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politische KunälckZu. Deutschland. t. Kaiser Wilhelm wird dem Ver nehmen nach im Laufe des Herbstes zur Elch- pürsche in Nidden an der Kuriichen Nehrung eintreffen, doch ist der genaue Zeitpunkt noch nicht bestimmt. Die Elche haben sich im Laufe der letzten Jahre derart vermehrt, daß sie in den Wäldern großen Schaden anrichten, sodaß ein Abschuß angeordnet werden mußte. Ms Wie verlautet, werden an den zu ständigen Stellen Handelsverträge mit Dänemark, Norwegen und Frank reich vorbereitet. Wann sie zum Abschluß gelangen, steht allerdings noch dahin. * Aus englischen Zeitungen kommt das Gerücht, daß Zwischen Deutschland und Frank reich wegen der Abtretung Tahitis (zu den Gesellschaftsinseln gehörig) Verhandlungen schweben. Wie amtlich gemeldet wird, hat die deutsche Regierung nicht die Absicht, irgend welche neuen Kolonien zu erwerben. 662 Wie halbamtlich gemeldet wird, ist eine Verschärfung derZ 0 llwache an der deutsch-schweizerischen Grenze geplant. Es sollen die Zollabfertigungsstellen vermehrt und die Kontrolle strenger als bisher gehandhabt werden. 662 Die durch die Reform des Straf prozesses entstehenden Mehrkosten sind ziem lich erheblich. Sie mögen sich für das ganze Reich auf 12 Mill, belaufen. In erster Linie werden sie verursacht durch stärkere Heran ziehung des Laienelements zum Strafprozeß. Eine Entschädigung der Personen, die als Schöffen wirken, muß sich in möglichstem Ein klang halten zu dem Wert der Zeit, die ge opfert wird. Auch müssen die Sachverständigen- und Zeugengebühren den Ansprüchen der Gegen wart einigermaßen entsprechen und in vielen Fällen anders bemessen werden, als bisher geschah. *Der Lübecker Senat beantragte im Bürgerausschuß den Bau einer neuen Staats irrenanstalt, deren Kosten 2 Millionen Mark betragen sollen. *Der sozialdemokratischePartei- tag in Essen bestätigte die jede Kolonial- volitik verwerfenden Beschlüsse des Stutt garter Kongresses. Österreich-Ungar«. * Der internationale Bergarbeiter- kongreß nahm einen Beschluß an, der eine bessere Gesetzgebung zum Schutze der Berg arbeiter bezweckt. Ein von Schmidt (Deutsch land) begründeter Antrag betr. die Einschrän kung der Beschäftigung Jugendlicher und daS gänzliche Verbot der Ki n d er arb eit wurde ebenfalls angenommen. * Die Ungarn hatten, ehe sie einen Aus gleich schließen wollten, vom Kaiser Franz Joseph neue Berfafsungsgarantien verlangt, die der Monarch ohne Rücksprache mit dem Thronfolger nicht gewähren wollte. Jetzt hat sich Erzherzog Franz Ferdinand dahin geäußert, daß neue Zugeständnisse an die Ungarn nicht mehr gemacht werden könnten, ohne wesentliche Rechte der Krone einzulösen. Der Kaiser hat sich dieser Meinung ange schloffen, sich aber eine endgültige Entscheidung Vorbehalten. Frankreich. *Der Marineminister Thomson ordnete an, daß die Arbeiten an sämtlichen Panzerschiffen des Mittelmeergeschwa - ders nach Möglichkeit beschleunigt werden sollen. England. * Der L 0 nd 0 ner Gemeinderat be schloß, aus Anlaß der Anwesenheit Kaiser Wilhelms die Straßen der Stadt festlich auszuschmücken und dem Monarchen eine Be grüßungsadresse in goldenem Kasten zu über reichen. *Der Arbeitsminister Burns erklärte sich mit den Ergebnissen seiner eben beendeten Studienfahrt durch Deutschland sehr be- liedigt und sprach die Hoffnung aus, daß es nur die Einwanderung der Asiaten ver hindern, sondern auch den Zuzug von Ange hörigen der weißen Rasse beschränken soll. 8ckut2ma6regeln in ÜLnger. über die Zustände in Tanger wird der ,Schles. Ztg/ aus Marokko geschrieben: Die Straßen und Plätze sind noch voll von Euro päern, und das öffentliche Leben vollzieht sich in gewohnter Weise; aber auch nicht das geringste Vorkommnis von feiten der eingeborenen Bevölkerung hat uns bis jetzt Veranlassung gegeben, uns in der Eigenschaft als Fremde und Christen von ihr bedroht zu fühlen. Trotz dem könnte das bei der geringsten Veranlassung anders werden, meint aber jeder, und zwar — so meinen viele — sicherlich anders werden, wenn Raisuli anrückte oder eine Truppenaus schiffung erfolgte; dann würde das niedere Volk die Zeit der Aufregung und Verwirrung, viel leicht nur wenige Stunden, zum Plündern und auch Morden benutzen. Gegen Raisuli aber sind wir so ziemlich sicher, die Besatzungstruppsn von Stadt und Umgegend, durch die Mahalla Bagdadis auf MOV Mann gebracht und plan mäßig verteilt, sind ihm mehr als gewachsen und werden es auch bleiben, da ihnen unter Kontrolle des Hauptmanns Tourniö, Chef der französischen militärischen Mission, ihr Sold regelmäßig ausgezahlt wird. Hauptmann Tournis hat übrigens auch die Befugnis, in Tanger und außerhalb Besichtigungen dieser Truppen vorzunehmen, wobei die drei ihm unterstehenden Offiziere ihn unterstützen. Diese zwischen dem maroikanischen Kriegsminister und dem französischen Geschäftsträger vereinbarte Maßregel ist dem diplomatischen Korps mit- geteilt und von ihm gebilligt worden. Sie ist nur vorübergehend getroffen, wie denn auch die MMärmission nichts mit der zu schaffenden Polizeitruppe gemeint hat. Die Bildung der letzteren wird jetzt energisch betrieben. Nun hat aber der Kriegsminister Si Gebbas, wieder in Übereinstimmung mit dem diplomatischen Korps, noch eins andre in der Algeciras-Akte nicht vor gesehene Maßregel getroffen, welche die Euro päer gegen die gefährlichen Gelüste der niederen, besitzlosen Klasse bewahren soll. Er hat nämlich den Pascha Bu Aschrim nebst zwanzig Notablen der Stadt aus den ver- chißdensten Quartieren zu sich berufen und mit hnen eine muselmanische Straßenpolizei auf rügender Grundlage organisiert: In jedem Quartier wird ein Mokadden" ernannt, der für die Sicherheit desselben verantwortlich ist und alle verdächtigen Elemente mit der Be fugnis, sie ins Gefängnis zu stecken, zu über wachen hat. Er ist an die Spitze von je 16 Soldaten und einer Anzahl einheimischer Bürger gestellt. Unter letzteren befinden sich auch auf Anweisung der Konsulate solche, die unter auswärtiger Protektion stehen, wenn sie dazu geeignet sind. Die Mittel zur Durch führung dieser Einrichtung, welche gleichfalls später wieder zu verschwinden bestimmt ist, hat eine französische Bank vorgestreckt. Sie funktioniert schon seit einigen Tagen zur großen Beruhigung aller ängstlichen Gemüter. sich ermöglichen kaffen werde, die großen eng lischen Industriebetriebe bald so mustergültig einzurichten wie die deutschen. Holland. * Die dritte Kommission der Friedens konferenz nahm den Entwurf bett, die Seeminen nach längerer Debatte an. Man hofft, die Arbeiten in wenigen Tagen beenden zu können. Ruhland. *Die Gerüchte, die Strandung der Zarenjacht „Standart" in den Finnischen Schären, die jüngst die kaiserliche Familie in Gefahr brachte, sei kein Zufall, sondern ein wohlüberlegtes Attentat gewesen, wollen in Rußland nicht verstummen. Es wurde daher eine Kommission ernannt, die die Ursache der Stran dung untersuchen soll. *Wie aus Petersburg berichtet wird, er wartet man dort den Kriegsminister der Ver. Staaten, Ta ast. Seine Reise steht im Zusammenhang mit dem geplanten ameri kanisch-russischen Vertrage. Amerika. * Die Friedenskonferenz der Ver treter dermittelamerikanischenRepu- bliken wird in Washington in der ersten Hälfte des November zusammentreten. Afrika. * Die Wiederher st ellung der Ruhe scheint vorläufig in den Hafenstädten Marokkos gelungen zu sein. Die amtlichen Pariser Telegramme stellen die Lage in Tanger und Rabat als ruhig dar. 160 Eingeborene sind nach Casablanca zurückgekehrt. Sie be richten, daß unter den Stämmen Gerüchte von der Wiederherstellung des Friedens sich hart näckig erhalten. In diesem Falle begreift man aber nicht so recht, warum Frankreich so große Anstrengungen macht, um zur See kriegsbereit zu sein. Jedenfalls widersprechen sich die Nach richten in merkwürdiger Weise. Die Lage im Innern des Scherifenreiches ist durchaus ver worren. Die Aussichten des Gegensultans Muley Hafid scheinen aber fortgesetzt im Steigen zu sein. Der Gouverneur der Provinz Sus gab seine Tochter Muley Hafid zur Frau, wo durch eine enge Verbindung zwischen Muley Hafid und der großen Südprovinz hergesteüt wird. Muley Hafid befestigt seine Macht im Süden und scheint das Verhalten der Nord stämme abwarten zu wollen. — Und wäh rend sich so die Streitkräfte im Innern des Landes sammeln, streiten sich die Schutz polizeimächte um ihre Stellung. Wie aus Madrid gemeldet wird, sind zwischen Frankreich und Spanien ernste Meinungsver schiedenheiten wegen der Besetzung von Tanger entstanden. Spanien will unter keinen Umständen seine führende Stellung aufgeben, aber Frankreich beruft sich aus die Zustimmung der Mächte (die ja tatsächlich erfolgt ist). Kein Wunder, wenn die fremden Konsuln und das diplomatische Korps nunmehr beschlossen haben, selbst Maßregeln zum Schutze ihrer Staats angehörigen zu treffen. * Die Krise in der Kapk 0 l 0 nie ist ohne Schwierigkeit überwunden worden. Nachdem Premierminister Jameson das Parlament aufgelöst hat, sind die Neuwahlen für den An fang des nächsten Jahres festgesetzt worden. Man glaubt, daß die Neuwahlen eine starke burische Mehrheit ergeben werden, so daß der Einfluß der Buren in ganz Südafrika der herrschende wird. Aste«. *Jm persischen Parlament kam es zu stürmischen Austritten, als hervorragende Mitglieder die Untätigkeit der Regierung in bezug auf die Grenzverletzung durch die Türkei einer scharfen Kritik unterzogen. Sie kündigten unter dem Jubel des Hauses an, daß sie sich an das Volk wenden würden mit der Auf forderung, Schießwaffen zu beschaffen zur Aus rüstung und Unterhaltung einer ausreichenden Truppenmacht, um den Feind zu vertreiben, falls die Regierung tatenlos verharre. Australien. *JmaustralischenParlament wird ein Gesetzentwurf eingebracht werden, der nicht Von unci fern. Schweres Brandunglück in Berlin. Eine Feuersbrunst mit ungemein traurigen Folgen hat am Donnerstag in dem Hause Lehrter Straße 38 in Berlin gewütet. Infolge eines Zimmerbrandes füllten sich die darüber liegen den Räume des vierstöckigen Hauses dermaßen mit Rauch, daß die Bewohner alsbald in größte Lebensgefahr gerieten. Es gelang der Feuerwehr, fünfzehn Personen durch Sprung tuch und Fangleine zu retten; eine Frau ab.er und ein Kind erstickten. Sechs Bewohner er litten schwere Verletzungen, zumeist durch Rauch vergiftung; auch ein Oberfeuermann wurde durch das Einatmen des giftigen Qualms be- wußlos. Alle Schwerverletzten wurden in Krankenhäuser gebracht. Der Brand soll durch Kinder verursacht worden fein, die in einer Wohnung, in der sie eingeschlossen waren, mit Streichhölzern spielten. 662 Ei« ganzes Heer von Reservisten und Landwehrleuten hat im Laufe dieses Jahres geübt. Ans dem Bereiche des preußischen Armeekorps einschließlich Baden und Hessen wurden eingezogen: Von der Infanterie 154 150, den Jägern 5970, den Maschinengewehrtruppen 570, der Kavallerie und Feldarlillerie 28 770, der Fußartillerie 27 640 und von den Pionieren 11890 Mann. Ferner übten 2573 Mann der Eisenbahnbrigade, 377 Mann des Luftschiffer bataillons, 1259 der Tslegraphentruppen und endlich wurden noch bei dem Train 9745 Mann eingezogen. Zur Bildung von Sanitäts kompanien und SanitäMbungZkompanien waren 1215 Mann erforderlich. t. Gegen die militärische Feldbahn, die aus Anlaß der gegenwärtigen großen Festungs kriegsübung bei Posen daselbst angelegt worden ist, wurde ein Attentat verübt. Ein Strecken wärter ermittelte, daß an verschiedenen Stellen seines Bezirkes die Schienen und die Lagerungen gelockert waren, so daß ein etwa passierender Zug unfehlbar entgleist wäre. Es gelang noch rechtzeitig, einen mit Militär besetzten Train vor der demolierten Stelle zum Halten zu bringen und so ein großes Unglück zu verhüten. Von den ruchlosen Tätern fehlt leider jede Spur. Der Streckendienst wurde aus Anlaß des Buben streiches bedeutend verstärkt. Nach Jahren entdeckt. Eine ganze Reihe falscher Zehn-, Zwei- und Einmarkstücke wurden bei Abbruch eines alten Stalles in Ohligs (früher Merscheid) gefunden und vom Gericht beschlagnahmt. Die Falschmünzer, zwei Solinger Arbeiter, haben sich rechtzeitig aus dem Staube gemacht und sind bei Nacht und Nebel nach Südamerika entflohen. 40 000 Mark verloren hat ein Groß grundbesitzer, der sich gegenwärtig in Ge schäften in Gotha aufhält. Als er dort ein Restaurant besuchte, bemerkte er beim Verlassen des Lokals den Verlust eines Hypothekenbriefes im Werte von 40 000 Mk., den er, in einer Zeitschrift eingeschlagen, der Sicherheit halber neben sich auf einen Stuhl gelegt hatte. Die sofort angestellten Recherchen nach dem Wertstück sind bisher resultatlos verlaufen. 662 Die Geldmasckine. Man sollte eS wirklich nicht für möglich halten, wie leicht manche Menschen auf einen plumpen Schwindel immer noch hineinfallen. Verbinden sich da in Biomberg zwei „Genies" zu einer Idee, deren Ausführung kaum glaublich erscheint und die ihnen doch viel Geld einbrachte, wenn sie auch jetzt dafür in gerichtliche Untersuchung gezogen werden. Sie konstruierten eine ganz primitive Maschine, in deren Öffnung man eine Mark, zwei Fünfziger oder auch 10 Nickelgroschen werfen mußte, eine Drehung und unten kam — ein Fünfmarkstück heraus. Die Maschine war so billig, daß sie sehr viele Käufer fand, teils gegen bar) teils auf Raten mit einer Anzahlung, jedoch mußte jeder mit „späterer" Lieferung einverstanden sein. Natürlich meldeten sich die Verkäufer nicht wieder und mußten auf erfolgte Anzeige erst durch die Polizei ausfindig ge macht werden. X Im Manövergelände ertrunken. Zwei Kanoniere des Feldartillerie-Lehr-Schieß schul-Regiments in Jüterbog, die in Neudörfel in der Neumark in Quartier lagen, wollten im Gastsee baden, wobei sie sich zu weit hinaus wagten. Hierbei ertrank der eine, dessen Ent lassung nach dem Manöver bevorstand, während der andre bewußtlos herausgezogen und ins Leben zurückgerufen werden konnte. X Todessturz aus dem Msenbahn- zuge. Der Sergeant Biermann von der 8. Kompanie des in Graudenz aarnisonierenden Infanterie-Regiments Nr. 129, der einen Reservistenttansport nach Milspe begleitet hatte, wurde mit einer schweren Kopfwunde und ab gefahrenen Beinen auf dem Bahnkörper tot aus gefunden. B., der mit dem Schnellzuge Köln—Hamm in seine Garnison zurückkehren wollte, ist anscheinend während der Fahrt aus dem Zuge gestürzt und hilflos auf dem Gleis liegen geblieben, wo er kurz darauf von einem aus der Richtung Hagen—Elberfeld kommenden Eilgüterzuge überfahren und getötet wurde. Hk Oie Perle von billigensanäe. 4) Erzählung von R. Hyman«. KurtsetzlMg.) „Ich bin dein Freund geblieben, Perle, und werde es bleiben, solange mich Gott leben läßt." „Dann frage ich dich auf dein Gewissen, Joseph: Wie oft fährt Bertram auS Fest land ?" „Darauf kann ich dir keine Antwort geben, Perle." „Warum nicht?" „Weil ich kein Spion bin. Es ist andrer Leute Angelegenheit." „Andrer Leute? Und wenn ich dich um deiner Freundschaft willen bitte? Um mir die Ruhe wieder zu geben — um mir Gewißheit zu verschaffen?" Der Mann zauderte. „Wie oft fährt er hinüber?" fragte Kamilla wieder und mit einer seltsam harten Stimme. „Täglich!" „Täglich! ? - Und der Fischfang?' „Er wird ihn — kaufen." „Drüben?' „Ich glaube es." „Aber um Gottes Willen, Joseph, warum belügt er mich? Was hat er in der Hafen stadt zu suchen?" Sie brauchte indessen nicht erst aus dem Ge sichte Josephs die Antwort lesen. Plötzlich fiel ihr das Wort ihrer Pflegemutter ein, das diese damals gesprochen, aks ^cmnlla ih-von Bertram erzählt hatte: „Er ist siuemoL —" Zorn und Scham erfaßten das junge Weib. Sie wollte flüchten, fort aus dem Bereiche der forschenden Augen Josephs, um allein mit sich und ihrem Schmerze zu sein. Aber sie war zu schwach, um ihr Ruder ergreifen zu können, und plötzlich erinnerte sie sich, weshalb sie eigentlich hierher gekommen war. Der Gedanke an die kranke Mutter drängte alles andre zurück und gab ihr neue Kraft. „Ich muß hinüber," sagte sie zu Joseph, die Ruder ergreifend. „Du würdest ihn nicht finden," sagte er, „und — es führte mich zu nichts Gutem." Kamilla lachte schneidend auf. „Du bist im Irrtum, Joseph! Hältst du mich für so — feige, ihn suchen zu wollen? Mutter liegt im Fieber. Ich muß einen Arzt holen. „Mutter Maria ist krank?" fragte Joseph, schnell das Bost wendend. „Ja, schwer krank." „Dann werde ich den Arzt holen," rief er einfach, hastig die Netze einziehend. Noch ehe Kamilla eine Antwort geben konnte, war er schon fertig. „Ich danke dir, Freund," stieß sie hervor. „Nicht der Rede wert," antwortete der Fischer, das Segel fest bindend, „gebe Gott, ich kann einmal mehr für dich tun." — Als Kamilla nach Hause kam, fand sie die Mutter ohne Besinnung. Sie setzte sich ans Bett und nahm die heiße, runzlige Hand der Kranken in die ihren. Stunde auf Stunde verging so; dem jungen Weibe erschienen sie wie eine Ewigkeit. Es war nicht möglich, daß der Arzt vor Anbruch des Abends kam, und ffe wußte, daß Joseph sein möglichstes tun würde, um ihn so schnell als denkbar herüberzubringen. Ihre quälenden Gedanken trafen mit den Phantasien der Kranken zusammen. Welche grenzenlose Liebe konnte Kamilla aus der: irren Worten herausfühlen! Welche Sorge um ihr Wohlergehen, um ihrs Zukunft! Und dabei wußte Mutter Maria noch nicht alles. Hätte sie plötzlich die volle Wahrheit erfahren, sie wäre sofort gestorben. Soweit durfte es nicht kommen — das war Kamillas erster Gedanke, als sie ihrs Zukunft überdachte. Denn da gewann eine heilige Liebe in ihr an Kraft und Gewalt — die Liebe zu ihrem Kinde. Für dieses Kind mußte sie gesund bleiben und leben. In den furchtbaren Schmerz um Bertram mischte sich der süße Trost, Mutter zu werden. Immer wieder führte sie sich vor Augen, wie es sein würde, wenn erst das Kind da wäre. Er ist kein Kindersreund — wenigstens hatte er das gesagt. Aber Kamilla faßte diese Möglichkeit gar nicht. Wenn es erst da sein wird, dieses kleine liebe Wesen, so dachte sie, wird ihm auch die Liebe zu dem Kinde kommen. „Wenn er mich nicht mehr liebt, so wird er doch um des Kindes willen wieder gut und ehrlich gegen mich werden. . Denn ich bin ja doch die Blutter!" Die Abenddämmerung war hereingebrochen, als Joseph mit dem Doktor ankam. Es war das erstemal, daß Joseph Kamillas Heim betrat. Er blieb in der Ecke an der Tür stehen und ließ seine Äugen mit einer gewissen traurigen Zärtlichkeit über alle Gegenstände gleiten, gleichsam als wolle er das Gesamtbild iu sein Gedächtnis einprägen. Kamilla bemerkte es und sie fühlte einen Stich in ihrem Herzen, das von Bitterkeit erfüllt war. Der Arzt hatte die alte Frau untersucht. Er machte em bedenkliches Gesicht und mischte auf dem einfachen Holztische in einem Mörses den er mitgebracht hatte, ein Pulver. Joseph hatte augenscheinlich erraten, daß es sich «« eine Nerventtise handeln müsse. „Jede Stunde geben Sie der .Kranken einen halben Löffel dieses Pulvers in Wasser zu trinken," sagte er zu der jungen Frau. „Im übrigen kalte Umschläge um den Kopf und möglichst Ruhe. Ich werde morgen wieder nachsehen." „Und ich werde Sie wieder abholen, Herr Doktor," bemerkte Joseph in infacher Weise. „Gut," entgegnete der Arzt, seinen Hut er greifend, „Gott befohlen!" Joseph hatte seine Laterne angezündet und Kamilla sah ihm nach, wie er mit dem Arzte schnell den Dünen zuschritt. Spät Abends kam Bertram nach Hause. Er merkte kaum die Veränderung, die mit Kamilla vorgegangen war, erst als sie ihm sagte, daß die Mutter krank geworden sei, zuckte er zu sammen. „War der Bader da?" „Wir mußten den Arzt kommen lassen." „Einen Arzt? Bon der Küste?" -Ja-" „Wer hat ihn geholt?"