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Nachrichten für Naunhof 32. Jahrgang Freitag, den 14. Oktober 1921 Nummer 122 Erscheint wSchentttch » «alt Dienstag. Donnerstag. Sonnabend, nach«. 4 Uhr für den folgenden Tag. vezugspreiS» Monatlich Mb. 4.—, Mk. 12.—, ohne Austragen, Post etnschl. der Postgebühren Mb. 12.75. Im Falle höherer Gewalt. Krieg, Streik oder sonstiger Störungen des Betriebes, hat der Bezieher keinen Anspruch aus Lieferung der Zeitung oder Rückzahlung des Bezugspreises. Fernruf: Amt Naunhof Nr. 2. und Umgegend (Albrechtshain, Ammelshain. Beucha, Borsdorf, Sicha, Srdmmmshaiu, Fuchshain, Groß- und Kleinsteinberg, Klinga, Köhra, Lindhardi, Pomßen, Staudtnitz, Threna nfw.) Dieses Blakt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Grimma und des Stadtrates zu Naunhof. ««zeigeupreise r Die S gespaltene Äorpuszell« S0 Pfg., auswärts 1—Mk. Amt« r licher Teil Mk. 2.-. Reklamezetle Md. 2.—. Beilagegebühr pro Sunderi Mk. 2.—.: Annahme der Anzeigen bis spätestens 10 Uhr vormittags des Lrfcheinungstages, r größere noch früher. — Alle Anzeigen-Bermittlungen nehmen Aufträge entgegen. — j Bestellungen werden von den Austrägern oder in der Geschäsisstelle angenommen. » Druck und Verlag: Güuz ck «ule. Naunhof bei Leipzig, Markl 2. Amtliches. Mm. OrtskranklnkO Grimma-Land. Die Geschäftsstelle der Allgemeinen Ortskrankenkasse Grimma-Land in Grimma, Kreuzstr. N, bleibt am Montag, de« 17. und DienStag, de« 18. Oktober d. I. wegen Reinigung geschloßen. Dringliche Angelegenheiten werden am 17. u. 18. Oktober 1921 in der Zett von 11—12 Uhr vormittags erledigt. Der Vorstand. Kleine Zeitung für eilige Leser. * Der Genfer Teilungsplan sieht vor, daß außer den Krei sen Pleß und Rybntk die Bezirke Kattowitz und Königshütte Polen zugesprochen werden und daß während einer Übergangs periode die wirtschaftliche Einheit des Landes aufrecht erhalten werden soll. * Der deutsche Botschafter in Paris hat ebenso wie der in London Vorstellungen wegen der schlimmen Folgen einer Los« reißung Oberschlestens erhoben. * Das Reichskabinett hielt mehrere Beratungen über die oberschlesische Frage ab. Die Gerüchte über Zwistigkeiten im Kabinett werden als falsch bezeichnet. * Die Regierungsparteien sind der Ansicht, daß das Kabinett bei einem ungünstigen Bescheid über Oberschlesten Voraussicht, lich zurücktreten wird. * König Alexander von Serbien beabsichtigt, aus den Thron zu verzichten. Deutschland protestiert. In Parts und tu Loudon hat der Reichskanzler Dr. Wirth durch seine dort beglaubigten diplomatischen Ver treter noch im letzten Augenblick gegen das neue Unheil, das für uns im Anzuge ist, feierlich Einspruch erheben lassen. Herr Dr. Sthamer sowohl wie Herr Dr. Mayer waren beauftragt, darauf hinzuweisen, daß nicht nur schwere wirtschaftliche Nachteile bei einer Zerreißung des oberschlestsche» Jndustriebezirkes, wie der Völkerbundsrat sie beabsichtigt, in Frage stehen, daß vielmehr unabsehbare innerpolitische Nachwirkungen die Folge sein müßten, daß das Kabinett Wirth sich kaum werde halten können und daß weder das Londoner Ultimatum noch das Wiesbade ner Abkommen, vom deutschen Standpunkt aus gesehen, aufrecht zu erhalten seien, wenn Oberschlesien uns in seinen besten Teilen verloren gehe. Die beiden deutschen Bot schafter wurden, wie man nach den Berichten aus London und Parts annehmen muß, von den Herren Curzon und Briand sehr kühl empfangen. Man hörte sie anstands halber an und ließ sie wohl ausreden, aber es wurde ihnen kurz und trocken bedeutet, daß die Entscheidung in Genf fallen werde, und daß man nicht in der Lage sei, auf sie noch irgend welchen Einfluß zu nehmen. Damit mußten die Vertreter des Deutschen Reiches sich bescheiden. Es wird also auch in diesem Falle kommen, was kom men mußte. In der Sache wird der Völkerbundsrat min destens ebenso ungerecht entscheiden, wie es vom Obersten Rat zu erwarten war. Die machtpolitischen Interessen im Ententelager sind in Genf nicht weniger wirksam zur Gel tung gebracht worden als in Paris. Der Welt gegenüber aber kann man sich darauf berufen, daß ein sozusagen zur Unparteilichkeit verpflichteter Gerichtshof die schließliche Entscheidung gefällt habe, und daß man deswegen von Deutschland beanspruchen dürfe, daß es sich dieser end gültigen Lösung des oberschlesischen Problems nun auch widerspruchslos füge. Auf diesen Ton sind auch bereits die Blätter der Entente gestimmt, die französischen aller dings ungleich schärfer als die englischen, die den Uber- > gang vom „karr pla^" Lloyd Georges zur Gutheißung französisch-polnischer Machtgelüste nicht ohne innere Wider stände vollziehen können. Aber die französischen Brüder sind schon dabei, sie nach Kräften mit Haut und Haar zu sich herüberzuziehen. Welche Töne werden heute schon im französischen Blätterwalde Deutschland gegenüber ange schlagen! Da ist der deutsche Reichskanzler, dem Herrn Briand gestern noch ausdrücklich sein Vertrauen ausge drückt hatte, aus das Niveau eines politischen Taktikers von gewöhnlichem Schlage herabgesunken, der mit er presserischen Mitteln darauf ausgehen wolle, widerrecht liche Vorteile für Deutschland zu ergattern, der nichts als Komödie spiele mit seinen Rücktrittsdrohungen, und der im Grunde nur die neue Gelegenheit benutzen wolle, um sich und sein Land von den übernommenen Erfüllungsver pflichtungen zu befreien. Wenn er sich nicht halten könne, so möge er nur ruhig gehen, man werde ihm in Frank- ! reich keine Träne nachweinen. Deutschland solle nur den Versuch machen, gegen die Entscheidung von Genf aufzu mucken, mail werde daraus einfach mit der völligen Be- setzung des Ruhrgebietes antworten, und das weitere werde sich dann schon finden. Man sieht also, im Grunde genommen, genau die glei che Methode, mit der die Franzosen operierten, als die ! Herren Simons und Fehrenbach sich dem Londoner Ulti matum widersetzten, und als vorher die Unterschrift unter das Abkommen von Spa und noch früher die Unterschrift unter den Friedensvertrag von Versailles verweigert wurde. Der Kanzler der Erfüllung findet jetzt keine bessere Behandlung, als seine Vorgänger erfuhren, und die Par teien, die glaubten, daß es Herrn Dr. Wirth gelingen werde, endgültig den Weg zur Verständigung mit Frank reich zu finden, werden heute zugeben müssen, daß sie da mit grausam enttäuscht worden sind. Nichts könnte in einem solchen Augenblick unsere Lage noch mehr verschlimmern, als wenn elender Parteistreit in diese deutsche Schicksalsfrage hineingetragen würde. Vor allem die Oberschlesier, ihre Parteien und Gewerkschaften würden es nicht begreifen und würden es niemals ver zeihen, wenn nicht das ganze Reich wie ein Mann gegen über dieser Gewalttat von Genf zusammenstehen und alles, was sonst Deutsche von Deutschen trennt, wenigstens für den Augenblick zurückstellen wollte. Dr. Wirch hat jetzt die Aufgabe, das ganze Volk für deutsches Recht, für deutsches Gut und Blut, für die deutsche Zukunft einzusetzen. Der Teilungsplan. Das Genfer Gutachten über Oberschlesien. Wenn auch die endgültigen amtlichen Meldungen Über die Beschlüsse des Völkerbundsrates noch nicht bei i der deutschen Regierung eingegangen sind, so liegt doch eine Reihe von Mitteilungen aus Genf vor, aus denen man ein ziemlich deutliches Bild der bevorstehenden Ent scheidung gewinnen kann, an dem sich leider kaum noch etwas Erhebliches ändern dürfte. Der Völkerbundsrat hat im wesentlichen die französisch-polnische These akzeptiert und empfohlen, Oberschlesien nach einer Grenzlinie aus einanderzureißen, die sich als eine Verschmelzung der ersten mit der zweiten Sforzalinie erweist. Polen erhält die Bezirke P le ß und R y b n ik, so wie weiter nördlich einige Streifen der Kreise und Königshütte mit Einschluß aller wichtigen Städte i und endlich den Kreis Beuthen. Deutschland verbleibt die Stadt Beuthen selbst, der andere Teil des Kreises Beuthen und die Kreise Glei- witz und Hindenburg. Ferner kam man zur Annahme des Sachverständigen- vorschlages, das Industriegebiet als autonomeWirt- schaftsprovinz zu konstituieren, unter polnischer Staatsoberhoheit auch über dieses Gebiet. Man hat erkannt, daß das deutsche Element nicht ausgeschaltet werden kann, wenn anders eine wirtschaft liche Katastrophe vermieden werden soll. Darum soll Deutschland sich nun dazu hergeben, während eines 6bcr- gangsregimes, dessen Dauer man auf zehn Jahre zu be messen gedenkt, den Erzieher Polens zu spielen. Wirtschaftlich bleibt das Industriegebiet un geteilt, politisch wird cs Polen zugeschlagen. Die Drei teilung kommt einer glatten Spaltung des oberschlestschen Landes gleich. * Der Grundfehler des Beschlusses. Die Eigentümlichkeit des für Deutschland unerträg lichen Genfer Beschlusses liegt in der Trennung der poli tischen und der wirtschaftlichen Bestimmungen. Die Poli tische und die wirtschaftliche Grenze fallen nicht zusammen. Hinzu kommt, daß für eine Übergangszeit eine Art selbst ständiger Miniaturstaat geschaffen wird. Dieses Ergeb nis erklärt sich aus der Methode, nach der es gefunden wurde. Der Völkerbundsrat ist nicht von vornherein bei der Aufstellung seiner oberschlesischen Pläne gleichzeitig von politischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausge gangen. Er hat vielmehr damit begonnen, unter rein politischen Gesichtspunkten eine Teilung des oberschlesischen Industriegebietes vorzunehmen. Dann erst ist das fertige politische Projekt an die beiden wirtschaft lichen Sachverständigen des Völkerbundsrates mit dem Auftrage übergeben worden, sich gutachtlich darüber zu äußern. Beide kamen nach kurzer Prüfung zu dem Ergeb nis, daß diese politische Aufteilung wirtschaftlich eine Unmöglichkeit darstelle. Sie haben dann vorgeschlagen, ein besonderes Wirtschaftsgebiet Oberschlesien zu schaffen, das aus dem bisher-zu Deutschland gehörigen oberschlesischen Industriegebiet und dem angrenzenden polnischen Kohlen becken sich zusammensetzt. Dieses neue Gebilde soll die deutsche Währung behalten, seinen Anteil an der Repa ration tragen und eine wirtschaftliche Generalverwaltung erhalten, die aus je einem Tschechoslowaken, Polen und Deutschen besteht. Diese Grundlagen für die Entscheidung des Völker bundsrates sehen also nicht einen Ausgleich der politischen Interessen gegenüber der wirtschaftlichen Notwendigkeit vor, sondern stellen ganz unvermittelt eine politische Tei lung und eine wirtschaftliche Zusammenfassung nebeneur- ander. Die Veröffentlichung. Es ist wahrscheinlich, daß der Völkerbundsrat seine Ent scheidung in der oberschlesischen Frage den alliierten Regie rungen am Donnerstag mitteilen wird. Diese werden die Ent scheidung noch einige Tage lang geheimhalten, um der Inter alliierten Kommission zu ermöglichen, alle zweckdienlichen Maß nahmen vor der Bekanntmachung der Grenze zu ergreifen. Man glaubt nicht, daß vor Beginn der nächsten Woche die Haupt mächte, die im Obersten Rat vertreten sind, die Entscheidung Polen und Deutschland durch Briand bekanntgeben werden. Wie es heißt, ist der englische Delegierte, Lord Balfour, entschlossen, noch einmal zu den prinzipiellen Fragen der Ent scheidung Stellung zu nehmen. Es kann also mti einer er- «t-rrögerung der letzten Beratungen gerechnet werden. Regierungskrisis. Die Folgen der Genfer Beschlüsse. Obwohl naturgemäß vor dem Eintreffen fester und endgültiger amtlicher Nachrichten über die Völkerbunds beschlüsse auch noch keine Beschlüsse der deutschen Regie rung in bezug auf die Folgerungen gefaßt werden können, die aus einem eventuellen Verlust wichtiger Teile Ober schlestens gezogen werden müßten, so befinden wir uns doch bereits mitten in dem Zustande, den man als Regie rungskrisis zu bezeichnen Pflegt. Das Reichskabinett hat mehrere Sitzungen hintereinander abgehalten, und es kann bereits jetzt als ziemlich sicher angesehen werden, daß bei einer ungünstigen Genfer Entscheidung das Kabinett zurücktritt, da es dann die Erfüllung des Wiedergutmachungsulttma- tums nicht übernehmen zu können glaubt. Der Reichskanz ler hat bereits mit den sozialdemokratischen Parteifiihrern die Frage seiner Demission besprochen. Für und gegen. - Blätterstimmen zur Regterungskrisis. Die im Anschluß an die Genfer Beschlüsse sofort auf-' getauchten Meldungen von den Rücktrtttsabsichten der Regierung finden in der öffentlichen Meinung tztne sehr geteilte Aufnahme. Die parteioffiziöse Z e n 1 r u m S - Parlamentskorrespon denz schreibt: „Das Kabinett Wirth hat alles getan, um die dem deutschen Volke auferlegten Verpflichtungen zu erfüllen und damit in der Praxis den Willen zur Erfüllung zu beweisen. Die Wegnahme Oberschlesiens in dem ganzen Umfange, der ge- plant scheint, erschüttert diese ganze Politik. Mit dem Sturz des Kabinetts Wirth wäre aber auch die Koalition selbst kaum noch aufrecht zu erhalten, wenigstens nicht mit einem Er füllungsprogramm/ - Die Sozialistische Korrespondenz ist gleichfalls der Ansicht, daß bet einer Abtrennung Oberschlestens von Deutsch land das Ultimatum vom 10. Mai d. I. nicht mehr zu er füllen sei. > In der den Demokraten nahestehenden Vossischen Zeitung wird darauf hingewiesen, daß für die Regie rung jetzt ganz und gar kein Grund zum Rücktritt bestehe, daß sie im Gegenteil gerade jetzt am Ruder bleiben müsse. Es sei unter den gegebenen Umständen die politische Pflicht des Reichskanzlers, selbst im Falle einer ungünstigen Ent scheidung des Völkerbundes auf keinen Fall seine De mission zu geben, ohne das Parlament befragt zu haben. Es komme dabei in Betracht, daß ine Entscheidung des Völkerbundes, ja selbst die Entscheidung des Obersten Rates, keineswegs von Deuffchland widerspruchslos hin genommen werden braucht, da sie nicht dem Friedensver trag entsprechen würde. Einen ähnlichen Standpunkt nimmt die unabhängige Freiheit ein. Diese sagt: „Wie glaubt man es denn überhaupt verantworten zu können, die Regierung in eine Krise zu stürzen, also handlungsunfähig M machen in dem Moment, wo sie umgekehrt mit größtem Nachdruck handeln müßte? Es ist rein dekorative Politik, die da wieder ein mal getrieben wird. Es ist zugleich auch unverantwort liche Politik." Der Widerhall von Genf. Proteste und Parteimeinungen. Im ganzen Reiche haben die Nachrichten von der Ent scheidung über Oberschlesien tiefste Empörung hervorge rufen. Der Deutsche Ausschuß für Oberschlesten hat ein Telegramm an den Reichskanzler gesandt, in dem erklärt wird: Das Zentrum, die demokratische und die sozialdemo kratische Partei Oberschlesiens haben von sich aus dem Reichskabinett ihren Standpunkt selbständig dargelegt, daß sie ein Verbleiben ihrer Parieivertreter im Kabinett einer solchen Entscheidung gegenüber für undenkbar halten. So denkt aber auch der Deutsche Ausschuß in seiner Gesamt heit, in dem in völliger Einnigkeit alle deutschen Parteien, Gewerkschaften und sonstigen ständischen Körperschaften Oberschlesiens vertreten sind. Wir fordern unser Recht, wir fordern aber auch von dem Reich, daß es unser Recht verfechte. „Reichskanzler werde hart! Wir find hart!" Die in der sozialdemokratischen Pattei Oberschlesiens or ganisierten Mitglieder stellen in einem besonderen Telegramm an den Vorstand das dringende Ersuchen, die sozialdemokra tischen Mitglieder der deutschen Reichsregierung zu beauftra gen, bei einer für Deutschland ungünstigen Entscheidung in der oberschlestschen Frage ihre Ämter im Reichskabinett niederzu legen. Auch aus anderen Patteilagern, so von den Deutschnatto nalen, dem Zentrum und den Demokraten sind flammende Protesttelegramme beim Reichskanzler eingegangen. Die Stadt Breslau ruft ihre gesamten Einwohner angesichts der großen Beunruhigung durch die Genfer Nachrichten für Freitag zu zwei großen Kundgebungen auf. politische Rundschau. Deutsches Reich. Die Umsatzsteuer im Reichswirtschastsrat. Bei der Beratung der neuen Umsatzsteuer im Repa- rationsausschuß des Reichswirtschaftsrates wurde eine völlige Umaestaltung der Luxussteuer gefordert. Der