Suche löschen...
Allgemeiner Anzeiger : 07.04.1909
- Erscheinungsdatum
- 1909-04-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190904079
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19090407
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19090407
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1909
-
Monat
1909-04
- Tag 1909-04-07
-
Monat
1909-04
-
Jahr
1909
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 07.04.1909
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
TeppLlms Fernfahrt nack Müncken. Graf Zeppelin hat am 1. d. seine seit längerer Zeit angekündigte Fernfahrt von Friedrichshafen nach München gemacht. Die Strecke beträgt in der Luftlinie 180 Kilometer. Kurz nach 4 Uhr morgens war am Bodensee die Fahrt begonnen worden und nach fünfstündiger Fahrt war Müncken erreicht. Kurz vor 9 Uhr be gannen alle Glocken Münchens zu läuten, Geschützdonner wurde hörbar. Fünf Minuten vor 9 Uhr hörte man das dröhnende Surren der Motoren und majestätisch kam das Reichs luftschiff etwa hundert Meter hoch über die Ausstellungshalle. Hier wandte es sich unter den Klangen einer Musikkapelle im Bogen zuerst nach Süden und stand dann nach 9 Uhr über den Häuptern der Menge, die in ein ungeheures Jubelgeschrei ausbrach. Das Luftschiff neigte sich, dis Spitze nach abwärts gerichtet, dreimal vor dem Regenten, um dann unter erneutem Jubel der Zuschauer plötzlich pfeilgeschwind etwa 100 Meter emvorzufteigen. Dann flog das Luftschiff nach Nordwesten zurück, zog nach dem Exerzierplatz Oberwiesenfeld, landete aber nicht, sondern ging dann nordwestlich nach dem Erdinger Moos weiter. Die Menge stand Kopf an Kopf. Der kleine Prinz Luitpold, Bayerns künftiger König, kam mit seinem Erzieher zu seinem Urgroßvater, dem Prinz- Regenten, nach der Bavaria, um den „Zeppelin 1" zu sehen. Ein starker Südweftwiud verhinderte die Landung des Luftschiffes. Noch einmal versuchte Graf Zevpeün in der Nähe von Landshut zu landen, wohin drei Schwadronen des zweiten schweren Reiterregiments aus München entsandt worden waren. Doch auch hier mußten die Versuche auf gegeben werden, da das Luftschiff nach der Isar zu abgetrieben wurde. Graf Zeppelin warf aus dem Luftschiff eine Karte folgenden Inhalts: „Liebe Kameraden! Herzlichen Dank. Bitte in der Nähe zu bleiben, bis der Wind nach läßt und ich wieder nach München retourfahren kann. Gruß, Graf Zeppelin." Endlich ist das Luftschiff in den Nachmittags stunden bei Niederviehbach, in der Nähe von Dingolfing, ganz glatt nnd ohne Unfall zwischen der Bahnlinie und der Landstraße nieder gegangen. Von Landshut war eine Infanterie kompanie mit der Eisenbahn nach Niederviehbach befördert worden, 'um das Luftschiff zu be wachen, das bereits mit Hilfe der Land bevölkerung sicher verankert war, als militärische Hilfe eintraf. Tie Landung des Reichsluftschiffcs bei Dingolfing hat große Aufregung und unge heuren Zudrang der Landbevölkerung hervor- gerufen, die das den Städtern vorenthaltene Glück hatte, das Luftschiff aus der Nähe hinter den absperrenden Landshuter Reitern mit aller Muße in Augenschein zu nehmen. Die Nacht brachte der Ballon in Loiching zu. Das Luft- ichiff „Z. I" hatte morgens um 9V- Uhr die Nachinllnng des Gases beendet und stieg um 11 Uhr 10 Min. unerwartet auf. Es schlug die Richtung über Landshut, Freising, Moos burg nach München ein, steuerte in rascher Fahrt isaranfwärts und landete in Oberwiesenfcts bei München ohne Unfall. Hier besichtigte der Prinz-Regent das Luftschiff und telegraphierte an Kaiser Wilhelm, der ihm herzlich antwortete. Nach einstündigem Aufenthalt setzte der „Zeppelin" die Fahrt fort und ist abends 7 Uhr 50 Min. in Friedrichshafen in der Nähe der Werft glatt gelandet. Die Bergung in der Reichsballonhalle ging glücklich von statten. Die Begeisterung in Friedrichshafen ist unbeschreiblich. Auch im Auslände hat man dem Ergebnis der Fernfahrt mit Spannung entgegengefehen. Im Pariser Lustschifferklub gab man der Meinung Ausdruck, daß kein andres Luftschiff bei so schwierigen Windverhältnissen seine Landung hätte voll ziehen können. Tie Fahrt nach München ist des Grafen Zeppelin vierte groste Fernfahrt. Am 1. Juli des vorigen Jahres machte der greise Erfinder seine erste 10-Stundenfahrt nach Zürich und zurück. Am 4. August folgte die 24-Stundenfahrt, die mit der Katastrophe bei Echterdingen, wo das Luftschiff zugrunde ging, ihren Abschluß fand. Aber bereits im November konnte Graf Zeppelin mit dem jetzigen Reichs luftschiff wieder eine Fährt nach Donaueschingen unternehmen, wo das Luftschiff, das den Deutschen Kronprinzen an Bord hatte, von Kaiser Wilhelm begrüßt wurde. Politikcbe Aunälckau. Deutschland. * Die Meldungen französischer nnd englischer Blätter, daß Kaiser Wilhelm demnächst mit dem Präsidenten Falliöres in Monte Carlo eine Zusammenkunft haben werde, wer den in Deutschland an halbamtlicher Stelle als verfrüht bezeichnet. Wenn auch grundsätzlich einer solchen Begegnung nichts entgegsnsteht, so ist doch ein bestimmter Zeitpunkt für sie noch nicht festgesetzt worden. *Die ,Nordd. Allgem. Ztg/ veröffentlicht eine halbamtliche Erklärung, die sich gegen dis Auffassung wendet, daß auf Rußland von feiten Deutschlands ein gewisser Druck auS- geübt worden sei, um das Zarenreich zur Anerkennung der Angliederung Bosniens und der Herzegowina zu veranlassen. Der Artikel schließt: „Wir hoffen, daß der Streit aus Anlaß dieses Vorganges, der sich in der Form freundschaft licher Aussprache abgespielt hat, aufhört; wer darin fortfährt, setzt sich dem Verdacht un lauterer Verhetzung aus." * Bei der Etatsberatung hat der Reichs - tag in diesem Jahre ungewöhnliche Abstriche gemacht, insgesamt wurden 15 395155 Mill. Mk. gestrichen, und zwar rund 10 Mill, im Etat für das Reichsheer, 5 Mill, im Postetät, der Rest verteilt sich auf die übrigen Etats. Statt 2 865 409 018 Mk. wurden nur 2 850 013 863 Mk. bewilligt. Italien. *Zu einer wüsten Rauferei kam es in der Deputiertenkammer, als die Regierung über das Vorgehen der Polizei bei den letzten Wahlen befragt wurde. Der Regierungs- Vertreter erklärte,, an einem andern Tage über die angezogenen Fälle Auskunft geben zu wollen. Darauf entzog der Präsident dem Antragsteller daS Wort. Im Nu erhob sich die gesamte Linke und überhäufte die Regie rungsmehrheit mit Schmähungen und ehe es der Präsident verhindern konnte, kam es zu einem regelrechten Faustkampf, der etwa 29 Minuten währte. Mit großer Mühe konnte die Ruhe wieder hergestellt werden, worauf der Präsident über den Vorgang, der eines Parla mentes unwürdig sei, sein Bedauern aussprach. Holland. *Die Generalstaaten haben die Gesetzent würfe über eine etwaige Regentschaft und über die Vormundschaft während der .Minderjährigkeit des Thronfolgers an genommen. Spanien. * König Alfons hat den Besuch, den der in Biarritz weilende König Eduard ihm in San Sebastian gemacht hat, erwidert. In einer dreieinhalbstündigen Unterredung haben die beiden Herrscher alle schwebenden Fragen erörtert, wobei König Eduard, wie es in der amtlichen Meldung heißt, dem König von Spanien wichtige Ratschläge erteilte. Barkanstaaten. * Auf die Berzichtleistung seitens Serbiens, die in einer auf Wunsch der Mächte überreichten Note ausgesprochen worden ist, hat Österreich-Ungarn umgehend geantwortet. Auch die Donaumonarchie gibt dem Wunsche Ausdruck, mit Serbien in freund- nachbarlichen Beziehungen zu leben und erklärt, daß die Handelsvertragsverhand lungen sofort ausgenommen werden könnten. — Das Gerücht von der Abdankung König Peters von Serbien wird in einer mißlichen Erklärung der serbischen Regierung als Erfindung bezeichnet. Amerika. *Die Regierung der Ver. Staaten hat eine Note an Nikaragua gerichtet, die tat sächlich die Bedeutung eines Ultimatums hat. Sie verlangt, daß Präsident Zelaya die seit längerer Zeit zwischen den mittelamerikanischen Republiken schwebenden Streitfragen einem Schiedsgericht unterbreite. Es wird ihm nur eine kurze Frist gegeben, um diese Forde rung zu ersüllen. Im Weigerungsfälle wird Präsident Taft die Angelegenheit dem Kongreß in Washington unterbreiten, um von ihm Voll machten zur Durchführung strengerer Maß nahmen gegen Nikaragua zu erhalten. Die amerikanische Flotte im Golf von Mexiko ist zwar ohnehin schon ziemlich zahlreich, soll aber noch verstärkt werden, um Nikaragua zum Nach geben zu zwingen. Ous ciem Aeicbstage. Im Reichstage wurde am Donnerstag die Etats beratung beim Etat der Neichseiseubahnen fortgesetzt. Auf die verschiedenen, von einer Anzahl von Abge ordneten bei diesem Etat zum Vortrag gebrachten Wünsche und Beschwerden erwiderte Minister von Breitenbach, er werde die Frage einer neuen Verbindung zwischen dem Elsaß und Frankreich mit Interesse im Auge behalten. Den gewerkschaftlichen Organisationen stehe er wohlwollend gegenüber und werde die Wirksamkeit der Arbiter,msschüsse unter stützen, allerdings nur so lange, als sie nicht ihren Wirkungskreis überschreiten. Beim Etat für des Reichsschatzamt entwickelte sich zwischen den Abgg. Kämpf (frs. Vp.) und Graf Kanitz (kons.) eine kleine Zolldebatte. Nach unwesentlichen kurzen weiteren Bemerkungen war die zweite Lesung des Etats be endet. In der Abendsitzung nahm bei der dritten Lesung des Etats die Gencraldiskussion nur kurze Zeit in Anspruch. Abg. v. Danneuberg (Welfe) nahm seinen Parteigenossen Götz v. Olenhusen gegen die jüngsten Angriffe des Reichskanzlers in Schutz, wurde aber, qls er auf die welfische Frage näher einging, von Schlußrusen unterbrochen. In der Einzetberatung wurden mehrere Etats ohne erheb liche Erörterung bewilligt. Beim Etat des Neichs- amts des Innern erwiderte auf Anfragen der Abgg. Sachse (soz.) und Kölle lwirtsch. Bgg.) Staats sekretär v. Bethmann-Hollweg, in der Frage eines Reichsberggesetzes liege ein Beschluß des Bundesrats noch nicht vor. Der Etat des Reichsamts des Innern wurde erledigt. Am 2. d. wird die dritte Lesung des Etats fortgesetzt beim Militäretat. Abg. v. Elern (kons.): Mit Rücksicht auf die Geschäftslage verzichten wir darauf, aus das Thema des Aggregiertenfonds einzugehen. Wir werden beim Gesetz über die Osfiziersbesoldungen darauf zurückkommen. Abg. Graf Oriola (nat.-lib.) schließt sich dieser Erklärung an. Abg. Pauli-Potsdam (kons.) äußert sich beim Artillerie- und Waffenwesen kurz über die ArbeitS- j Verhältnisse in den Spandauer Militärwerkstätten. Damit ist der Militäretat erledigt. Beim Marine-Etat richtet Abg. Spethmann (steif. Vp.) an den Staats sekretär das Ersuchen, ebenso, wie das in der Nord see geschehe, auch in der Ostsee dem Fischerei-Raub bau entgegenzutreten. Es bedürfe dort unbedingt einer verschärften Aufsicht. Weiler möge sich der Staatssekretär darüber erklären, wie er sich zu dem Koalitionsrecht der Arbeiter in den Marinewerk- stätten stelle. Staatssekretär v. Tirpitz: Da. die Marine- Verwaltung ein großes Interesse an der Erhaltung der Fischerei hat, auch in der Ostsee, so werde ich bemüht sein, dem Wunsche des Vorredners entgegen- zukommeii. Damit ist der Marine-Etat erledigt. Es folgt der Kolonial - Etat. Zum Etat für Ostafrika wird nach kurzer Empfehlung durch den Abg. Arendt (freikons.) eine von ihm bean tragte und von Mitgliedern fast aller bürgerlichen Parteien unterzeichnete Resolution angenommen dahingehend: das Sanatorium Wugiri solle auch für Entbindungen eingerichtet werden und das ganze Jahr geöffnet bleiben. Beim Samoa-Etat verlangt Abg. Erzberger (Zentr.) genauere Mit teilungen über den gegenwärtigen Stand des Auf ruhrs m Samoa. Abg. Arning (nat.-lib.): Bei der zweiten Lesung hat der Staatssekretär geäußert, die Samoaner seien von jeher zu gut behandelt worden. Las zeigt sich ja jetzt auch bei dem Aufflande. Der Staats sekretär sollte sich einmal überlegen, ob er die Kon sequenz davon auch für die andern Kolonien ziehen will! Staatssekretär Dernburg: Es handelt sich in Samoa nur um Streitigkeiten zwischen zwei Parteien der Eingeborenen. Gegen die Weißen ist dort nie eine Bewegung gewesen, wenigstens nicht unter deutscher Herrschaft. Sobald die Nachrichten über die Unruhen nach Auckland kamen, sind drei Schiffe nach Samoa beordert worden. Ich glaube, es wird kein Schuß fallen noch auch irgend welche Schwierig keiten entstehen. Ich habe zum Gouverneur Solf das Vertrauen, daß alles gescheheMvird, was etwa zum Schutze der Weißen nötig ist. Daß die Samoaner zu gut behandelt worden seien, habe ich nicht gesagt. Ich habe nur gesagt, daß die Eng länder und Amerikaner seinerzeit sich die Zähne an den Samoanern ausgebrochen haben. Jetzt aber sind die Samoaner überzeugt, daß sic Schutzbefohlene Deutschlands sind. Mit Schwäche wollen wir die Eingeborenen nicht behandeln, aber mit Gerechtigkeit I Abg. Erzberger sZtr.) hält seine Befürchtun gen aufrecht, daß cs in Samoa auch zu Bewegungen gegen die Weißen kopimen könne. Jedenfalls be dürfe es, um das zu verhindern, einer Machtent faltung, die den Samoanern zeigt, daß sie nicht mehr Herren des Jnselreiches sind, sondern unter deutscher Hoheit stehen. Abg. Arning (nat.-lib.) hält seine Angabe auf recht, daß der Staatssekretär sich am 19. Januar in der Kommission so, wie er behauptet, geäußert habe. Abg. Arendt (freikons.) erklärt, Erzberger in vielem beistimmen zu müssen. Es sei geradezu be fremdlich, wie der Staatssekretär seine Mitteilungen über Samoa gemacht habe. Wenn die deutsche Ne gierung es nicht einmal wage, Waffen an unsre Kolonisten zu ihrem persönlichen Schutzs auszuhän digen, so sollte man lieber die Kolonie aufgeben. Jedenfalls müsse die Anwesenheit der drei deutschen Kriegsschiffe vor Samoa benutzt werden, um unsre dortige Herrschaft aus einer Papierherrschaft zu einer wirklichen Herrschaft zu machen. Staaissekreuir Dernburg: Die Samoaner selbst haben keinerlei Kriegswaffen, da sic seinerzeit entwaffnet worden sind. Daß wir nicht immer sofort Schiffe dorthin schicken können, das wissen doch auch unsre dortigen Ansiedler. Verlangen Sie denn etwa für Samoa eine Schutztruppc? Ich möchte wohl wissen, was die Herren hier sagen würden, wenn ich mit einer solchen Forderung an Sie heran träte? Und mangels einer Schutztruppe haben wir uns eben einzurichten. Ohne weitere Debatte werden sämtliche übrigen Spezialclats erledigt und dann der Gesamtetat nebst Etatsnotgesetz angenommen. Es ist dann noch über einige Resolutionen zum Etat abzustimmen. Zunächst über die Resolution Hompcs ch beir. Abänderung des Preßgesetzes zum Zwecke des Verbots der Abonnentenversichcrung von Zeitungen. Die Abstimmung über die Resolution Hompesch bleibt zweifelhaft. Die Auszählung ergibt 112 ja, 70 nein, es sind also nur 185 Abgeordnete anwesend, so daß das Haus beschlußunfähig ist. In der eine halbe Stunde später anberaumten neuen Sitzung wird die Abstimmung über die Reso lution Hompesch betr. Verbot der Abonnentenver sicherung von Zeitungen wiederholt. Die Resolution wird angenommen. Sodann wird die von der Budgetkommission be antragte Resolution betr. Einführung von Feld- webelleutnants abgelehnt. Angenommen wird dagegen die Resolution von Hertling betr. Beseitigung der geheimen K o n d u i t e n l i st e n. Nächste Sitzung: Dienstag, 20. April. Präsident Graf Stolberg wünscht noch den Abgeordneten Kraft, Frische, Gesundheft, um so mehr, als er überzeugt sei, daß es auch nach Ostern nicht an Arbeit fehlen werde. AaubanfM auf einen berliner Gsläbrirfträger. Ein Vorfall, der im Hause Besselftraße 19 großes Aufsehen erregt hat, beschäftigt die Kriminalbehördsn. Auf dem Treppenabsatz der zweiten Etage des genannten Hauses wurde am 2. d. morgens gegen 9 Uhr der Geldbrief- träger. Eulenburg schwer verwundet in einer großen Blutlache liegend auf- gefundem Die Geldtasche hatte er am Körper, indessen war sie geöffnet, nnd ein Teil des Geldes lag ausgestreut neben dem Bla uns. Hausbewohner riefen sofort die Polizei und das Postamt 48 im Hause Friedrichstraße 227, wo der verletzte Briefträger tätig war. Dem Täter, dem 755 Mark amtlicher und 200 Mark Privai- gelder in die Hände fielen, gelang es, im Strudel Ler Großstadt unterzutauchen. Ol f^ernelis. 25t Kriminalroman von E. Görbitz. ForUetzmig.) „Dann ruderst du uns hinaus, Fritz," fuhr Eva mit rührender Bitte fort, „weit hinaus über Riffe und Sandbank bis dorthin, wo die Tiefe un ergründlich ist, unergründlich wie unsre Liebe. Eng umschlungen, Herz an Herz und Mund auf Mund gepreßt, werden wir hinabgleiten in die schmeichelnden Wogen bis auf den Grund des Meeres, wo der Traualtar für unsre ewige Ver einigung steht!" Sie hielt inne. Keine Antwort kani aus Werners Munde, unbeweglich und starr wie eine leblose Statue saß er an ihrer Seite. Das mußte ihr zuletzt auffallen; sie richtete sich in die Höhe und sah ihn befremdet an. Er hatte seinen Hut neben sich gelegt und starrte in den Mond, dessen mattes Licht seinem bleichen Gesicht etwas Leichenhaftes gab. Sein hartnäckiges Schweigen erschreckte Eva; sie legte ihre Hand auf seine Stirn; kalter Schweiß perlte auf derselben. „Fritz, was fehlt dir?" Mit diesen Worten ergriff sie wieder angst voll seine Hand. Eine furchtbare Ahnung durch bebte ihr Inneres. Seine Ruhe war keine natürliche. Ihr kam der Gedanke, daß er Gift genommen habe. „Fritz," flehte sie in Todes angst, „sprich zu mir, was hast du getan? Welche Erschütterung raubt dir die Sprache?" „Eva! Er brachte nichts wie ihren Namen über seine Lippen; ein unsagbarer Schmerz schien seinen jugendkräftigen Körper zu durchkrampfen, er schlug die Hände vor das Gesicht, als wollte er ihr den Anblick seiner schmerzdurchfurchteu Züge entziehen, dann sank sein Kopf matt auf die Brust nieder. Plötzlich richtete er sich auf. „Eva," begann er ruhig und mit fester Stimme, „du kamst einst zu mir und verlangtest -dein Wort zurück, heute fordere ich das meine von dir." Evas Herz klopfte stürmisch, ihr Blick hatte etwas Irres, als sie ihre Augen fragend auf sein Gesicht heftete. „Was meinst du?" „Wir werden nicht in den Tod gehen!" „Fritz!" rief sie erschüttert und vergaß jede Vorsicht, leise zu sprechen, „du liebst mich nicht mehr?! " „Wir," fuhr er ruhig fort, da die volle Klarheit eines richtigen Entschlusses über ihu gekommen war, „haben ja gewußt, daß das berauschende Giück einer irdischen Liebe uns nicht beschieden war, denn wir haben beide den Kampf dafür von Anfang an nicht ge wagt! Wir haben uns beide getäuscht, als wir uns das Recht zutrauten, Gott vorgreifen zu dürfen. Ich verdiente nicht, von dir geliebt zu werden, verdiente nicht, der Mann zu sein, dem du dein Leben opfern wolltest, wenn ich dir nicht im schwersten Kampfe eine Stütze zu sein vermöchte. Du darfst dein Leben nicht frevelhaft beenden, ich ebensowenig, niemand! darf es!" Eva lachte hell auf; es war ein schaurig gellendes Lachen, das Lachen der Verzweiflung. ! Unbeschreiblich schmerzlich schnitt es in die Seele des jungen Mannes, aber er blieb in seinem Entschluß fest. „Und ich," fuhr sie wild auf, „sollte das Weib dieses Mannes werden, den ich hasse, den ich verabscheue, wie nichts auf Erden? Das rätst du mir? Du?" Er schüttelte den Kopf. „Ich rate dir nur," sagte er sanft, „deine Pflicht zu tun. Du weißt, daß ich, verblendet durch Leidenschaft, im ersten Schrecken über die Nachricht, daß du das Weib eines andern sein könntest, mit dir sterben wollte. Aber trotz meiner Liebe für dich, trat zuerst der Zweifel an mich heran, ob durch Selbstmord der Kon flikt unsres trostlosen Erdenschicksals gelöst werden könne, bis die Überzeugung sich in meinem Innern siegreich Bahn brach, daß uns nimmermehr das Recht zusteht, unser Leben selbst zu enden I Nur einen Ausweg gibt es, daß du an die Ehre des Barons appellierst; er ist ein Edelmann; seine Handlungsweise, wenn du ihm alles entdeckt hast, soll die Probe sein, ob er wirklich edel genug zu empfinden fähig ist, um dir deine Freiheit noch heute zu rückzugeben." Ein unheimliches Lachen war die Antwort auf seinen Rat. „Nun," fuhr er fort, „wenn du den Charakter des Varons so genau zu kennen glaubst, daß du an seinem Edelmut zweifelst, dann ist der Würfel gefallen, dein Los bestimmt!" „Ich werde daran zugrunde gehen!" „Wer sagt dir, daß ich es. überleben werde? Ich kenne vorher die Wirkung nicht, welche es auf mich machen wird, dich als Gemahlin dieses" ' — er zwang seine Stimme zur Ruhe — „Barons zu sehen I Du wirst elend an seiner Seite sein, ich weiß es, aber hast du ein Opfer zu bringen gelobt, mußt du auch die Kraft haben, es ganz zu bringen! Es gibt zu meinem größten Schmerz hierbei keinen andern Ausweg!" „Fritz!" Unendlich rührend war der Ton ihrer Stimme, mit dem sie seinen Namen aussprach. Es klang, als ob ein zum Tode Verurteilter um Gnade flehte. Die Rührung drohte hn zu übermannen. „Mache mich nicht weich, Geliebte," rief er, „wir müssen tragen, was Gott über uns verhängt hat!" „Ich werde," hauchte das junge Mädchen fast unverständlich, indem ein kalter Schauer ihren, zarten Körper überflog: „mich deinem Willen beugen, ich liebe dich, und weil du es forderst, werde ich einen langsamen, qualvollen Tod an der Seite eines verabscheuten Gatten sterben!" Schluchzen erstickte ihre Stimme. Dann wollte sie ihm die Hand reichen. „Also leb' wohl, Fritz, leb' wohl für ewig!" Seine Kraft war dahin. Er streckte die Arme aus, um sie, wär's auch nur zum letzten, ewigen Abschied«, noch einmal an sein Herz zu drücken, als plötzlich in der Ferne Rufe hörbar wurden. Evas Namen tönte durch die Nacht. Die Abwesenheit der Komtesse war bemerkt worden; jetzt wurde sie gesucht. Werner schrak zusammen, seine ausgestrecklen Arme sanken nieder, er wandte sich horchend um.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)