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?;°rljctzung^ Dunkle Gänge. Line Grvßstadmeschichle von Matthias (Nachdr. Eü.i Uhle. Beide schwiegen einen Augenblick. Dann hob die Tochter von neuem an: „Hast Du Krau Senator Meubrink gebeten, Dir das Fräulein für einige Nachmittagsstunden zur Verfügung zu stellen, um in feineren Häusern die Mitgliederliste Deines Vereins zur Einzeichnung vorzulegen? Eigentlich war das ja liberflüssig, nachdem die Meubrink selbst ihren Beitritt abge- lehut hatte." „Das sagte ich mir auch," erwiderte Frau Wenzel, die ner vös im Zimmer auf und ab zu gehen angefangen hatte. „Ich habe es trotzdem versucht, weil ich doch nicht ganz unverrichteter Zache abziehen wollte." „Und die Meubrink?" fragte Therese gespannt. Ihre Mutter brach in ein lautes Gelächter aus, als be lustige sie die Erinnerung an den Besuch lebhaft. „Weißt Du, was die impertinente Frau sagte? Sie fragte mich nur sehr erstaunt: „Warum schicken Sic dazu nicht Ihr Fräulein Tochter? Ich kann Fräulein von Winternitz nicht Anmuten, was Ihrem Fräulein Tochter zu beschwerlich scheint." Was sagst Du dazu?" Therese biß sich auf die Lippen. „Nun gerade soll sie sehen, daß ich ihren Sohn heirate. Wem: ich ihr nicht passe, — ihr Sohn paßt mir gerade!" Der Gedanke, daß sie auf diese Weise Genugtuung für die erfahrene Kränkung erhalten würde, fiel auch bei Frau Wenzel auf fruchtbaren Boden. Sie sonn einen Augenblick nach, dann sagte sie, indem ein boshaftes Zucken um ihre schmalen Lippen spielte: „Eigentlich hast Du recht, Thea! Nun gerade soll es sein. Die wird Augen machen, wenn der Doktor Dich als seine Braut ins Haus führt. Und das Fräulein von Winternitz muß dann auf der Stelle fort, — was, Thea?" Es hatte eine Uhr geschlagen, und das Mädchen meldete, daß das Frühstück — man aß nach englischer Art um V26 Uhr zu Mittag — serviert sei. Mutter und Tochter begaben sich ins Eßzimmer. Nachdem sie eine Weile schweigend der reichen Auswahl kalter und warmer Speisen zugesprochen hatten, fing plötzlich Therese wieder an. „Wenn nur die dumme Geschichte nicht wäre!" natürlich erzählen, daß sie bei nur war und daß ich sie vor die Tür gesetzt habe, — und Tein Doktor bringt es fertig, hierher zu kommen, um uns deshalb eine Szene zu machen." Therese stand auf. „Weißt Du, ich fahre gleich einmal hin und spreche mit der Person. Sonst macht sie womöglich Dumm heiten. Wieviel Schweigegeld wird nötig sein? Ob fünfzig Mark ausreichen? Na, sei man nicht gleich so wütend, — das Geld ist gut angewendet, wenn wir dafür Ruhe vor den alten Geschichten haben. Ich Will sie schon kirre machen. Ich lasse gleich anspanneu — die Adresse weiß ich ja, und der Diener kann mich begleiten. Adieu, Mama!" 9. Unfreiwillig auf dem Laus cherP 0 sten. Gertrud von Win- tecnitz schritt mit meh reren Paketen beladen von der Haltestelle der elektrischen Straßen bahn,'mit der sie ge kommen war, durch das Gewühl der hin und her wogenden Menschen. Mitten in dem Treiben der General cle Lacroix großstädtischen Stra ßen fühlte sie sich Ivie Armee im Miegsfalle. hinweggehoben über dch Alltäglichkeit die ser Welt, ihr Antlitz war von einem inneren Glücke verklärt, das ihr junges Herz in raschen Schlägen klopfen ließ. War es nicht ein süßes Geheimnis, das sie mit dem Menschen verband, den sie mit der ganzen keuschen Scheu und Innerlichkeit ihres Herzens liebte von dem ersten Augenblicke an, da sie ihn gesehen? Ein süßes Der französische MiniNerprälictent Llemenc«»» unä KriegsrrünMer Picquart in Uern lenkbaren Luktsckifs „Patrie". Geheimnis, das sie iin gemeinsamen Handeln mit ihm zusammen führte, ohne daß er es auch nur ahnte! Jetzt bog sie in die engeren Seitenstraßen ein, und als sie auf dem Zifferblatt des unter von Grünspan bezoge nem Kupferhelm über die Häuser hinweg blickenden Turmes er kannte, daß es schon gleich dreivicrtel auf drei Uhr war, beschleu nigte sie ihre Schritte und erreichte in weni gen Minuten den schmalen Bäckergang. Hansi kam ihr freudig entgegen gesprungen. Sie faßte den Kleinen bei der Hand und ließ ihn neben sich hergehen, während sie das vom raschen Gehen leicht ge rötete Gesicht zu ihm herabneigte. „Ist Onkel Doktor noch nicht hier gewe sen?" fragte sie. „Welche dumme Geschichte?" „Na, mit Deiner Schwester Sophie! Wie ich den Doktor ! kenne, läuft er alle Tage dahin, und da wäre es denn sehr leicht möglich, daß er einmal erfährt, daß die kranke Person meine ! Tante ist — und das weitere kannst Du Dir dann leicht denken." Frau Wenzel legte Messer und Gabel hin: „Es ist doch zu unangenehm, wenn einem die Verwandten auch noch solche Sor- gen machen!" sagte sie. „Aber Du hast recht. L-ophie wird ihm „Nein, — aber Onkel Doktor bringt mir ein neues Schiff mit, wenn er kommt." „Dann ivarte auch nur hier auf ihn," sagte Gertrud und klopfte dem Jungen liebkosend auf die schmalen Wangen. Nun wußte sie doch, daß sie Doktor Meubrink nicht antraf, — wenn sie schnell machte, würde sie gewiß eine Begegnung mit ihm ver meiden. Sie stieg zur Wohnung der Frau Johannsen hinauf. Die