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Allgemeiner Anzeiger : 05.12.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-12-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190612053
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19061205
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- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1906
-
Monat
1906-12
- Tag 1906-12-05
-
Monat
1906-12
-
Jahr
1906
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 05.12.1906
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politische kunälchau. Deutschland. * Der Kaiser wird am 13. Dezember auf der Rückfahrt von Bückeburg, wo der Monarch als Gast des Fürsten Georg zu Schaumburg-Lippe an der Hofjagd teil nimmt, in Hannover einen kurzen Aufent halt nehmen. * Im Bundesrat wurden die Vorlagen über einen Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes betr. Abwehr und Unterdrückung von Viehseuchen und über die Feststellung des Haushaltsetats für die Schutzgebiete auf das Rechnungsjahr 1907 den zuständigen Ausschüssen überwiesen. * In der Zweiten hessischen Kammer wurde eineBotschaft des G ro ßh erzo g s verlesen, in der derGroßherzog die am8.November erfolgte Geburt des Erbgroßherzogs mitteilt. Darauf beschloß die Kammer auf Vorschlag des Präsidenten, dem Großherzog eine Glück wunschadresse zu übersenden. Der sozial demokratische Abgeordnete Dr. David er klärte, daß die sozialdemokratische Partei unter Vorbehalt ihres grundsätzlichen Standpunktes sich der Glückwunschadresse an schließen wolle. * In Posen fand mit größter Feierlichkeit die Beisetzung des Erzbischofs Dr. v. Stablewski statt, an der außer der ge samten Geistlichkeit der Diözöse auch viele gali zische Geistliche, darunter der Bischof von Krakau teilnahmen. Die Trauerrede hielt Dompropst Michelski. * Die Hamburger ReedereiWörmann hat infolge Lösung ihres mit dem Reiche ab geschlossenen Monopolvertrages den nach Deuts.ch-Südwestafrika exportierenden Firmen Frachtermäßigungen zu gestanden. *Die Direktion des Hamburger Schlachthauses wurde von der Regierung benachrichtigt, sich an zuständiger Stelle zu unterrichten, welche Einrichtungen getroffen wer den müßten, falls die Reichsregierung sich entschließen würde, amerikanisches lebendes Vieh zur Einfuhr zuzulassen. Wie verlautet, hängt diese Anordnung mit einer geheimen Sitzung des Hamburger Senats zu sammen, über die strengstes Stillschweigen ge wahrt wird. Österreich-Ungarn. *Jn dem weiteren Verlauf der Verhand lungen über die Wahlreform betr. die Wahlkreiseinteilung für Böhmen, Mähren und Schlesien erklärte Ministerpräsident Frhr. v. Beck im österreichischen Abgeordneten hause, daß die Regierung unbedingt an dem vom Ausschuß beschlossenen Übereinkommen 'festhalten werde. Von allen Beschlüssen in der Wahlreform erreiche keiner annähernd die Be deutung dieser Abmachung, die gewissermaßen die Grundlage des ganzen Aufbaues sei und dessen Last trage. Wer hieran rühre, rühre an der Wahlreform selbst, rühre an dem Schicksal des Reiches, dessen Los aufs engste mit dem Gesetz verknüpft sei. * Handelsminister Kossuth forderte im ungarischen Abgeordnetenhause die Be reitstellung gesonderter Mittel zur Förderung der Industrie und zum weiteren Ausbau der Wasserstraßen, damit Frachten über Fiume Galaz erreichen können, jenen Hafen, durch welchen Ungarn, ohne einen fremden Landweg berühren zu müssen, am Welt verkehr teilnimmt. Der Minister kündigt weiter ein Gesetz wegen unlauteren Wettbewerbs gegen solche ausländischen Waren, die sich ungarischer Wzeichen bedienen, sowie ein Streik- gesetz an. Frankreich. * Eine Verkürzungder Dauer mili tärischer Übungen hat der Kriegs minister Piguart in der Sitzung des Ministerrats angekündigt und gerechtfertigt. Es handelt sich um die Verkürzung der ersten Übung der Reservisten auf 3 Wochen, die der zweiten auf 2 Wochen und der Übung der Territorialtruppen auf eine Woche. * Die Regierungsgegner machten dem Ministerium in derKammer schwere Vorwürfe, daß man sich in der Unternehmung gegen Marokko habe durch den Minister wechsel überraschen lassen und viel zu unent schlossen gewesen sei. Die Regierung verharrte aber auf ihrem Standpunkt, keine Maßregeln ergreifen zu wollen, ehe nicht die Verhand lungen mit Spanien beendet sind. England. * Im Unterhause erklärte der Staats sekretär auf eine Anfrage wegen eines auf einen Engländer in Tanger verübten Angriffs: Es scheint nicht nötig gewesen zu sein, daß fremde Truppen landeten. Wir hören, daß Frankreich und Spanien bereit sind, im Bedarfsfälle, so lange die reguläre Polizei noch nicht errichtet ist, alle etwa erforderlich werdenden vorläufigen Maßnahmen zum Schutze der Aus länder zu ergreifen. Italien. *Der Finanzminister erließ eine Kundgebung, die besagt, daß in den wichtigsten Zollstationen alles regelrecht zugeht, daß die Beamten ihren Dienst wieder regelmäßig ver sehen und daß somit der Streik der Zoll beamtenschaft beendet sei. Belgien. *über die künftigen Geschicke des Kongo staates, jenes durch internationales Über einkommen auf der Berliner Kongokonferenz 1885 gegründeten afrikanischen Staatsgebildes, dessen Souverän der König der Belgier, Leopold II., ist, werden zurzeit entscheidende Verhandlungen in der Kamm er geführt. Die Mehrheit im Parlament sprach sich zwar für die Übernahme des Kongostaates durch die belgische Regierung aus, doch verlangte sie zunächst einen Nachweis über Schulden, Recht und Besitz des Kongostaates. Holland. *Jn den Verhandlungen der zweiten Kammer kam beim Etat des Auswärtigen Amtes abermals die künftige zweite Frie denskonferenz zur Sprache. Dabei er klärte der Minister des Auswärtigen, daß er der Meinung derjenigen beipflichte, die, trotzdem sie für Einschränkung der Rüstungen sind, be fürchten, daß, wenn diese Frage in den Vorder grund gestellt wird, dadurch dem Erfolg der andern Verhandlungen auf der Konferenz Abbruch geschehen könne, die sonst zu wichtigen Ergebnissen führen könnten. Spanien. *Mit der Neubildung des Mini steriums ist Moret beauftragt worden, der schon vom Dezember 1905 bis Juni 1906 das Kabinett leitete. Der Sturz des alten Mini steriums war ohne Zweifel die Folge der inneren Politik und insbesondere die Haltung des Mini steriums in der M ar o k k o fr a g e. Rustland. *Der Zar genehmigte die Entscheidung des Ministerrats über die tägliche Arbeits dauer der in Industriebetrieben beschäftigten Handwerker. , Die Arbeitsdauer ist auf zwölf Stunden festgesetzt, einschließlich einer zwei stündigen Essenspause. Das Gesetz soll sechs Wochen nach seiner Verkündigung in Kraft treten. Balkanstaaten. *DierumänischenKammern wurden wegen der Erkrankung des König durch den Ministerpräsidenten eröffnet. Die Thronrede enthielt gegen die allgemeine Er wartung nichts über die Gewährung der poli tischen Rechte an die Bevölkerung der 1878 er worbenen Provinz Dobrudschy. Wichtige R e - formen werden auf finanziellem Ge biete angekündigt. Der Heeresetat wird erhöht. Amerika. * Im Budgetausschuß des Re präsentantenhauses der Ver. Staaten erklärte Staatssekretär Root, die Regierung werde alles tun, um dem Handel der Ver. Staaten Ausdehnung zu verschaffen. Root wies besonders auf die Kommission hin, die sich gegenwärtig in Deutschland befindet; solche Kommissionen würden, wie er glaube, viel zur Förderung des auswärtigen Handels bei tragen. Asten. " Die frühere russischeTelegraphen- linie durch die Mandschurei ist, soweit sie nach der Besetzung Niutschwangs in den Händen der Japaner war, an die chinesische Re gierung zurückgegeben worden, so daß also die mandschurischen Telegraphenlinien, die ihren Ausgangspunkt in Tientsin haben, sämtlich im Besitz Chinas sind. Alle andern Linien sind in den Händen der Japaner. Aus clem Keicksrage. Der Reichstag setzte am Donnerstag die erste Beratung der beiden Nachtragsetats für Südwest afrika fort. Abg. Semler (nat.-lib.) erklärte, seine Parteifreunde würden dem neuen Kolonialdirektor gern Vertrauen entgegenbringen, müßten sich aber natürlich Vorbehalten, an seinen Maßnahmen Kritik zu üben. Redner kritisierte sodann die Dern- burgschen Denkschriften und setzte die Notwendigkeit auseinander, im Schutzgebiet nicht von Fall zu Fall, sondern planmäßig Eisenbahnen zu bauen. Abg. v. Richthofen (kons.) dankte dem Reichskanzler da für, daß er die Beamten so warm in Schutz ge nommen habe. Die Leitsätze des neuen Kolonial direktors fänden die Billigung seiner Partei. Kolonialdirektor Dernburg verteidigte seine beiden 'Denkschriften gegen den Vorwurf der Willkürlichkeit und Unlogik; sie sollen nur Bausteine zu einem Programm sein. Wir müßten zu einer gewissen administrativen Unabhängigkeit der Kolonien kommen. Abg. Kopsch (frs. Vp.) kritisierte ebenfalls die Denk schriften und empfahl in der Kolonialpolitik Be schränkung auf die wirtschaftlich wertvollen Gebiete und Bemessung der Ausgaben nach den kauf männischen Grundsätzen der Rentabilität. Abg. Arendt (freik.) stimmte den Kolnialforderungen zu und freut sich, daß ein frischer Hauch in die Kolonial verwaltung eingezogen sei anstelle des bisherigen Marasmus. Am 30. v. wird die erste Lesung derNachtrags - etats für Deutsch-Südwcstafrika fort gesetzt. Abg. Lattmann (wirtsch. Vgg.): Nachdem die Monopolverträge gekündigt sind, wollen wir einen Strich durch die Vergangenheit machen. Wir sollten von England eine Entschädigung fordern für die vielen Nachteile, die uns durch Lieferung von Waffen an die Aufständigen vonseiten der Eng länder zugefügt worden sind. Die deutsche Kolonial gesellschaft in Südwestafrika hat im letzten Jahre 35 Prozent Dividende verteilt. Da sollte man sie doch stärker zu den Kriegskosten heranziehen. Die Denkschrift enthält leider bedenkliche Rechenfehler; die Einzelposten der Tabellen sind falsch zusammen gezählt. Damit gibt man den gehässigen Feinden der Kolonialpolitik Waffen in die Hand, während doch die begeisterte Zustimmung des Volkes die erste Vorbedingung einer kraftvollen Kolonialpolitik ist. Abg. Schrader streif. Vgg.): Die Plan- und Systemlosigkeit der bisherigen Kolonialpolitik hat viele an sich den Kolonien freundlich gesinnte Kreise kopfscheu gemacht. Bringt Herr Dernburg wirklich kaufmännische Prinzipien verständig in Anwendung, so werden wir ihn mit Freuden unterstützen. Eisenbahnen kann man und darf man nur nach dem Bedarf und der wirtschaftlichen Ent wickelung der Kolonien beurteilen und bauen. Die vorliegende Forderung wurde im vergangenen Früh jahr vom Reichstage mit großer Mehrheit abgelehnt. Es steht jedoch nichts einer erneuten Prüfung im Wege. Wir sind bereit, den neuen Kolonialdirektor nach Möglichkeit zu unterstützen. Abg. Erzberger (Zentr.): Eineunglücklichere Rede hat der Reichskanzler noch nie gehalten als am Donnerstag. Seine Rede gipfelte in der Be handlung des Falles Pöplau und in einer General anschuldigung gegenüber der Presse. Bei der immer hin bedeutungsvollen Debatte hat der erste Beamte des Reiches, Reichskanzler und Fürst, nichts besseres zu tun, als einen seines Amtes entlassenen Unter beamten. anzuschwärzen und in einer unange messenen Verallgemeinerung die Presse anzugreifen. Eine aufrichtige Kritik ist besser als eine Lob hudelei, Wie sie vom Abg. Semler beliebt wurde. Daß der neue Herr Kolonialdirektor mit einem neuen Beamtenstab hier erschienen ist, dazu beglückwünsche ich ihn. Ich freue mich, daß endlich eine intelligente Kraft an der Spitze der Kolonialabteilung steht. Dabei verteile ich keine Vorschußlorbeeren, denn die bis herige Tätigkeit, Kündigung der verschiedenen Ver träge usw., ist derart, daß, wenn alle Monate eine solche Tat folgt, dann hat der Reichstag und das Volk allen Anlaß, ihm dankbar zu sein. Die Not wendigkeit des Kolonialrats möchte ich doch be zweifeln. Die Bilanz der Denkschrift ist nicht genau genug; unter der Rubrik des Privatkapitals stehen Positionen, die nicht dorthin gehören, auch fehlt die Rubrik für „fressende Anlagen", dazu gehört der Hasen von Swakopwund. Der Übernahme der militärischen Kosten für die Schutzgebiete auf den ReichshaushaltSetat setzt meine Partei den aller größten Widerstand entgegen. Eine jährliche genaue statistische Übersicht über die Zuschüsse zu, den Kolonien ist nötig, um die elende Pumpwirtschaft zu beseitigen. Der Reichstag hat sich entschieden dagegen zu verwahren, daß seit zehn Jahren keine Rechnungslegung aus den Kolonien mehr erstattet ist. Wir freuen uns über die Lösung des Vertrages mit der Firma Tippelskirch, möchten aber gern noch etwas über die näheren Um stände der Lösung wissen. Wir sind näm- iich ein wenig mißtrauisch geworden. Wir freuen uns ferner darüber, daß man in Zu kunft Hufeisen und Pferdedecken nicht mehr in der Oranien-Apotheke kaufen will. Sie sind nämlich anderswo billiger zu beziehen. Bei Transport verträgen wird man in Zukunft hoffentlich auch mehr auf den Vorteil des Reiches als auf den der Linien sehen. Die Wörmannlinic soll der Re gierung noch über die horrenden Kontraktsummen hinaus ganz erhebliche Beträge zu viel angerechnet haben. Ebenso soll man den Landgesellschaften ganz anders als bisher auf die Finger achten. Ist es nicht geradezn ein Hohn auf die ganze Kolonial politik, daß die Kolonialgesellschast für Südwest afrika, die in 20 Friedensjahren keinen Pfennig Überschuß abwarf, in dem Kriegsjahre 1905 20 vom Hundert Dividende verteilte! Mit dem jetzigen Nachtragsetat sind wir ja keineswegs am Ende des Liedes angelangt. Ich habe ausgerechnet, daß uns bis 1907 schon jetzt 180 Millionen weiterer Aus gaben bekannt sind. Von diesen sind 50 Millionen zur Deckung früherer Überschreitungen erforderlich. Der Entscheidung über den Bahnbau muß die Ent scheidung vorangehen, ob wir die Truppen in der heutigen Zahl in Südwestafrika lassen wollen. Wird auch nur eiu Teil der Truppen zurückgezogen, so brauchen wir die Bahn für Proviant nicht mehr, und die Rechnung des Herrn Dernburg wird hin fällig. Vom christlich-menschlichen Standpunkte aus verwerfen wir alle Maßregeln, die sich gegen die Existenz der Eingeborenen richten. Reichsschatzsekretär Frh. b. Stengel gibt zu, daß erhebliche Etatsüberschrcitungen bei dem Etat .des Expeditionskorps vorgckommen sind. Zu ihrer Deckung wird ein hesonderes Kreditgesetz eingebracht werden. Kolonialdircktor Dernburg: Ich danke dem Abg. Erzberger dafür, daß er mich durch Zusendung von Material unterstützt hat, nachdem ich ihn darum gebeten habe. Ich habe die gleiche Anfrage auch an andre Mitglieder dieses Hauses gerichtet, und infolgedessen, ist auf der äußersten Linken mit einem Briefe von mir hausiert worden. Ich soll mich an Reichstagsabgeordnete gewandt haben, um sic abzu- haltcn, hier bestimmte Sachen vorzubringen. Wenn Herr Ledebour, an den ich mich gewandt habe, mir keine Sachen gegeben hat, so liegt das entweder daran, daß er keine hat, oder, baß er der Regierung keinen Gefallen tun will. Auch ein andres Mit glied des Hauses hat sich leider meinem Ersuchen unter einem Vorwand entzogen. Redner verteidigt die Einsetzung der Crmittelungskammer gegen die gestrige Bemängelung seitens des Abg. v. Richt hofen und verteidigt die Bahnvorlage gegen Einwendungen des Abg. Erzberger. Die Bahn Wird gewiß nicht im Interesse der Landgesell schaften gebaut. Die Garantie des Reiches be schränkt sich auf 550 000 Mk. auf 10 Jahre. Da die Firma Lenz das Risiko übernimmt, fällt die Frage der Rentabilität für den Reichstag weg, und ich brauche auf meine Rentabilitätsberechnung keinen Wechsel zu ziehen. Nun zu den Monopolverträgen. Eine Vergütung des Reiches für die vorzeitige Lösung des Vertrages mit Tippelskirch findet nicht statt. Die Bestellungen werden auf 882 000 Mk. reduziert. Das angeschaffte Material wird zum Selbstkostenpreis übernommen. Für einen aufzu lösenden Mietsvertrag werden vorbehaltlich der Ge nehmigung des Reichstages 32 000 Mk. vergütet. Bei dem Vertrag hatte sich in der Tat der Neichs- fiskus versehen. Die Schuld trifft nicht einzelne Personen, sondern das System, welches weder ge nügendes Zutrauen zu den Kolonien noch genügende Einsicht in die zu ergreifenden Mittel hatte. Hierauf wird ein Vertagungsantrag angenommen. Es folgen persönliche Bemerkungen der Abgg. Ledebour (soz.) und Ablaß (frs. Vp.), die gegen die Bemerkung des Kolonialdirektors, daß sie die Herausgabe ihres Materials unter nichtigen Vorwänden verweigert hätten, entschieden Verwah rung einlegen. unä fern. ISONtt Mt. unterschlagen. In Alsenz in der Pfalz unterschlug der Holzhändler Kopp als Vorstand des Sterbekassenvereins 19 000 Mark und entfloh ins Ausland. K Ver Meg sum Versen. 5^ Novelle von F. Stöckert. »Fortsetzung.) „Welch schöne, seltene Blumen/ sagte die Kranke bewundernd, „aber ich möchte sie nicht behalten, sie sind Ihnen geschenkt worden." „O, ich bekomme täglich frische," erwiderte Melitta, „und wenn es Ihnen Freude macht, so komme ich schon einmal wieder und bringe Ihnen von meinem Überfluß." Sie hatte sich bei diesen Worten auf einen Stuhl an dem Bette niedergelassen und schaute jetzt mit einem schelmischen Blick zu Bergen auf. Sie war durchaus nicht überrascht, ihn hier zu finden, sie hatte es sogar ganz genau gewußt, als sie mit lobenswerter Ausdauer die vielen dunklen Treppenstufen emporgeklommen. Hermine Wellner, die seit den Donnerstag-Wenden im Bendeloschen Hause ein stilles tiefes Interesse für den jungen Doktor gefaßt und ihn, wo sie nur immer konnte, mit Argusaugen beobachtete und seine Wege verfolgte, hatte ihr vor einer halben Stunde die interessante Mitteilung ge macht, daß Bergen zu dieser Stunde fast stets an dem Lager der armen, kranken Näherin Helene Bauer zu finden sei, sie begegne ihm all abendlich, wenn sie ihre Promenade dort in der Vorstadt mache. Melitta hatte über den sonderbaren Geschmack, durch diese finstere Vorstadt zu promenieren, ihre Verwunderung ausgesprochen. Dann war ein übermütiger Gedanke durch ihr Gehirn geflogen; sie hatte sich eilig von ihrer redseligen Dame verabschiedet, war in eine Droschke gestiegen und hatte sich nach der Vorstadt vor das von Hermine Wellner ziemlich genau beschriebene Haus fahren lassen. Und nun stand sie an dem Lager der Kranken mit all ihrem Übermut, all ihrer Schönheit und begann zu plaudern, zu er zählen, daß sie heute ihre Generalprobe gehabt und morgen die große Vorstellung in der Reit bahn stattfinden solle. Und wie sie sich kindisch darauf freue. Wer der Herr Doktor Bergen müsse auch kommen, sonst werde sie bitterböse. Wie das so eigen klang in dem Raum, worin soeben Helenes schwermütige Worte verhallt waren. Bergen blickte wie traumverloren auf das junge Mädchen, während Helenes Blicke unruhig von einem zum andern flogen. Plötzlich sank ihr Kopf wie todesmatt in die weißen Kiffen zurück, die Blumen fielen aus der Hand, welche sie auf das heftig klopfende Herz preßte. „Nicht wahr, Sie kommen und bewundern mich in meinem entzückenden Kostüm," hatte Melitta eben bittend zu Bergen gesagt; da fiel sein Blick auf die Kranke, erschreckt sah er die plötzliche Veränderung iu ihren Zügen und da hin schwand aller Zauber, den Melittas holde Nähe momentan auf ihn ausgeübt. Sehr finster wandte er sich zu ihr: „Fräulein Bendelo, sehen Sie es denn nicht, wie Sie die Kranke angreifen?" sagte er heftig. „Welch' eine sonderbare Idee von Ihnen, hier herauf zu kommen, Sie taugen nicht für ein Krankenzimmer. Ihre glänzende Erscheinung wirft ein zu grelles Licht hinein. Ich will Sie, da Sie es wünschen, sehr gern als Amazone be wundern, aber von meiner Kranken da muß ich Sie sehr bitten, fern zu bleiben." Melitta wurde dunkelrot bei dieser Zurecht weisung. „Ich soll also gehen? Sie weisen mir die Tür?" sagte sie mit bebender Stimme. Sie reichte der Kranken die kleine zitternde Hand zum Abschied und wollte dann tief gekränkt zur Tür hinausrauschen. Bergen jedoch vertrat ihr den Weg. „Erlauben Sie, daß ich Sie die Treppe hin untergeleite," sagte er artig. „Nein, nein, ich danke," erwiderte Melitta, „bleiben Sie nur hier und beruhigen Sie die Kranke. Ich sehe es ja ein, ich tauge nicht hierher, es war eine sonderbare Idee, Sie haben recht." Zornige Tränen standen in den blauen Augen, als sie dieselben noch einmal zu dem strengen jungen Doktor aufschlug; dann flog sie pfeilschnell zur Tür hinaus' und die Treppe herunter. Bergen trat wieder an das Lager Helenes. „Warum waren Sie so hart zu ihr ?" sagte diese mit matter Stimme. „Es war meine Pflicht als Arzt," erwiderte Bergen finster, „solche junge Weltdamen sind geradezu gefährlich an Krankenbetten." Er setzte sich, ein beruhigendes Mittel für die Kranke zu verschreiben, dann ging er und Helene blieb allein; Anna, ihre treue Pflegerin, hatte schon, ehe Melitta erschienen, Ris Zimmer verlaffen. Helene öffnete jetzt, als alles toten still um sie herum war, ein kleines verborgenes Fach in der Wand, einige welke Blumen lagen darin, eine blonde Haarlocke ihrer früh ver storbenen Mutter, die Trauringe ihrer Eltern und Helenes Tagebuch. Das Buch nahm sie heraus, einige Worte hineinzuschreiben. „Sie war hier," schrieb sie. „Sie, die reiche, schöne Glückliche, die von ihm geliebt wird. Warum gab ihr das Schicksal alles, was daS Leben verschönt, und mir nichts? Ach, es ist nicht die Krankheit allein, die meine Lebenskraft zerstört, ich weiß es jetzt. — Jede Blume, die im Dunkeln wächst, auf die nicht ein einziger Sonnenstrahl fällt, muß sterben, vergehen, ohne nur einen Blütetag gehabt zu haben. — Es ist immer gut, wenn der Blick einer Sterbenden es ahnend sieht, wie schön das Leben sein kann. O, nur einen Tag, nur einen einzigen des vollen reichen Lebens! — ehe der kalte, dunkle Tod kommt." Heiße Tränen strömten aus ihren Augen, als sie die letzten Worte geschrieben. Es waren unsäglich bittere Tränen, wie sie nur die Ein samen, ganz Verlassenen weinen. Es war am Abend des andern Tages. Bergen stand zum Ausgehen gerüstet in dem traulichen Wohnzimmer daheim. In dem alten mit Leder überzogenen Lehnstuhl am Ofen saß die Frau Professor Bergen, auf dem klugen, feinen Antlitz der alten Dame lag em besorgter Ausdruck. „Vielleicht wäre es doch besser, du gingst nicht," sagte sie jetzt zu ihrem Sohn, dessen hohe Gestalt neben chr am Ofen lehnte. „Dw Mädchen können ganz gut allein gehen, sie finde" Bekannte. Sie soll doch gar zu schön und pe
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