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Allgemeiner Anzeiger : 01.04.1908
- Erscheinungsdatum
- 1908-04-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190804013
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19080401
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-04
- Tag 1908-04-01
-
Monat
1908-04
-
Jahr
1908
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 01.04.1908
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Mouarchenbegegnung in Venedig. Wie alle Naschten aus Venedig über einstimmend versichern, hat die Monarchen- begeynung am 26. d. einen glänzenden Verlauf genommen. Kaiser Wilhelm und König Viktor Emanuel unternahmen eine Besichtigung ver schiedener Sehenswürdigkeiten und frühstück!en sodann gemeinsam. Für -ie Öffentlichkeit be stimmte Trinksprüche wurden nicht gehalten, doch wird immer wieder versichert, daß der Verkehr der Herrscher ein überaus herzlicher und freund- schallsicher gewesen sei. Während aber die meisten Blätter behauvten, die Monarchen hätten während eines kurzen Alleinseins nur von der Mittelmeerfahrt Kaiser Wilhelms gesprochen, berichtet die .Tribuna' aus angeblich bester Quelle, die Herrscher hätten insbesondere die Ballan- und die Marokkofrage miteinander ein gehend besprochen. Kaiser Wilhelm betonte dabei seine große Freundschaft für die Türkei, ferner seine feste Absicht, die Algeciras-Me aufrecht zu erhalten und die Unabhängigkeit Marokkos möglichst zu wahren. Auch ließ er angeblich seine Bereitwilligkeit durchblicken, bei der Pforte Italiens Absicht einer friedlichen Durchdringung von Tripolis zu unterstützen. — Auch die.Italia' erklärt, daß die Begegnung der beiden Monarchen nicht unpolitischer Art ge wesen sein könne. Kaiser W lhelm und Viktor Emanuel hätten nach dem Diner, gemütlich plaudernd, alle wichtigen Fragen des gegen wärtigen Augenblicks gestreift, so namentlich die Bal'anpolitik. Und da sei es zu begrüßen, daß sowohl der Kaiser, als der König, jeder in seiner Sphäre, Einfluß auf die einzelnen Mächte ausüben können, um die Einigkeit des euro päischen Konzerts zu verbürgen. So können die intimen Beziehungen Deutschlands zu Österreich einerseits und die neue Freundschaft Italiens zu Rußland anderseits für die Einig keit der europäischen Maßnahmen im Balkan von großem Nutzen sein. Das Blatt schließt, die venezianische Bevölkerung jubele dem Kaiser hauptsächlich deshalb zu, weil es in ihm den Vermittler zwischen Italien und Österreich und folglich einen Bürgen des Friedens erblicke. Natürlich sind solche Nachrichten mit großer ° Vorsicht aufzunehmen. Das politische Ergebnis wird sich besser überblicken lassen, wenn Fürst Bülow mit dem italienischen Minister des Äußern in Venedig zusammengetroffeu sein wird, was nach italienischen Blättern noch im April geschehen soll. Uber den Besuch König Viktor Emanuels auf der Kaiseriacht „Hohenzollern" wird aus Venedig berichtet: Kurz nach 7 Uhr abends (am 25. d.) be stieg König Viktor Emanuel, vom Kaiser herzlich bewillkommnet, das stolze Schiff. Alle Kriegsschiffe glühten im Schein von Tausenden von elektrischen Lämpchen, die die Wände, die Raen und Masten schmückten. Plötz lich wurden von Bord der „Hamburg" einundzwanzig Kanonenschüsse gelöst. — Der König blieb bis zum Beginn der Tafel im Salon der Kaiserin mit seinen hohen Gast gebern zusammen. Die Lagune, die Kirchen und Paläste waren in rotes, grünes und weißes Licht gehüllt, über das dunkle Wasser huschten blitzartige Reflexe. Die Panzer schienen lichter loh zu brennen. Während der Illumination brachte auf einem großen schwimmenden Prahm, der ebenfalls reich illuminiert war, eine Musik kapelle eine große Serenade dar. Abwechselnd mit dieser konzertierte die Kapelle der „Hohen- zollem". Viele hundert Gondeln, deren In sassen der Kaiserin und den beiden Monarchen andauernd Ovationen darbrachten, hielten in der Nähe der Kaiserjacht. Auf der „Hamburg" fand gleichzeitig eine Festlichkeit statt. Während > König Viktor Emanuel am Donnerstag abend s von Venedig abgereist ist, wo er auf Wunsch Kaiser Wilhelms bedeutend länger verweilt hat, als ursprünglich festgesetzt war, verließ das deutsche Kaiserpaar unter den stürmischen Hoch rufen einer tausendlöpfigsn Menge am Freitag morgen den Hafen von Venedig, um nach kurzer Kreuzfahrt auf dem Adriatischen Meere sich nach Korfu zu begeben. polltllebZ KrmMhau. Deutschland. * Die schwere Erkrankung des präsidierenden Bürgermeisters von Hamburg, D r. Möncke - berg, der am 23. d. von einem Schlag anfall betroffen wurde, hat in der Nacht zum 27. d. den Tod des verdienstvollen Mannes zur Folge gehabt. Kaiser Wilhelm hat aus Venedig an den Hamburger Senat ein Bei leidstelegramm gesandt. * Reichskanzler Fürst v. Bülow hat sich nach Wien beheben, um dem österreichi schen Minister des Äußeren v. Nhrenthal den lange nngekündigten Gegenbesuch zu machen. Wie verlautet, wird sich der Reichskanzler in nächster Zeit auch nach Italien begeben, um in Venedig mit dem Minister des Äußeren, Tit- toni, zusammenzurreffen. *Im lippischen Landtage erklärte Staatsminister v. Gevekot, die Regierung sei bereit, einer Wahlretorm znzustimmen, die den Einfluß der dritten Wählertlassr stärken soll. Demgegenüber erklärten die Konser vativen, daß sie trotz dieser Regierungserklärung einer solchen Wahlreform nicht zustimmeu könnten. Damit gilt die geplante Wahlreform als gescheitert. *Im Lübecker Senat wird demnächst eine Vorlage betr. die Errichtung von Jugend - Gerichtshöfen eingebracht werden. * Die Bevölkerung von Deutsch-Süd westafrika hat die Regierung ersucht, daß das für Windhuk in Aussicht genommene Denkmal zu Ehren der in den Ansstands- jahrsn Gefallenen dem Andenken aller Opfer des Aufstandes, also auch dem der Ermordeten, gewidmet werden möchte. Die Behörden haben hierzu bereitwillig ihr Ein verständnis gegeben. Belgien. * König Leopold, der an einem ernsten Halsleiden erkrankt ist, hat sich nach Oberitalien begeben, um dort seine völlige Genesung ab zuwarten. Luxemburg. Der Großherzog von Luxem burg, der seit Jahren leidend ist, hat seine Gemahlin, Maria Anna. Infantin von Portugal, zur Regentin ernannt, weil er „bei seiner zunehmenden Entkräftung nicht mehr in der Lage sei, den Geschäften die notwendige Sorgfalt zu widmen." Großherzog Wilhelm vollendet am 22. April das 56. Lebensjahr. Seine Gemahlin, nun Regentin von Luxem burg, ist die Schwester jenes Dom Miguel von Braganza, der wegen seiner Ansprüche auf den portugiesischen Königsthron vor einiger Zeit viel von sich reden machte. Thronfolgerin ist nach dem Gesetz von 1907 die Tochter des- Erkrankten, Marie, die jetzt den Titel Erb- großherzogin führt. Rußland. * Aus Petersburg wird gemeldet, daß ein Einverständnis zwischen Rußland, Italien, Eng land und Frankreich wegen der Vorschläge Rußlands über Mazedonien bereits erzielt sei, zwischen Rußland und Österreich- Ungarn noch nicht ganz, jedock siehe auch dieses bevor. Der Minister des Äußern Iswolsky werde dann in einer Dumarede den von Ruß-! land verbesserten englischen Reformplan aus- ! einandersetzen. Amerika. *Jn einer längeren Rede erklärte Präsident ! Roosevelt, er sei durchaus kein Gegner! der Trusts, sondern nur jener großkapitalisti schen Gesellschaften, d'e den Gesetzen Trotz bieten. Mit andern Worten: Roosevelt be dauert jetzt angesichts der beginnenden Wahl- j bewegung sein scharfes Vorgehen gegen viele der angesehensten großkapitalistischen Betriebe. Asien. ''Aus Söul, der Hauptstadt Koreas, wird gemeldet, daß sich dort eine japan- feindliche Beweg u na bemerkbar mache, die bereits zu Straßenunruhen ernster Art ge führt hat. Die japanische Regiemng hat sich daher veranlaßt gesehen, an die Bevölkerung eine öffentliche Mahnung zu richten, in der strenge Maßnahmen anqedroht werden für den Fall, daß sich die Straßenkundgebungen gegen Japan wiederholen. Aus ciem Keickstage. Am 26. d. wird zunächst in zweiter Beratung derKrgLnznngsetat obne Debatte angenommen. Darauf wird die zweite Lesung des Etats des Reichskanzlers und der Reichs kanzlei mit der Debatte über innerePolitik fortgesetzt. Es liegen daz» elf Resolutionen vor. fortgesetzt. Mehrere Redner traten für eine Reform des preußischen Wahlrechts ein. Der Abg. Latt- mann (wirisch. Vgg.) will den Beamten kein volles Koa'iiionsrecht zugestanden wissen, es sei unverein bar mit den Pflichten der Beamten. Reichskancker Fürst Bülow: Besonders haben mich die Ausführungen de? Norredners interessiert, die sich auf die Pflichten der Beamten und das Ver hältnis der Beamten zum Staat bezogen. Heute wende ich mich der Reform des preußischen Wahl rechtes zu. Die Resolution der Sozialdemokraten auf Einführung des Reichstagswahlrschts für alle über 20 Jahre alten Reichsangehörigen beiderlei Geschlechts ist selbstverständlich für uns unannehm bar. Die Parlamente dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Eine Vermischung von Reichs- anqelegenheiten und Angelegenbeitender Bundesstaaten wäre eineGsfahr für jede verfassunasmäßigeOrdnung. Eine reinliche Scheidung der Angelegenheiten der Ein ullstaalen und der des größeren Gemeinwesens wird in der Schweiz, den Ver. Staaten von Amerika und in jedem föderativen Staatswesen beobachtet. Die Erklärung der preußischen StaatS- reaiernng im Landtage enthielt keine Kritik de« Neichstagswahlrechts. Sie bat uch gegen die Über tragung dieses Wahlrechts aufPrenßen ausgesprochen. (Unruhe links.) Wir sind alle so empfindlich für jede Störung die von außen, die von oben kommt. Würde es sich nicht empfehlen, daß wir uns unter einander möglichst wenig stören? Wenn ich wirk lich ein krinsides Wort über das ReichAagswahl- rechi gesagt hätte? Noch leben wir nicht im Zn- kunltsstaat, wo von oben befohlen w'rd, mas als wabr zu gelten bat und was n-cht. Warum soll das Reichstagswahlrecht sakrosankt sein, wo Gott, Vaterland, Monarchie. Familie, Ge'etz, Verfassung, Ordnung und.Privateigentum angegriffen, verhöhnt nnd nntergrahen werden? Der Reichskanzler ver liest einen Zeitungsartikel, in dem das Reichstaas- wahlrccht keineswegs als ein Ideal angesehen ist. Der Verfasser ist kein hartgesottener Reaktionär, son dern ein Veteran der liberalen Partei, der freisinnige Denker Friedrich Dernburg. Ich bin kein Fetisch- anbster, kein Götzendiener und an Dogmen in der Politik glaube ich überhaupt nicht. Ein absolut gutes Wahlrecht gibt es überbanvt nicht. Jeden falls bestcht in Preußen kein Bedürfnis, einer auf dem Prinzip des Klasscnkampfes beruhenden Partei noch weiteren Spielraum zu gewähren. Weniger verständlich als die skrupellose Agitation der Sozialdemokratie ist mir das Eintreten der bürger lichen Linken für die Forderung der Wahlrechts reform. Ein Teil der Liberalen hat das Streben, gemeinsam mit der Sozialdemokratie Stimmung gegen Preußen durch die Wahlrschtsfrage zu machen. Hierdurch werben die Rsformarbeiten nur erschwert. Ich habe im Reiche das geheime Wahlrecht mit neuen, stärkeren Kautelen umgeben, bin also gewiß kein grundsätzlicher Gegner des geheimen Wahl rechts. Wenn die preuß. Regierung die geheime Stimmabgabe nicht in Aussicht gestellt hat, so befindet sie sich in sehr anständiger liheraler Gesellschaft. Das allgemeine Wahlrecht ist in Preußen gar nicht einführbar ohne schwere Konflikte. Die Konser vativen lehnen es ab, auch die Nationalliberalen wollen nichts davon wissen. Als die Einigung des Reiches erfolgte, da find für immer nnd unauf löslich die Schicksale Preußens und des Reiches verbunden worden. In dieser Einheit beruht die Zukunft der Nationen, diese Einheit ist unser höchstes Gut, diese Einheit wird weder durch auswärtige Angriffe noch durch innere Krisen je wieder zerstört werden können. Abg. Wellst ein cZentr.): Eine solche Ver urteilung des deutschen Wahlrechts hätte nicht aus dem Munde des ersten Reichsbeamien und preu ßischen Ministerpräsidenten ertönen sollen. Abg. Emmel (soz.) führt aus, der Reichs- > kanzler habe die Hoffnung auf einige Reformen im preuß'schen Wahlrecht erweckt, eine ernstliche Reform gibt es aver nicht. Das Gehalt des Re-cks'anzlers wird genehmigt. Die vorliegenden Resolutionen werden ange nommen, abaelehnt werden nur zwei Resolutionen der Sozialdemokraten (Wahlrecht und Ausweisung von AnSländernt, sowie diejenige auf Einrichtung von BcamtenausÄüssen und Unterstellung der Be amten unter die Gewerbe nspektion Der Rest des Eta^s wird ohne Debatte be willigt. Es folgt der Etat des Auswärtigen Amts, der nach unwesentlicher Debatte bewilligt wird. Am 27. d. wird namentlich abgestimmt über die von den Polen zum Etat des Reichskanzlers und der Reichskanzlei eingebrachte Resolution wegen Einsetzung einer Enquete-Kommission zur Untersuchung der politischen Verhältnisse in der polnischen Bevölkerung des Deutschen Reiches. Die Resolution wird mit 158 gegen 118 Stimmen bei zwei Enthaltungen angenommen. Es folgt die dritte Lesung des Flottenqe - setzo 8 in Verbindung mit der dritten Lesung des gesamten Etats. Staatssekretär Sydow erklärt in bezug auf eine Petition zum Reichspatentamt, die verbündeten Regierungen hielten eine Gleichstellung der ständigen Mitarbeiter im Patentamt mit den Versichermigs- impektoren nicht für gerechtfertigt. Abg. Speck (Zentr.) beleuchtet das finanzielle Verhältnis zwischen Reich und Einzelstaaten und wendet sich erneut gegen direkte Reichssteuern. Abg. Graf Kanitz (kons.) erklärt sich gleich falls gegen direkte Reichssteuern und fordert ein Ein greifen der Regierung gegen die Preistreibereien der Svndikate. Abg. David (soz.) tritt für direkte Steuern ein und geht dann auf das vreußffche Wahlrecht ein. Graf Posadowsky und Fürst Hohenlohe hätten mit ihren Portiers zusammen in der dritten Klaffe gewählt. Wenn man von der preußischen Schule nnd Kullur svreche. so müsse man schamrot werden. Das Wahlgeheimnis sei durch das Klosetigesetz nicht gefördert. Verlangt werden müsse die Einführung von Wahlurnen, die die geheime Wahl sichern. Abg. Schrader (srl. Vgg.) bespricht die un günstige Finanzlage des Reiches, die die Fertig stellung der Beamtenbeloldnngsvorlage in dieser Session unmöglich gemacht babe. und fordert eine gründliche R Vision des prenß. Wahlrechts. Abg. Bebel (fort führt ans, es sei noch nicht dagewesen, daß ein Etat seine regelmäßigen Aus gaben nicht durch Einnahmen decken könne. Er möchte wissen, in welcher Richtung das Sparen gedacht sei. Wir würden statt zu einer Ersparnis dauernd zu Mehrausgaben kommen. Die Sozial demokratie sei durch die Zustände in der bürger lichen Gesellschaft von Jahr zu Jahr gewachsen, trotzdem alle Machtmittel des Staates, Kirche, Schule, Polizei, Militär gegen das Proletariat an- kämpfen. Werde dem Proletariat nicht das Seinige gegeben, so werde es mit Naturnotwendigkeit zur Revolution gezwungen. Das Proletariat stehe weit höher als das heutige Bürgertum. Im direkten, allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlrecht komme die politische Gleichheit der Staatsbürger zum Ausdruck, deshalb fordere die Sozialdemokratie dieses Wahlrecht, was die süddeutschen Arbeiter schon vor Preußen hätten, Abg. Wagner (kons.): In den Reden der sozialdemokratischen Abgeordneten sind die vielen Punkte, die zugunsten Preußens sprechen, ganz über setzen und nur einige angebliche Schattenseiten aus- gebentet worden. Mögen die Arbeiter sich loS- machen vom Joch der neuen Jakobiner. ES enisvmnt sich noch eins längere Polemik zwischen den sozialdemokratische» Abgg. Bebel und Singer einerseits und dem Reichspostsekreiär Krätke anderseits wegen angeblicher Verletzung des Briesgehesinnisscs. Die Sozialdemokraten können aber den Beweis dafür nicht erbringen, daß Postbeamte sich Verfehlungen haben zuschulden kommen lassen. Damit schließt die Generaldebatie. Das Floitengesetz (Herabsetzung er Lebensdauer der Kriegsschiffes wird ohne Spezialdiskussion an genommen, ebenso der Etat des Reichskanzlers und der Reichskanzlei. Beim Etat des Auswärtigen Amts be antragt Abg. Arendt (freik.) Wiederherstellung deS Kommissionsbeschlusses auf Streichung oes Neubaues eines KonjulatsgebäudeS in Tientsin. Eile liege hier nicht vor, angesichts der Finanzlage könne dies sehr gut zurückoestellt werden. Staatssekretär v. Schön bittet um Genehmi gung. Der Tsiel wird gestrichen. Der Rest dieses Etats wird bewilligt und darauf die Weiterberatung vertagt. K Vie Dame mit äen Kosen. 10 s Kriminalroman von G. Quis. gsortsetzung» „Ich wußte, daß er unschuldig ist, daß er nickt schuldig sein konnte," fuhr Anua fort, „ich vernichte, dich davon zu überzeugen; ich bat, Mitleid mit ihm zu haben. Vergebens. Du ge horchtest einer gebietenden Stimme: der Be amte war unbeugsam, so leid es vielleicht auch dem Vater sein mochte." Herr v. Walmoden seufzte schwer. „Ich brauche dir nicht zu sagen," fuhr Anna fort, „was ich in den drei Monaten, der Untersuchung gelitten, und was ich bei der Verurteilung empfunden habe. Ich lieb« dich gewiß zärtlich, Vater, aber — er ist im Zucht hause! Wenn ich dich jetzt ansehe, so ist mir immer, als hörte ich die vernichtenden Worte deines Blaidoyers in diesem Unglücks-Prozesse; trotz aller Gegenansirengungen sehe ich in dir nur noch den Staatsanwalt, der den Tod meines Geliebten gefordert hat." Herr v. Walmoden verhüllte sein Gesicht und ein krampfhaftes Schluchzen entrang sich seiner Brust. „Du siehst wohl ein, Vater," schloß Anna, „daß ein ferneres Zusammenleben zwischen uns unter diesen Umständen unmöglich ist. Ich werde dich daher verlassen: ich sage nicht etwa, daß es auf immer geschieht, aver — die Zu kunft liegt in Gottes Hand!" „Anna, mein Kind, du willst mich al!o wirklich verlassen?" rief Herr von Walmoden vorwurfsvoll — „verlassen eines Menschen wegen, den die Justiz eines schändlichen Ver brechens halber verurteilen mußte?" „Eines Menschen wegen, der das Opfer eines beklagenswerten Irrtums geworden ist und von dessen Unschuld ich überzeugt bin, wenn auch die ganze Welt ihn für schuldig er klären sollte. Ich werde versuchen, deinen An teil, Vater, an diesem Jrrtume zu sühnen, und ich hoffe, Gott wird mir Kraft dazu geben, denn ich habe Aussicht, die Beweise von Holl manns Unschuld herbeizuschaffen." Herr von Walmoden erkannte, daß seine Tochter sich von' ihrem Entschlusse nicht ab bringen lassen werde, er versuchte daher keinen ferneren Widerspruch. „Wohin aber gedenkst du zu gehen, mein Kind?" fragte er noch. „Vorläufig zu meiner Tante, der Oberin des Kajhannenstifts, der ich meine Ankunft bereits brieflich angezeigt habe. Ob ich dort bleiben werde und wie lange meine Abwesen heit dauern wird, weiß ich selbst noch nicht, nur Gott weiß es. Frage mich nun nichts mehr, vertraue auf deine Tochter, welche die Ehre deines Namens unbefleckt erhalten wird. Bete für mich und segne mich." Anna sank vor ihrem Vater auf die Knie. „Sei gesegnet, mein Kind," sagte Herr von Walmoden, die Hände auf Annas Haupt legend. Dann folgte eine lange, stumme Umarmung zwischen Baier und Tochter und beide verließen das Zimmer. Die Dorsschenke „Zum Kreuzweg", in der Nähe des Städtchens Treilburg an der pol nischen Grenze, verdankte ihren Namen der Lage an der Kreuzung mehrerer Straßen. Einstmals nahm hier ein reiches, von einem be häbigen Wirt verwaltetes Gasthaus die Fremden in seinen bequemen Räumlichkeiten auf. Aber da in der Nähe eine Eisenbahn ge baut worden war, so kamen nur noch wenige Fährleute nach der Schenke. Späterhin brach Feuer in den Wirtschaftsgebäuden aus, und es blieben zuletzt nur vier nackte Wände übrig, ein trauriges Denkmal einstiger Wohlhaben heit. Für einen geringen Preis ging das Grundstück in den Besitz einer alten Frau über, die bei dem Volke der Umgegend all gemein für eine Hexe galt, der man allerlei Künste nachsagte. Ihre Erscheinung hatte auch nichts Ver trauenerweckendes. Sie war weit hergekommen. Man hörte das schon ihrer Mundart an. Ihr Wesen war scheu und unsicher. Es hatte ganz den Anschein, als ob sie in der Ferne aus dem Kreise der Gesellschaft, dem sie angehört hatte, verwiesen worden oder zu en!fliehen gezwungen gewesen war. Kaum war das Grundstück angekauft, so besaß die Alte auch schon die Mittel, um das Wirtshaus wieder e'mzurichten. Ein unheim liches Treiben fand nun statt. Trotz seiner vorteilhaften Lage an der Landstraße wurde die gastliche Schwelle nur selten am Tage überschritten, abends gab es dagegen um so mehr Zuspruch. Verdächtige Leute, die offen bar nicht ohne Grund die Mützen so tief in —»- -!S—— die Stirn gedrückt trugen, daß man ihre Ge sichter nicht erkennen konnte, drängten sich als dann in dem langen, niedrigen Gastzimmer, bildeten Gruppen, in denen ein halblauter Ver kehr stattfand und hatten der Wirtin manches heimliche Wort zuzuraunen. In dem Hau!« mußten sich offenbar große Speicherräume be- sinden, denn jeder Gast brachte bei seinem Be such ein Bündel mit, das aber keiner wieder mit sich nahm. Wurde zufällig ein Wanderer in die dunkle Schenke geführt und nahm er am Herd seinen Platz ein, so waren die Stammgäste wohl auf der Hut, plauderten von Getreidepreisen, dem Wetter und gleichgültigen Dingen. In dieser Beziehung herrschte Gemeingeist unter dem zer lumpten Gesindel, da? hier verkehrte. Eines Abends war wieder einmal eine große Anzahl Gäste dort zusammen. Die leb- hasten Bewegungen und mancher wilde Ausruf, der das Durcheinander der im Flüstern ge führten Unterhaltung unterbrach, zeugten dafür, daß man sich zu keinem gleichgültigen Zwecke versammelt hatte. Dieses unruhige Treiben wurde durch ein Pochen an die Haustür und den Eintritt eines Mannes in das Gastzimmer unterbrochen, der, nach den freundlichen Be grüßungen zu schließen, mit denen man ihn empfing, in dem Kreise der hier verkehrenden Gäste sich eines bedeutenden Ansehens zu er freuen hatte. Seine äußere Erscheinung konnte nichts weniger als angenehm genannt werden. Der kleine, aber kräftige und untersetzte Wuchs ver riet eine erhebliche Körperkraft, doch war der
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