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Allgemeiner Anzeiger : 04.12.1907
- Erscheinungsdatum
- 1907-12-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190712049
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19071204
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- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1907
-
Monat
1907-12
- Tag 1907-12-04
-
Monat
1907-12
-
Jahr
1907
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 04.12.1907
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pottti-cde Kunäkekau. Deutschland. * Wie aus Higcliffe, dem Aufenthaltsort Kaiser Wilhelms an der SüdMe Eng lands, gemeldet wird, ist das Befinden des Kaisers ausgezeichnet. Alle Folgeerscheinungen des Katarrhs sind verschwunden und der Fuß, den der Monarch bei der Jagd in Windsor leicht verstaucht hatte, ist wieder völlig geheilt. * Der Großherzog von H e s s e n hat anläßlich seines Geburtstages 25 Strafgefangene der hessischen Strafanstalten begnadigt. Zwölf weitere Sträflinge wurden bedingungs weise entlassen. * Anläßlich des Todes des demokratischen Nbg. Friedrich Hautzmann in Stuttgart hat auch KönigWilhelm von Württem berg der Familie seine Teilnahme aussprechen lassen. *Der Bundesrat hat dem Gesetzent wurf über die Handelsbeziehungen zu England zugestimmt. *Jn den Anschaffungskosten der neu geplanten Schlachtschiffe wird sich eine Preissteigerung bemerkbar machen, da M die bisherigen Anschlagsummen von je 86 Millionen Mark als zu klein erwiesen haben. Die Bauausführung der neuen Schiffe wird sich auf je rund 40 Millionen Mark stellen. Die Verteuerung wird mit einer Erhöhung der Materialpreise und durch die Verstärkung der allgemeinen Gefechtseigenschasten begründet. * Uber das Eingeborenen-Recht in den überseeischen Besitzungen hat der Wirk!. Legationsrat Dr. v. Jacobs, Vortragender Rat im Reichskolonialamt, auf seiner Reise nach London und Paris reiches Material gesammelt. Nach Bearbeitung desselben wird eine Kommission einberufen werden, die auf Veranlassung des Staatssekretärs Dernburg auS Reichstagsabgeordneten und wissenschaftlichen Mitgliedern unter Vorsitz des Prof. Kohler ge bildet worden ist. * Gerüchtweise verlautet, daßFürstEulen- burg bei der Staatsanwaltschaft den Antrag ge stellt bat, gegen Iustizrat Bernstein und Maximilian Sarden die öffentliche An klage wegen Beleidigung zu erheben. Die Staatsanwaltschaft hat diesem Anträge Folge gegeben. Die beiden Beschuldigten sollen in ihrem Plaidoyer im Moltke-Harden- Prozetz mit bezug auf den Fürsten Eulen burg Ausdrücke gebraucht haben, die nach der Anstcht der Anklagebehörde geeignet sind, die Ehre des Fürsten Eulenburg zu schädigen. "In der Reichstagsersatzwahl, die im Wahlkreis Daun-Prüm-Bitburg für den verstorbenen Zentrumsabgeordneten Dasbach stattfand, wurde der Kandidat des Zentrums, Erbprinz zu Löwenstein mit großer Mehrheit gewählt. *Jn der Zweiten badischen Kammer erklärte Finanzminister Honsell, es sei unbedingt notwendig, datz die Finanzen desReiches endlich auf sichere Füße gestellt würden. Baden werde wie alle übrigen Bundesregierungen das Seinige dazu beitragen. Österreich-Ungar«. *Jm österreichischen Abgeordnetenhause kam es gelegentlich der Debatte über die Lebens mittelteuerung wieder einmal zu wüsten Lärmszenen. Nach Wiederherstellung der Ruhe brachte der Obmann des Polenklubs Glombinski die vreu bische Ostmarken- politik zur Sprache. Auf eine Anfrage er widerte Präsident Weitzkirchner, der den Redner trotz schärfster Ausdrücke nicht zur Ordnung rief, er müsse an dieser Stelle mit seinem Urteil über das Vorgehen der Preuß. Regierung zurück- halten. Seiner Ansicht nach hätte aber der österreichische Ministerpräsident die Verpflichtung, sich mit der Angelegenheit zu beschäftigen. Die Polen möchten daher in dieser Sache sich an den Ministerpräsidenten wenden. Die Erklärung des Präsidenten rief im ganzen Hause größtes Aufsehen hervor. *Jn Wien und vielen andern öster reichischen Städten fanden Protestver-i sammlungen aus Anlaß der sich immeri noch steigernden Lebensmittelteue- runy statt. Frankreich. * In der Kammer gab Kriegsminister Picguart die Erklärung ab, datz die Str^'f- kräfte der Franzosen in Marokko gegen jede Möglichkeit gesichert seien. Der Minister kündigte äutzerst scharfe Maßnahmen gegen die rebellischen Stämme an. Die Marokkaner, die in algerisches Gebiet eingefallen sind, sollen rücksichtslos bestraft werden. Nach längerer Redeschlacht, die auf feiten der Regierungs gegner besonders bestig geführt wurde, erklärte sich das Haus mit den Regierungsmaßnahmen einverstanden. Italien. * In der wiedereröffneten Kammer legte Ministerpräsident Giolitti den Entwurf zu einem Handelsvertrags mit Rußland vor. Mehrere radikale Abgeordnete versuchten bei der Beratung an den Dingen in Rußland Kritik zu üben, wurden aber vom Kammerpräsidenten daran verhindert. *Aus Anlaß des Streiks der Mai- länderStraßenbahn-Ange st eilten kam es zu Straß en unruh en, deren Aus dehnung nur mit Hilfe des Militärs verhindert werden konnte. Die Regierung hat eine Ver mittelung zwischen den Streikenden und den Arbeitgebern abgelehnt. Spanien. * Die Kammer beschloß nach einer glänzenden Rede des Ministerpräsidenten einmütig den schnellen Ausbau derFlotte und bewilligte als erste Rate dazu die von der Regierung ge forderten 20 Mill. Pesetas. Rnhland. *Die Mitglieder der äußersten Rechten in der Duma sandten an den Zaren ein von 116 Deputierten unterzeichnetes Telegramm, worin sie sich nicht damit einverstanden erklären, daß der Zar in der Adresse der Duma nicht als Selbstherrscher angeredet wird, son dern ihm nur die Rechte des Selbstherrschers zuerkannt werden. * Das Marinegericht in Petersburg fällte über die wegen der Strandung der Kaiserjacht „Stand art" Angeklagten folgendes Urteil: Konteradmiral Nilow und der Kapitän ersten Ranges Tschagin erhielten einen Verweis, Oberstleutnant Konfufchkow wurde verabschiedet. Leutnant Sultanow erhielt sieben Tage Arrest. Dem finnländischen Lotsen chef General Schmemann konnte kein Dienst vergehen riachgewiesen werden, er wurde freige sprochen. DaS Urteil ist verhältnismäßig milde I /Lus dem keiebstaole. Am 28. begann die erste Beratung de- Etats und der Novelle zum Flottengesetz. Staatssekretär des Reichsschatzamts Frhr. von Stengel: Der Aufstellung des Etats standen diesmal große Schwierigkeiten entgegen. Wenn eS trotzdem möglich wurde, Ihnen die Vorlage Ihren Wünschen entsprechend schon jetzt zu unterbreiten, so wird Sie das mit Befriedigung erfüllen. Aber ich fürchte, weniger wird Sie der Finanzabschluß selbst befriedigen. Der Staatssekretär kommt zu dem Ergebnis, datz die Verhältnisse sich im Jahre 1906 nicht günstig und im laufenden noch ungünstiger gestaltet haben. Staatssekretär des NeichSmarineamteS Admiral v. Ttrpitz begründet darauf speziell die Novelle zum Flottengesetz, die er als das Mindestmaß dessen bezeichnet, was die Negierung im Interesse der Wehrkraft der Nation fordern müsse. Abg. Spahn (Zentr.): Die heutige Rede des Schatzsekretärs klang ganz anders, als es nach den letztjährigen Exposes zu erwarten sein sollte. Da mals hoffte er, die Einnahmen und Ausgaben ins Gleichgewicht zu bringen und heute ist auch der schwärzeste unter uns nicht in der Lage, einen Ausweg zu finden. Die Enteignungsvorlage für die östlichen Provinzen ist von Interesse nicht mir für Preußen, sondern auch für das Reich. Die Vorkommnisse innerhalb und außerhalb der Kaserne eines Garderegiments, wie sie in dem Prozeß Moltke zutage getreten find, mahnen an die Vorgänge im alten heidnischen Rom. Bedauerlich ist es, daß die i kompromittierten Offiziere mit Pension entlassen sind. ! Da muß der Reichstag ein Wort mitsvrcchen. Reichstanzlcr Fürst Bülow: Meine Herren I s Ich sehe mich m Abwesenheit des Kriegsministers i genötigt, mih sogleich gegen die Art und Welse zu wenden, wie sich der Abg. Svahn ausgesprochen hat über Einzelheiten des Prozesses Moltke-Harden und über die Zustände in der Armes. Der Abg. Spahn hat gesprochen von „Verseuchung ganzer Kavallerie regimenter", er hat gemeint, daß Eltern Bedenken tragen müßten, ihre Söhne in gewisse Kavallerie- Regimenter eintreten zu lassen. M. H. I Es handelt sich hier um unerwiesene Behauptungen, die ohne Beweis nicht in diesem Hohen Hause wiederholt werden sollten. Ich weise diesen Vorwurf in dieser Allgemeinheit mit Nachdruck und Entschiedenheit zu rück. M. H., gewiß, soweit im Prozeß Moltke- Harden sittliche Verfehlungen einzelner glaubhaft gemacht worden sind, haben sie auch mich mit Ekel und Scham erfüllt, und ich zweifle keinen Augenblick daran, daß von feiten unsrer Militärverwaltung aller geschehen wird, um solche Greuel auSzurotten, aber ich wende mich gegen die Auffassung, als ob trotz solcher Greuel nicht das deutsche Volk und das deutsche Heer in seinem innersten Kern vollkommen sund wären. Als mir Seine Majestät zum erstenmal von den Angriffen der.Zukunft' gegen gewisse Personen gesprochen hat, habe ich Seiner Majestät gesagt, er dürfe jetzt weder rechts noch links sehen, sondern müsse nur daran denken, seinen eigenen Schild, den Schild des Landes und der Armee rein zu halten. Das war Seiner Majestät aus der Seele gesprochen. Ich komme nun zu dem Thema Kamarilla, und da möchte ich zunächst mich gegen den Abg. Spahn wenden, der mir eine in der .Norddeutschen Allgemeinen Zeitung' erschienene Notiz in dem Sinne anzuhängen versuchte, als ob durch dieses Entrefilet das Thema Kamarilla erst allgemeine Beachtung gesunden hätte. Was habe ich denn fast vor einem Jahre an dieser Stelle gesagt? Ich sagte, Kamarilla ist kein deutsches Wort. ES ist eine fremde Giftpflanze, und man hat es nie versucht, sie in Deutschland einzupflanzen, ohne großen Schaden für die Fürsten, ohne großen Schaden für das Volk. Ich kann nur wiederholen, was ich vor einem Jahre gesagt habe, daß ich es für unbillig und ungerecht halte, von unverantwortlichen Ratgebern um unsern Kaiser zu sprechen. Meine Herren! Versuche einzelner. Ein fluß zu gewinnen, die kommen überall vor. Als unser Kaiser vor einigen Jahren den verdienstvollen Leiter der Hamburg—Amerika-Linie, Herrn Ballin, einige Male bei sich sah, sprach man von einer Ballin-Kamarilla. Nun denke ich nicht daran, zu leugnen, daß höfische Kamarillen in der Vergangen heit an den Höfen viel Schaden angerichtet Haden. Aber wie muß eS mit einem Monarchen beschaffen sein, an dessen Hof sich eine Kamarilla entwickelt, die einen solchen Einfluß gewinnen kann. Eine nicht einflußreiche Kamarilla ist keine Kamarilla. Und nun, meine Herren: Da ich das Wort ergriffen habe, so will ich mich noch gegen einen Vorwurf wenden, dem ich gerade in der dem Herrn Abge ordneten Spahn nahestehenden Presse in den letzten Tagen wiederholt begegnet bin, nämlich gegen die Behauptung, als ob ich vor einem Jahre den Reichstag aufgelöst hätte, um mich gegen persönliche Angriffe zu schützen. Die Auflösung des Reichstags hatte mit Kamarilla, Intrige und allem solchen Zeug nicht das mindeste zu tun. Ich hadc den ver bündeten Regierungen die Auflösung des Reichstags vorgeschlagen, weil die Zentrumspartei, nachdem sie durch die Verwerfung des Kolonialamts in dritter Lesung, die Verweigerung der Mittel für den Bahn bau dis Kectmannshoop. durch die Einmischung und durch die Vorstöße des Abgeordneten Rören gegen den neuen Kolonialdirektor die Geduld der Regierungen auf eine sehr harte Probe gestellt hatte und am 13. Dezember eigensinnig ihre Macht fühlen lassen wollte. Ein Reichskanzler, der sich dem unterworfen hätte, der hätte nicht nur das Ver trauen der verbündeten Regierungen, der hätte auch die Ehre der Nation verloren. Nachdem noch Abb- Bassermann lnat.-lib.) die Stellungnahme seiner Partei zu den einzelnen Steuerobjekten kundgegeben hatte, wobei er insbe sondere eine quotisierte Einkommensteuer für das Reich empfahl, wurde die Debatte vertagt. Am Freitag genehmigte der Reichstag zunächst den Vertrag mit den Niederlanden über Unfall versicherung und setzte dann die erste Etats beratung in Verbindung mit der Novelle zum Flottengesetz fort. Preuß. Finanzminister Frhr. v. Rheinbaben wendet sich gegen einzelne Steuervorschläge des Abg. Bassermann, so gegen eine Wehrsteuer und eine Reichseinkommen- oder Reichrvermögensteuer. Abg. Bebel (soz.): Der Herr Finanzminister hat das enorme Anwachsen der Reichsschulden be klagt, aber er hat unterlassen, den Ursachen nachzu gehen. Indem der Preuß. Finanzminister sich mit so großer Schärfe gegen direkte Reichssteuern er klärte, hat er einen Keil in den Block getrieben. Zentrum und Rechte passen ja auch am besten zu sammen. Gefreut aber habe ich mich, daß sich der Minister auch gegen die Wehrsteuer erklärt hat. Der Abg. Spahn hat gestern das Steuer- A In goläenen ketten. 4s Roman von F. Sutau. Was er wohl für ein Gesicht wachen wird, dachte Leska, wenn sie v'cht zu Hanse anzu- treffen war. Vielleicht hält er au? reiner Ver zweiflung dann um Klara an. die ja große Toilette seinelwegen machen wollte. Freilich Scheltworts würde es wohl nachher setzen, wenn sie nach Hause kam. Die Mama würde sicher sehr, sehr bö s sein. Leska aber wollte alles über sich ergeben lassen, und fast wie eine Heldin kam sie sich vor, die da kämpfte und litt für ihre große, schöne Liebe. Adloff war wieder ihr Lieblingsgedanke. O, wenn er ahnte, daß sie hier draußen an dem trüben, nebligen Morgen herumirrte in der Flucht vor dem reichen Freier Brandhorst. Wie würde Adloff dann an ihre feste, große, unverbrüchliche Liebe glauben! Wie todeseinsam es hier im freien Felde war, ordentlich zum fürchten. Ein paar Raben krächzten da oben in der grauen, stillen Lust nnd flogen ietzt der dunklen Tannenschonung jenseits der Wie'en zu. Langsam schritt Leska weiter den schmalen Fußweg an dem Graben entlang. Im Sommer blühten hier Vergiß meinnicht, die sie als Kind gepflückt und Kränze daraus gewunden hatte. Das war nun frei lich lange Jahre her, sie kam sich so alt, so welterfahren heute vor, als wäre sie seit gestern, wo sie noch so sorglos und heiter nach der Eisbahn gewandert, um ^abre gealtert. Dort drüben, wo die hohen aUea Pagpe.n standen, lag der Exerzierplatz. Deutlich ver nahm Leska die vom Winde herüber getragenen Signale und Kommandorufe. Adloff war natürlich auch dort, allo jetzt ihr so nahe. Jetzt, o sie verstand die Signale ganz genau, jetzt wurde zum Sammeln geblasen, mit klingendem Spiel würde das Regiment zur Stadt ziehen. Wenn sie sich dort auf die kleine Anhöhe stellte, erspähte Adloff sie vielleicht und suchte sie dann hier auf. Nach Hause wagte sie sich ohnedies fürs erste noch nicht. Wer konnte wissen, wie lange der schreckliche Freiersmann sich dort noch aukbielt und wohl gar noch auf ihr endliches Erscheinen harrte? Zum sehr bescheidenen Mittagessen um ein Uhr würde ihn ja wohl die Mama nicht einladen. Pauline aber verstand nichts so gut, als beim Tischdecken mit den Tellern zu klappern, und wenn er das ver dächtige Geräusch vernahm, würde er sich ja wohl verziehen. Also so um ein Uhr dachte Leska ohne Furcht vor dem Freier nach Hause gehen zu können. Sie stieg die Anhöhe hinauf, mit ihren scharfen jungen Augen erkannte sie jeden ein zelnen der Offiziere des der Stadt zu- marichierenven Regiments. Einer der letzten wandte den Kopf noch einmal nach ihr um. Es war Kurt Adloff! Wie ihr Herz pochte I Hatte er sie erkannt? Würde er, wenn die Soldaten die Kaserne erreichten, zurückkehren und zu ihr eilen? Langsamen Schrittes wanderte sie wieder den Graben entlang und wartete eine halbe Stunde. Jetzt leuchtete es auf in ihrem Antlitz, eilenden Schrittes kam Adloff ihr von der Siadt her entgegen. „Mo wirklich, ich habe mich nicht getäuscht!" rief er freudig erregt. „Das war ja ein herr licher Einfall von Ihnen, und wie frisch, wie blühend Sie aussehen, gar nicht, als ob Sie die Nacht durch getanzt hätten. Da braucht man nicht erst zu fragen, wie Ihnen der Ball be kommen ist!" „Ach, wäre ich nur garnicht dort gewesen, dann hätte mich auch der schreckliche Mann aus Schlesien vielleicht nie gesehen. Nun sitzt er bei Mama, und Blumen hat er mir auch ge schickt, und ich bin geflüchtet," erzählte Leska aufgeregt. „Fürs erste wage ich mich gar nicht wieder nach Haus, Mama wird furchtbar böse sein. Was ioll ich nur beginnen!" Hilfesuchend sah Valeska zu dem jungen Offizier auf. Ja, was beginnen! Seine Hände ballten sich in ohnmächtigem Zorn. Da stand sie nun vor ihm, das schöne, geliebte Mädchen. Warum durfte er sie nicht in die Arme nehmen und an sein Herz ziehen, mit allen Rechten einer großen, wahren Liebe, der ganzen schnöden Welt zum Trotz. O, daß er ihr so gar nichts Wetter bieten konnte, als diese seine Liebe allein. Was aalt diese in den Augen einer von materiellen Interessen erfüllten Welt, und in den Augen einer Mutter von drei unversorgten Töchtern. „Wir dürfen den Mut nicht verlieren," be gann er jetzt fest, „es kann, es muß noch alles gut werden. Sollte der Herr wirklich die — die, wie drücke ich mich aus, sagen wir: die Un verschämtheit haben, nach so kurzer Bekanntschaft um Sie anzuhalten, dann —" „Dann bitte ich mir vier Wochen Bedenk zeit aus," siel LeSka ein, „und wenn er erst Programm des Zentrum? entwickelt, aber ob eS ln der Praxis daran Festhalten wird, ist die Frage. Er hat auch für die Fahrkarteusteuer ge stimmt. die er erst verurteilte. Noch weiter gingen allerdings die NationalliberalenHerr Büsing hat diese Steuer, die jetzt als un haltbar bezeichnet wird, als eine nationale Tat ge priesen. Danken Sie den Göttern, daß die Wahlen nicht erst jetzt ffaitsinden. Wie die neuen Steuern, wie auch die neuen Zölle wirken, das zeigt die Kleinheit der Brötchen.. Mcdner zeigt ein solches unter schallender Heiterkeit vor.) Im weiteren Ver lauf seiner Rede kommt Bebel im Zusammenhangs mit der Flottenvorlage auf das Wettrüsten zu sprechen, um den Großmächten zu bescheinigen, daß sie sich im Zustande der Unzurechnungsfähigkeit be finden. Die Haager Friedenskonferenz sei eine Komödie gewesen. Redner geht dann aus den Moltke-Prozeß des nähern ein. Er habe schon 1898 gesagt, wenn alle Verfehlungen gegen 8 175 be straft würden, reichten zwei neue Riesengefängniffe nicht aus. Jedenfalls sei zu verlangen, daß be stehende Gesetzesbestimmungen gleichmäßig ange wandt werden. Abg. Bebel kommt noch auf den Prozeß Liebknecht zu reden und schließt mit der Wendung: Sie arbeiten mit Ihrer Politik nur uns in die Hände. Kriegsminister v Einem: DaS Übel, das hier vorgetragen wurde, ist leider in den letzten Jahr zehnten in Berlin erheblich gewachsen. Übertrieben ist es, daß ganze Regimenter verseucht seien. Die Schuld liegt nicht bei der Armee, sondern ganz wo anders! Ich wünsche nur, daß hier mit eisernem Besen aus gekehrt werde. Ich fürchte mich nicht vor Skandalen, auch wenn sie die Armee berühren, denn solche Elemente müssen raus! Niemand waren die Vorgänge in der Villa Lynar bekannt. Höchstens handelt eS sich um Einzelfälle, nicht um ein Treiben. Bewiesen ist im Falle Lynar und Hohenau nichts. Die Vergehen des Grasen Lynar sind im Dienste geschehen. Gras Moltke und Fürst Eulenburg sind niemals tn der Villa gewesen. Auch Offiziere der GardesdukorpS sind nicht in der Gesellschaft ge wesen, denn die muß Bollhard gekannt haben. Ich nehme an. daß zur Ehre der Armee die beiden Offi ziere zu den Verhandlungen erscheinen werden, um das wieder gut zu machen und zu büßen, falls sie schuldig sind. Wenn Einzelfälle existieren, dann müssen die Betreffenden entfernt werden. Die Ge samtheit bleibt gesund. Wir fürchten Harden nicht, auch nicht den neuen Prozeß. Bringt er neue Sünder auf die Anklagebank, so müssen wir sie abstreifen, daß wir rein und gereinigt dastehen und nicht noch Sünder unter der Decke lassen. Innerlich ist daS Offizierskorps gesund. Abg. Fürst Hatzfeldt sfreikons.s bleibt bei der großen Unruhs des Hauses anfangs vollkommen unverständlich und polemisiert dann gegen einzelne Ausführungen des Abg. Bebel. Reichskanzler Fürst v. Bülow geht nach einigen kurzen Bemerkungen gegen den Abg. Spahn auf die Marokko-Frage ein. Ich erkenne eS dank bar an, daß die spanische und französische Regie rung uns rechtzeitig von ihren Maßnahmen in Kenntnis gesetzt haben. Natürlich üben wir jetzt strenge Zurückhaltung. Leider sind auch deutsche Interessen bei den Unruhen schwer geschädigt worden. Wenn nicht schleunige Hilfe eingetroffcn wäre, so würden deutsche Handelshäuser ruiniert sein. ES ist gesagt worden, zweimal hätten wir vor einem Kriege gestanden, einmal bei den Marokko- Wirren, und dann bei der Reise des Kaisers im Mittelmeer im Jahre 1904. Um Marokko hätten wir sicher nie Krieg geführt, ebensowenig wie 1870 um die spanische Königskandidatur, aber daS eine wie das andre konnte den Anlaß zu einem Kriege bilden. Wie man aber in der Reise von 1904 eine Kriegsgefahr sehen kann, ist mir unerfind lich. Redner geht dann auf die mazedonische Frage ein, erwähnt die Versuche, die gemacht find, das Land zu pafifizieren, und hofft, daß dort bald friedliche Zustände eintreten würden- Mit Befriedigung nenne ich auch den Empfang des Kaiserpaares in England durch König und Volk. Die früher vorhanden gewesene Spannung zu England hat auf einem großen gegenseitigen Miß verständnis beruht. In den nächsten Tagen wird dem Reichstag ein Weißbuch mit den auf der Haager Friedenskonferenz gefaßten Beschlüssen zu gehen. Dem Lob für den deutschen Vertreter schließe ich mich an. An einer Abrüstungsdebatte hat sich dieser nicht beteiligt, weil eine solche garnicht statt- gesunden hat. Vom Zickzackkurs ist keine Rede. — Der Reichskanzler geht sodann auf einzelne Be schlüsse der Konferenz ein. — Kamarillen und ähn liche betrübende Erscheinungen kämen, wie Herr Bebel meinte, nur in monarchischen Ländern vor und nicht in parlamentarisch regierten Ländern und Republiken. Ich habe einen Teil meines Lebens in solchen Ländern zugebracht. Intrigen und Hinter treppeneinflüsse blühen dort mindestens ebenso wie bei uns. Darauf vertagt sich das HauS. wieder in Schlesien ist, dann werde ich schon dafür sorgen, daß er nicht wiederkommt!" „Trotzen wir ihm und seinem Gelds!" rief Adloff, „der Jugend und der Liebe gehört die Welt! Dort die Tannenschonung ist übrigens ein herrlicher, verschwiegener Ort zum Wieder- sehsn. DaS Eis schmilzt leider schon, die Lust ist so lau, so frühlingsahnend, daß es mit der Eisbahn vorbei ist. Sehen und sprechen aber müssen wir uns doch, schon um die Waffen zn schmieden gegen unsern Widersacher, de» Brandhorst." 4. Wo sie nur blieb! Immer wieder richtete Brandhorst die sehnenden Blicke nach der Tür des mit schäbiger Eleganz ausgestatteten Salons der Frau Rat Elsner, in welchem man mit großer Hast etwas mehr Ordnung geschaffen und ein paar irische Blumen ausgestellt hatte- Den scharfen Augen Brandhorsts entging nichts an dieser altmodisch und schadhaft gewordenen Ausstattung. Er sah, wie verblichen und faden scheinig die Bezüge der Möbeln waren, wie abgetreten der Fußboden war und wie die Gardinen grau und sehr deM aussahen. Wäre Valeska zugegen gewesen, so hätte er wohl schwerlich auf das alles geachtet. Ihre herrliche Erscheinung würde in seinen Augen alles erhellen, verschönen, aber sie erschien leider noch immer nicht. Auch die Frau Rat, die Brandhorst einstweilen empfangen hatte, wurde jetzt ungeduldig. So lange Zeit brauchte doch Leska sonst nicht zu ihrer Toilette. Wollte sie sich ganz besonders schön heute machen? Aber das arme Kind besaß ja
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