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Allgemeiner Anzeiger : 28.12.1907
- Erscheinungsdatum
- 1907-12-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190712287
- PURL
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19071228
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- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1907
-
Monat
1907-12
- Tag 1907-12-28
-
Monat
1907-12
-
Jahr
1907
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 28.12.1907
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X Gin flüchtiger Mörder in Frauen- Neider«. 300 Marr Belohnung hat die Staatsanwaltschaft in Stettin auf die Ergreifung des Mörders des ZigeuKrs Jersch ausgesetzt. Der Flüchtige wird in dem Steckbrief mit Max Blum bezeichnet. Seine stleidung soll angeblich aus einem graubraunen Jackettanzug bestehen, doch sind der StaatSanpaltschaft Mitteilungen gemacht worden, daß del. Mörder möglicherweise auf der Flucht FrauenWder angelegt hat. X 8i«e geheimnisvolle Höhle wurde dieser Tage gelegentlich einer Jagd tief im Waldesdunkel bei ClosMtz aufgefunden. An fänglich glaubte man, daß die wohnlich einge richtete Höhle einem Spitzbuben als Schlupf winkel oder einem Murmenschen als Aufent- Haltsort diene. Jetzt st das Rätsel gelöst wor den. Mehrere 14 jihrige Schulknaben aus Jena, die im Stuitum der Jndianerliteratur etwas Tüchtiges leisten und eine gute Phan tasie besitzen, haben sich den „Wigwam" zu rechtgebaut und ihn -M benutzt, nach Schluß des Schulunterrichts die „Friedenspfeife" kreisen zu lassen. Nun istihnen das Vergnügen da durch entzogen wordü, daß man die dicht um die Höhle stehenden Achten gefällt hat. X Gin „Jagdstsloh" ans anSrangierten Eisenbahnwagen. Eine praktische und zugleich einfache Wohnung Pben sich einige Hamburger Jagdpächter auf ihM Jagdterrain bei Holvede geschaffen; sie hakst drei ausrangierte Eisen bahnwagen in ein »Jagdschloß" umgewandelt. Die Räder sind wemenommen, die Wagen ruhen auf starken EisenbAlen. Nach Entfernung der Bänke wurde jeder Wagen in der Mitte durch geschoren und so in Wohnstube und Kammer verwandelt. Die Lücken, wo sich die Platt formen befanden, ind mit Bretterverschlag der- sehen und dienen lls Küche, über der. «Tür ist ein Hirschgeweih ^gebracht, und so macht das Ganze, umgeben von hohen Buchen, einen netten Eindruck, kin ähnliches Jagdhaus ist an dem Wege nach Overstorf errichtet. Dte Münchener Schieflaffäre, bei der der Student Fiedrich Moschel von einem Schutzmann durö einen Revolverschuß getötet wurde, hat in ds bayrischen Hauptstadt großes Aufsehen hervorlerufen. Wenn Moschel auch, was nachgewieset ist, ein Alkoholiker war, der infolge übermäßigen Trinkens wiederholt Tobsuchtsanfällel ausgesetzt war, so wird doch anderseits das Vorgehen des Schutzmannes als übereilt scharf gmißbilligt. Die Presse gibt der allgemeinen Mpörung darüber Ausdruck, daß durch das voreilige Schießen des Schutz manns unnötigerweise ein Menschenleben ge- opfert wurde. X Et« schwerer Unfall, dem zwei Menschenleben zum Opfer sielen, ereignete sich am Neubau der Gasfabrik in Kehl. Infolge des durch Rachreif schlüpfrigen Daches stürzte der 24 Jahre «lte Maler Scheck, der am Kamin mit Anstreichen beschäftigt war, in einer Höhe von 15 Meter ab und fiel dabei auf den unten stehenden 51 jährigen Maurer Roß, dem das Genick abgesBagen wurde, so daß auf der Stelle der Tod eintrat. Der Maurer selbst brach bei dem Fall einen Arm und mehrere Rippen und erlitt außerdem schwere Kopf verletzungen, denen er nun im Krankenhause er legen ist. Uber den Räuber der Artillerie-Regi- mentstasse in Wie« hat die Polizei bis jetzt wenig in Erfahrung bringen können, doch hält man an der Vermutung fest, daß es sich um den am 6. September vom Artillerieregiment Nr. 6 desertierten Verpflegungsofstziers - Stellvertreter Goldschmidt handelt. Die Polizei hat erkundet, daß der Räuber im Arsenal eine Wohnung in der Blattgasse besaß, die er kurz vor dem Raub der 28000 Kronen gemietet hatte, ohne seinen Namen zu nennen. Mittags, nachdem er den Raub ausgesührt und das Geld auf der Spar kasse erhoben halte, kehrte er in die Wohnung zurück und sagte seiner Wirtin, er müsse versetzte Sachen auslchen, und blieb den ganzen Nach- mutag weg. Als er um 6 Uhr abends zurück- kehrte, sagte er, der Chef habe ihm eine Filiale anverlraut, er müsse unversäumt avreifen, be zahlte die Wohnung für eine Woche und bestieg einen Einspänner, der jeooch noch nicht festge stellt ist. Die Polizei hält an ihren/Äerdacht fest, daß der Täter jener Goldschmidt sei, der seinerzeit 5400 Kronen veruntreute und nach Deutschland flüchtete, in Mannheim wegen Vagabondage vier Tage Arrest bekam und dann ausgewiesen wurde. Merkwürdig ist die Kalt blütigkeit, mit der sich der Räuber zwei Offi zieren vom Dienst vorstellte; die größte Frech heit war aber die Erhebung des Geldes an der Sparkasse, da jeden Augenblick vom Arsenal telegraphiert werden konnte. Ei« Feuerwehrstreik droht der ungari schen Hauptstadt, wenn die Bitten der Feuer wehrmänner um Gehaltsaufbesserung nicht er hört werden. In der hauptstädtischen Magistrats sitzung wurde eine Denkschrift sämtlicher Feuer- wehren verlesen, in dem sie ankündigen, fall« bis zum 1. Januar keine Gehaltserhöhung er folgen sollte, daß alle Feuerwehrleute den Dienst verweigern werden. Sie wollen zunächst 30 Tage hindurch bei keinem Brande mitwirken und später, wenn alles nicht zum Ziele führt, einen allgemeinen Streik beginnen. 00- Et« weiblicher Ztgennerprimas. Daß Frauen sich der edlen Musika widmen, ist gewiß nichts Neues, daß aber eine Vertreterin des zarten Geschlechts sich eine Zigeunerkapelle zusammensetzt, an deren Spitze sie sich stellt, darin ist Fernande Berzcenyi in Budapest die erste. Sie hat das Konservatorium und dte Musikakademie absolviert und wollte eine Damenkapelle aus Zigeunerinnen gründen, mangels „Materials" wählte sie jedoch braune Burschen, deren Chef sie jetzt ist. Und so können wir uns denn auf die Nachricht gefaßt machen, daß irgend ein reicher Aristokrat mit ihr „durchgehen' wird. 00- Der Waldmensch von Brüssel. Seit einigen Tagen sind die Bewohner eines Brüsseler Vorortes infolge einer geheimnisvollen Entdeckung in Aufregung. In den Waldungen sah man auf den Bäumen von Zweig zu Zweig rutschend ein eigentümliches Lebewesen. Die Polizei schritt ein und fand einen verwilderten Menschen, ganz nackt, hurtig wie ein Affe, der in das Dickicht des Waloes entfloh. Zwei Tage später fand man ihn in einer Scheune, in die er sich vor Angst am Waldessaum ver krochen hatte, fast verhungert. Er gleicht einem Orang-Utang; aut Befragen antwortete er mit unartikulierten Lauten, und als ersah, daß man ihm nichts Böses antun wollte, verzehrte er die ihm dargereichten Brotstücke mit wahrem Heiß hunger. Halb Memch, halb Tier, besitzt er 60 Zentimeter langes Haar, kolossalen Bart wuchs, lange Nägel und gräßlich eingefallene Augen. Sprechen scheint er nickt zu können, nur einzelne Töne und Schreie fäßt er hören. Am Halse trägt er eine Silberlette mit einer Medaille, auf dec die Inschrift: Mygräen" zu lesen ist. Das ist der Name einer norwegischen Barke, die vor ungefähr 15 Jahcen Schiffbruch litt und unterging, von der Mannschaft fand man nie eine Spur. Eine Kopftarbe läßt ver muten, daß der Unglückliche dirch eine Ver letzung den Verstand verloren hat und seit Jahren in den Wäldern lebt. Er wurde in ärztliche Behandlung genommen. ZU dem Raubmord im Schnellzug Rom-Ancona wird noch folgerdes berichtet: Das Verbrechen wurde entdeckt, als der Zug gegen 3 Uhr nachts in Folignr hielt. Ein neuer Fahrgast, der einen Wager, erster Klasse besteigen wollte, sah das Opfer, einen älteren, elegant gekleideten Herrn, in seinem Blute auf dem Polstersitz liegen. In seinem linken Auge stak ein Dolch; außerdem wies die Leiche Stiche im Hals und der Herzgegend auf. Uhr, Brief- tasche und sonstige Wertgegenstände waren ge raubt bis auf einen kostbaren Brillantring an der Hand. Uber die Person des Toten war bisher nichts zu erfahren; doch hält man ihn für einen Norditaliener, da Anzug, Hut und Wäsche die Zeichen Veroneser Geschäfte tragen. Bemerkenswert ist, daß die Personen, die im Nebenabteil reisten, von der Blutrot nicht das geringste merkten. Auf derselben Strecke wurde vor ungefähr einem Jahrzehnt auch der Bischof von Foligno auf entsetzliche Weise ermordet und beraubl. 00? Wie man den Schlaf herbeiführt. Wie viele unsrer Mitmenschen klagen über Schlaflosigkeit, nehmen diese oder jene Mittel ein und können dennoch nicht zu der ersehnten Ruhe kommen. Da dürste es interessieren, die Lehre des italienischen Mediziners Dr. Girolfo zu hören, der zur Beseitigung des Ubelstandes die Medizin ganz ausgeschaltet hat und durch Mittel ersetzt, die erstmals absolut nichts schaden können, den Vorzug der absoluten Billigkeit haben und dabei von jedem zu probieren sind. Er führt den Schlaf durch mechanische Müdig keit herbei. Auch uns ist es bekannt, daß man durch Herunterzählen einer langen Zahlenreihe event. Müdigkeit erzeugen kann, aber das System ist uns meist zu unbequem. Nach Kirolfos Angaben erzeugt die Wirkung des Schlotes nichts besser, als das Lesen langer Statistiken, z. B. das ausführliche Studium eines Börsenzettels. Ist dieser nicht zur Hand, so nehme man das Buchverzeichnis einer Leih bibliothek und lese darin solange bis — Er schlaffung eintritt, und das soll nach Aussagen des italienischen Doktors nicht lange dauern. Auf alle Fälle kann man's ja versuchen! OOr Die Automobilhuppe als Lebens- retter. Man wird sagen, die Automobilhuppe existiere deshalb, um die Passanten vor einer Gefahr zu warnen, und so habe sie schon vielen das Leben gerettet. Hier handelt es sich aber um einen eigenartigen Fall, der einem Automobil besitzer, hauptsächlich aber seiner Idee, alle Ehre macht. In Calvadas waren 43 Frauen und 10 Männer zum Krabbenfang ausgezogen, hatten 'ich, die Ebbe benutzend, etwa 4 Kilometer vom Land entfernt, als die Flut eintrat, ein mittler weile eingetretener Nebel sie jedoch verhinderte, den Rückweg zu finden.. Unter stetigem An wachsen des Wassers irrten sie ziellos umher. Als Kommandant Frestel hiervon Mitteilung erhielt, fuhr er mit seinem Auto an den Strand und gab fortwährend mit der Huppe Signale, die wie eine Sirene fortgesetzt ertönten. Die Äraabenfänger folgten der Richtung der Signale und gelangten so alle wohlbehalten an Land. Hätte die Hilfe später eingesetzt, wären sie alle verloren gewesen. Gericblskatte Frankfurt. Der sechzehnjährige Bureaudiener Anton Johann Rinkler und der Ausläufer Jakob Müller haben im Juli und August in einem Luxus- Warengeschäft auf der Kaiserstraße, wo sie in Stellung waren, für 1500 bis 2000 Mark Waren gestohlen. Ein großer Teil dieser Sachen wurde von zwei Schlossern in Kreuznach beim Hausier handel versilbert, bis dort ihre Verhaftung erfolgte. Außer diesen vier Angeklagten sind noch weitere acht Personen in die Affäre verwickelt, die sich der Hehlerei oder der Begünstigung schuldig gemacht haben sollen. Das Gericht verurteilte Rinkler und Müller zu 6 Monat bezw. 1^ Jahr Gefängnis. Acht Angeklagte erhielten wegen Hehlerei oder Be günstigung zwei Monat bis zwei Jahr Gesängnis, zwei wurden freigesprochen. HZ Hagen 1. W. Ein Automobilbesitzer F. war wegen Zuwiderhandlung gegen eine Oberpräsidial- verordnung angeklagt und sowohl vom Schöffen gericht als auch von der Strafkammer verurteilt worden, weil er eines Abends bis gegen 10 Uhr mit einem Automobil vor einem Hotel hielt, ohne daß das Hintere Kennzeichen an dem Kraftfahrzeug beleuchtet war. F. betonte, das Kennzeichen sei von einer Laterne des Hotels, in welchem er sich aufge halten habe, so hell beleuchtet gewesen, daß jeder mann das Kennzeichen deutlich sehen konnte. Die Vorinstanzen nahmen aber an, daß F. selbst sein Fahrzeug vorschriftsmäßig beleuchten mußte: auf die Beleuchtung durch die Hotellampe durfte er sich nicht verlassen. Gegen seine Verurteilung legte F. Revision beim Kammergericht ein und bestritt, sich strafbar gemacht zu haben; das Kennzeichen sei ausreichend beleuchtet gewesen. Das Kammergericht wies jedoch die Revision zurück, da die Vorent scheidung ohne Rechtsirrtum ergangen sei. Das Kennzeichen mußte während der Dunkelheit be leuchtet werden. Die Dunkelheit liege dann vor, wenn das Tageslicht fehle. F. sei verpflichtet ge wesen, das Kennzeichen selbst zu beleuchten; der Umstand, daß der Mond hell scheine, oder die Straßenlaternen hell brennen, könne den Aulo- mobüfahrer mA von der Verpflichtung befreien, sein Fahrzeug selbst zu beleuchten. X Straßburg i. E. Anonyme Briefschreiberei beim MiUtär lüyrte den Unteroffizier Hermann Pokörn vom Fnsantcrie-Rcgüumt Nr. 60 vor Las Kriegsgericht. In den Briefen hatte sich der Ang» klagte der verleumderischen Beleidigung seines Kon paniecheks schuldig gemacht. Das Urteil lautete al sechs Monat Gesängnis und Degradation. bingeborenenpolitik inl Süäwestafrika geben die im ,Kol.-Blatft erschienenen Verord-^ nungen des Gouverneurs, die sämtlich noch! Herrn Unterstaatssekretär v. Lindequist zul danken sind, die neue Unterlage. Sie betreffend 1) die Dienst- und Arbeitsverträge mit den Eingeborenen, 2) Maßregeln zur Kontrolle der Eingeborenen, 3) Die Paßpflicht der Einge borenen. Wie schon früher einmal hier her vorgehoben, entsprechen die Verfügungen den Wünschen, die ein großer Teil der Farmer schaft schon vor dem Ausstand hegte. Die erste Verordnung verlangt Einführung von polizeilich ausgestellten Dienstbüchern bei Abschluß von Dienstverträgen. Hierdurch soll wohl vor allem vermieden werden, daß weggelaufene Arbeiter, die sich schon zu einem Dienst verpflichteten, wieder andern Dienst aufnehmen. Bei zu großer Entfernung tritt an Stelle des Dienst buches ein schriftlicher Vertrag zwischen Arbeit geber und -nehmer. Die Verträge dürfen über keinen längeren Zeitraum abgeschlossen werden als ein Jahr. Die Bedingungen für Entlassung oder Aufhebung des Dienstvertrages sind fast genau unsern europäischen Verhältnissen ent nommen. Wenn man dagegen einwendet, daß dies die Durchführung der Bestimmung er schweren wird, so muß darauf hingewiefen werden, daß der Grundgedanke jedenfalls durch aus human und erzieherisch ist, und daß ferner das Zusammenwirken aller drei Verordnungen die Durchführung selbst in entlegeneren Teilen ermöglichen wird. Durch die zweite Verordnung werden Grund- und Viehbesitzrechte der Einge borenen sestgelegt. Gerade aber durch die An lage der hier vorgesehenen Eingeborenenlisten wird der Eingeborene zur Bodenständigkeit er zogen und seine Kontrolle erleichtert, wenn er sich nach auswärts als Arbeiter verdingt. Die dritte Verordnung betrifft den Paßzwang. Und auch hierin liegt eine wohltuende Maßnahme zur baldigen Hebung der Sicherheit im Lande. Dem arbeitsamen und friedliebenden Einge borenen wird dieser gelinde Zwang ebenfalls nur zum Vorteil gereichen, da er alsdann nicht in Verdacht kommen kann, sich an Viehdieb- stählen usw. beteiligt zu haben. Kurz wir können diese Verordnungen als einen kulturellen Fortschritt in der Eingeborenenerziehung be trachten und nur hoffen, daß auch in andern unsrer afrikanischen Kolonien das System von „humaner Strenge" als das richtige bei der Eingeborenenerziehung erkannt wird. Kumes Allerlei OOr Heroismus im Marokkoseldzug. Uber den'Heroismus eines Soldaten hat der General Drude an einem der letzten Tage in einem Tagesbefehl Erwähnung tun taffen. Der Fall hat viele Ähnlichkeit mit ungefähr gleichen Begebenheiten im deutsch-sranzösfichen Feldzug und verdient deswegen verzeichnet zu werden. Der Führer einer Truppe afrikanischer Jäger kam bei einem der letzten Gefechte dadurch zu Fall, daß ihm das Pferd unter dem Leibe wegge- schosien wurde. Dies bemerkte ein Soldat seiner Truppe, er stieg sofort von seinem Pferde, führte es seinem Kommandanten mit den Worten: „Man wird Sie nötiger brauchen, wie mich" hin und half ihm noch aussitzen. Der Offizier trabte davon, doch wenige Minuten später mußte der brave Soldat sein Leben lassen, er wurde von der nachstürmenden Kavallerie überritten und zermalmt. Loch den Offizier traf keine Kugel. General Drude hat den Angehörigen aus eigenen Mitteln ein erhebliches Geldgeschenk übermitteln lassen. ä ErfahrungSsatz. Vater: „Sag' mal, Sohn, ich denke, du studierst, und gleich bei meinem ersten Besuch finde ich dich in der Probierstube?" — Student: „Na, Papa, pro bieren geht doch über studieren I" zimmer. Die andern Damen solgten dem vor anschreitenden Paar. Auch in dem mit ge schnitzten Eichenmöbeln ausgestatteten Speise zimmer war alles aufs gediegendste eingerichtet. Nur der Diener, der noch nicht lange engagiert war, machte einen etwas bäuerlichen Eindruck und schien die Kunst des Servierens noch nicht be griffen zu haben. Die Frau Rat und auch Ema und Klara hatten sich zwar die erdenk lichste Mühe gegeben, sie ihm beizubringen, aber bis jetzt wenig Erfolg damit gehabt. Heute hatte der Ärmste nun vollends keinen guten Tag. Seine neugierigen Blicke hingen unausgesetzt an seiner neuen Herrin. So eine schöne Frau haste er noch nicht gesehen, so jung wie sie aussah l Besonders wenn sie lachte, war sie ganz bezaubemd. Soeben lächelte sie. Brandhorst hatte ihr zugeflüstert: „Der arme Franz ist Herste ganz und gar verwirrt, nächstens wird er dir die Sauce über das Kleid schütten." „Er wird schon noch geschickter werden," versetzte Leska. „Bei dem ist alle Liebesmüh umsonst," rief aber Klara, als Franz das Zimmer verlassen. „Wir haben alles versucht zu seiner Ausbildung, aber gegen solches Ungeschick kämpft man ver gebens." »Ich möchte überhaupt wissen, wozu der Mensch da ist," begann Fräulein Martha jetzt. »In jedes vomehme Haus gehört ein Diener!" erklärte jedoch ihr Bruder kurz und ärgerlich. »So ist unser Haus jetzt vornehmer wie! früher, das wußte ich noch nicht!" entgegnete Martha schnippisch. „Nun, dann weißt du es jetzt! Man muß überhaupt fortschreiten mit der Zett, besonders wenn man die Mittel dazu hat," entgegnete Brandhorst energisch. „Und eine kindische, junge Frau besitzt, die dich ganz zum Narren macht," dachte die un willige Schwester, und ließ ihre glühenden Blicke auf Leska ruhen, die sich jetzt ganz der süßen Speise widmete. Jetzt schaute sie auf imd lächelte der Schwägerin freundlich zu. Eine andre hätte dieses Lächeln entwaffnet, Fräulein Martha aber schien für all den Liebreiz der jungen Frau kein Verständnis zu haben, und sah in dieser nur den unliebsamen Eindringling, der sie aus ihren Rechten un Hause verdrängte. „Den armen Franz würde ich unter meine Fittiche nehmen und ihn anlernen," erklärte Leska jetzt mit komischer Würde. „Ich besitze sicher die nötige Geduld dazu." „Willst du auch die Köchin anlernen und das neue Hausmädchen?" fragte Martha spöttisch. „Warum nicht? Traust du mir das nicht zu?" „O, die Köchin versteht ihre Sache," nahm die Frau Rat jetzt das Wort. j,Das meine ich auch," stimmte ihr Schwieger sohn bei, „das Essen war ausgezeichnet." „Sie wirtschaftet nur etwas sehr aus dem vollen," warf Martha dazwischen, „Herr Gott, was hat der Haushalt in den letzten Wochen gekostet!" „Das ist meine Sache, denke ich," erwiderte Brandhorst gereizt und hob die Tafel auf. Er begab sich dann hinüber nach den Glas hütten, und Leska zog sich mit den Schwestern zu einem Plauderstündchen in ihr Zimmer zurück. „Du fühlst dich nun wohl schon ganz als reiche Frau, die sich keinen Wunsch mehr zu versagen braucht?" fragte Klara die Schwester. „Schnell genug gewöhnt man sich wenigstens daran," sagte Leska, „aber das laßt euch ge sagt sein: Das Höchste, was ein Mädchen er ringen kann, ist es nicht, und die Wünsche schweigen auch nicht, die unerfüllbaren, meine ich l" Sie sprang auf und lief in dem Zimmer hin und her, am Fenster blieb sie dann stehen. Der Mond war aufgegangen und in seinem blassen Lichte machte die Landschaft draußen einen ernsteren, melancholischeren Eindruck als am Tage. Leska war eS plötzlich, als hätte sie daS alles schon einmal im Traume gesehen, diese mit den dunklen Tannen be wachsenen Berge, das kalte klare Mondlicht darüber, und dort wett unten im Tale das Haus, das dort so weltabgeschieden zwischen hohen Bäumen lag, gleich einem Zufluchtsort für westmüde Menschen. Unverwandt starrte sie auf dieses Haus, ihr war es, als wellte in dem selben ein Menschenschicksal, ein Menschen leben, das sich dorthin vor den Enttäuschungen der Welt geflüchtet hätte. Oder war es ihr eigenes Schicksal, einsam zu sein im Herzen? Da trat ihr Mann in das Zimmer. „Willst du die Glasbläser sehen?" fragte er. „Es ist gerade sehr interessant heute abend in den Hütten." Sein Angesicht leuchtete förmlich, so hatte ihn Leska auf der ganzen Reise kaum gesehen. Seine Werke, die Glashütten und alles, was damit zusammenhing, das war ja sein Element, darin ging er auf. Sie mußte schon versuchen, als seine Gattin auch einiges Interesse dafür zu zeigen, der Zauber der Mondnacht war ohnedies mit Brandhorsts Eintreten ver flogen. Und als sie nun mit Brandhorst, Erna und Klara, die sich auch angeschloffen, in der Glas hütte stand, wo die Feuer glühten und die Glasbläser die glühende Masse den Kesseln ent nahmen, bliesen und formten und all die zier lichen Gegenstände daraus entstanden, da ging ihr auch einiges Verständnis auf über die Macht der großen vaterländischen Industrie, die einen Teil des Weltmarktes beherrschte und auch in diese füllen Berge eingedrungen war. Ein ordentlicher Respekt erfaßte sie ihrem Manne gegenüber, der dies alles hier beherrschte und alles leitete. Mit welcher Ehrfurcht die Arbeiter alle zu ihm aufsahen. Gleich einem Herrscher stand er da in dem roten Feuer schein. Der Ausdruck seines Gesichts war so kühn, so energisch, förmlich durchleuchtet von dem festen, alles beherrschenden Willen. Mit diesem Willen hatte er auch sie gezwungen, fein Weib zu werden, ohne zu fragen, ob sie ihm die rechte Liebe entgegenbrachte. — O, daß sie ihn doch noch lieben lernen könnte! Dann wäre ja ein Alp von ihrem Herzen ge nommen. s u (Fortsetzung jolgt.»
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