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Allgemeiner Anzeiger : 07.08.1907
- Erscheinungsdatum
- 1907-08-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190708074
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19070807
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- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1907
-
Monat
1907-08
- Tag 1907-08-07
-
Monat
1907-08
-
Jahr
1907
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 07.08.1907
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poNtifeke Kunäfckau. Deutschland. *Kaiser Wilhelm traf am 3. d. auf hoher See zwischen Swinemünde und Misdroy mit dem Zaren zusammen. Der Monarch war von der gesamten Hochseeflotte begleitet, über die er zuvor eine Parade angenommen hatte. *Auf Anordnung Kaiser Wilhelms wird die Tätigkeit der freiwilligen Krankenpflege in Südwestafrika auch nach Beendigung der Kriegswirren bis zum 1. Oktober d. ausgedehnt. * Reichskanzler Fürst Bülow hat durch ein Schreiben an den Minister des Innern allen Polizeiverwaltungen die Mitteilung zugehen lassen, daß er es grundsätzlich ablehne, Straf anträge wegen Beleidigung seiner Person zu stellen. Er wünscht freilich, daß man ihm alle Fälle von Beleidigung seiner Person auch in Zukunft zur Kenntnis bringe, verzichtet aber ganz allgemein und von vornherein auf die Strafverfolgung. * Der Reichspostdampfer „Feldmarschall" mit Staatssekretär Dernburg an Bord ist in Kilindini ist Ostafrika eingetroffen. * Mit dem Dampfer „Borussia* der Hamburg- Amerika-Linie ist der ost asiatische Ab- lösungstransportin Stärke von 50 Offi zieren und etwa 950 Unteroffizieren und Mann schaften in Hamburg eingetroffen. *Wie verlautet, ist zwischen den maß gebenden Stellen in Preußen und Würt temberg in bezug auf die schwebenden Eisenbahnfragen ein vollständiges Über einkommen erzielt worden, dessen Wortlaut dem nächst veröffentlicht werden soll. Österreich-Ungarn. * Die Konferenz über die gleichmäßige Ge staltung der Eisenbahn - Verkehrs- Ordnungen Deutschlands, Österreichs und Ungarns, die am 23. Juli in Salzburg begann, hat nunmehr zu vollster Zufriedenheit der Teil nehmer ihren Abschluß gesunden. Die endgültige Annahme der neuen Verkehrsordnung, die auf einer zweiten, vor Schluß dieses JahreS stattfindenden Konferenz erfolgen wird, bedeutet einen einschneidenden Fortschritt für den Per sonen- und Frachtenverkehr. Frankreich. * In unterrichteten Kreisen berechnet man die Kosten für Herstellung und Unterhaltung der ge planten neuen lenkbaren Luftschiffe auf etwa 10 Mill. Frank, die auf die nächsten Budgetjahre verteilt werden sollen. England. *König Eduard, der am 15. d. zu eintägigem Besuch beim Kaiser FranzJosepH in Ischl eintrifft, wird dort einen Tag verweilen. In Begleitung des Königs wird sich der Unter staatssekretär des Auswärtigen Amts, Hardinge, befinden. Außerdem wird der Begegnung auch der österreichische Minister des Äußern, Baron Ahrenthal beiwohnen. Die Monarchenzusammen kunft wird also hochpolitische Bedeutung haben. * Im Unterhause kamen verschiedene Redner auf das in Vorschlag gebrachte englisch russische Einvernehmen zu sprechen und brachten mit Rücksicht auf die gegenwärtige innere Lage Rußlands ihre Genugtuung über die kürzlich erfolgte Mitteilung zum Ausdruck, daß die Verhandlungen auf Grenzfragen be schränkt werden sollen. *Der Vizekönig von Irland hat eine Eingabe der streikenden irischen Polizisten um Gehaltsaufbesserung mit der Begründung zurück gewiesen, daß die englische Regierung nicht in der Lage sei, mit Streikenden, die ihre Pflicht schwer verletzten, zu unterhandeln. Die Führer des Streiks in Belfast sind entlassen worden. Holland. * Die Untersuchungskommission der Friedens- konferenz für die Beratung des Schieds gerichts begann unter dem Vorsitze Bourgeois' die Debatte über die Errichtung eines ständigen Schiedesgerichtshofes, für den Choate, der Ber ber Ver. Staaten, warm eintrat. Er ermahnte die Konferenz, alles aufzubieten, um zum Ziele zu kommen, da schon sechs Wochen vergangen seien und man nur Verordnungen für Krieg erlassen, aber nichts getan habe, um ihn zu ver hindern. Die Konferenz möge beweisen, daß sie den Friedens-, nicht den Kriegszustand ein- sühren wolle. Die Errichtung eines dauernden Schiedsgerichtshofes wurde dann von dem Ver treter Rußlands v. Martens, dem Engländer Sir Edward Fry, dem Amerikaner Scott und dem Vertreter Deutschlands v. Marschall empfohlen. Letzterer erklärte, Deutschland be trachte die Einsetzung eines ständigen Schieds gerichts als einen wesentlichen Fortschritt und werde alles aufwenden, um den Hauptzweck der Konferenz zu verwirklichen. * Die Ministerkrise ist nun nach monatelanger Dauer endlich überwunden, nach dem auch der Bosten des Marineministers mit Admiral Wentholt besetzt worden ist. Spanien. * Angesichts der ernsten Vorgänge in Ca sa- bla n c a, wo auch Spanier umgebracht sind, beschloß der Ministerrat die Entsendung des zweitklassigen Kreuzers „Alvaro de Bazan". Mit Frankreich ist hinsichtlich eines ener gischen Einspruchs ein Einvernehmen ge troffen. Ruhland. * Die Streikunruhen in Lodz haben zu schwerem Blutvergießen geführt. Viele Personen wurden verwundet, eine Anzahl von Gebäuden durch Bombenwürfe zerstört. Die ganze Stadt ist mit Militär besetzt. Vom Gou verneur wurde im Falle einer Wiederholung der Ausschreitungen die Verhängung desBelage - rungszustandes angedroht. Balkanftaaten. *Wie aus Konstantinopel gemeldet wird, beabsichiigt KönigEduard von England im Herbst dem Sultan einen Besuch zu machen. Aus derselben Quelle kommt die Nachricht, daß kurz darauf auch Kaiser Wilhelm in Konstantinopel weilen werde. An den amtlichen Stellen in Deutschland verlautet noch nichts von dieser Reise. *Der Sultan der Türkei trägt sich wieder einmal mit der Idee, seine Finanzen und die seines Reiches endgültig zu ordnen. Durch einen schleunigen Erlaß ordnete er des halb an, daß alle Maßregeln zur Regelung der Finanzen getroffen und Mittel zur Ausbeute des Landesreichtums ge sucht werden sollen. Der Erlaß des Großherrn gibt leider keine geeigneten Wege an, dieses längst ersehnte Ziel zu erreichen. Amerika. * Vor einiger Zeit verlautete, daß japa nische KuliS in Massen über die mexikanische Grenze nach den Ver. Staaten gelangten. Die Staatsregierung hat nunmehr, wie aus Washington gemeldet wird, mit Mexiko über diese Frage Unterhandlungen eröffnet. Der Kinstrom dieser von den Ver. Staaten ver botenen Einwandererklaffe hat einen solchen Umfang angenommen, daß die Grenzinspektoren nicht mehr imstande sind, die Einwanderer an der Grenze zu kontrollieren und die japanischen Einwanderer zurückzuweisen. Man macht darauf aufmerksam, daß Kanada, als chinesische Kulis in Scharen über die Grenze von Englisch- Columbia ins Land kamen, auf alle Chinesen, die nach Kanada kamen, eine schwere Kopf steuer legte und dadurch die unerwünschten Einwanderer mit Erfolg zurückhielt. Man glaubt, daß Mexiko in ähnlicher Weise ver fahren werde. Afrika. *Wie nunmehr amtlich bestätigt wird, ist die Lage in der marokkanischen Hafenstadt Casablanca äußerst ernst. Nach der Er mordung der sieben Franzosen und drei Spanier haben sich die Rebellen der Stadt be mächtigt und um die Europäer am Entfliehen zu hindern alle Tore geschloffen. Auch die Hafenstadt Rabat wird von den umliegenden Stämmen belagert, die gegen die europäische Zollkontrolle protestieren. Infolge dieser Vor kommnisse haben die Regierungen Frank reichs und Spaniens ein energisches uns einmütiges Vorgehen beschlossen. Man wird das Auswärtige Amt in Marokko für die Vorgänge verantwortlich machen und schwere Sühne verlangen. Man nimmt in Frankreich (mit Recht) an, daß Deutschland die nunmehr notwendigen Schritte nicht verhindern werde. Wie dis Dinge sich jetzt entwickeln wer den, ist schwer zu sagen und hängt vor allem von dem Entgegenkommen ab, das der Sultan den beleidigten Regierungen zeigen wird. Asten. *Die Japaner haben nunmehr in Korea die Truppenvsrbände aufgelöst und somit ihre Herrschaft völlig sichergestellt. Aus Anlaß dieser Maßregel versuchten noch einmal die Bewohner der Hauptstadt Söul gegen die Eigenmächtigkeit der Eindringlinge zu protestieren. Alle Ansammlungen wurden aber mit Waffen gewalt zerstreut und die Garnison entwaffnet. Alle Soldaten erhielten von den Japanern einen Jahressold ausgezahlt. (Und da heißt eS noch immer, Japan sei in ernster Geldverlegenheit.) *Der wahnsinnige König vonAnam ist durch die französische Negierung seiner Würde entsetzt worden, die er seit 1899 unter Frank reichs Schutzherrschaft bekleidete. In Gemäßheit eines kürzlich gefaßten Beschlusses der französi schen Regierung darf König Thanh Thas sein Palais nicht mehr verlaffen und gleichzeitig ist die Einsetzung eines RegentschastsrateS verfügt worden, der aus dem Ministerrat unter dem Vorsitz des Justizministers gebildet wird. Der Regentschaftsrat trat sofort zusammen, ohne daß sich ein Zwischenfall ereignete. „VeutscklLnäs fükrung". Unter dieser Überschrift bespricht die liberale Londoner.Tribune' die letzten Verhandlungen der Friedenskonferenz und gibt ihrer Freude darüber Ausdruck, daß es nun endlich doch ge lungen sei, einen entschiedenen Schritt vorwärts zu machen. Die Ehre dafür gebühre den Ver. Staaten, und wenn der englische Vertreter den amerikanischen Vorschlag auch unterstützt habe, so sei das in keiner besonders hervorragenden Art geschehen. Das Blatt greift die englische Regierung an, die für diese Situation verant wortlich gemacht und der es auch zur Schuld angerechnet werden müsse, wenn man über die Reden der englischen Vertreter so wenig erfahre. Die deutsche Regierung habe da viel modernere Auffassungen von ihrer Pflicht, und so komme es auch, daß die Rede des deutschen Vertreters die Situation vollkommen zu beherrschen scheine. Die .Tribune' spricht sich weiter sehr anerkennend darüber aus, daß Deutschland die amerikanischen Schiedsgerichts-Vorschläge in warmer Weise be fürwortete und meint zum Schluß, Deutschland sei heutzutage voran, eine Tatsache, über die man sich nur aufrichtig freuen könne, obwohl eS nicht unnatürlich sei, wenn die Liberalen Eng lands eine gewisse Eifersucht darüber empfänden, daß nicht Großbritannien die Führung habe. Mr. Stead, der vom Haag auf einen kurzen Besuch nach London gekommen ist, erklärte einem Vertreter der Presse, er habe nur sehen wollen, ob Sir Henry Campbell - Bannerman hier eigentlich noch am Ruder sei, oder ob die englischen Gesandten im Haag jetzt ihre In struktionen von Sir Francis Bertie, dem eng lischen Botschafter in Paris, erhielten, der als Gegner der Abrüstungspolitik bekannt sei. Er zog in sehr scharfer Weise über die englischen Vertreter her und meinte, das einzige, was sie erreicht hätten, sei, daß der Ruf Englands als Vorkämpferin des Friedens endgültig vernichtet worden sei. Die ,Daily News' bemerkt mit ziemlicher Bitterkeit, als der Premier davon ge sprochen habe, daß England sich an die Spitze der europäischen Friedensliga stelle, könne ihm kaum eine alte und förmliche englische Politik bei der zweiten Haager Konferenz vorgefchwebt haben, wo England die bestimmten Friedens- Vorschläge andern überlasse und nicht einmal sonderlich schnell mit der Unterstützung des amerikanischen SchiedsvorschlageS bei der Hand sei. Von I^ak unä fern. X Der indische Maharadscha, der seit einigen Tagen mit seinen Söhnen und einem größeren Gefolge am Großh. hessischen Hofe weilt, hat Jagdschloß Wolfsgarten bei Darmstadt wieder verlassen und sich über Mainz- Köln zunächst nach London begeben, von wo aus er demnächst die Heimreise anzutreten ge denkt. Der indische Fürst hatte für das Groß herzogspaar wertvolle Geschenke mitgebracht und hat auch bei seinem Abschied die Umgebung und Dienerschaft reichlich bedacht. Ei» Fürstentum unter Zwangsverwal» tnng. über das Lehnsfürstentum Sagan wurde nach der ,Bresl. Ztg.' die Zwangsverwaltung verhängt, weil die herzogliche Kasse durch einen französischen Gläubiger des Herzogs gepfändet wurde. Zusammenstoß eines deutschen Ozean dampfers mit einem Segelschiff. Die Hamburg-Amerika-Linie meldet, daß der Schnell dampfer ?Kaiserin Auguste Vittoria" im Ärmel kanal bei Nebel mit einem französischen Segel schiff leicht zusammengestoßen ist. Beide Schiße sind fast unbeschädigt und haben die Reise fort gesetzt. DaS Segelschiff ist inzwischen in Havre eingelaufen; es ist die französische Bark „Ville de Dijon" von 2025 Registertonnen, die sich auf der Fahrt nach Amerika befand. Bei dem Mittionenfuud auf der Insel Föhr soll es sich um kassierte, also wertlose Schecks älteren Datums gehandelt haben, die wahrscheinlich von einem Diebstahl herrühren. So berichtet man dem ,B. L.-A.'. Dagegen wird dem ,Berl. Tageblatt' gemeldet, daß bei einer Untersuchung der am Sttande gefundenen Papiere deren Echtheit sich ergeben habe. Der Fund soll von dem Untergange des Dampferb „Berlin" bei Hoek van Holland im Februar herrühren. t. Eine Stadt, die ihre Bürger — am borgt, ist M.-Gladbach. Die Verwaltung dieser Stadt befindet sich wegen des augenblicklich ungünstigen Standes des Geldmarktes in einer kritischen finanziellen Lage. Da sie Gelder nicht auftreiben kann, so hat sie sich in eine» offenen Ausrufe mit der Bitte an die Bürger gewandt, ihr für die Hauptkasse zur Deckuna des augenblicklichen Geldbedarfes der Stadl aushilfsweise Kapitalien zur Verfügung Z» stellen. Diese Aushilfsgelder sollen gegenseitig auf sechs Monate kündbar sein und aßt 4V- Prozent verzinst werden. Mehrere größere Firmen und Private haben sich sofort bereit ge- funden, helfend einzuspringen. Ein schwerer BootSnnfall auf del Elbe. Mn Professor der Hochschule in Przibra«, namens Groh, unternahm mit seinem Bruder und seinen vier Kindern eine Bootsfahrt a»l der Elbe. Infolge Sturmes kenterte das Boot in der Nähe von Prag, der Professor und ei» Kind ertranken, während sein Bruder und die übrigen drei Kinder nur mit großer Mühe ge rettet werden konnten. Ein tödlicher Unfall ereignete sich bei dem Brückenbau über die Oder seitens de? Pommerschen Pionier-Bataillons Nr. 2 bei Zellm. Mn Einjähriger verwickelte sich in das Ankertau, wurde in die Oder gerissen und er trank. — Kurz zuvor war ein siebzigjährige! Mann, der der Übung zusah, infolge eines Herzschlages kopfüber in das Wasser gestürzt. X Eine ganze Familie verunglückt- Mn schwerer Wagenunfall, von dem eine ganze Familie betroffen wurde, ereignete sich in der Nähe deS Herzoglichen Schlosses Altenstein bei Meiningen. Als die Ausflügler in einem Eid' spänner von Winterstein den steilen Berg na» dem Gasthof bei Altenstein hinabfuhren, veM der Kutscher die Herrschaft über das Pferd u»° den Wagen und fuhr so heftig gegen ein eisernes Gitter, daß die Insassen aus dem Wagen ge schleudert wurden und sämtlich mehr oder minder schwere Verletzungen davontrugen. Der von dem Unfälle benachrichtigte Herzog Georg vo» Sachsen-Meiningen erkundigte sich zugleich aB im Namen seiner Gemahlin nach dem Befinde» der Verunglückten und sorgte für deren sofortig! Unterkunft im Schlosse, wo ihnen ärztliche W zuteil wurde. , Ein seltenes Spiel der Natur. M dem Dominium Herzdorf in Schlesien brachte eB Kuh drei vollständig normale und kräftig ent wickelte Kälber zur Welt. A Verlorene I^iebe. S) Novelle von Hermann Olschläger. (Fortsetzung.! Agnes warf Hellmann einen bittenden Blick zu und erreichte dadurch auch, daß jener das Beleidigende, das wieder in Gartners Worten lag, zu übergehen beschloß. Aber die Freude wollte er Gartner doch nicht machen, Por ihm die bemerkte Tatsache abzuleugnen und ihre Wahrheit zuzugestehen. „Sie haben," sagte er darum, „in allem vollkommen recht, und ich kann die Tatsache, von der Sie sprechen, um so eher hier zugeben, als wir beide von ihr ja nicht gestört oder be troffen werden." Gartner zuckte leicht mit dem einen Winkel seines Mundes und rief dann: „Aber den Grund sagen Sie mir, den Grund! Was steckt nicht alles während eines Krieges im Soldaten rock! Und soll denn dieser allein den Zauber ausüben?" „Ich glaube nicht — wenigstens gibt ein Schriftsteller, der diese Beobachtung, die Sie heute so sehr zu interessieren scheint, schon vor mehr als vierzig Jahren erwähnt hat, und der im Rufe steht, ziemliche Erfahrungen in der gleichen Dingen zu besitzen, hiefür einen andern Grund an." „Und der ist?" „Ich bedaure lebhaft," entgegnete Hellmann mit einer Artigkeit, deren Ironie unverkennbar war, „Ihnen nicht dienen zu können; ich habe daran' vollkommen vergessen." .Wirklich?" antwortete Gartner mit ver- Jn keinem Augenblicks konnte sich Hellmann von Agnes' Frage mehr beengt fühlen, als in diesem. Er geriet in Verlegenheit und gestand endlich, daß die Soldaten eben im Begriffe seien, die von ihm diktierte Strafe abzubüßen. „Wie?" rief Agnes. „Sie haben die Leute bestraft? Wegen dieses Vergehens? Und trotz meiner Fürbitte?" „Wie ich sagte." „Nun, Sie mußten am besten wissen, was Sie zu tun hatten," sagte Agnes und arbeitete an ihrer Häkelei weiter. Man vermochte ihr nicht anzusehen, ob sie beleidigt und verletzt, oder ob sie auch nur schmerzlich berührt sei. Keine Fiber zuckte in ihrem schönen Gesichte, und sie schwieg. Gartner aber hatte erst aufgelauscht, wir um zu erraten, um was es sich handle; dann fragte er: „Sprechen Sie von dem gestrigen Auftritt hier im Wirtshause?" Der Oberleutnant bejahte es. „Wie?" rief Gartner, „und du, Agnes, hast für die Soldaten um Verzeihung gebeten? Du selbst, die man so roh angegriffen? DaS ist wieder dein gutes, himmlisches Herz gewesen, das dich so handeln ließ! Hast du nicht schon als Kind für mich unter Tränen gebeten, wenn mich der Bate: in verdienter Weise prügeln wollte, weil ich dir beim Spiele wehgetan oder dich gar in wilder Weise geschlagen hatte? Ach, ich war damals schon ein trotziger, jäher Bursche und du schon das seelengute, englische Geschöpf, das du noch heute bist." Gartner hatte sich in eine wahre Begeisterung hineingesprochen, seine Augen glänzten und sein biffenem Ingrimm. „Ist Ihnen vielleicht auch der Name des Schriftstellers entfallen?" „Nein, mit diesem kann ich dienen: es ist ein gewisser Heine, Heinrich Heine." „Heine? Von dem habe ich schon gehört und werde ihn auch wahrscheinlich unter meinen Büchern haben. Wahrhaftig, die Zeit soll mich nicht reuen, die von Ihnen leider vergessene Stelle nachzuschlagep." „Es dürfte Ihnen schwer fallen, selbe zu finden. Heines Werke umfassen achtzehn ganz ansehnliche Bände." „Das ist freilich viel. NM, Agnes, dann mußt du mir suchen helfen, das heißt, wenn du einmal mein Frauchen bist und mehr Zeit hast, als dir jetzt die Geschäfte laffen." Damit bog er sich zu Agnes herüber, seinen Arm um ihre Hüfte zu schlingen. Diese wich mit abwehrender Bewegung aus. Gartners Annäherung hatte nicht eben etwas Aufdringliches gehabt, sie schien aus einem über wältigenden Gefühl hervorgegangen zu sein, und ruhig gab er auch vor dem Widerstreben des Mädchens nach. Nur war es, wie wenn ihm etwas in der Brust wehe getan habe, er sah Agnes mit seinen großen, dunklen Augen noch einmal voll an, wie in stillem, traurigen Vor wurf, und blickte dann stumm zu Boden, in Gedanken versunken. Die Szene war peinlich; Agnes aber, um den unerguicklichsn Eindruck zu verwischen, fragte mit gezwungenem Scherz: „Nun,, Herr Ober leutnant, Sie sagen mir ja gar nichts, wann Ihre armen Sünder kommen werden, sich bei mir für meine Fürbitte zu bedanken." Antlitz verschönte sich in der edlen, großen regung. „Sehen Sie," wandte er sich zu Hellman»' „sehen Sie diesen Tabaksbeutel. Er ist alt, ab genützt, die Stickerei nicht mehr zu erkennen natürlich, ich trage ihn nun schon vier Jab" alle Tage, jede Stunde, und ich werde ib" tragen, bis jeder Faden morsch und jede Alain! gebrochen ist. Diesen Beutel habe ich Agnes. Er ist mein größtes, mein heiligt Gut, daS ich besitze; aber hier — Sie solle" ihn haben, wenn Sie erraten, warum mir >"» Agnes gestickt hat. Ich will es Ihnen erzähle» Das war, wie gesagt, vor vier Jahren. war Ms ihrer Stube und verlangte etwas, wa» sie nicht tun wollte. In Schwandorf war nämlm ein Ball, für den sie eine Einladung angenommen hatte, und ich, der selbst nicht eingeladen M»s' verlangte nun, daß auch sie wegbleibe. S>e wollte nicht. Ihr Widerstand erbitterte m^ Wenn ich in Zorn gerate, schießt mir das Blm in's Gesicht und ich sehe rot vor meinen Aug°»' Ich kenne mich nicht mehr. Noch einmal »m ich und hatte sie in meinem Drängen beim gefaßt. Sie blieb fest, und jetzt — jetzt sm^ mir das Blut zum Herzen und ich gab ihr Wut einen Stoß, der sie zurück gegen emk» Tisch schleuderte. Unter einem Schmerzens sank das Mädchen zusammen, sie hatte sich Zurücktaumeln den einen Fuß verrenkt. -la» eilte zur Hilfeleistung herbei, und ich weiß mehr, wie ich Ms dem Zimmer kam. Ag»^ war mehrere Wochen ans Bett gefesselt. Zu dm, Zeit verbot mir ihr Vater, je wieder sein . zu betreten. Ich beschwor ihn, ich lag vor ihm» ' ,
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