Suche löschen...
Nachrichten für Naunhof und Umgegend : 18.12.1921
- Erscheinungsdatum
- 1921-12-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1787861864-192112181
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1787861864-19211218
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1787861864-19211218
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Nachrichten für Naunhof und Umgegend
-
Jahr
1921
-
Monat
1921-12
- Tag 1921-12-18
-
Monat
1921-12
-
Jahr
1921
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Beilage zu den Nachrichten für Naunhof. Nr. 150.Sonntag, den 18. Dezember 1921.32. Jahrgang. Schkußvieafl. Drahtnachrichten vom 17. Dezember. Kohlennot in Bayern. München. Um eine Besserung der bayerischen Kohlenver- soraung zu erzielen, hat der Leiter der bayerischen Landes« koblenstelle sich zu Verhandlungen nach Berlin begeben. Gegen« wärtig liegen 16 oberschlesische Koblenziige, dis»für Bayern be stimmt sind, in sächsischen Bahnhöfen fest. Es mußten Ein schränkungen in der Licht« und Kraftversorgung eintreten. BanderolenfSlscher. Erfurt. In Volkstedt bei Rudolstadt wurde eine Geheim- druckerei entdeckt, in der täuschend nachgeahmte Tabakbande rolen hergestellt wurden. Grippeepidemie in Hamburg. Hamburg. Seit vergangenen Freitag tritt in Hamburg im großem Umfange die Grippe auf. Die Krankenzahl ist beträcht lich. Die Krankheit tritt in schwerer Form auf. Rückkauf eines deutschen Dampfers. Hamburg. Der frühere deutsche Dampfer „Professor Wör mann", mit beschädigter Maschine in England liegend, ist von der Hamburger Reederei Hugo Sttnnes A. G. zurückerworben worden und soll nach hier überführt werden. Wiederaufbau im OberelsaS. Mühlhausen (Elsaß). Der Wiederaufbau deS oberelsässi- fchen Kriegsgebietes macht sichtbar rasche Fortschritte. In dem Bezirk von Altkirch sind 90 Prozent der zerstörten Fabrikanlagen wieder instandgesetzt worden. Von den in Tann und Altkirch zerstörten Wohnhäusern sind 50 Prozent wieder aufgebaut oder soweit ausgebessert worden, daß sie wieder bewohnbar sind. Die Tschechoslowakei als Reparationsgläubigcr anerkannt. Paris. Die Reparationskommission Hai soeben den tschechoslowakischen Staat formell als eine der alliierten Mächte mit Wirkung vom 28. Oktober 1918 anerkannt. Die Wirkung dieser Entscheidung ist die, daß die tschechischen Reparations ansprüche gegenüber Deutschland und Österreich rechtskräftig werden. Der freie Verkehr zwischen Lettland und Deutschland. Riga. Die Sperrung des polnischen Korridors für Lettländer ist aufgehoben. Die Frage des freien Verkehrs zwischen Lettland und Deutschland ist damit zugunsten Lett lands entschieden worden. Die Transitfrage für Waren wird in den nächsten Tagen geregelt werden. Ein englisch-lettischer Handelsvertrag. v^. Riga. Die englische Regierung hat der lettländischen Regierung den Entwurf eines Handelsvertrages zugehen lassen, der auf dem Grundsätze der Meistbegünstigung fußt. Der Ent wurf steht die Gründung von Handelskammern und anderen kaufmännischen Vereinigungen vor. Eröffnung der Bankoperationen in Rußland. v^. Moskau. Aus der Provinz laufen Meldungen über die ersten Operationen der neuen Genossenschaftsbanken ein. Alle verzeichnen große Einlagen. So wurden in der Woro nescher Genostenschastsbank in einer Woche 200 Millionen Rubel eingezahlt. Die Freigabe des russischen Außenhandels bevorstehend. 1)^. Moskau. Aus bestunterrichteten Regterungskreisen er fährt man, daß die Veröffentlichung eine« Dekretes, durch wel ches der Außenhandel für die Privatinitiative freigegeben wird, tatsächlich dicht bevorsteht. Allerdings werden glotze Versor- gungszwetge, wie Armee, Eisenbahn, Staatsfabriken, Sowjet- güter, nach wie vor ausschließlich aus staatlichen Einkauf ange wiesen sein. Auch wird die Regierung sich weitgehende Mono pole sichern. Opfer beim Thronfolgcrbesuch in Bombay. Bombay. Am 17. November find nach einer Mitteilung der Regierung beim Besuch des Prinzen von Wales drei Europäer gelötet und drei verwundet worden. 83 Polizisten und eine unbekannte Anzahl von Pasis wurden verwundet, 23 Aufstän dische getötet, 298 verwundet und 341 verhaftet. Strafantrag im Kapp-Prozeß. (Achter Tag.) Leipzig, 16. Dezember. Nach der gestrigen Pause brachte der heutige Tag sofort die Anklagerede des Oberreichsanwalts Ebermayer, nach dem der Senatspräsident Mitteilung von einigen eingegange- nen Schreiben gegeben hatte. Dann hielt der Oberreichsan walt seine Rede und beantragte zum Schluß: Ich bitte, die Angeklagten schuldig zu sprechen. WaS das Strafmaß betrifft, so kann keine Rede davon sein, daß die Angeklagten, die nur aus politischen Motiven gehandelt haben, vom ehrlosen Standpunkte aus sich betätigt haben. Zuchthaus kommt also nicht in Frage. Die Angeklagten sind allerdings verschieden zu beurteilen. Aber Herr v. Jagow ist schwerer belastet als Herr v. Wangenheim. Ich beantrage gegen den Angeklagten v. Jagow eine Festungsstrafe von sieben Jahren, gegen die Angeklagten v. Wangenheim und Dr. Schiele eine Festungsstrafe von je sechs Jahren. Noch dem Oberreichsanwalt kamen die Verteidiger der einzelnen Angeklagten zu Wort, zunächst der Rechtsveistand Herrn v. Jagows. * Die Anklagerede deS Oberreichsanwatts. Den drei Angeklagten wird zur Last gelegt, eS als Mit täter unternommen zu haben, die Verfassung des Deutschen Reiches gewaltsam zu ändern, sich also deS Verbrechen- des Hochverrats schuldig gemacht zu haben. Der H 81 bestraft das Unternehmen, die Verfassung gewaltsam zu ändern. Der Be griff des Unternehmens ist umstritten. Tue Rechtsprechung hat sich nach mehrfachem Schwanken entschlossen, das Unternehmen als den vollendeten Versuch zu betrachten. Der Oberreichs, anwalt geht nun ausführlich auf di« zur Zeit deS Putsches bestehende Verfassung und die Regterungsaewalt «in, die er als durchaus rechtmäßig anerkennt. Der Führer Kapp habe einen Umsturz zweifellos angestrebt. Es ist mir eigentlich unklar, sagt der Oberreichsanwalt, wie Herr v. Jagow, der doch eine so genaue Kenntnis des Staatsrechtes besitzt- hier nun erklären will, er habe angenommen, daß er sich n-icht straf fällig mache bei Annahme eines Ministerpostens, da er der An sicht gewesen sei, Kapp habe eine Diktatur aus legalem Wege erlangen können. Der Anklagevertreter geht aus di« Einzel heiten und die ZeMnaussaaen ein. Lüttwitz sei treffend ge zeichnet durch die Aussage eines Zeugen, der einen Ausspruch von Lüttwitz hier bekundet hat: „Wenn man mich etwa absetzt, schlagen meine Offiziere alle« kaput!" Ich kann mir unmög lich denken, daß die Getreuen de- Herrn Kapp, nämlicy der Angeklagte v. Jagow, Herr v. Falkenhausen, Dr. Traub usw. am Morgen des 13. März nur einen Spaziergang nach dem Brandenburger Tor gemacht haben. ES ist Wohl ausgeschlossen, daß die Herren nicht genau informiert waren, zu welchem Zweck man sie im Tiergarten zusammenberufen hatte. Die Angeklagten behaupten, sie hätten die Verfassung nicht etwa brechen, sie hätten sie im Gegenteil stützen wollen. Ich nehme keinen Anstand, zu erklären, daß ich davon kein Wort glaub«. Sie wöstkn meiner Ansicht nach die Dittatm, § um dann die Verfassung grundlegend zu ändern. Der Ober- ! reichsanwalt fichrt alS Beweise die Briese Kapp- an. ES ist mir unerklärlich, wie die Angeklagten behaupten können, daß sie mit dem Kapp-Unternebmen nur die verletzte Verfassung wieder Herstellen wollten. Nach meiner persönlichen Anschau ung wäre es im Interesse der Angeklagten schöner gewesen, wenn sie den Mut gehabt hätten, hier zu erklären: „Wir als gute Deutsche waren der Überzeugung, daß die November revolution unser Land ins Unglück gestürzt hat, und daß es unsere heilige Pflicht war, eine Änderung zu schassen. Wir kannten die Bedeutung des Unternehmens und wußten, daß wir mit unserer Beteiligung daran unsere Freiheit riskieren, aber wir haben eS als unsere heilige Pflicht betrachtet, uns zu beteiligen." Wenn die Angeklagten das erklärt hätten, wie es hier schon mancher andere Putschist getan hat, dann wäre mir daS vom menschlichen Standpunkt auS ungleich sympathischer gewesen. Für viel geringere Vergehen, so z. B., wenn in irgend einem kleinen Nest kommunale Behörden durch einen Volkshaufen verjagt waren, sind Hochverratsverfahren ein geleitet worden, hat man keine Bedenken getragen, anzuneh men, daß auch durch ein solches Unternehmen eine Änderung der Verfassung bezweckt worden sei. Wenn aber bereits solch ein kleines Unternehmen den Tatbestand erfüllt, um wieviel mehr ein solches Unternehmen, wie das Kapps, mit dem aus gesprochenen Ziel die Verfassung zu stürzen. Die Angeklagten sind al- Mittäter bet dem Kapp-Putsch zu betrachten, sie haben das Unternehmen nicht nur gebilligt, sie hatten die gleichen Ziele, es besteht auch kein Zweifel, daß sie Führer gewesen sind und deshalb nicht unter die Amnestie fallen. Strafver schärfend fällt ins Gewicht, daß alle drei Angeklagten hoch intelligente Männer waren, strafmildernd, daß man annehmen muß, sie haben nicht aus ehrlosen Motiven gehandelt. Der Oberreichsanwalt schließt Mit dem Strafantrag. Jagows Verteidiger. Rechtsanwalt Grün spach.Berlin spricht zunächst die Überzeugung aus, wie auch immer die Wirkung dieses Pro- zesseS sein werde, nach der einen Richtung scheine sie sicher: Die ser Prozeß wird das Vertrauen des deutschen Volkes zu der Rechtssprechung und zum Richtertum befestigen und tief in der Seele aller Volksgenossen verankern. Die Leitung des Pro zesses lehrt uns auch, daß es den Begriff des politischen Pro- zesses für deutsche Richter nicht gibt, und daß die Pforten des GerichtSsaales sich für Erwägungen politischer Art niemals öffnen, daß der Rechtsnehmer — welcher politischen Richtung er auch immer angehört — mit vollstem Vertrauen den Spruch deS Gerichtes entgegennehmen darf. Der Verteidiger kommt dann auf die Anklage gegen Herrn v. Jagow. Er ist angeklagt, in Gemeinschaft mit Kapp daS Verbrechen deS Hochverrats unter- nommen zu haben. Hiervon kann nur dann die Rede sein, wenn v. Jagow die gleichen Zwecke verfolgt hat, die Kapp zu erreichen suchte. Ich unterstelle zunächst, daß Kapp die Ver- > fassung gewaltsam brechen wollte. Die Frage ist: Hatte Herr i v. Jagow den gleichen Vorsatz? Die Beweisaufnahme hat § nichts dafür erbracht, daß Kapp auch nur irgend einer Person ! die von ihm in dem vorerwähnten Schreiben erörterten Ziele kundgetan hat." Der Verteidiger geht die Zeugenaussagen durch i und fragt: „Wie kann man annehmen, daß Herr v. Jagow, der nach der ganzen Vorgeschichte des Unternehmens mit Kapp nur in losem Zusammenhang stand, nun seinerseits Kapps Ziele kannte. War aber der Vorsatz Kapps ein anderer als der Vor satz JagowS, so fällt die Anklage insoweit, alS sie Herrn v. Jagow vorwirft, die Tat als Mittäter Kapps und Lüttwitz' begangen zu haben." Der Verteidiger beantragt Freisprechung. Für den Angeklagten v Wangenheim sprach Justizrat Görres-Berlin. Er betonte, daß nicht der leiseste Beweis erbracht sei, daß Freiherr v. Wangenheim in irgend einer Weise sich am Vorstudium des Unternehmens be- > teiligt habe. Es sei nicht zu bestreiten, daß sich die öffentlich« ' Gewalt in Deutschland konsolidiert hatte. Ader auf der ande- ren Seite müsse doch festgestellt werden, daß sich Kapp und Lütt witz, wenn auch nur für ganz kurze Zeit, durchgesetzt hatten, und daß auch Freiherr v. Wangenheim glauben mußte, daß di« Durchsetzung erfolgt sei. Herr v. Wangenheim hat in reinster Vaterlandsliebe gehandelt. Justiziar Görres schloß seine AuS- sührungen mit den Worten: „Sehen Sie in Herrn v. Wangen, beim einen Hochverräters Sehen Sie diesen Mann, der ein Edelmann vom Scheitel bis zur Zehe ist, ein Edelmann in geistiger Beziehung, der seine ganze Kraft ein Menschenalter dem Volke geopfert hat, der ein Freund des Volke- ist. Hätten wir viele Männer, wie er es ist, stände eS besser um Deutsch land. Ich beantrage den Freispruch für meinen Klienten." Nun wurde die Verhandlung vertagt. Kre-itbeihilf« -er Landwirtschaft. Steigerung der Erzeugung aus eigener Kraft. Der in Berlin versammelte Reichsausschuß der deut schen Landwirtschaft berief über Vie Beteiligung der Land wirtschaft an der Kredithilfe für daS Reich und faßte einen Beschluß, in dem er ein umfassendes Produktions programm aufstellt, das die Erzeugung landwirtschaft licher Produkte im Inland« steigern und so das Reich von dem Bezug ausländischer Lebensmittel weniger abhängig machen soll. So sollen Milliarden gespart werden. In dem Beschluß heißt es: „Noch immer ist unsere Wirtschaft aus das unerträglichste belastet durch eine jährliche Lebensmitteleinsuhr sür mehr als zwei Milliarden Goldmark. Diese reicht kaum aus, die Lebens- und Arbeitskraft des Volkes zu erhalten. Hier hat die ge schlossene und gemeinsame Tätigkeit der deutschen Landwirt schaft einzusetzen, um Rettung zu bringen! Der Reichsausschuß der deutschen Landwirtschaft ist überzeugt, daß außeraewöbn- liche Mittel und Maßnahmen die deutsche Landwirtschaft in» stand setzen können, die zur Sicherstellung der Volksernährung erforderliche Steigerung der Erzeugung aus eigener Kraft her- beizuführen. Dieses HilMverk ist auS sich selbst heraus auszubauen und hierfür große Mittel aufzubringen, ist die deutsche Landwirr- schaft bereit! Die Landwirtschaft alS Ganzes steht für die Durchführung deS HilsSwerkes ein. Sie wird Einrichtungen treffen, die den einzelnen Last und Risiko tragbar machen helfen. Die Durchführung des von ihr ausgestellten Arbeitsplans ist nur möglich, wenn die Negierung die grundlegenden Voraussetzungen hierfür schafft: Tatsächliche Sicherung von Person und Eigentum, wirksamer Schutz des landwirtschaftlichen Betriebes gegen störende Eingriffe, aus reichende und rechtzeitige Versorgung der Landwirtschaft mit künstlichem Dünger und anderen Produktionsmitteln — die bis herige Erzeugung von Düngemitteln reicht nicht aus: sie mutz stark vermehrt werden — Maßnahmen zur Deckung veS land- wirtschaftlichen Nrbeiterbedarss. Zur Verbilligung und Erleichterung der Rahrungs- mlttelversorgung wird die Landwirtschaft unmittelbare Verbindungen zwischen Erzeugern und Verbrauchern nach Möglichkeit sörvern. Der Reichsausschuß der deutschen Landwirtschaft erwartet, daß die Reichsregierung über die sen Plan, dessen Ausgestaltung im einzelnen und über die Art der Durchführung mit ihm sofort in Verhandlungen eintritt/ Änderung -es preußischen Schleßertaffes. Zur Abwehr von Angriffen bei Flucht schwerer Verbrecher. Der vielbesprochene und angefeindete Erlaß deS ehe maligen sozialistischen Ministers Heine über das Recht der Polizeibeamten, im Dienst Schußwaffen zu gebrauchen, ist nunmehr, wie der jetzige ebenfalls sozialistische Minister des Innern Severing mttteilte, einer Revision unter zogen worden. Minister Severing hat folgende Neufor mulierung der Schießvorschriften getroffen: Die mir unterstellten Polizeiexekutivbeamten, Hilf-Polizei« exekutivbeamten und Landjägereibeamten dürfen von der Schußwaffe Gebrauch machen: a) zur Abwehr eine- An griffs oder einer Bedrohung mit gegenwärtiger Gefahr sür Leib oder Leben des Beamten oder der in seinem Schutz be findlichen Personen. Dieser Fall ist auch dann gegeben, wenn die Täter der mit den Worten „Wassen nieder, oder ich schieße", „Hände hoch, oder ich schieße" oder ähnlich zum Aus druck gebrachten Aufforderung des Beamten, Wassen oder an dere gefährliche Werkzeuge niederzulegen oder loszulassen, nicht sofort nachkommen oder die medergelegten oder losgelassenen Wassen oder Werkzeuge wieder auszunehmen sich anschicken. 0) Zum Anhalten von Personen, die sich der Fest stellung, Festnahme und Festsetzung seitens deS Beamten durch die Flucht zu entziehen versuchen. Bei offensichtlich geringfügigen Verfehlungen, insbesondere poli tischen Charakters, darf indessen von der Schußwaffe zur Verhinderung von Fluchtversuchen nicht Gebrauch gemacht werden. Dem Gebrauch dFr Schußwaffe gegen Flüchtende muß der Anruf „Halt, oder ich schieße" oder „Hände hoch, oder ich schieße" erfolglos vorangegangen sein. Der An ruf kann nötigenfalls durch zwei kurz hintereinander in die Lust abgegebene Schüsse ersetzt werden. Dem Erlaß sind die folgenden allgemeinen Richtlinien beigegeben: 1. Der Gebrauch der Schußwaffe ist nur zulässig, wenn die Anwendung anderer Mittel offenbar nicht zum Ziele füh ren würde. 2. In keinem F^le darf er weitergehen, als es zur Erreichung des gesetzlichen Zweckes erforderlich scheint. 3. Gegen Kinder darf die Schußwaffe überhaupt nicht ange wandt werden. 4. Auf die Verhütung von Gefahren sür Un- beteiligte, insbesondere in bewegten Straßen und geschlossenen Räumen, ist sorgfältig Bedacht zu nehmen. 5. Festgenommene Personen sind unverzüglich darauf hinzuweisen, daß bei Flucht versuch von der Schußwaffe Gebrauch gemacht werden lann. Vas Drama von Kleppelsdorf. Geschässsreund« und Leumundszeugen. 8 Hirschberg, 16. Dezember. Um die Glaubwürdigkeit Wilhelm Gr upens, deS Bruders des Angeklagten, entspann sich gestern noch ein kleines Geplänkel zwischen dem Vorsitzenden und den Verteidigern. Wilhelm, der Mann, der nichts weiß, weiß auch nicht, wann und wo er zuerst von dem Verschwinden seiner Schwägerin ge hört hat. Auch über Dinge geschäftlicher Natur kann er nur unsichere, zum Teil sehr verworrene Auskunft geben. Aus allen diesen Gründen bleibt der Zeuge zunächst unvereidigt. Hein rich Grupen, ein anderer Bruder des Angeklagten, hat von dem Verschwinden der Schwägerin nur durch die Zeitungen ge hört, da er als Schiffsführer in Kiel lebt und mit der Familie deS Bruders nur in sehr lockerer Verbindung stand. Recht interessant gestaltete sich die Vernehmung deS folgen den Zeugen, eines echten, kernbaften holsteinischen Bauern auS Mehlbeck bei Ottenbüttel. An diesen Mann, der sich Hinrich Maa- nennt, wollte Peter Grupen daS Gut Kleppelsdorf ver kaufen, obwohl es ihm gar nicht gehörte. Es war schon alles zur Fahrt nach Schlesien vorbereitet, aber die Sache zerschlug sich, da die Ereignisse sich überstürzten. Hinrich MaaS machte seine Angaben in sehr vorsichtiger, bedächtiger Weise und muß erst durch zwei andere Zeugen aus Mehlbeck, den Lehrer Witt- mack und den Kaufmann Wich, daran erinnert werden, daß er von dem in Aussicht stehenden Gutskauf mehrmals ge sprochen hat. Auch Maas wurde unter Aussetzung der Ver eidigung vernommen. Es kamen nun mehrere Leumundszeugen an die Reihe: Lehrer, die Peter Grupen früher unterrichtet hatten, und Straf- anstaltSbeamte, die während der Voruntersuchung Gelegenheit gehabt hatten, ihn genauer zu beobachten. Sie alle stellten ihm recht günstige Zeugnisse auS. Die Lehrer rühmten seinen Fleiß — einer nannte ihn strebsam und ehrgeizig. Die Beamten er klärten, daß er sich im Gefängnis musterhaft benommen, immer seine Unschuld beteuert und bisweilen geweint habe. Auf Wunsch des Staatsanwalts wurde nun noch einmal die alte Frau Eckert aufgerufen, um sich über den Charakter der Ursula zu äußern. Sie wiederholte, WaS sie schon früher gesagt hatte, daß Ursel ein gute- und fröhliches Kind gewesen und nur in Itzehoe und Ottenbüttel manchmal traurig er schienen sei. Die Sachverständigen. ES ist möglich, daß noch neue Zeugen vernommen werden; groß dürfte aber ihre Zahl auf keinen Fall sein. Vorläufig gilt die Aeugenvernebmung als abgeschlossen, und es begann die Vernehmung der Sachverständigen. Bücherrevisor Scherf aus Brieg suchte nachzuweisen, daß Grupen zur Zeit der Klep- pelSdorser Bluttat über keine nennenswerten Mittel verfügt haben dürfte: seine Buchführung, wenn davon überhaupt die Rede sein könne, sei höchst liederlich gewesen. Der bekannte Chemiker Dr. Jeserich-Berlln äußerte sich dann über die von ibm angestellten Schriftvergleiche. Er bält Ursulas Brief „An Großmutti" für echt: in einem anderen Briefe Ursulas da gegen finde sich ein nachträglich eingefügteS Wort „traurige" (Ursula), von dem nicht gesagt werden könne, ob eS von dem Mädchen selbst eingeschaltet worden sei. Für Erhaltung -es Eigentums. Man braucht nicht erst einen Blick in die sozialistischen Parteiprogramme zu werfen, die teils mit einiger Zurück haltung den Grund und Boden der „kapitalistischen" Aus beutung entzogen wissen wollen, teils mit eindeutiger Offenheit die Enteignung zunächst des Großgrundbesitzes fordern, um zu wissen, wohin nach den Wünschen der äußersten Linken die Reise gehen soll. Obendrein hat ja inzwischen die Weisheit Erzbergers, daß die Steuer gesetzgebung unter Umständen die schnellste Sozialisierung sei, unverkennbar viele gelehrige Schüler gefunden. Ob heute nun von der Erfassung der Goldwerte oder der Erfassung der Sachwerte gesp ochen wird, die Fahrtrichtung bleibt dieselbe. Der Ernst der Lage wird leider gerade auf dem Lande vielfach noch nicht voll empfunden. Um so bezeichnender, daß gerade Klein bauern, die am Webstuhl der Gesetzgebung milzuarbeiten berufen sind, inzwischen warnend die Stimme erhoben haben. Es sind die kleinbäuerlichen Mitglieder des Vor läufigen Reichswirtschaftsrates, die noch einmal die Ge wissen der Berufsgenossen schärfen möchten. Sie lassen keinen Zweifel darüber, daß die sozialistische Politik auf die Enteignung des gesamten städtischen und ländlichen Grundbesitzes hinauslauft und mahnen mit schlichten, aber überzeugenden Worten den landwirtschaftlichen BerusS- ktand. in dem geschlossenen Zusammenschluß
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)