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Di« „gefährlichen^ Oentschea. Englisch-französischer Stickstofsin Deutschland Sollte man es für möglich halten, daß unser Unglück- liches, von allen Sorgen der Welt bedrängtes Vaterland j den Sicgernationen noch bedrohlich erscheinen könnte? In i der letzten Sitzung der British Association zu London fand j ein hervorragender Chemiker, Dr. Harker, es für nötig, die Aufmerksamkeit wieder einmal auf die fürchterlich an- j wachsende Stickstoff-Industrie Deutschlands zu lenken. Ich bin kein Alannist, sagte er, aber wir können nickst > an der Tatsache vorüberaehen, daß Deutschland, das im ! Jahre 1913, also vor dem Kriege, 90 000 Tonnen Stick- stofsprodukte aus der Luft zog, zu Ende dieses Iabres bereits 500 000 Tonnen zur Verfügung haben wird. Das > ist eine gewaltige Gefahr, denn niemand ist in der Lage, - die Fabrikation von Explosivstoffen von derjenigen der künstlichen Düngemittel zu trennen. In einem zukünftigen i Kriege werden die Deutschen, durch die Erfahrungen des Weltkrieges gewitzigt, sowohl in ihrer Mnniüonsbe- f schafsung wie auch in der Herstellung der Hilfsmittel für die Browersorgung vom Auslande ganz unabhängig da- i stehen. Ein anderer Teilnehmer der Versammlung, dessen , Name nicht genannt wird, der aber Direktor eurer der größten chemischen Werkstätten Englands sein soll, fvann t das Thema weiter aus. Das Schlimmst? an der Sache f ist, sagte er, daß es kein Diittel gibt, Deutschland an der Weiterverfolgung dieser Bahn zu Hinde, n. Selbst wenn die Deutschen den ganzen Stiüstoffvorrat der Luft über ihrem Lande erschöpfen sollten, bringen die Westwinde fortgesetzt neuen Stickstoff ans Frankreich und England hinüber, und die bösen Deutschen sind deshalb jederzeit in der Lage, aus dem englischen und französisch, Stick- , stoff tauch eine Art von ungewollter Reparation!) das Material zu schöpfen, nm uns nachher wirksam - zu bekämpfen. Deutschland kann die Zufuhr von Salpeter vollkommen entbehren, während England noch massenhaft ' ans Südamerika entführen muß. Ja, die Den scheu wer den schließlich zu einer Kberprodnfticu: kommen und ihre Stickstoffverbindungen zu Schleuderpreisen ans den Welt markt iverfen. ^chon wärcnd des Krieges arbeitete in Eng land ein Ausschuß, der in einer noch erhältlichen Denkschrift dringlich auf die große Gefahr hinwies, aber leider hat man noch nichts gehört, daß etwas dagegen unternommen werde. Ferner wurde erinnert, daß Lord Moulton, der kürzlich verstorbene Vorsitzende des Ansschusses für Explosion Supplies, Sprengstoffe und Kriegsmaterial, ge nau dieselben Ansichten geäußert und die deutsche Be triebsamkeit mit großer Sorge verfolgt habe. Er hätte sich glücklich geschätzt, wenn die englische Industrie seine Winke befolgt und den Wettbewerb mit dem Feinde resolut aus genommen hätte. So schmeichelhaft und trostreich uns alle diese engli schen Besorgnisse, als eine Anerkennung unserer Tü Vig- reit wider Willen, auch sein müssen, so können wir doch ein ! kleines Erstaunen nicht unterdrücken. Wenn 'unsere Stick stoff-Industrie so leistungsfähig ist, daß sie dem Feinde Schrecken einjagt, wie geht es dann zu, daß unsere eigenen Landwirte sich immer noch bitter über Knavpbeit und Teue rung der künstlichen Düngemittel beklagen? Uns erscheint die eigene Freude an unserem Fortschritt und Auskommen doch wesentlich wichtiger als die Furcht der mißgünstigen Gegner. E. Nah und Fern. o Unser Kleingeld. Für rund 35 Millionen Aluminium- Dreimarkstücke sind bisher in der Berliner und in der Ham burger Münze ausgeprägt worden. Die anderen deutschen Münzen (München, Mulvuer Hütte, Stuttgart und Karls ruhe) haben keine Dreimarkstücke geprägt, sondern nur Fünfzigpfennigstücke, Zehnpfenmgstücke aus Eisen und Zink und eiserne Fünfpfennigstücke. Ter Bedarf an diesem Klein geld ist aber nur gering. O Millionenschwindel gegen Berliner Großbanken. Ein Riesenschwindel mit gefälschten Coupons der viereinhalb prozentigen Provinzialanleihe von Buenos Aires, die über englische Pfunde lauten, ist durch die Aufmerksamkeit eines Berliner Banklchrlings aufgedeckt worden. Als Hauptvertreiber der Fälschungen wurde der Bankier Bern hard Schulze aus Hannover in Berlin verhaftet. Schulze ' gibt die Vertreibung der Coupons zu, behauptet aber, ! nicht gewußt zu haben, daß die Papiere gefälscht sind. Eine Reihe von Großbanken sott um etwa 300 Millionen Mark geschädigt worden sein. O Tod eines berühmten Mediziners. In Berlin starb im 74. Lebensjahre der Geheime Medizinalrat Prof Dr. Oskar Hertwig, Direktor des anatomisch-biologischen In stituts der Berliner Universität. Hertwig wurde weit be kannt durch seine grundlegenden Untersuchungen zur Ent wicklungsgeschichte und Vererbungslehre, und seine Lehr- i bücher sind vielen Medizinern unentbehrlich geworden. Wem nie durch Liebe Leib geschah... Roman von Erich Friese». 33) (Nachdruck verboten.) „Wenn ich nur wüßte, warum man mich als Zeugin geladen hat und ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen rst. . . Ob ich wohl gegen Giesecke aussagen ,oll? Oder weiß man von der Diamantengeschichte über haupt noch gar nichts? . . . Wenn ich vor Gericht etwas davon sage, schlägt er mich halbtot — aber icy werde es doch wohl tun, denn ich hab' nichts mehr für den Menschen übrig — rein gar nichts. Er hat mich in den Schmutz herabgezogen, in dem er zu leben gewohnt war. Oder vielmehr — er hat es wenigstens versucht. Er hat fast Ehre und Gewissen in mir getötet . . . Lom ersten Lage unserer Verheiratung an hat er mein .Kind mit seinem Haß verfolgt. Er quälte das arme Würmchen, wo es nur anging. . . Und jetzt stahl er ihr das ein zige, was sie besaß: das kostbare Anbeuten, bas ihr seliger Vater ihr hinterlassen hatte. Und als das Mäd chen auf ihre Weise versuchte, sich wenigstens einen Teil des Gestohlenen zurückzuerobern — da überlieferte er sie dem Gerichte. Er, der Stiefvater, der ihr den wirk lichen Vater ersetzen sollte, o Schmach und Schande!... Ja, er ist ein schlechter Mensch durch und durch, und ich werde mich nicht von ihm ins Bockshorn jagen las sen .. . Ich will gar keine Angst haben und die reine Wahrheit sagen, wenn er mich danach auch braun und blau schlägt. Er weiß nicht, daß ich als Zeugin geladen bin; er meint, ich fahre morgen weg. Ich werde auch so tun; aber dann mache ich, was ich für recht halte. Ja, das mache ich!" All diese Gedanken und Erwägungen wirbelten durch Frau Gieseckes Hirn, bis ihr ganz wirr im Kops wurde. O Geraubte Goelhe-Reliquien. Im Goethe-Museum in Weimar ist ein Diebstahl verübt worden. Unbekannte Diebe erbrachen eine Glasviirine und stahlen daraus ver- schiebens Goethe-Reliquien, so die Trauringe Goethes, einen großen silbernen Siegelring mit goldener Platte, Goethes goldene Spindeluhr mit hellblauem Emaillerand, eine Schnupftabakdose mit marmorähnlichem Stein und einen silbernen Refteirinkbecher in Form eines halben Gänseei?. Von den Tätern fehlt jede Spur. Einige Per sonen wurden verhaftet, mußten aber wieder entlassen werden. — Bei dieser Gelegenheit sei bemerkt, daß die Versteigerung der bei Ausbruch des Krieges in Lyon be schlagnahmten Gegenstände aus dem Goethe-Hause in Frankfurt a. M. unterbleibt. O Die Not der Arzte. Sämtliche Arzte der Stadt und des Kreises Einbeck haben ihre Fernspnechanschlüsse ge kündigt, da ihre geringen Einnahmen das Halten eines Fernsprechers nicht gestatten. O Brenenablieferung an die Entente. Die Zentral- Imker-Genossenschast für die Provinz Hannover hat für den Wiederaufbau in den zerstörten Gebieten insgesamt 20 000 Bienenvölker in Körben zu liefern. Da diese Zahl bisher nicht aufgebracht worden ist, ist zur Sicherstellung der Ablieferung die Beschlagnahme aller Bienenvölker in Körben anocoranct worden. O Ein Mörder ans dem Zuchthaus entflohen. Der zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilte Kraftfahrer Paul Meckeder ist aus der Strafanstalt Sonnenburg entwichen. Meckeder hatte im März 1919 eine Zigarrenhändlerin in Berlin erdrosselt und beraubt und war zum Tode ver urteilt, aber zu lebenslänglichem Zuchthaus begnadigt worden. Er war schon einmal ausgebrochen, wurde aber wieder gefaßt. Jetzt hat er zum zweitenmal das Weite gesucht. O Angriff auf ein Ententeauto. Eine Anzahl Personen umringte in Passau das Anto einer Ententekommission uno bewarf cs mit Steinen, Holzscheiten und anderen Gegen ständen. Dabei wurden die Fensterscheiben des Gefährts zertrümmert. Das Auto flüchtete sich in den Hof der Kaserne und versuchte von der Rückseite des Kasernenhofcs zu entkommen. Toch auch hier wurde der Wagen umstellt, und die Angriffe begannen von neuem. Dos Auto konnte dann erst nach zweistündigem Warten den Kasernenhof ungehindert verlassen. O Schrffsunglürk. Der Hamburger Sceleichter „Lahn", der im Tau des Schleppers „Tnan" mit Alteisen-Ladung von Petersburg nach Hani bürg fuhr, ist bei schwerem Schnee- sturm im Finnischen Meerbusen gesunken. Die gesamte Be satzung von 6 Mann ist ertrunken. O Wieder ein Flugzeug abgestürzt. Ein Flugzeug, das mit zehn anderen von Dijon abgeflogeir war, um sich zur Besatzungsannce am Rhein zu begeben, blieb infolge MotordefektZ hinter der Staffel zurück und stürzte in der Gegend von Neuschönau (Belgien) ab. Ein Insasse sprang hinaus und blieb unverletzt. Der zweite, ein Unteroffizier, zog sich eine schwere Kopfwnnde zu. Das Flugzeug wurde vollkommen zertrümmert. O Deutsche Soldaten als französische Filmstatisten. In Nvmpbenburg in Bayern hatte eine internationale Fttm- gesc! ntzaft mft je zwei französischen Hauptdarstellern und Regipeuien ^ilmausnahmen einer Parforcejagd machen lauen wobei Reiter einer Fahrabteilung ver Reichswehr mu ihren Pferden und städtisckle Bcrufsfeuerwehrleute mit- wirkten. Das Wehrkreiskommando ist gegen die Soldaten sofort eingeschritten. Die Tatsack>e, daß vie Reiter unter Regisseuren Filmaufnahmen mitmachten, hat tu München großen Univillen erregt. Um einen Hetzsttm, Wie zuerst angenommen wurde, har es sich nicht gehandelt. O Grvßseuer im Hcimt-Hrwgcr. Im Heimkehrlager Guben wurden durch eine Feuersbrunst vier Baracken ver nichtet. Mehr als 400 Flüchtlinge sind obdachlos. Das Heimkehrlager in Guben, das vor etwa 1)4 Jahren von der Flüchtlingssürsorge des Roten Kreuzes erbaut wurde, ist in der Hauptsache eine Sammelstätte für oberschlesische Flüchtlinge, die hier so lange verwetten köniven, bis die Möglichkeit besieht, sie wieder dem Erwerbsleben zuzu führen. O Rückkehr zum Leihhaus. Um der großen Maste des bedürftigen Bürgertums leicht zugängliche Kreditmöglich keiten zu eröffnen, hat der Nat der russischen Volkskom- missare beschlossen, die Einrichtung von Leihhäusern wieder zu gestatten. Die Anstalten solle!, auf kommunaler Grund lage organisiert werden; es sott jedoch auch privates Ka- vital mr Beteiligung zugelassen werden. Arbeiter und Angestellte. Berlin. (Abbruch der Verhandlungen mit den Staatsarbeitern.) In der Nacht zum Freitag sind ,m Reichsfinanzmlmstcrium die Verhandlungen über die geforderte ! -Erhöhung der StaatSsrveirerlöhne ergebnislos abgelreckcn - Worden. Während eine Stundenlo-nerhöhung von Ü0 Mark gefordert wurde, war von der Regierung ein s Angebot gemacht worden, wonach sich die Stundenlöhne im November insgesamt um 22 Mark höher stellen würden als im i September. Von Ardeitnehmerseite wurde dieses Angebot , der Regierung als völlig unzureichend abgelehni. ! Man befürchtet eine bedenkliche Zuspitzung der Lage. i Solingen. (Lohnbewegu n g.) Die Lohnverhandlungen ! mit den Fabrikarbeitern und den Heimarbeitern der Solinger j Industrie sind gescheitert. Die Arbeitnehmer verlangten eine i Lohnerhöhung von 100 bezw. 75 A aus Grund der Teuerung. ! DieArbettgeber erklärten jedoch, dem nicht zustimmen zu können. ! Die Vertreter der Arbeitnehmer haben daher den Schlichtung-- ausschuß angerufen, dessen Spruch jedoch von den Arbeitgebern > abgclehnt wurde. Welt- und Volkswirtschaft. Was tosten fremd« Werte? Börsenplätze 27 gesucht IO. an eb. 2« LV oeluchtj anacb. Stand i.^. r L Holland 1 Gulden Tönemark 1 Krone Schweden 1 Krone Norwegen 1 Krone Schweiz 1 Frank Amerika 1 Dollar England 1 Pfund Frankreich 1 Frank Belgien 1 Frank Flauen 1 Lira T t -Oslerr. 100 Kron. Ongarn 1 Krone Tschechien I Krone Berlin. 2?. Oki 1620,93 862 83 1137,15 773,06 713.21 4130,62 18553.60 274,31 26 ..88 157.60 5 28 1 6<t 127,68 ober. 6 1629.0- 8">7?7 1142.85 776,"4 716,79 4160,38 18646.50 275.69 265.67 1S8.40 6 27 1 6 128 32 Land der 1735.65 890.26 1189.50 795.50 805,48 4448,85 19750.50 306.23 280.29 170 57 6.78 1,75 189.89 Polen n 1744.85 894,74 1195.50 799,kl) 809.52 4471.15 19849.50 807.77 281,71 171,48 6,82 1.77 14061 arft 29 1.70 M. 1.12 . 1.12 . 1.12 , 0.72 „ 4.4'! . .0.20 , 0.80 . 0.88 . 0,8v . 85.00 . 0.8ö . * Das Goldzollausqcld beträgt für die Zeit vom t November ins einschließlich 7. November 70 400 * Berlin als Mittelpunkt des internationalen WechselvertehrS. Das „Echo de Paris- teilt mit, nach Nachrichten auL bester Quelle solle Berlin das große Zentrum der Wechsel- und Arbitrageoperationen zwischen Prag, Amsterdam, Kopenhagen und Zürich werden. Dies sei zurückzusühren aus die ausge- zeichneten neuen Telephonverbindungen, die es den Berliner Banken gestatteten, in enger Fühlung mit den Börsen der ge nannten Städte zu bleiben. Aus dem Gerichtssaal. - Zwei Todesurteile. Das Bochumer Schwurgericht verur teilte den Schlosser Josef Roth wegen Mordes zum Tode, i Roch, hatte ein vier Wochen altes, aus seinem Verhältnis mit der Dienstmagd Anna Kanovkat stammendes Kind mit zu ! seiner Arbeitsstätte, der Zeche „Karolinenglück", genommen und ! es dort in den glühenden Koksofen geworfen. Die Dienst- i magv Kanovkat wurde ebenfalls zum Tode verurteilt, doch ! wollen die Geschworenen ein Gnadengesuch für sie unterzeichnen j ß AlS Spion verurteilt. Das Reichsgericht verurteilte den 18vl in Hagen geborenen früheren Oberverwaltungsschrewer Wertmann zu 10 Jahren Zuchthaus. Er hatte während deS ' Krieges in russischen, belgischen, französischen und englischen Spionagebureaus im Haag und Rotterdam als Schreiber Dienste geleistet und gegen eine Belohnung von 500 hollän- i dischen Gulden deutsche Deserteure ausgehorchü Auf die ! Strafe werden 2 Jahre 5 Monate der Untersuchungshaft ange- j rechnet. 8 Ein Prozeß des früheren Kaisers. Das Berliner Kammer« geeicht hat in dem von Wilhelm II. gegen den Dichter Emil Ludwig angestrengten Prozeß entschieden, daß daS von Ludwig i geschriebene Bismarckdrama, das der frühere Kaiser verboten seben wollte, für die Aufführung und für den Buchvertrieb frei« zngeben sei. Das Urteil ist von grundsätzlicher Bedeutung, da ! nunmehr das Recht des Dichters zur Dramatisierung zeit geschichtlicher Persönlichkeiten anerkannt ist. ! Dollar und Marktpreise. Ich ging zum Markt: die Stimmung schien mir flau. Ich sagte zu des Marktes holder Frau: Der Käs dreihundert Mark? s wird immer toller! ! »Ja, ja", sprach sie, .es steigt so sehr der Dollar." Hurra! Keut soll ein IudeUted erschallen I , Der brave Dollar I Keut ist er gefallen! Zu Markte kam ich wieder. Was geschah? Der Käse war schon der fünfhundert nah. i Ich sprach: .Nanu! Welch sonderbares Spiel! Ls stieg der Preis, da doch der Dollar fiel?" Da rief des Marktes Frau: „Na, juter Mann, Wat jeht denn mir der Dollar an!" j Aber zuletzt hatte sie doch einen bestimmten Plan gesaßt und begab sich sofort zur Ausführung. Flugs ging sie uach Winfried Holms früherer Wohnung, um vielleicht von seiner ehemaligen Wirtin etwas Näheres zu erfahren. Sie tappte ja noch vollständig im Dunkeln. Tie Tochter hatte auch nicht ern einziges Mal aus dem ttntersuchuugsgesüngnis an sie geschrieben, und der armen Frau hatte der Mut gefehlt, selber die Ini tiative zu ergreifen, nachdem ihr Besuch im Untersu- j chungsgefüngnis ein- für allemal verboten worden war. ! Frau Schultze, die frühere Wirtin ihres Schwieger sohnes, teilte ihr mit, daß Herr Holm in letzter Zeit mcyreremal in seiner alten Wohnung übernachtet habe, - daß er zwar heute nicht da wäre, daß sie ihn aber mor gen abend wieder erwarte. ! Frau Giesecke faßte Zutrauen zu der freundlichen - gesprächigen Frau. ! „Hm ja —" begann sie, noch etwas zaudernd — „ich s möchte Sie gern in etwas um Nat fragen, liebe Dame. ! Ich bin nämlich die Schwiegermutter von Herrn Holm." j „Ah, wirklich?" Die brave Frau Schultze gewann ! plötzlich Interesse an der blassen, vergrämten Frau vor ihr und nötigte sie ins Zimmer. „Sie sind also die Mutter der armen jungen Frau Holm, die übermorgen vor Gericht stehen soll? Wollen Sie nicht ein Täßchen Kaffee mit mir trinken? Ich habe gerade frischen ge braut." j Doch Frau Giesecke stand wie auf Kohlen. i „Vielen Dank, Frau Schultze! Aber ich mutz gleich : wieder fort. Ich möchte nur wissen, ob Ihnen vielleicht zufällig der Name des Rechtsanwalts bekannt ist, der meine Tochter vor Gericht vertreten wird?" - „Aber natürlich, liebe Frau Giesecke. Herr Holm - kommt ja immer von seinen Gastspielreisen herüber, um - mit dem Rechtsanwalt seiner Frau zu verhandeln. Er - heißt Dr. Friedmann." « „Wissen Sie auch seine Adresse?" , „Die werd' ich Ihnen gleich sagen, liebe Frau Giesecke. Einen Augenblick Geduld!" Und Frau Schultze verschwand hinter der Tür. Nach einer halben Minute war sie bereits wieder zurück, tu der Hand ei,reit Fetzen Papier. „Hier, liebe Frau Giesecke! Wenn Sie sich beeilen, - treffen Lie Herrn Dr. Friedmann noch in seinem Bu reau an. „Danke, danke! Der Himmel vergelte es Ihnen." Fest schloß die arme Mutter die abgezehrten Finger um das Stückchen Papier. Um Gotreswitten — es nur nicht verlieren! Ihr war, als hielte sie mit der Adresse des Nftchtsanwalts die Freisprechung der Tochter in den Hauben. Dr. Friedmann war noch anwesend, als Frau Giesecke schüchtern das Bureau betrat. In zuvorkommender Weise gab er ihr alle möglichen Anweisungen betreffs ihres Verhaltens übermorgen vor Gericht. j „Und verspäten Sie sich nicht!" schloß er ernst. „Ihre Aussagen sind von größter Wichtigkeit. Zwar für<SW ich, nichts kann meine Klientin von der Verurteilung ! retten: aber — es ist ein gewaltiger Unterschied zwischen j einen, Jahr Gefängnis und zwei bis drei Jahren!" ! Bei dem Woct „Gefängnis" zuckte die arme Frau ! zusammen. „Und — und — wenn ich nun morgen nicht vor Ge richt erscheine?" fragte sie mit versagender Stimme. „So machen Sie sich einer strafbaren Handlung schul dig und werden gerichtlich belangt." ! Frau Giesecke wußte genug. Unter vielen Dankes- beteuerungen empfahl sie sich u id fuhr mit der Elek trischen nach Hause. ' „Wenn ich nur etwas Geld hätte —" grübelte sie. „Freilich wird mir Giesecke morgen etwas geben sür die Reise. Aber ick muß doch mehr haben. Ob ich etwas in . meiner Lade finde, was wert ist, versetzt zu werden?" t tSortfLtzuua folgt.)