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Allgemeiner Anzeiger : 11.03.1908
- Erscheinungsdatum
- 1908-03-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190803113
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19080311
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19080311
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-03
- Tag 1908-03-11
-
Monat
1908-03
-
Jahr
1908
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 11.03.1908
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PoLMede Armälckau. Deutschland. » KaiserWilhelmist zurRekruten- Vereidigung in Wilhelmshaven eingetroffen und wird von dort nach Helgoland reisen. * Wie aus London berichtet wird, hat Kaiser Wilhelm der berittenen Kav- Polizei 1000 Pfund als Anerkennung für ihre Dienste bei der Vernichtung Morengas zum Geschenk gemacht. *Das Gespräch, das der deutsche Staats sekretär v. Schön und der französische Bot schafter Cambon über die V erst Srku n g e n inMaro! ko geführt haben, nahm nach einer Meldung des.Petit Parisien' einen durchaus angenehmen Verlauf. Die französischen Ent schließungen haben, so heißt es, in Berlin keineswegs befremdet, beiderseits herrsche volles Vertrauen. — Aus Marokko selbst wird be richtet, daß die Stadt Mekinez mit der Be antwortung des Ansuchens Muley Haftds um Leute, Geld und Waffen noch zögert. Sie erwartet, daß Fez mit seinem Beispiel vorangehe. *Nach einer Meldung aus Paris sollen die Regierungen Deutschlands und Eng lands die amtliche Mitteilung Frankreichs über die Entsendung von Verstärkungen nach Marokko zustimmend beantwortet haben. *Die zuständigen Ausschüße des Bundes rats haben die Besoldungsvorlage für die Reichsbeamten beraten. Sobald die Instruktionen für die außerpreußischen Bundesratsbevollmächtigten eingetroffen sind, wird der Bundesrat selbst Stellung zu dem Gesetz nehmen. Es wird beabsichtigt, die Be- foldungsvorlagen für das Reich wie für Preußen und andre Bundesstaaten gleichzeitig den gesetzgebenden Körperschaften vorzulegen, und zwar erst im Herbst, aber mit rückwirkender Kraft bis 1. April d. * Aus London wird gemeldet, daß die Mel dung von der kirchlichen Doppeltrauung des Fürsten von Bulgarien eine völlig irrige sei. Die katholische Trauung sei am 28. Februar in Koburg vollzogen worden, nach dem nicht nur die von der Kirche verlangten Bedingungen erfüllt waren, sondern auch namentlich eine Erklärung sowohl seitens des bevollmächtigten Ministers Stanciow wie auch seitens des Fürsten selber vorlag, daß eine weitere Eheversprechung vor dem Geist lichen der andern Konfession nicht erfolgen werde. Diese Vereinbarung sei auch gehalten worden. Wohl habe im Schlöffe zu Osterstein bei Gera ein evangelischer Gottesdienst statt gefunden. Allein der Fürst habe dabei in keiner Weise das Jawort abgegeben. Diese Darstellung wird von zuständiger Stelle als unwahr bezeichnet. In der reformierten Schloß kirche zu Gera hat die Trauung des Fürsten Ferdinand stattgefunden, bei der das Braut paar vor dem Geistlichen das Jawort abgab. * Die preuß. Regierung hat dem Vernehmen nach noch vor Ablauf der Session des Ab geordnetenhauses eine Vorlage zur Begründung einer Ostmarkenbank dem Landtage zugehen lassen. Die Vorlage soll 100 Millionen Mark fordern. *Jm preuß. Abgeordnetenhause ist ein Antrag eingebracht worden, der dahin geht, statt der Tagesdiäten den Mitgliedern eine Gesamtsumme wie den Reichstagsmitgliedern und Freikarten auf den preuß. Eisenbahnen für die Dauer der Session zu gewähren. *Jn der hessischen Kammer wurde ein gegen das Reichsvereinsgesetz gerichteter Antrag einstimmig angenommen. ivrankreich, *Wie aus Paris gemeldet wird, hat der Finanzminister Caillaux eine Nachtrags-Kredit- . forderung für die kriegerischen Maß nahmen in Marokko eingebracht. Die Forderung beläuft sich auf 15 Millionen, von denen 10 Millionen nachträglich in den Etat von 1907 und 5 Millionen in den Etat von 1908 eingestellt werden sollen. Die Nachirags- kredits sind hauptsächlich zur Wiederherstellung der Kriegsvorräte bestimmt, die aus den alge rischen Reserven entnommen worden waren. O: Oie Oame mit clen Koten. 4jj Kriminalroman von G. QuiS. ÄorNshnng.) »Was bedeutet dieser Besuch zu so unge wöhnlicher Stunde, lieber Neffe?" fragte die alte Dame, „Ist etwa meiner Nichte etwas Besonderes wiedersahren?" „Nein/ entgnete Anton, „ich komme viel mehr, um mir eine Auskunft von dir zu er bitten, die dir vielleicht eigentümlich erscheinen wird, für mich aber von einer Wichtigkeit ist, welche du später begreifen wirst. Willst du mir gefälligst einfach die Frage beantworten, ob sich der Fächer meiner Schwester hier befindet?" „Welcher Fächer?" „Der, welchen Kapitän Honsby ihr zur Ver lobung geschenkt hat. Sie behauptet, ihn heute abend hier gelassen zu haben." Die Dame sah ihn erstaunt an. „Ich habe ja Charlotte seit acht Tagen gar nicht bei mir gesehen!" antwortete Tante Cäcilie. Ein unheimliches Lächeln spielte um Antons Lippen. „Sie war also diesen Abend nicht bei dir?" „Nein — du hörst es ja." „Das, teure Tante, war es ja eben, was ich wissen wollte," sagte er, stand dabei auf und griff nach seinem Hute. Das Erstaunen der Dame stieg mit jeder Sekunde. „Und ich, lieber Neffe, ich verlange eine Erklärung deines Benehmens!" rief Tante Cäcilie. „Die sollst du mit zwei Worten haben. England. * Wie aus London gemeldet wird, soll eine Massenfahrt von Anhängern des Herzogs von Cumberland am dreißiasten Todes to g e des K ö n i g s G e o r g V. von Hanno ver am 12. Juni nach Windsor stattfinden. Man will an der Gruft des Königs Kränze niederlegen. * Im Unterhanse kündigte der Lordkommifsar im Schatzamt«, Pease, im Namen des Land wirtschaftsamtes an, daß die Vorschrift über die Einfuhr von ausländischem Heu und Stroh, die infolge der Einschleppung der Maul- und Klauenseuche durch niederländisches Heu in Aussicht genommen worden war, demnächst in Kraft treten wird. < Italien. *Jn Rom ist das Gerücht verbreitet, daß die Begegnung KaiserWilhelms mit dem König Viktor Emanuel in Venedig etwa am 15. April stattfinden werde. Die Einzel heiten seien bereits festgesetzt. Dagegen ist dem englischen Konsulat in Neapel von einer Lan dung König Eduards— wo er König Viktor Emanuel treffen soll, noch nichts bekannt. König Eduard liebe es, seine Entschließungen erst im letzten Augenblick -er Öffentlichkeit preis- zugeben. Die beiden Begegnungen gelten jedoch als unzweifelhafte, da König Viktor Emanuel eS nie unterläßt, in Italien weilende Herrscher dem Brauch gemäß persönlich zu be grüßen. Belgien. *Jn der Kammer wurde die Kongo vorlage zu weiterer Beratung an einen Ausschuß von 17 Mitgliedern verwiesen. Ruhland. * In einer amtlichen Note erklärt die Regie rung daß die in Europa verbreiteten Gerüchte von kriegerischen Maßnahmen im Kaukasus der Begründung entbehren. Die angeordneten Truppenvorschiebungen zur Verstärkung be festigter Plätze sind nur notwendige Maßnahmen zur rechtzeitigen Aufrechterhaltung der Ruhe angesichts der Zustände in Persien und nicht gegen die Türkei gerichtet. Balkanstaaten. *Die Gerüchte, daß der König von Serbien im Laufe des Monats März dem Zaren einen mehrtägigen Besuch machen werde, wird an maßgebender Stelle in Belgrad als vollkommen grundlos bezeichnet, über Auslandsreisen des Königs sind bisher noch keine endgültigen Entschließungen getroffen worden. * Wie aus Konstantinopel gemeldet wird, hat der Sultan umfassende Maßregeln zur Be kämpfung des Bandenunwesens in Mazedonien angeordnet. Mehrere türkische Regimenter sind mobil gemacht worden, um in Mazedonien endgültig Ordnung und Frieden zu schaffen. Afrika. * Negus Menelik von Abessinien hat die Häuptlinge, die kürzlich an dem An griff auf die It ali en er im Somalilande teilgenommen haben, zu harter Gefängnis- strafe verurteilt. Asien. *Zu dem chinesisch-japanischen Zwischenfall wegen der Beschlagnahme eines japanischen Dampfers durch die chinesischen Behörden wird aus Tokio gemeldet, daß Japan die Vermittelung Englands oder der Ver. Staaten anrufen will. Aus clem Keickstage. Im Reichstage wurde am Donnerstag die zweite Beratung des Etats für das Reichsamt des Innern mit einer Rede des Abg. Bruhn (Refyrmp.) fortgesetzt, der für eine bessere Währung der Haud- werkerinteressen eintrat. Abg. KulerSki (Pole) polemisierte gegen den preuß. Finanzminister von Rheinbaben, der im preuß. Abgeordnetenhaus« besagt hatte, daß die polnischen Arbeiter sich heute m einer viel besseren Lage befänden, als im früheren Königreich Polen. Die Mgg. Maher-Kaufbeuren (Zentr.) üntz Traf Kanitz (kons.) besprachen die Auswüchse des Trust- und Kartellwesens Und ver langten unter Hinweis auf die Mißstände in Deine Nichte, die Verlobte meines Freundes, des wackern Kapitäns Honsbys, hat, so glaube ich, noch einen Liebhaber!" „Meine N'chte — neben ihrem Bräutigam noch — einen —" Die alte Dame wagte es kaum, das für sie so furchtbare Wort auszu sprechen. „Einen Liebhaber? " „Einen Liebhaber," wiederholte Anton. „Du verleumdest Charlotte!" rief Tante Cäcftis. „So möge sie dir selbst erklären, wo sie während der Zeit der Entfernung von ihrer Wohnung bis zum Besuch des Balles bei der Frau Minister sich aufgehalten hat." Mit diesen Worten ging Anton und überließ die alte Dame ihrer Bestürzung. Er eilte nach feiner Wohnung, holte einen andern Fächer und kehrte nach dem Balle zurück, wo er sofort Charlotte wieder aussuchte und ihr den Fächer mit der ironischen Bemerkung Überreichte: „Hier, liebe Schwester, ich habe in der Eile nur diesen finden können!" Charlotte ward noch bleicher als zuvor. Trotz der sorgfältigen Prüfung, der Anton die anwesenden Herren unterwarf, fand er doch nirgends einen Anhalt für begründeten Arg wohn. Er sah Komplimente, Zuvorkommen heiten, Schmeicheleien, aber keinen Zug ver borgener Vertraulichkeit. Nichts andres als eine Kette jener oberflächlichen Aufmerksamkeiten, mit denen jedes schöne Mädchen überhäuft zu wer den pflegt. Die Kennzeichen der Leidenschaft fehlten. „Der Liebhaber ist hier nicht anwesend. Aber wo ist er?" sragte er sich vergebens. Es Amerika ein rechtzeitiges gesetzliches Einschreiten bei uns. Abg. Fuhrmann (nat.-lib.) trat lebhaft für die Förderung der nationalen Arbeiterbewegung ein, während der Abg. v. Dirksen (freikons.) gegen die Sozialdemokratie polemisierte, die am 18. März Wahlrechtsdemonstrationen planten; diesen müsse man entgegsntreten, da die Demonstranten größten teils aus grünen Jungens und Bengels beständen. Am 6. d. wird die zweite Etatsberatung des Reichsamts des Innern fortgesetzt. Bayrischer Staatsrat Ritter v. Burkhard: Der Abg. Fuhrmann hat gestern behauptet, der bayrische Finanzminister habe in der bayrischen Kammer die Notwendigkeit nicht allein neuer in direkter Steuern, sondern auch einer Reichserbschafts steuer, oder, wenn diese nicht durchzubringen sei, einer Reichsvermögensteuer anerkannt. Daraus folgert man, der bayrische Finanzminister sei ein Freund direkter Reichssteuern. Dagegen hat er vor etwa 14 Tagen in dem Finanzausschuß der bayrischen Kammer erklärt, das Reich brauche 250 bis 330 Millionen neuer Steuern. Wenn der Reichstag weitere indirekte Steuern bewilligen sollte, dann würde er sicherlich die Heranziehung des Vermögens in irgendeiner Form fordern, und dann würde auch wahrscheinlich zur Deszendenten- und Ehegattenerbschaftssteuer geschritten werden muffen. Das wäre gegenüber der Einführung der direkten Reichsstsuern das kleinere Übel. Das ist io ziemlich das Gegenteil von dem, was behauptet wurde. Wollen Sie jetzt dem neuen Reichsschatzsekretär Zeit lassen, sein Programm auszuarbeiten und es dann mit dem Bundesrat und dem Reichstag in Übereinstimmung zu bringen. Ich hoffe, daß wir dann einmütig zusammenarbeiten und die Bundes staaten ihre Kulturaufgaben erfüllen können. Abg. Hoch (soz.): Der Staatssekretär hat uns Einseitigkeit vorgeworfen, nur er habe seine Infor mationen von den verschiedenen Seiten. Auch wir tun dies! Die Mißstände in dem Krankenkaffen wesen sind dadurch entstanden, daß die Aufsichts behörden von ihrer Befugnis nicht genügend Ge brauch machen und die Arbeiter von der Selbstver waltung immer mehr ausgeschlossen werden. Die größten Mißstände bestehen in den Betriebskranken kassen, da die Arbeiter in diesen nicht in der Lage sind, ihre Interessen in notwendiger Weise zu ver treten. Schwere Mißstände bestehen auch bei den Berufsgenoffenschaften. Die Rentenempfänger werden von den Berussgenoffenschaften drangsaliert und bekommen ihnen gegenüber selten recht. Redner kommt sodann aus die Seeberufsgenossenschast zu sprechen. Abg. Heckscher habe dort gezeigt, was von der liberalen Arbeiterfürsorge zu halten sei. Eine Reform der Unfall- und Jnvaliditätsversicherung ist im Interesse der Ärmsten erwünscht. Die Arzte müssen auskömmlich und zufriedenstellend bezahlt werden, dann ist auch für die Kranken am besten gesorgt. Die freie Arztwahl würde zu teuer werden, grundsätzlich soll sie aber nicht abgelehnt werden. Geheimrat Hoffa meinte, die Kassenärzte seien gar nicht in der Lage/ ihre Patienten zweckmäßig zu behandeln. Staatssekretär v. Bethmann-Hollweg: Die Klage über zu strenge Festsetzung der In validenrente ist unberechtigt. Abg. Kämpf hat gefragt, Wa8 auf Grund der Resolution Ablaß geschehen sei, die die Einwirkung der Armenunter stützung auf die Wahrnehmung öffentlicher Rechte betraf. Die Resolution beschäftigt mich gegen wärtig. Meine persönliche Ansicht ist die, daß diese Bestimmung nicht mehr in allen Beziehungen mit der gegenwärtigen Entwickelung in Übereinstimmung zu bringen ist. Die Art der Gewährung von Armenunterstützung hat sich im Laufe der Jahrs außerordentlich verändert, es gibt jetzt Krankenhausbehandlung, Heimstättenbehandlung und Gewährung von Schul- und Lernmitteln usw. Der Umfang der Armenfürsorge (hat in erfreulicher Weise zugenommen, deshalb glaube ich, daß man in eine Revision treten muß. dtur bei dauernder Unterstützung sollte das Wahlrecht verlustig gehen. Diese verschiedenen Gesichtspunkte werden geprüft werden, dann geht die Angelegenheit an den Bundesrat zu weiterer Beschlußfassung. Die Re form der VersicherungSgesetzgebung ist die wichtigste Aufgabe meines Amtes. Den Dank des Frhrn. v. Hehl für die Einbringung der Gewerbeordnungs novelle lehne ich für mich ab, er gebührt dem Grafen Posadowsky. Das Ergebnis der Kartell enquete wird als negativ bezeichnet. Im Reichstag haben die Kartelle kein« Vertreter, die Regierung muß daher unbefangen prüfen. Dg« ist doch noch lange keine Parteinahme. Die ReichsberwaltüNg hat schon seit langer Zeit die große wirtschaftliche Bedeutung der Kartelle und ihre ernste Gefahr er kannt. Kenn die Kartelle über das zulässige Maß hingüsgehen sollten, so wird ein Riegel vorge schoben. Eine schematische Regulierung der An gelegenheit ist unmöglich. Abg. Mugdan (srs. Vp.): Herr Hoch hat maßlos übertrieben. Es ist unverständlich, wie man in dem auf Grund des allgemeinen, direkten, fehlte ihm jede positive AnklüpsunH, Keine verdächtigende Erinnerung stieg in ihm auf. Aber die Lüge Charlottes und ihre längere Abwesenheit genügten, um ihm die Über zeugung ihrer Untreue gegen den Kapitän zu gewähren. Als vor dem anbrechenden Tageslicht der Glanz der Lampen und Kerzen zu erbleichen begann, verschwanden Tänzer und Tänzerinnen und nahmen ihr Lächeln, ihre Anmut, ihre Liebe und Träume mit sich. Anton warf den Mantel über die Schultern seiner Schwester und führte sie zum Wagen. Dort nahm er ihr gegenüber Platz, und wäh rend der Fahrt wurde zwischen beiden kein Wort gewechselt. Charlotte wartete darauf, daß Anton eine Unterhaltung anknüpfen würde, es geschah nicht, er sagte ihr adieu und zog sich auf sein Zimmer zurück. Charlotte hatte ihre Kräfte gesammelt, um dem Sturme Trotz zu bieten. Sie hätte lieber sofort das drohende Gewitter sich entladen sehen, als die ängstliche Unbestimmtheit ertragen, in der sie sich jetzt befand. Sie fühlte sich ver sucht, mitten in der Nacht zu entfliehen, sich in Karls Arme zu stürzen, noch ehe dieser ihren Briel durch Schwinger erhalten. Sobald sie zur Flucht entschlossen war, dachte sie nicht weiter über ihres Bruders Benehmen nach, weder über seinen Argwohn, noch über den Besuch, den er offenbar bei Tante Cäc'lie ge macht hatte. Die Vorbereitungen zur Abreise waren nach ihrer Meinung sehr schnell zu treffen. Sie beschloß, ihren Plan noch an geheimen Wahlrechts gewählten Reichstage von der Rechtlosigkeit der Arbeiter sprechen kann. Hätte eS von der Sozialdemokratie abgehangen, so wäre noch nichts ' geschehen. Bezüglich des Kastenwesens in Berlin liegt es so, daß nur mit sieben Ärzten Verträge abgeschloffen werden, diese sind also zu den 400 bis 500 sonstigen Ärzten gewissermaßen Zwischenmeister. Die Arzte sind von den Kranken kassen abhängig. Hält die Kaffe einen nach Urteil des Arztes Erwerbsunfähigen nicht für erwerbs fähig, so wird ein andrer Arzt befragt, der schließ lich aus Existenzrücksichten den Mann gesund schreibt, und das nennt man dann Sparsamkeit. Wider spricht der Arzt der Krankenkaffe, so läuft er Gefahr, ausgeschlossen zu werden. Wir ffnd für die freie Arztwahl, weil wer bei dem System der fixierten Kassenärzte eine sachgemäße Behandlung der Patienten für unmöglich halten. Abg. Schack (wirtsch. Vgg.) regt an, eine ständige Kommission für Sozialpolitik einzusetzen, die Vorarbeiten zur PensionSvsrsicherung der Privatangestellten sollten beschleunigt werden. Die Altersgrenze bei der Altersversicherung muß herab gesetzt werden. Das Kaufmannsgerichtswesen wird in Bayern und Sachsen sehr gefördert, für Preußen ist noch manches zu wünschen, insbesondere in den Jndustriebezirken. Bet diesen Wahlen hat das Vroportionalwahlsystem sich vorzüglich bewährt, des halb verlangen wir in unsrer. Resolution dieses Wahlsystem sür alle Wahlen von Vertretern der Arbeitgeber und Arbeiter auf Grund der Arbeiter- versicherungS- und der Arbciterrechtsgesetze. Der Resolution v. Brockhauscn auf Unterstrafestellung des Schmiergeldergebens stimmen wir nicht zu. Abg. Neuner (nat -lib.) begründet eine Reso lution betreffend die Unfallsürsorge bei Arbeiten, welche freiwillig zur Rettung von Personen und zur Bergung von Gegenständen vorgenommen wer den, unter besonderer Berücksichtigung der bei solcher Tätigkeit vorkommenden Feuer-, Wasser- und andrer Gefahren. Darauf tritt Vertagung ein. Nächste Sitzung Dienstag. Von unä fern. Brand de» Meininger HostheaterS. Das Meininger Hoftheater, ein Kunstinstitnt, das, wie allbekannt, unter der Leitung des Herzogs Georg in der deutschen Theatergeschichte stets eine hervorragende Stellung eingenommen hat, ist am Donnerstag ein Raub der Flammen geworden. Trotz fieberhafter Tätigkeit der Feuer wehr, des Militärs und der Bürgerschaft war dem Feuer, das mit elementarer Gewalt tobte, kein Einhalt zu tun. Nach Beendigung der Probe mittags 1V< Uhr war noch nichts zu bemerken, um 2V- Uhr brannte bereits der ganze Bühnen raum. Die Ursache des Feuers ist noch unbekannt, doch vermutet man, daß es in dem Kellergeschoß, wo sich die Heizanlagen befinden, entstanden ist, weil auch die dort lagernden Kohlen von Anfang an brannten. Von den wertvollen Theater requisiten, der Garderobe und den Ausstattungs» gegenständen ist ein großer Teil von dem alarmierten Militär zwar gerettet, doch dürfte alles sehr gelitten haben. Die wertvolle Bibliothek ist zum größten Teil verbrannt. Unglücksfälle sind nicht gemeldet worden. Das Meininger Hoftheater, das nun ein Raub der Flammen geworden ist, wurde von dem Vater des jetzigen Herzogs, dem Herzog Bernhard von Sachsen-Meiningen, erbaut und am 17. De zember 1831 eröffnet. Damals konnte noch" niemand ahnen, zu welchem Weltruf sich dieses kleine, nur 750 Menschen fastende Theater einer unbedeutenden Residenzstadt herauswachsen würde. Wenn auch schon sein Begründer der dramatischen Kunst ein großes Interesse ent gegenbrachte, zu der epochemachenden Kunst- stätte machte es erst Herzog Georg, der schon als Erbprinz ein wahrhaft künstlerisches Ver ständnis für die Darstellungskunst an den. Tag legte. Selhfigsstellung ves Defraudanten Hoh«. Der in der Affäre des noch immer flüchtigen „Bankiers" Siegmund Friedberg viel genannte Kaufmann Kiedrich Bohn, der von dem Untersuchungsrichter des Landgerichts! Berlin wegen Beihilfe zum betrügerischen Bankrott seit etwa vier Wochen steckbrieflich verfolgt wurde, hat sich her Behörde selbst gestellt. Nach kurzer Vernehmung auf dem Polizeipräsidium wurde er in einer Droschke nach dem Moabiter Unter suchungsgefängnis gebracht. demselben Morgen zur Ausführung zu bringen. Ihr Bruder konnte ja doch bis jetzt nur Mißtrauen hegen, einen Beweis konnte er un möglich haben. Sie beschäftigte sich am Morgen in ihren G «danken viel mit ihrer Flucht und begab sich dann in das Früh stückszimmer. Anton war bereits anwesend. Der SMetisch war mit einem Kuvert über die gewöhnliche Zahl belegt. „Du hast heute noch ein Kuvert mehr," be merkte sie. „Erwartest du jemand?" „Ja, Tante Cäcilie, meine Liebe." In diesem Augenblick öffnete das alte Fräulein die Tür. Charlotte las in ihren Augen Bekümmernis und Verachtung. Sie fühtte, daß der Kampf schwieriger zu bestehen sein würde, als sie geahnt hatte. Plötzlich klingelte es heftig. Der Rechts anwalt Schwinger stürzte ins Zimmer und warf einen Blick voll Entsetzen, und Ver zweiflung auf die junge Dame. „Was ist denn geschehen, mein Freund?" rief Anton, erschreckt sich erhebend. „Erschrecken Sie nicht, meine Herrschaften!" begann Schwinger. „Ein Herr unfrer gemein samen Bekanntschaft hat gestern gegen Mitter nacht ein gewaltsames Ende gefunden. Herr Kommerzienrat Hollmann ist in seinem eigenen Hauie ermordet und beraubt worden." Charlotte zuckte zusammen und wurde toten bleich, was ihrem Bruder kaum entging; aber auch die andern Hörer waren sichtlich auf daS äußerste betroffen und fragten nach den näheren Umständen und ob man den Mörder schon ge faßt hätte.
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