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Allgemeiner Anzeiger : 27.11.1907
- Erscheinungsdatum
- 1907-11-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190711271
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19071127
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19071127
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1907
-
Monat
1907-11
- Tag 1907-11-27
-
Monat
1907-11
-
Jahr
1907
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 27.11.1907
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politische kundscbau. Leutschland. * Kaiser Wilhelm wird den neuesten Bestimmungen zufolge am 6. Dezember in Holland eintreffen. * Die Vereidigung der Mari ne - Rekrnten fand in Kiel im Beisein der orts anwesenden Admirale sowie der Offiziere der beteiligten Truppen-Abteilungen statt. Nach Beendigung der Eidesleistung hielt Admiral Prinz Heinrich eine Ansprache, die in ein Hurra auf den Kaiser ausklang. * Der kommandierende General des 7. Armee korps, General Frhr. v. Vissing, der bei den diesjährigen Kaisermanövern in leitender Stellung tätig war, hat an die Truppenteile seines Korps einen Tagesbefehl erlassen, worin er mitteilt, daß er, da der Kaiser sich entschlossen habe, im Kriegsfall die höheren Kom mandos mit jüngeren Kräften zu be setzen, zum 1. April leinen Abschied ein gereicht habe. * Die Marineverwaltung beabsichtigt den Bau eines Docks an der Unterelbe. Es handelt sich um den Bau eines Trocken dock?. Wo dieses Dock gebaut werden soll, ist noch nicht bekannt. Es kommen wohl Hamburg, Brunsbüttel und Kurhaven in Frage. * Wegen des Fehlbetrages von hundert Millionen, mit dem der neue Reichsetat abschlietzt, soll die Schulden tilgung vorläufig ausgesetzt werden. *Die Reichsregierung hat sich entschlossen, als Nachtragsetat für das lausende Jahr noch 400 000 Mk. zu fordern, um den Grafen Zeppelin in den Stand zu setzen, so schnell wie möglich mit dem Bau eine? neuen großen Luftschiffes zu beginnen. Dieser Bau soll so beschleunigt werden, daß das Luft schiff bei Eintritt günstiger Witterung fertig ist. Don dem Ergebnis der mit dem neuen Luft schiff zu unternehmenden Probefahrten, bei denen die von Gras Zeppelin in Auslicht ge stellten weiteren Erfolge nachgewiesen werden sollen, wird es abhängen, ob die im Etat des Reichsamts des Innern für 1908 beantragte Summe von 2150000 Mk. für das Zeppelinsche Unternehmen verwendet wird. In dieser Summe find die Barauslagen des Grafen Zeppelin sowie eine angemessene Entschädigung für seine nunmehr zehnjährige Tätigkeit ent halten. * Der S e n i o r e n k o n o e n t des Rei chs- tagS wird in den nächsten Tagen sich mit verschiedenen Fragen zu beschäftigen haben; zu nächst hat er über die Geschäftslage des Reichs tags Beschluß zu fassen und zu bestimmen, welche Entwürfe in parlamentarische Behandlung zu nehmen tein werden; er wird ferner sich mit der Frage beschäftigen müssen, wie die Leistungs fähigkeit des Reichstags mit den persönlichen Verhältnissen seiner Mitglieder am besten in Einklang zu bringen ist, d. h. ob den Wünschen des Parlaments auf Freigabe einiger Tage in der Woche zur Erfüllung persönlicher Geschäfte der Abgeordneten nachgekommen werden kann, ohne daß die Arbeitskraft des Parlaments dar unter leidet und die Sessionsdauer zu sehr in die Länge gezogen wird Lfterreich-Ungar«. "Die ungarische Regierung hat sich, um den Ausgleich mit Österreich im Reichstage rechtzeitig durchzudrücken, zur Einbringung eines NotgesetzeS entschlossen. Wie aus Budapest gemeldet wird, teilte Ministerpräsident Wekerle der Unabhängigkeitspartei mit, die Regierung sei infolge deS Widerstandes der Kroaten ge nötigt, ein Gesetz zu unterbreiten, das in einem einzigen Paragraphen das Ministerium ermächtigt, die Ausgleichsvorlagen im Januar 1908 inS Leben treten zu lassen. Dieses Gesetz bleibe jedoch nur in Kraft, bis die Ausgleichsvorlagen auf dem regelmäßigen Wege im Abgeordneten hause beraten und erledigt sein werden. Frankreich. *Die Untersuchung der Spionagean gelegenheit des Leutnants Ullmo und der Touloner Offiziere machr die eifrig betriebene Untersuchring keine nennenswerten Fortschritte. Wie verlautet, will die Regierung erfahren haben, daß Dokumente an Deutschland, Italien und England ausgeliefert worden seien. Matte«. * Der Papst ordnete in einem Erlaß neue strenge Maßnahmen gegen die Moder nisten an. Danach haben die Beschlüsse der Kongregation iür biblische Studien die gleiche Kraft wie die jeder andern Kongregation. Der Papst legt den Bischöfen und Seminardirektoren ans Herz, die Lehrer, die modernistischen An schauungen huldigen und diese die Jugend lehren, nicht zu Priestern zu weihen. Was man im ganzen Lande längst ver mutet, ist eingetroffen. Da die Verteidiger des Exmi nisters Nali zur Verhandlung nicht erschienen, wurde der Prozeß bis zum 8. Dezember vertagt, um den amtlich er nannten Verteidigern Zeit zum Studium der Akten zu lassen. Belgien. *Der Eintritt Rußlands in die Zuckerkonvention bildet augenblicklich den Gegenstand lebhafter Beratungen in dem Verbände der Vertragsstaaten. Wie aus Brüssel gemeldet wird, find die Bevollmächtigten der Zuckervertragsstaaten in ihren Unterhandlungen mit de» russischen Delegierten von dem auf richtigen Wunsche beseelt, Rußland den Zutritt zur Konvention zu erleichtern. Fünf verschiedene Systeme find vorgeschlagen, die sämtlich eine bevorzugte Behandlung Rußlands auf dem internationalen Zuckermarkte zur Grundlage haben. Ob Rußland eines dieser Systeme an nimmt, ist noch unsicher *Jn der Repräsentantenkammer kam es aus Anlaß der Besprechung der Haager Konferenz zu sehr erregten Debatten. Der Sozialistenführer Vander velde warf der Regierung vor, daß Belgien als neutraler Staat gegen das zwangsweise Schiedsgericht gestimmt habe. Der Minister des Äußeren erklärte demgegenüber, daß von den belgischen Vertretern alles getan worden sei, was der Würde eines aufstrebenden Staates entspreche. Holland. * Wie aus dem Haag berichtet wird, werden Königin Wilhelmine und ihr Gemahl Prinz Heinrich im nächsten Jahre dem eng lische» Hofe einen Besuch abstatlen. Die Zweite Kammer nahm de» deutsch- holländischen Vertrag betreffend die Unfallversicherung an. Spanien. * In der Kammer verlautete gerüchtweise, daß Japan durch Vermittelung seines Gesandten in Madrid der spanischen Regierung das An erbieten gemacht habe, den Neubau der spanischen Flotte zu einem weit billigeren Preise zu übernehmen als die Forderungen andrer Staaten oder Gesellschaften betragen. DaS Anerbieten wird von der Regierung gegen wärtig geprüft. Portugal. *Der letzte Erlaß des Königs, wonach alle öffentlichen Versammlungen zu politischen Zwecken und eine Kritik der RegierungS- matznahmen in den Zeitungen streng ver boten find, hat die Beunruhigung des Landes aufs höchste gesteigert, überall treiben Geheim gesellschaften ihr Wesen. Die aufrichtigen Freunde der Krone erwarten viel von der Rück kehr der noch in England weilenden Königin, deren bewährter kluger Rat dem König wieder- holt über kritische Zwischenfälle hin«ggeholfen. Ruhland. *Den ersten Streitgegenstand in der Reichsduma bildete die Überreichung der Ergebenheit? -Adresse an den Zaren. Ihr Text ist von der Partei vom 30. Oktober ausgearbeitet. Es wird darin neben dem Ausdruck oes Dankes und der Er gebenheit auch betont, daß alle Kräfte, alles Wissen und alle Erfahrung aufgeboten werden sollen, um das Manifest vom 30. Oktober, das bekanntlich von der Verleihung der Konstitution handelt, in seiner Durchführung zu fördern und ! das Land zu beruhigen sowie die gesetzliche Ordnung herzustellen. Ferner soll die Volks bildung gehoben, die allgemeine Wohlfahrt, Größe und Macht des unteilbaren Rußlands gesichert werden. Die Adresse wurde einstimmig angenommen. Afrika. * Vom Bürgerkrieg in Marokko meldet General Drude in einem Telegramm, daß die Ortschaft Settat von dem Stamm Mzamza, dessen Kaid sich mit Muley Hafid vereinigt hat, vollständig zerstört worden sein soll. Die Streitmacht Muley Hafids stehe noch immer vor den Toren von Marrakesch, doch sei sie erheblich vermindert. Sultan Abd ul Aziz hat Kriegsmini st erGebbas zum Vize könig von Tanger ernannt. Dies be deutet, daß sortan daselbst auch ohne vorherige Anfragen am Sulianshofe wichtige Abmachungen getroffen werden können. Die gleichzeitige Er nennung Ben Slimans zum ersten Minister stärkt noch die Stellung der den Reformen freundlich gefilmten Hofpartei. Offen bleibt die Frage, woher Gebbas, der in Tanger noch kürzlich kurzfristige kleine Darlehen für den dringendsten Lokalbedarf auszunehmen genötigt war, die Mittel für den vizeköniglichen Aufwand bestreiten wird. Aste«. * Infolge des um sich greifenden Streiks der Angestellten auf der ostindischen Eisenbahn sind schwere Stockungen im Personenverkehr eingetreten; in Kalkutta wird Kohlenmangel befürchtet. Deutscher Reichstag. Zu der am 22. v. stattgehabten ersten Sitzung hatten sich die Abgeordneten sehr zahlreich einge,unden. Präs. Graf Stolberg - Wernigerode eröffnet die Sitzung mit geschäftlichen Mitteilungen. Unter den eingegangenen Vorlagen befinden sich auch das Börsengesetz und daS Reichsvereinsgesetz. An der Bahre des verstorbenen Großherzogs von Baden hat der Präsident namens des Reichstags einen Kranz niederlegen lassen, wofür der regierende Großherzog herzlich gedankt hat. DaS Andenken der verstorbenen Abgg. Rißler skons.s und DaSbach (Zentr.) wird durch Erheben von den Sitzen geehrt. Auf der Tagesordnung stehen nur Petitions berichte. Eine Petition des deutsch-nationalen HandlungS- gehilfen-Verbandes von seinem 25. Stiftungsfest bittet um Ausdehnung der Invalidenversicherung auf alle Handelsangestellten und um Vertretung der Handlungsgehilfen in den Handelskammern. Die PetltionSkommisfio» beantragt, die Petition dem Reichskanzler zur Berücksichtigung zu über weisen. Abg. Molkenbuhr ssoz.) befürwortet den Kommissionsantrag unter Berufung auf frühere gleichgerichtete Anträge des Zentralverbandes deut scher Handlungsgehilfen. Er wirft der Regierung vor, daß sie die Sozialreform still stehen lasse und die Geschäfte des Zentralverbandes deutscher In dustriellen betreibe. Hierauf nimmt der Abg. Schack (wirtsch. Vgg.) daS Wort und es entspinnt sich zwischen den beiden Abgeordneten ein Sreit um die Priorität bei sozial politischen Anträgen im Interesse des Handlungs gehilfenstandes. Der Kommissiousantrag wird angenommen. ES folgt eine Petition des Allgemeinen Hand werkervereins in Dresden um Einführung einer Arbeiter-Witwen- und Waisen- sowie ArbeitSlosen- Versicherung. Die Kommission beantragt Über weisung zur Kenntnisnahme. Dem Anträge der Kommission wird ohne Debatte entsprochen. Der Niederschlesische Knappschaftsverein bittet darum, die Invalidenrente schon bei 50 Prozent Erwerbsunfähigkeit, anstatt jetzt bei 66?/z Prozent zu gewähren. Abg. Sachse (soz.) empfiehlt die Überweisung dieser Petition zur Berücksichtigung im Gegensatz zum KommissionSbeschluß, der nur Überweisung als Material fordert. Der Antrag Sachse wird nach kurzer Debatte abgelehnt. DaS Haus beschließt nach dem Kom- missionSantrage. Eine Petition betr. Auf hebung der Gesindeordnung und Ge währung des Koalitionsrechts an die ländlichen Arbeiter wurde auf Anttag des Abg. Dirksen (freikons.) von der Tagesordnung abgesetzt. Es folgt der Petitionsbericht betr. Abänderung der kaiserlichen Verordnung über den Verkehr mit Arzneimitteln vom 22. Oktober 1901. Die Petition bittet darum, dem Wunsche der Apothekenbesitzer, eine Beschränkung der im freien Verkehr befindlichen Artikel einzuführen, keine Folge zu geben. Die Petition wird der Regierung als Material überwiesen. ES folgt eine Petition betr. Abänderung deS 8 100 A der Gewerbeordnung und Aushebung der hygienischen Verordnungen oder Konzessionicruug des Barbier- und Friseurgewerbes. Abg. Irl sZentrs beantragt entgegen dem An träge der Kommission aus Überweisung als Material bezw. Übergang zur Tagesordnung, die Petition der Regierung zur Berücksichtigung zu über weisen. Abg. Lattmann (wirtsch. Vgg.s empfiehlt die Petition die den Anfang zu einer gründlichen Ände rung der Gewerbeordnung zum Segen des Hand werksstandes mache. Abg. Malkewitz (kons.) tritt ebenfalls dem Anträge Irl bei. Dieser entsprecht nicht nur dem Wunsche der Friseur-, Barbier- und Perücken- macher-Jnnung, sondern des gesamten organisierten Handwerks. Abg. Brühne (soz.) bekämpft den Autrag des Zentrum?. Abg. Mugdan (frs. Vp.) tritt den Aus führungen der Abgg. Lattmann und Malkewitz ent gegen. Dem Zünftler werde allerdings durch die Zwangsorganisation entsprochen, über die Fest setzung von Mindestpreisen herrsche in den Hand werkskreisen selbst noch die größte Uneinigkeit. Eine Zwaugsorganisation sei ein öffentliches Unrecht und würde aus die Dauer zum größten Schaden iür das Handwerk auswachsen. DaS Handwerk müsse vielmehr zum Wettkampf gerüstet werden, das werde aber nicht aus diesem Wege erreicht werden. Abg. Fuhrmann (nat.-lib.t unterstützt den Antrag auf Überweisung der Petition zur Nu"'cd sichtigung. Abg. Gothein (frs. Vgg.) bekämpft den An trag. Augenscheinlich handle eS sich hier darum, amtliche Taxpreise für das gesamte Handwerk sest- zusetzen, nicht nur für das Barbiergewerbe. Das hieße doch, den Reichstag über den Löffel barbieren Abg. Mallewitz (kons.) tritt den AuSfübnmcen der Abgg. Gothein und Mugdan entgegen. ^«D Handwerksfragen, wie die Bauforderungssicheruna, Befähigungsnachweis usw. sind stets auf den Widerstand der Linken gestoßen, während die Rechte sich den Wünschen der Handwerker anschloß. Der Leichtfertigkeit und Unreellität des Handwerks wollen wir begegnen, das nennen wir Handwerksfreund lichkeit. Abg. Mugdan (frs. Bp.): Auch wir Haden ein warmes Herz für die Handwerker, nur bekämpfen wir die Zwangsorganisationen. Die Arzte haben sich nicht alS Angehörige von Zwangsvereinen über Mindestpreise geeinigt. Die Vielseitigkeit in den Artikeln macht schon die von der Regierung zu be stimmenden Mindestpreise beim Handwerk un möglich. Abg. Rieseberg (w. Vgg.) erklärt sich als Handwerksmeister für den Antrag Irl. Abg. Wieland (ft. Vp.) ist der Ansicht, daß die Mindestpreise sich gar nicht durchführen ließen, denn die Konjunktur wechsle doch, man müßte a!s» jedes Jahr die Preise ander- normieren. Hierauf wird der Antrag Irl angenommen, so mit der erste Teil der Petition zur Berücksichtigung überwiesen; über den zweiten Teil wird zur Tages ordnung übergegangen. Darauf tritt Vertagung ein. Von und 00- Ei« deutscher Minister als sranzö- fiseyer Ttu ent. ES ist wohl schon vor- gekommen, daß Minister, die in daS Privat- leben sich zurückzogen, ab und zu ein Univer- fitätskolleg besuchten. :m der Zeit vor den Freiheitskriegen war dies sogar keine seltene Erscheinung. Völlig neu dürste es sein, daß ein deutscher inaktiver Minister in einer franzö sischen Universitätsstadt mit den Studenten sich andauernd zusammensetzt. Graf Posadowski studiert jetzt als 62 jähriger in Grenoble mit einem Eifer, wie ihn besser der jüngste Student nicht aufwerst. Bo« der elektrischen Straßenbahn über fahre« und schwer verletzt wurde in Köln a. Rh. Pater Schmidt, der Direktor deS katholischen deutschen Hospizes in Jerusalem. Er wurde von einem Wagen der Straßenbahn erfaßt, zu Boden geworfen und eine Strecke weit geschleift. Er erlitt einen doppelten OLer- schenkelbruch und einen Rippenbruch. Der schwerverletzte, fast 75 Jahre alte Priester, der gerade die Rückreise nach Jerusalem antreten wollte, wurde ins Hospital gebracht. Hk In goläenen Ketten. 2) Roman von F. Sutau. 'Forvesung) Ein berückendes Bild stieg vor den Augen deS jungen Osfiziers auf. Er saß am Flügel, daS einzige kostbare Besitztum, das er sein Eigentum nannte und wozu ihm ein kleiner Lotteriegewinn einst verholfen. In der Fenster nische des trauten Gemachs aber, wo Blumen dufteten, da lehnte lein junges schönes Weib, dem er alle seine Lieblingslieder vorsang. Vielleicht trug er nicht mehr des Königs Rock, vielleicht warf Frau Sorge schon ihre Schatten auf das endlich erreichte Glück, eS sollte ihn alles nicht kümmern, wenn er nur daS holde Geschöpf hier neben ihm jein eigen nannte, sich ihm allein diese Blüte erschloß, an seiner Seite zur vollen Weiblichkeit aufblühte. Die Verwirklichung solcher Träume lag nun zwar noch in weiten Fernen, aber er war Mannes genug, den Kampf aufzunehmen mit all den Machten, die sich zwischen ihn und sein Lebensglück drängen wollten. 2. Wie berauscht wanderte Valeska, nachdem sie stch von Adloff getrennt, durch die Straßen, jed.eS Wort sich wiederholend, was er zu ihr gesprochen. Am liebsten wäre sie noch stundenlang hier in der Abenddämmerung herumgestreift, aber da stand sie schon vor ihrer Wohnung, spät war es auch geworden, so stieg sie denn langsam die Lrepp« hinauf und trat in daS hell erleuchtete l Wohnzimmer. Unglücklicherweise mußten Klaras Blicke, die soeben ihr schönes, dunkles Haar aufgelöst hatte, sofort auf ihre Handschuhe fallen. „Aber Leska, meine Handschuhe!" rief sie in Heller Empörung. „Du hast sie dir richtig an gepreßt und aus aller Fasson gebrachtI" Etwas erschrocken zog die Sünderin die Handschuhe von den Fingern und stotterte eine Entschuldigung, daß sie auch nicht daran gedacht hatte, eS vorher zu tun. Ihr war eS, als er- wache sie auS einem wunderschönen Traum, als käme sie auS einer andern Welt. Mit ver träumten Augen blickte sie um sich. „WaS hast du nur? Me stehst du aus?" fragte die Frau Amtsgerichtsrat, ihre jüngste Tochter ganz erstaunt betrachtend. Das Mädchen sah ja bildschön aus, diese prachtvollen Farben, diese leuchtenden Augen, und dazu der erste Jugendschmelz, den keine Kunst je wieder ersetzen konnte, wenn er erst dahin war. Wie schnell er schwand, das konnte man an ihren beiden ältesten Töchtern sehen. Ein schneller Entschluß reifte in dem Innern der kleinen, leichtlebigen und doch klugen Dame. Valeska mußte den Ball im Kasino heute mit besuchen, ihre taufrische Schönheit durste nicht länger im Verborgenen blüden. „Wenn du nicht müde bist vom Schlittschuh laufen, kannst du ja heute mitkommen," sagte die Frau Amtsgerichtsrat plötzlich und gar nicht beachtend, welch maßloses Staunen ihre Worte bei den Schwestern hervorriefen. „Einmal mußt du ja doch in die Gesellschaft einoesührt werden. Frau Doktor Berger bringt ichon den ganzen Wimer ihre drei Töchter auf! die Bälle. Was die kann, kann ich schließlich auch!" fuhr die Frau Amtsgerichtsrat ent schlossen fort. „Aber Mama!" ries da Klara, indem sie ihr Haar vor dem Spiegel in einen Knoten schlang, „das kann doch unmöglich dein Ernst sein! Valeska soll wohl zur Belohnung dafür, daß sie sich meine Handschuhe angemaßt hat, auf den Ball geführt werden?" „Bon Anmaßen ist gar keine Rede," sagte Leska, plötzlich wieder sehr mutig werdend, „und angepreßt habe ich sie auch nicht; meine Hände sind kleiner wie deine!" Triumphierend hielt sie ihre kleinen Finger hoch. „Hast du denn Ballhandschuhe?" fragte da Erna spitz. „Und welche Robe wirst du denn aus deinem reichen Vorrat von Ballkleidern wählen?" „Sie wird ihr weißes Kaschmirkleid anziehen, es ist noch wie neu," sagte die Frau Rat sehr entschieden, „ein paar Blumen oder eine Schleife ins Haar gesteckt, das genügt für ein so junges Mädchen, und Handschuhe gibt eS drüben im Geschäft bei Müllers." Erna und Klara warfen sich nur noch einen verständnisvollen Blick zu. Sie war doch bis weilen ganz unberechenbar, diese Mama, aber wenn sie so entschieden auftrat, dann duldete sie keinen Wiederspruch, also hieß es. stch fügen, das wußten sie auS Erfahrung. „Müde bin ich auch nicht ein bißchen!" erklärte Leska und hüpfte ausgelassen im Zimmer herum. Was würde Adlow sagen, wenn er sie schon heute wiedersah im Ballkostüm. Er scheinen müsse er schon auf dem Ball, d«S > Majors und seiner tanzlustigen Tochter wegen, hatte er ihr gesagt und dann hatte er noch einmal seine Empörung darüber ausgesprochen, daß sie, Valeska, die holdeste der Ball erscheinungen, den Ball nicht verherrlichen solle. Zu welch einer reizenden Ballfee LeSka sich auS dem blauen, schon etwas abgetragenen Tuch kostüm, worin er sie bis jetzt nur geschaut, ent puppte, das konnte er freilich kaum ahnen. DaS gelbweiße Kaschmirkleid, das Hals und Arme freiließ, stand ihr entzückend, das aschblonde, wellige Haar ward in einen leichten Knoten anan giert, und wie verloren lagen darin ein paar Taufendschönchen. Prinzessin Tausendschönchen! Der Major von Decken hatte Valeska selbst bei ihrem Er scheinen auf dem Balle so genannt und nun ging der Name von Mund zu Munde. Sie war die Ballkönigin, der heute alle huldigten, ihre un vergleichliche, taufrische Jugendschönheit hatte das Wunder vollbracht. Die Frau Amtsgerichtsrat schwamm in einem Meer von Wonne und Seligkeit. Es war der beste Einfall, den sie als spekulierende Ballmutter je gehabt, Leska heute mit auf den Ball zu nehmen. Daß die jungen Offiziere ihr huldigten, darauf legte die Frau Rat aller dings keinen großen Wert weiter, aber daß der reiche Fabrikant und Großgrundbesitzer aus Schlesien, der seit einiger Zeit bei Verwandten hier zum Besuch war, fortwährend in LeSkas Nähe zu erblicken war, das erweckte die kühnsten Hoffnungen in dem Mutterherzen. Brandhorst, so hieß der reiche Schlesier, sollt« »in» brillant» Parti« s«in. Wer dir erste
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