht, daß Kaiser Wilhelm und die deutschen Bundesfürsten die Stellungnahme des Prinzen Rupprecht von Bayern zur Flottenvereinskrisis billigen, findet jetzt ihre volle Bestätigung durch die Meldung, daß Prinz Heinrich von Preußen angekündigt hat, er werde das Protektorat über den Flottenverein niederlegen, falls General Keim in seiner Stellung im Präsidium verbleibe. *Jm preuß. Abgeordnetenhause hat am Freitag die mit großer Svannung erwartete Wahlrechtsdebatte stattgesunden. Mi nisterpräsident Fürst Bülow erklärte, daß an die Einführung eines dem Reichtags - Wahlrecht ähnlichen Wahlrechts in Preußen nicht zu denken sei, weil die Staatsregierung auf dem Standpunkt stehe, daß dies dem Staatswohl nicht entspreche. Die Staats regierung, die somit das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht mit geheimer Stimmabgabe ablehnt, ist gleichwohl bereit, eine gesunde Re- iorm des Wahlrechts durchzusühren, nicht aber in diesem Tagungsabschnitt. Welcher Art die Reform sein soll, sagte Fürst Bülow nicht. — Vor dem Abgeordnetenhause hatten Tausende eine Kundgebung veranstaltet, Fürst Bülow wurde mit dem donnernden Zuruf be grüßt: „Das Wahlrecht!" Ein starkes Schutz mannsaufgebot zerstreute schließlich die Menge und verhinderte auch in den benachbarten Straßen sowie auf dem Schloß platz jede Ansamm lung. Die Kundgebung verlief ohne ernsten Zusammenstoß mit der Polizei. * Gegen den jetzt dem Reichstage vor liegenden Vereinsgesetzentwurf be schlossen die Abgeordneten des Landtages des Herzogtums Koburg Stellung zu nehmen, da bisher in letzterem ein Vereinsgesetz überhauvt noch nicht bestand. Der Landtag wird daher danach streben, daß die im Herzog tum Koburg bestehenden freiheitlichen Rechte möglichst gewahrt werden. * Gegenüber dem Gerücht, Staats sekretär Dernburg habe ein besonderes Interesse anHarden genommen und während des Moltke-Prozesses zum Zwecke der Herbei führung eines Vergleichs betätigt, veröffentlicht der Staatssekretär folgende Erklärung: „Ich habe lange Jahre höfliche und freundliche Be ziehungen zu Herrn Harden gepflegt, habe ihn aber seit mehr als Jahresfrist nicht gesehen, und bin niemals weder während der Moltke-Harden- Prozeffe noch nachher in der Lage gewesen, mich in seinem Interesse zu verwenden." * Im Fürstentum Reuß j. L. sollen die Beamtengehälter aufgebessert werden. Der Landtag hat beschlossen, die Regierung zu ersuchen, sämtlichen Staats beamten vom 1. Januar 1909 ab eine allge meine, im Durchschnitt zehn Prozent betragende Gehaltserhöhung zu gewähren. Die Regierung hat erklärt, daß sie unter gewissen Bedingungen diesem Ersuchen stattgeben werde. * Die Handelskammer in Köln hat beschlossen, gegen die beabsichtigte Erhöhung der Fernsprechtarife Einspruch zu erheben und das Reichspostamt zu ersuchen, den Handels tag und alle deutschen Handelskammern darüber zu befragen. Italien. * Zu den Gerüchten von einem bevor stehenden Besuch des Zaren in Italien wird aus Rom berichtet, daß die Sozialisten Kundgebungen veranstallen wollen, um Protest zu erheben, daß ein Herrscher Rom besuche, der seinem Volke keine freiheitliche Ver- sanung gegeben habe. Die Kundgebungen wüten am 22. d., dem Jahrestage des Blut bades in Petersburg, staitfinden. Es ist frag lich, ob bei solcher Sachlage sich der Zar wird entschließen lönnen, jemals den Besuch zu er widern, den ihm der König von Italien im Juli 1902 gemacht hat. O In goläenen Retten. 15 j Roman von F. Sulau. >ortsetzunq. Aber die Frau war keine solche Begnadigte, die da am BergeSabhang unter hohen Küstern Tannen stand, und wie mit irren, verzweifelten Blicken nach dem weißen Hause hinüberstarrte. Leska war eb. Längst wußte sie, daß Adloff es war, der dort wohnte, und sie sagte sich auch, daß es besser für sie wäre, sie sähe ihn nie, nie wieder, und doch wanderte sie immer wieder wie von unüberwindlichen Mächten ge trieben, den einsamen Waldweg hinauf. Eine halb zerfallene Bank von Birlen- Wmmen stand hier unter einer uralten Buche, in deren Zweigen nisteten die Vögel, ein Buch fink schmetterte sein Liedchen und die Drossel rief und lockte dort. Maiblumen blühten hier und Waldmeister duftete. Es war ein gar lauschiges Plätzchen, wie geschaffen für heim liches Liebesglück, aber nicht für ein Menschen lind, das solches Glück verloren für alle Zeit. Leska, dis stch dort auf die verfallene Bank niedergelassen, hatte fast keinen Blick für all die Frühlingsschönheiten rings um sie herum. Sie schloß die Augen, sie wollte nichts sehen, nur küren. O, diese Melodien, die da der Früh- lingswmd zu ihr hinauf trug, was sagten sie ihr alles. Welch wunderbar ergreifende Sprache redeten sie! Und nun! Wie konnte er solch jubelndes Frühlingslied singen! Nein, das mochte, das konnte sie nicht hören. War er denn glücklich? Hatte er sie ganz vergessen? Sie eilte Lie Anhöhe hinunter, um seiner Holland. "Die holländische Ministerkrise ist immer noch nicht endgültig gelöst. Es heißt, Dr. Heemskerk, der von der Königin Wil helmina mit der Kabinettsbildung beauftragt ist, wird bis auf weiteres ein Geschäfts- Ministerium bilden, mit diesem die schwebenden Fragen regeln und dann wieder zurücktreten. Spanien. * Wie die Regierung amtlich erklärt, ist das französischen Blättern entstammende Gerücht, Spanien werde 6000 Mann Verstärkung nach Marokko entsenden, erfunden. Der Kriegsminister erklärt ausdrücklich, es sollen nur im äußersten Notfall weitere Truppen nach Marokko gesandt werden. Ruhland. * In Warschau entdeckte die Geheim polizei unter den Offizieren der Festungs- Wilhelm Busch, der große Humorist und Zeichner, ist am 9. d. zu Mechtshausen am Harz im 76. Lebensjahre gestorben. Fußartillerie eine revolutionäre Or ganisation. Mehrere Verhaftungen sind erfolgt. Baltanfiaaten. * Der seit langem schwebende Streitfall zwischen der Türkei und Montenegro ist nunmehr beigelegt. Es werden von beiden Seiten die an der Grenze errichteten Militär- blockhäuser wieder entfernt werden. Amerika. * über die Beziehungen Japans und der Ver. Staaten liegen jetzt die beruhigenden Äußerungen zweier hervorragender Staats männer vor. Präsident Roosevelt erklärte einem Berichterstatter gegenüber, Japan sei be strebt, alle Streitfragen auf vornehme gütliche Art zu schlichten. Eine ähnlich lautende Er klärung gab auch der japanische Botschafter in Paris, Kurino, ab und fügte hinzu: „Die Welt unterschätzt das mündig gewordene java nische Volk. Es will durchaus den Frieden." * Aus Rio de Janeiro in Brasilien wird berichtet, König Karlos von Por - tugal werde dort am 7. Juni d. eintreffen. Der König habe schon lange den Wunsch, Brasilien zu besuchen. Der Besuch wird mit der Jahrhundertfeier des Tages zusammenfallen, an dem ein Erlaß König Johanns VI. von Portugal die Häfen Brasiliens dem Welthandel öffnete. Afrika. * Der Sultan Abd ul Aziz hat Spanien und Frankreich beauftragt, Maßnahmen zur Verhinderung des Waffenschmuggels zu treffen. Infolgedessen werden beide Mächte gemeinsam für diesen Zweck einen besonderen Wachdienst einrichten. "Ein sehr ernster Zwischenfall hat sich an der Grenze des italienischen Somali- lande 8 gegen Abessinien ereignet. Etwa 2000 Abessinier machten hier einen räuberischen Einfall und ermordeten einige Kaufleute. Es kam zwischen italienischen Eingeborenentrstppen (Askaris) und den Räubern zu einem heftigen Kampf, in dessen Verlauf beide Teile schwere Verluste hatten. Die italienische Regierung hat sofort einige Kriegsschiffe aus dem Roten Meer nach der Somaliküste beordert und zugleich beim Kaiser von Abessinien Menelik ernste Vor stellungen erhoben. Aus dem keiebstage. Der Reichstag trat am Donnerstag in die erste Beratung der Novelle zum Unterstützunas-Wohnsitz- Gesetz ein. Der Staatssekretär des Innern von Beethmann-Hollweg erinnerte daran, daß der Ent wurf in derselben Form da? Plenum und eine Kommission des Reichstages bereits beschäftigt Labe. Die von dieser gefaßten Beschlüsse habe die Regierung indessen nicht berücksichtigt, weil sie noch heute der Überzeugung sei, daß der von ihr einge schlagene Weg richtig ist. Der Zweck deS Gesetzes sei in erster Reihe, die Gemeinden, die durch die stetige Abwanderung größerer Bebölkerungsteile nach den großen Städten leiden, in ihren Armen pflichten zu entlasten. Er bitte um nochmalige Prüfung der Vorlage und hoffe, daß sie Annahme finden werde. Die Abgg. Frhr. v. Gamp streik.), Herold lZentr.), v. Brockhausen (kons), Horn-Reuß lnat.-lib.). Ablaß (freis. Vp.), Mommsen streif. Vgg.), Storz (südd. Vp.), Herzog (wirtsch. Vgg.) und Brejski (Pole) erklärten sich mit der Tendenz des Gesetzes einverstanden, batten aber gegen einzelne Bestimmungen doch so schwere Bedenken, daß ihnen Kommissionsberatung notwendig erschien. Abg. Kaden (soz ) meinte, das Gesetz sei überhaupt nicht verbesserungsfähig. Die Vorlage wurde schließlich einer Kommission überwiesen. Am 10. d. steht zunächst auf der Tagesordnung die erste Beratung eines Gesetzentwurfs zur Ände rung des Gesetzes betr. den Schutz von Vögeln nnd betr. Einführung des VogelschutzgesetzcS in Helgoland. Abg. Frhr. v. Wolff-Metternich (Zsntr.) befürwortet die Vorlage. Der strittigste Punkt des Entwurfs sei die Bestimmung über die Einschränkung des Fangens von Krammetsvögeln im Dohnenstieg. Tatsächlich sei hierin wohl eine Grausamkeit zu suchen, die Krammetsvögel könnten aber nicht anders erlegt werden. Deshalb müsse man mit dieser Grausamkeit rechnen. DaS Schlachten eines Schweines sei ja schließlich auch eine Grausamkeit. Die Sing vögel erfreuten gewiß jedes Menschen Herz, eine andre Frage sei aber ihre Nützlichkeit. Auch der Seeadler imponiere dem Menschen, und doch müsse er geschossen werden. Redner beantragt Beratung in einer 21 gliedrigen Kommission. Abg. Feldmann (kons.) ist für Annahme der Vorlage ohne Kommisfionsberatung, wenngleich er sich dem Anträge nicht entgegensetze. Besonders zu begrüßen sei die Einbeziehung Helgolands in das besetz. Redner bedauert, daß die Lerche nicht in die Liste der nützlichen Tiere ausgenommen sei, gerade sie sei eine der größten Jnseltenvertilgerinnen. Die Pflege der Singvögel müsse mehr in die Forst- verwaltung gelegt werden. Ohne Vogelgesang fei ein deutscher Wald nicht denkbar. Die Förster sollten angewiesen werden, mehr Raubzeug abzu schießen. Abg. Varenhorst (freikons.) hält einen wirk lich durchgreifenden Vogelschutz nur auf inter nationaler Grundlage für denkbar. So lange in südlichen Ländern Hunderttausende von Bögeln ge mordet werden lönnten, sei ein einseitiges Gesetz nutzlos. Der Verkauf lebender Waldvögel müsse verboten werden. Der Vogelsang sei ohne Vogel bandel nicht denkbar, desbalb müsse man den Vogelhändlern zu Leibe gehen. Ein Wald ohne Bögel sei ein Haus ohne Kinder. Der Fortschritt des Gesetzes in bezug auf den Dohnenstieg sei zwar anzuerkennen, aber nicht weitgehend genug. Dem Dohnenstieg fielen auch sehr viele andre nützliche Vögel zum Opfer. Die Fangschlingen seien die größten Folterkammern, in denen die armen Tierchen oft tagelang zappeln müssen, ehe sie vom Vogel fänger erlöst werden, da die meisten stch nicht mit dem Halse, sondern mit den Füßen fangen. Redner zeigt eine solche Schlinge mit einem Krammetsvögel und führt weiter uns: Ich wünsche nur, daß die Herren, die den Vogelsang befürworten, nur 'st Stunde sich so aufhängen möchten. Die Schamröte muß uns ins Gesicht steigen, wenn wir solche Grausamkeiten weiter zulassen, nur um den Gaumen eines Lecker mundes für kurze Zeit zu ergötzen. Eine Recht fertigung dahin, daß die Förster infolge ihres geringen Gehaltes auf diesen Fang angewiesen seien, lasse ich nicht gelten. Da möge der preußische Landwirtschaftsminister endlich die Förster besser stellen. Treten Sie mit mir dafür ein, daß unsern Kindern die Freude an dem deutschen Walde und Gottes schöner Natur erhallen bleibe! Abg. Fuhrmann (nat-lib.): Ich schließe mich der Freude des Vorredners über diesen Gesetzent wurf an. Er ist eine Konsequenz der Pariser Konvention vom 19. März 1902. Redner tritt dann nachdrücklich dafür ein, daß die Jtalienfahrer und insbesondere auch die Herren vom Zentrum dahin wirken möchten, daß in Italien gegen den Vogel mord vorgegangen werde. Der Krammetsvogelfang mittels des Dohnenstiegs müsse unbedingt verboten werden, sei auch schon verboten in einigen deutschen Bundesstaaten. Abg. Geck (soz.) tritt gleichfalls für das Verbot des Dohnenstiegs ein. Alles deute darauf hin, daß die Dezimierung der Singvögel ganz bedenkliche Fortschritte mache. Der Mensch sei in seinem Egois mus ein Vernichter der Natur. Bald bevölkern nur noch Luftschiffe den blauen Äther. Der Vogelherd sei ein Ausfluß der Genußsucht der besitzenden Klasse. Insbesondere werde in Italien die Schwalbe zu Hunderttausenden gemordet, um den Tischen der Reichen als Leckerbissen zu dienen. Redner schildert dann die Grausamkeiten, die beim Vogelfang mit unterlaufen. Ass Volksnahrungsmittel könnten die Vögel nicht in Betracht kommen. Da solle mau lieber die Zollgrenze öffnen und die Nahrungs mittel dadurch verbilligen. Seine Partei verlange deshalb Durchführung eines gründlichen Vogel schutzes nnd Abstellung der Barbarei des Vogel fanges und des Dohnenstiegs. Abg. Behrens (wirtsch. Vgg.): Konzessionic- rung des Vogclhanbels und genaue Buchführung be züglich der Vogelkäufer sind Forderungen, die wir nach wie vor erheben müssen. Hört der Handel mit Wald vögeln auf, so ist auch der Vogelfang unmöglich. Die Fachzeitschriften zeigen uns in ihren Annoncen, wie umfangreich der skandalöse Fang unsrer Sing vögel betrieben wird. Deutschland gebe fortgesetzt Tausenden von Italienern Brot, da könne es ver langen, daß man dort unsre Singvögel uns nicht wegfange. Redner rügt hierauf nachdrücklich, daß in Lothringen die Lerche als jagdbares Federvieh erklärt sei. Diese Lerchenjagd sei eine abscheuliche Barbarei. Die Lerche sei ein Singvogel, und mit solchen Zuständen müsse gründlich aufgeräumt werden. Abg. Sommer (srs. Vp.) befürwortet gleich falls die Vorlage, das Gesetz habe pädagogische Aufgaben zu erfüllen. Das Verabschenswürdigste sei im gegenwärtigen Zustand der Dohnenstieg. Abg. Pfeiffer (Zentr.): Herr Fuhrmann hat unS aufgefordert, auf unsern Römerzügen nach Italien im Sinne des Vogelschutzes zu wirken. DaS Zentrum und seine Anhänger haben vielfach schon Ver anlassung genommen, gegen Italien in dieser Hinsicht vorstellig zu werden. Wenn Herr Geck ein so langes und bewegtes Bild matte, so wundre ich mich nur, daß er nicht auch noch aus das preußische Wahlrecht ge kommen ist. Auch das Jagd- und Fischereigesetz sollte in Einklang mit diesen Bestimmungen gebracht werden. Der größte Teil meiner Freunde teilt den Standpunkt des Frhrn. v. Wolff-Metternich nicht. Das Gute hat diese Diskussion, daß sie die Idee des Vogelschutzes wieder in das Land trägt. Der Vogelsreund ist auch der beste Vogelschützer! Abg. v. Treuenfels (kons.) Der Dohnen stieg ist eine Grausamkeit und höchst gefährlich für die Jugenderziehung. Der Vogelsang führt zur Schlingenlegerei, Wilddieberei und Spitzbüberei. Das Gesetz müßte auf noch breitere Grundlagen gestellt werden, mehr Vogelarten geschützt und der Dohnenstieg beseitigt werden. Damit schließt die Diskussion. Die Vorlage wird einer Kommission von 21 Mitgliedern über wiesen. Es folgt die erste Beratung des Entwurfs einer Maß- und Gewichtsorbnung, durch die eine periodische Nacheichung für das Reich vom Jahre 1912 ab einheitlich eingeführt werden soll. Sie endet nach kurzer Debatte mit Ablehnung eines An trages auf Kommissionsberatung. Von und fern. Das große «Schneetreiben, das seit einigen Tagen den ganzen Norden Europas heimsucht, hat auch Deutschland nicht verschont. Der Fernverkehr vom Norden her nach der Reichshauptstadt ist fast völlig lahmgelegt gewesen. So blieben auf dem Stettiner Bahn- Hof alle Fernzüge aus, und die leitenden Be amten rechneten dort bei den einzelnen Zügen mit einer Verspätung von durchschnittlich zehn Stunden. Dazu wird aus Kopenhagen ge meldet, daß der Exprekzug Berlin-Kopenhagen, der dort am Mittwoch abend eintreffen sollte, unterwegs im Schnee liegen geblieben ist, t während der Abenverpreßzug Kopenhagen— ' Berlin wieder umkehren mutzte. Stimme zu entfliehen. In den nächsten Tagen wagte sie sich auch nicht wieder hinauf nach ihrem Lauscherposten. Wie im Traum aber wandelte sie einher. „Was hast du nur?" fragte Brandhorst, verwundert in LeskaS verträumte Augen schauend. „Ich weiß nicht. Ist es vielleicht der Früh- Nng? Er ist hier so anders wie bei uns zu Haus, so viel schöner," entgegnete sie dann beklommen. „Ja, das soll er wohl sein! Vergiß nur nicht über unsern schönen Frühling den Emp fang für deine Freundin im Forsthause in Szene zu setzen, in einig«. Tagen wird daS junge Ehepaar einziehen.' „Ach ja, Martina kommt mit ihrem jungen Gatten. Wo hatte ich nur meine Gedanken, daS zu vergessen. Ihre Hochzett muß m diesen Tagen sein, sie wird ganz still nur im engsten Familienkreis gefeiert, schrieb mir Klara," sagte Leska. „DaS ist sehr vernünftig von den Leuten, wenn sie nicht die Mittel dazu haben," meinte Marlha. „Sie sind beide nicht vermögend, dafür aber ist ihre Liebe eine erste, echte!" Leska erschrak fast, als diese Worte ihr ent schlüpft, und warf einen scheuen Blick auf ihren Mann.. „Also eine erste, echte Liebe," sagte dieser konisch. „Du hattest ja wohl auch schon, ehe ich dich kennen lernte, so eine erste, echte Liebe, ein flotter Leutnant, dünkt mich, war es, die passendste Partie für ein armes Mädchen! Na, der Traum ist nun längst begraben. Nnht! ? wahr, Kind? Du hast das Leben des sicheren Eheglücks und des Reichtums kennen gelernt. Das tauschst du für nichts mehr aus, auch nicht für deine erste Liebe, die ich ja nun leider nicht bin!" Brandhorst lachte und zog LeSka zärtlich zu sich heran. ! Dummer SÄnack, solche Reden von erster, z wahrer, echter Liebe, dachte er dabei, das holde Geschöpf war fetzt seine Frau und hatte sich recht gut in diese Rolle gefunden, auch ohne solch schwärmerisches Getue. Was er mir gegeben, - mein Gemahl, das steht in seinen Augen natürlich tausendmal höher, als meine erste Liebe, sagte si'ch Leska. Aber eS ist nicht wahr, die erste, echte Liebe stirbt nicht, nie, nie! Sie könnte ja sonst nicht das höchste und stärkste Gefühl im Menschen herzen sein. War die Liebe echt, dann gibt es kein Ent rinnen, die Wogen der Leidenschaft schlagen zu sammen über solche, die einst Hand in Hand im Zauberland der Liebe gewandelt, grausam getrennt und dann vom Schicksal wieder zu sammengeführt wurden in Verhältnisse, die diese Liebe nicht mehr gestatten und zur Sünde wer den lassen, was sonst in Ehren stünde. So hatte die Elia Bergers erst neulich in fast dämonisch klingenden Worten zu Leska ge sprochen. Ach, gab es für sie keine Rettung? 13. Die jungen Förstersleute waren eingezogen in ihr neues Heim. Leska hatte einen würdigen Empfang voröcreitet. Das hatte sie ein wenig j zerstreut und etwas von ihren Gedanken los- i gerissen. Nach der Anhöhe, wo die zerfallene > Bank stand, war sie in letzter Zeit nicht wieder hinausgegangen, denn seine Stimme noch ein- mal hören dort oben in der Einsamkeit, nein, das durste sie nicht, das, sie sühlte es, konnte sie schließlich um alle Selbstbeherrschung bringen. Statt dieser einsamen aufregenden Spazier gänge ging Leska jetzt täglich nach dem Forst- Haus, das da so friedlich im Schatten der alten Linden lag, und half Martina bei ihrer Ein richtung. Wie einfach war deren Hauswesen im Vergleich zu der P acht und Eleganz in ihre? Häuslichkeit, aber welch ein Glück, welch über- mächtiges Glück in diesem alten, von Linden be schatteten Hause. Die beiden, die das Glück hineingetragen, sie fragten nicht danach, ob ihre Einrichtung modern unr stilvoll sei, ob sie Stores an den Fenstern hatten und ihr« Füße aut Smyrnateppiche traten. Das waren in ihren Augen so nebensächliche Dinge, die mit wahrem Glück gar nichts zu tun hatten, nm eitler Tand, mit dem die Menschen sich um geben, oft um die Ode, die Glückesleere im Innern zu verdecken. In ihrem Innern aber, da war der volle Lebenslenz angebrochen. Jahre lang hatten sie gestrebt, dieses Ziel zu erreichen, und mehr hatten sie nie begehrt, als solch ei« stilles Heim und die größtenteils aus ihren Er sparnissen beschaffte Einrichtung. Martina war von allem, was sie in der neuen Heimat sah, entzückt, von dem alten Hause, dem etwas verwilderten Garten. In ihrem Glück bemerke sie nicht den seltsamen ! Ausdruck in LeskaS Zügen, sah niqt, wie »«iv
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