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Fernruf: Amt Naunhof Nr. 2. Druck und Verlag: Süuz ä> Eule, Raunhof bet Leipzig, Markt 2. Freitag, den 28. April 1922 Nummer 50 33. Jahrgang Erscheint wöchentlich S mal: Dienstag, Donnerstag, Sonnabend, nochm. 4 Uhr für den folgenden Tag. Bezugspreis r Monatlich MK. 10.— nni Austragen, Post einschl. der Postgebühren '/.jährlich MK. 32.— Im Falle höherer Gewalt, Krieg, Streik oder sonstiger Störungen des Betriebes, hat der Bezieher keinei^Anfpruch aus Lieferung der Zeitung oder Rückzahlung des Bezugspreises. und Umgegend Ammelshain, Beuch«, B-rsd-rf. Sich«, Ekdmnnnshakn, Fuchshain. Groß- nnd Ki-iaft-inbe-g, Muga, Köhra, Lindhardi, Pamh-U, Staudt»,». Threna »sm,) Dieses Blakl enthüll die amtlichen Bekanntmachungen des Sladtrates zu Naunhof. Anzeigenpreiser Die ögespallene Korpuszeile2.—MK., auswärts 2.50 MK. Amt-; licher Teil MK. 4.—. Reklamezeile Nh. 4.50. Beilagegebühr pro Nummer MK. 50.—. r Annahme der Anzeigen bis spätestens 10 Uhr vormittags des Erscheinungstages.: größere noch früher. — Alle Anzeigen-Vermittlungen nehmen Aufträge entgegen. — ; Bestellungen werden von den Austrägern oder in der Geschäftsstelle angenommen, - Amtliches. Infolge der Erhöhung der Kohle,'.preise, Eisenbahnfrachten und Arbetterlöhne werden vom 1. Mai d. I. ab folgende neue Preise festgesetzt: GaS für 1 obm 5 Mk., GaSmessermsete monatlich für einen Zflammigen Messer 2 Mk. — Pfg „ ,, 5 „ >, 2 „ 50 „ 10 ,3 20 " 4 Koks, grob 1 d? 60 Mk. „ klar 1 „ 30 „ Naunhof, am 27. April 1922. Der Stadtgemeinderat. Am 2 Mai ist eine Zählung der gewerbliche« Arbeiter vorzunehmen. Die in Betracht kommenden Betriebsunternehmer haben die ihnen zugehenden Vordrucke gehörig auszufüllen. Die ousgefülllen Vordrucke sind bis längstens den 5. Mai l922 im Meldeamt des Rathauses hier, Zimmer 11, etnzureichcn. Naunhof, am 27. April 1922. Der Bürgermeister. Kleine Zeitung für eilige Leser. - * Staatssekretär Hirsch hielt tn Genua eine Rede für die Er- ! leich.'erung deS internationalen HandelS durch Änderung der jetzigen Zollbestimmungen. * Die Behauptung PoincaröS, daß Frankreich zu einem Dor- gehen gegen Deutschland auf eigene Faust berechtigt sei, wird § von deutscher Seite widerlegt. * Di« Interalliierte Kommission in Oppeln hat nach gutem Vernehmen der deutschen und polnischen Regierung eine Note unterbreitet, in der sie die beiderseitigen Vertrter zur Vorbe reitung der Gebietsübergabe zum 4. Mai einladet. * Der französische Kreiskontrolleur von Gleiwitz hat die Be stimmungen deS Belagerungszustandes in Gleiwitz, Tost und Hindenburg erleichtert. Die Straßensperre beschränkt sich aus die Zeit von II bis 3 Uhr nachts. * In Kopenhagen wurde ein vorläufiges Übereinkommen zwischen Dänemark und Deutschland über die Lustschifsahri unterzeichnet. * Tschitscherin hat eine scharfe Note an Polen gerichtet, in der er gegen die Teilnahme Polen« an den Genueser Verhand lungen über Rußland protestiert. * Polen hat eine große Anleihe von den Vereinigten Staa, ten erhalten. Deutsch-Oberschlesiens Zukunft. Die Interalliierte Kommission in Oppeln hält es für angebracht, die Bewohner O b e rschle s i e n s für den knappen Rest der Besatzungszeit, der noch vor ihnen liegt, zum Aushaven zu ermutigen. Die Übergabe der ober schlesischen Gebietsteile an Deutschland und an Polen sei nur noch eine Frage von Tagen. Anfang Mai werde man sie mit den Vertretern der beiderseitigen Regierungen vor- beretten. Aus diesem Anlaß würden ungewöhnliche Maß nahmen getroffen werden müssen, um Gefährdungen deS öffentlichen Friedens vorzubeugen. Man solle seine Un geduld im Zaume halten und überall und bei jeder Ge legenheit der Sprache der Vernunft Gehör schenken. Die hohen Herren mahnen zur Selbstbeherrschung, zur Be wahrung von Ruhe und Würde, damit die Interalliierte Kommission ihre Machtbefugnisse in vollem Frieden ab- -eben könne. Die Proklamation trägt neben der Unterschrift des Generals Le Rond auch diejenige des britischen Generals Henneker. Sie wird trotzdem in den Herzen der Ober schlesier nur bittere Gefühle Hervorrufen, denn wenn die Kommission ihrer Aufgabe so gewaltet hätte, wie eS ihre Pflicht und Schuldigkeit war, dann hätten sich besondere Schlußermahnungen, wie die jetzt veröffentlichte, wobl er übrigt. Aber die Geschichte ihrer Amtsführung in Ober- schlesten ist mit Blut und Tränen geschrieben, sie führte von einem Polenaufstand zum andern und trug bis in die letzten Tage hinein einen so ausgesprochen polenfreund lichen Stempel an der Stirn, daß sie sich von einem rein polnischen Regiment kaum noch wesentlich unterschied. Nicht einmal die Aufgabe wurde erkannt, geschweige denn erfüllt, nach der Entscheidung des Völkerbundes die Polen zur Respektierung oer in Genf gezogenen Grenzlinien zu erziehen. Heute, in dem Augenblick, da die Interalliierte Kommission schonend auf ihren demnächstigen Abzug aus Oberschlesien vorbereitet, ist der bei Deutschland bleibende Teil des besetzten Gebietes von schwerer Unruhe um die Zukunft erfüllt. Die Polen machen kein Hehl daraus, daß : sie ihre Wühlarbeit gegen das Deutschtum im gesamten Oberschlesien sortsetzen wollen, und kaum ein Tag vergeht, , ohne schmerzliche Beweise für die ungebändigte Fortdauer ! ihres Eroberungswillens. So können die Herren von der > Interalliierten Kommission gewiß sein, daß die deutschen j Bewohner Oberschlesiens den Tag segnen werden, an dem ! die Fremdherrschaft im Lande endlich beseitigt sein wird, j Dem bei Deutschland verbleibenden Teil Oberschle- ! sseus drohen freilich auch von anderer Seite her neue Be ' Die Frage ist gestellt, was nun staats rechtlich aus dem Lande werden soll? Gesetzlich ist ihm das Recht auf Volksabstimmung über seine Zukunft eingeräumt, wobei allerdings an ganz Ober schlesien gedacht war, nicht an den inzwischen leider zur Wahrheit gewordenen Fall einer gewaltsamen Trennung des Landes durch einen Machtspruch fremder Gebieter. Aber die Abstimmung wird trotzdem vor sich gehen, die Wähler werden sich zu entscheiden haben, ob sie einen neuen kleinen — ganz kleinen — deutschen Bundesstaat schaffen, oder ob sie den Rest von Oberschlesien bei Preußen belassen wollen. Von den großen Parteien tritt nur das Zentrum für die Bildung eines eigenen Bundesstaates im Rahmen der Neichshoheit ein. Das Zentrum glaubt, die beson deren politischen, wirtschaftlichen und kirchlichen Inter essen Oberschlesiens auf keinem andern Wege besser sicher stellen zu können. Die Sozialdemokraten haben sich da gegen in Übereinstimmung mit den Gesichtspunkten, die kürzlich schon Ministerpräsident Brauu, ihr Gesinnungs genosse, in einer viel bemerkten Rede geltend machte, gegen die Abtrennung von Preußen ausgesprochen; sie halten dafür, daß einmal Preußen schon um seiner selbst, wie auch um des Reiches willen nicht noch mehr geschwächt werden dürfe, zumal Oberschlesien auf sich selbst gestellt, nach der grausamen Zerreißung seines Gebietes wie seiner Wirt schaft kaum noch ein lebensfähiges Gemeinwesen abgeben könne. Sie sind dafür, die uns verbleibende Provinz in ihren autonomen Rechten nach Möglichkeit zu stärken, möchten aber auch der von ihnen angestrebter^neuen Auf teilung des Reiches nicht damit vorgreifen, daß hier zu den vielen kleinen „Ländern", die wir schon haben, noch ein neues selbständiges Reichsglied hinzutritt. Eine An schauung, in der sie sich im großen und ganzen auch mit der demokratischen Partei begegnen. Ebenso treten auch die Rechtsparteien mit voller Entschiedenheit für die Ab wehr aller auf wettere Schwächung Preußens gerichteten Bestrebungen ein. Man kann also wohl schon jetzt ohne weiteres annehmen, daß der Rest von Oberschlesien den Charakter einer preußischen Provinz behalten wird. Ein neuerdings aufgetauchter Gedanke geht noch dahin, das umstrittene Gebiet von Preußen loszutrennen und es zwar nicht zu einem selbständigen Bundesstaat zu erheben, son dern, ähnlich wie es 1871 mit Elsaß-Lothringen geschah, dem Reiche alsreichseigenesGebiet anzugliedern. Also eine Art Mittelding zwischen Provinz und Bundes staat. Die Auseinandersetzungen über diese Idee sind noch im Gange, sie dürsten aber fchwerlich zu einem positiven Abschluß führen. Alles in allem kann man nur sagen: An dem neuen Nachbarn, den Deutsch Oberschlesien nach dem Weggang der Interalliierten Kommission erhält, wird es ganz ge wiß keine Freude haben. Um so mehr muß es darauf bedacht sein, alle seine verbleibenden Kräfte zum Wider stand gegen die Unersättlichkeit der Polen zusammenzu halten. Lloyd Georges Friedenspläne. Poincarös Paragraphenfeldzug. Zwischen Genua und Parts wird augenblicklich «in stiller aber zäher Kampf um den Frieden in Europa auS- gefochten. Lloyd George ringt mit Aufbietung aller diplo matischen Künste mn Anerkennung für sein großes Pro gramm eines zehnjährigen Burgfriedens, PoincarS aber sucht aus den Paragraphen des Friedens- Vertrages nachzuweisen, daß sein Vorstoß gegen Deutsch land, den er in seiner Rede für den 31. Mai ankündigte, gerechtfertigt sei. Die dadurch entstandene englisch - französische Spannung wird von keiner Seite verhehlt, nur ist man in Paris be müht, ein wenig einzulenken und die Dinge nicht gleich auf die Spitze zu treiben. Lloyd George bezeichnete in einer an England gerichteten Botschaft die Rede Potncarss als eine sehr ernste Erklärung Sie sei nicht danach angetan, das Zusammenarbeiten der Alliierten zu bessern. Großbritannien sei entschlossen, zu verhin dern, daß Europa wieder ein Schlachthaus werd«. Die Londoner Blätter behaupten sogar, daß aus Anlaß der Rede Poincarös die Möglichkeit, daß sich Frank reich von der Genueser Konferenz zurückzieh«, in Genua und London eifrig erörtert werd«. Poincarö hingegen hat die französischen Pressevertreter ersucht, darauf hinzu- weisen, daß seine Äußerungen über eine etwaig« Sonder- aftion falsch ausgelegt worden seien. Frankreich ist nach seiner Versicherung entschlossen, sich strikt an den Versailler Vertrag zu halten. Nur in dem Falle, daß die Repara-ionskommission am 31. Mai ein gewolltes Ver- ' sagen von Deutschland feststellt, werde Frankreich auf > Grund des 8 17 und 18, Anhang 2 und der Wiedergut- machungsbestimmungen sich für berechtigt halten, gegebe- > nenfalls auf eigene Faust vorzugehen. Tatsächlich befindet sich Poincarö im Irrtum. Der Friedensvertrag bietet i kein« Möglichkeit für einen einzelnen der verbün- deten Staaten, für sich allein Reparationsforderungen ein- j zvtreiben. Nur ein gemeinsames Vorgehen entspricht dem Sinn und Wortlaut des Vertrages. Der europäisch^ Patt, den Lloyd George zustandebringen will, soll nach den vor liegenden Skizzen im wesentlichen «ine Übertragung des Viererveriwyes von Washington auf Europa sein. Der Tert beaium mit der Erkläruna. daß es wünfckknswert sei, den Frieden zu verstärken uwd die Entwaffnung zu erleichtern. In zwei Artikeln wird bestimmt, daß die unterzeichneten Nationen sich verpflichten, sich nicht anzugreifen, und daß im Falle einer Ver letzung des Abkommens di« Nationen sich gegenseitig ins Benehmen setzen, um den Frieden wioderherz-ustellen. Das Dokument enthalt« keinerlei Sanktionen in seiner jetzigen Form, es scheine vielmehr (so wird über Paris berichtet!) durch seine Ungenauigkeit diejenigen zu ermuti gen, die eine Revision der bestehenden Friedensverträge wünschten. Der endgültige Text des Pattes steht immer noch nicht fest. Es liegen drei Entwürfe vor, von denen der eine von Lloyd George herrührt. Der zweite stammt von Barthou und der dritte von Dr. Benesch. Die wesentlichsten Elemente dieser Entwürfe sollen in einer Entschließung verschmolzen werden. Die franzö sische Kritik an diesem Vertragsentwurf wünscht nachdrück lich, unter allen Umständen müsse das Wort „Abrüstung" ausgemerzt werden, denn diese Frage gehöre ausschließlich zu der Kompetenz des Völkerbundes. Gegenüber dem Washing toner Abkommen besteht di« wichtigst« Abänderung darin, daß die Nationen frei sein müßten, unter sich Gruppen zu bilden, im Falle daS Abkommen verletzt werde. Diese Festsetzung werde den Abschluß eines beschränkten Paktes unter den Staaten der kleinen Entente nicht verhindern oder eines Paktes, welcher mit Sanktionen versehen sei, unter der kleinen Entente, Polen, Frankreich, Belgien und wohl auch Italien. Hier erscheint also der Gedanke eines alliierten Blocks. Man glaubt deshalb, daß kein allgemeiner Pakt ohne den hier gekennzeichneten kontinentalen Patt abgeschlossen werde, und daß dieser letztere nicht ohne den französisch britischen Patt möglich sei. , Kein neue« deutsches Steuerprogramm! Die Bedeutung de« 31. Mai besteht bekanntlich darin, daß Deutschland bis dahin ein neues Steuerprogramm von 60 Milliarden beschließen soll. Ein Pariser Blatt behauptet nun, ein solches Programm sei inzwischen bereits ber ReparationS- kommission borgelegt worden. Diese Meldung ist falsch. Die deutsche Regierung befindet sich nur in ständiger Fühlung nahme mit der Reparationskommisston, und eS mag sein, daß eine deutsche Antwort Anlaß zu der Pariser Meldung go° geben hat, die aber in der Hauptsache fchlgeht, weil die deutsche Regierung natürlich keine neuen Steuern Vorschlägen konnte. Die kampflustigen Nüssen. Eine scharfe Note an Polen. Die Russen kämpfen in Genua mit einer geradezu herz erfrischenden Rücksichtslosigkeit für ihre Ansprüche, vor allem für die Anerkennung der Sowjetregierung. Nach dem die Alliierten sich Vorbehalten haben, den deutsch russischen Vertrag nachzuprüfen, und nachdem sie die deutsche Delegatton von den weiteren Verhandlungen mit Rußland ausschließen wollen, hat Tschitscherin sofort in einer sehr scharf gehaltenen Note an die Polen ver langt, daß auch Polen aus der Kommission ausscheide, die die russischen Fragen behandelt. Die Note macht Polen darauf aufmerksam, daß zwischen Polen und Rußland ein regelrechter Friedensverlrag bestehe, der Polen auf die Anerkennung der Sowjetregierung verpflichte. Tschitscherin findet es merkwürdig, daß ein Siaat, der Rußland anerkenne, das Bestreben verfolge, der russischen Regierung das Recht zu nehmen, mit anderen Staaten Verträge zu schließen. Darin erblicke die Sowjetregierung einen Eingriff in die Souveränität Rußlands. Die Polen haben bereits die Antwort auf die Note der Russen erteilt. In der Note sagt die polnische Delegation, Polen habe niemals die Sowjetregierung ohne Vorbe halte anerkannt. Andererseits sehen sich die Russen auch zur Abwehr genötigt, denn die alliierten Delegattonen wollen ihnen ein kurzfristiges Ultimatum überreichen, in welchem Antwort auf zwei Fragen ver langt wird: 1. Ob Rußland sämtliche Schulden bedin gungslos anerkennen wolle, 2. ob es für die bedingungs lose Herausgabe des nationalisierten Privateigen tums einsteheu wolle. Wan glaubt, daß dieses „Ulti matum* nicht zu einem Bruch, sondern vielmehr zu neuen Verhandlungen führen soll. , Kei» deutsch-russischer Geheimvertrag. Der Reichskanzler hat in Genua noch einmal beson ders Gelegenheit genommen, nachdrücklich zu betonen, es be stehe kein Geheimvertrag mit Rußland noch Irgend eine ge heime Klausel. Der gesamte Perttag von Rapallo sei ver öffentlicht worden. Er ist nach unserer Auffassung als Frje de n s i n st r »i m e n 1 zu würdigen, und er ist auch der erste wahrhafte Friodensvertrag zwischen zwei Völkern, die mitein ander in blntigem Ringen gestanden haben. Er macht mit der Pergmrgenhcit Mischen Deutschland und Rußland reinen Tisch. Auch Dr. Rat Henan hat Gnliche Erklärungen abge geben und dabei u. a. gesagt: »Wir haben alles getan, nm immer wieder Patts zu beruhigen. Trotz aller Opfer haben wir volles Vertrauen nie errungen! Wenn die Führer unseres Kabinetts mit ihrem ehrlichen Willen zur Er- Mung der Verträge den Beifall früherer Gegner errungen haben, so können wir doch nicht LebenSinteressen verletzen, nur um unS diesen Ruf zu erhalten."